Passage Hawai’i nach Alaska, Tag 3

Schnelles Segeln, aber die kräftige Schräglage und die 2 m hohen Wellen machen es auch etwas anstrengend. Insbesondere, wenn kleinere Arbeiten anstehen. Der Tausch der Gasflasche zum Beispiel. Kein großes Ding, aber für die Ersatzflasche müssen wir eine der achteren Backskisten (also der Stauräume an Deck) komplett ausräumen. Klappe öffnen, feststellen, und auf dem Bauch liegend alles aus dem Stauraum herauskramen. Putzzeug, Pütz mit Kleinkram, Salzwasserschlauch, Frischwasserschlauch, Fenderbrett, Leinen. Dann die Gasflasche im Gaskasten auf dem Seitendeck (ebenfalls auf dem Bauch liegend und kopfüber arbeitend) tauschen und alles wieder verstauen. Im Hafen ganz easy, aber jetzt auf dem schwankenden Schiff doch eine gewisse Herausforderung, auch für den Magen.
Auch die nächste Aufgabe, Abfüllen von Frischwasserflaschen. Der Wassermacher läuft, nachdem der Tank voll ist fülle ich mit dem Schlauch aus dem Schrank in der achteren Dusche (wo die Bedieneinheit unseres Wassermachers untergebracht ist) die leeren Flaschen. Am Schluss passiert mir leider ein blöder Bedienfehler und ich zerschieße mir den Remineralisierer. Das ist nicht tragisch, der Wassermacher funktioniert weiter, auch das Abfüllen in Flaschen, aber der Weg vom Wassermacher zum Bootstank ist damit auch erst einmal futsch. Grrr. Da muss ich mir ein Provisorium einfallen lassen, wenn wir nicht bis Alaska den Tank aus Flaschen befüllen wollen (falls überhaupt nötig, eigentlich sollten die 600 Liter reichen).
Lichtblick: Kurz vor dem Abendessen geht uns eine schöne etwas über einen Meter lange Goldmakrele (Mahi Mahi) an den Haken und trotz der flotten Fahrt bekommen wir sie auch an Bord. Das Filetieren auf dem Achterschiff ist dann allerdings wieder ein Balanceakt.

Die noch etwas gereizten Mägen bekommen zur Beruhigung eine leichte Möhren-Reis-Suppe mit „Polska“-Wurst (oder was man in Hawai’i dafür hält), Mittags gab es schon leckere Pizzadillas aus der Pfanne.

Heute morgen dann ein schöner blauer Himmel mit Passat-Wölkchen, nur leider eben nicht auf klassischem Passat-Raumschotskurs, sondern weiterhin bei leicht vorlichem Wind.

Etmal 185 sm in den letzten 24 Stunden, gesamt gesegelt bisher 523 sm. Noch zu segeln wohl 2.127 sm, wir haben die Schätzung der Gesamtstrecke nach dem PredictWind-Routing auf 2.650 sm angepasst.

Aloha.

Passage Hawai’i nach Alaska, Tag 2

Gleich nach dem gestrigen Post geht erst einmal eine dunkle Regenwolke durch. Ganz klassisch, mit Böen (um die 30 kn), Winddreher und dann Flaute. Wir dümpeln einige Zeit langsam vor uns hin, sind versucht, aus dem 2. Reff ins 1. Reff zu wechseln, lassen es aber. Gute Entscheidung, denn kurz danach frischt es noch einmal ordentlich auf. Erst später am Nachmittag lässt der Wind dann doch soweit nach, dass wir ins 1. Reff gehen. Es wird unsteter: immer wieder schläft der Wind fast ein, dreht auch ordentlich hin und her. Dann wieder kräftige Böen. Die Schoten, die wir sonst auf langen Passagen oft tagelang nicht anfassen, müssen häufiger dichtgeholt und wieder gefiert werden. Aber hej, das ist Segeln und alles in allem kommen wir gut voran.
Der Himmel ist wolkig, keine fluffigen Passatwolken, eher ein graues Band mit ein paar blauen Löchern und dunkelgrauen Flecken andererseits, die uns aber zum Glück tagsüber alle verpassen (nachts erwischt uns auch nur eine richtig).
Wie oft zu Beginn von Passagen schlafen wir auch tagsüber viel, wechseln uns im Cockpit ab, allerdings tagsüber ohne feste Schichten.
Kaum zu fassen: auf den Nachtwachen verlangen unsere wärmeverwöhnten Körper im Cockpit schon wieder lange Hosen und eine leichte Decke. Socken verweigere ich noch, aber vermutlich nicht mehr lange ;-).
Einige Geburtstagsglückwünsche von der Familie und lieben Freunden haben mich über Satellit erreicht, ganz lieben Dank dafür.

Essen: wir haben – was selten vorkommt, da wir unseren zweiten Kühlschrank ja nicht als Kühltruhe eingestellt haben – Hackfleisch eingekauft. Am ersten Tag gab es Lauch-Hack-Käse-Nudelsuppe, gestern dann Mango-SweetChili-Salat zu Reis mit Teriyaki-Hack-Gemüse.

Etmal: 163 Seemeilen (gesamt bisher 338 sm), noch verbleibend 2.262 sm

Gestern vergessen zu erwähnen, aber für die meisten von Euch ja schon bekannt: die Beiträge auf Passagen, also auch dieser, werden per IridiumGo über Satellit übermittelt, Bilder gibts deshalb erst später. Wir freuen uns über Kommentare, können aber auf diese erst reagieren (und bei Erstkommentierung auch erst dann freischalten), wenn wir wieder Telefon- und damit breitbandigen Internetempfang haben, also in Alaska.

Passage Hawai`i nach Alaska, Tag 1

Zum Abschied vom schönen Kaua`i fahren wir mit dem Dinghy den Hanalei River ein ganzes Stück hinauf, gehen im Ort ausgesprochen lecker Essen, kaufen noch ein letztes Mal ein.
Morgens am Ankerplatz warten wir noch einen Regenschauer ab, dann geht es los. Begleitet vom niedrigsten Regenbogen, den wir bisher gesehen haben, er wölbt sich nur ganz knapp über dem Wasser entlang. Dann reißt der Himmel wieder auf und im warmen Morgenlicht fahren wir ein Stück an der spektakulären Na Pali Küste entlang. Wirklich beeindruckend, eigentlich wollen wir dicht unter der Steilküste noch weiter an dieser tollen Kulisse entlangfahren. Aber ein von achtern aufziehender weiterer kräftiger Schauer lässt uns anders entscheiden. Wir gehen ins zweite Reff und richten Floras Bug nach Norden. Tatsächlich bleiben wir trocken, während hinter uns das Land in dichten Regenwolken verschwindet.
Das zweite Reff bleibt im Großsegel, mit etwa 60 Grad am Wind geht es durch den Tag und auch die Nacht. Schönes, schnelles Segeln, insbesondere nachdem die weißen Schaumkronen weniger werden. Etwa 20 Knoten Wind pendeln sich ein, mal etwas weniger, selten mehr.
An meinem Geburtstagsmorgen gibt es sogar Geburtstagskuchen mit Kerze. Es ist mein vierter Geburtstag auf dieser Reise, wir waren ja nur ein paar Tage vor meinem 54. Geburtstag in Griechenland gestartet. Wir lassen die Zeit noch einmal Revue passieren, sooo viele schöne Erinnerungen und Begegnungen. Im vorigen Jahr waren wir an meinem Geburtstag in Annapolis mit Annemarie und Volker essen …

Etmal 176 sm, sehr flott, wenn man bedenkt, dass dieses Mal kein schiebender Strom zu berücksichtigen ist. Die zu erwartende Gesamtstrecke lässt sich nur sehr schwer angeben, weil wir einfach noch nicht wissen, wie viel Umweg wir um die Schwachwindgebiete herum machen müssen oder können. Wir gehen für den Anfang mal von etwa 2.600 Seemeilen aus, dann wären also noch 2.434 sm verbleibend.

Kaua’i und letzte Vorbereitungen

Die nördlichste – viele sagen: die Schönste – der größeren Inseln des Hawai’i-Archipels wollen wir gerne noch besuchen: Kaua’i.

Auf dem Weg dorthin ankern wir für eine Nacht im Vorhafen von Haleiwa im Norden von O’ahu. Aber schon um 3.00 Uhr nachts geht es weiter, denn vor uns liegen 90 sm bis Kaua’i.

Es wird ein Segeltag mit idealen Bedingungen, trotzdem grummelt es leicht im Magen. Aber um 18.00 laufen wir in die wunderschöne Hanalei-Bucht auf Kaua’i ein. 15 Sunden, wie geplant noch bei Tageslicht, die frühe Abfahrt war gut getimt.

Hier rücken die Berge nah an die Küste, nach Westen hin schließt sich die spektakuläre Nā Pali Küste an, die wir bei der Abfahrt Richtung Alaska noch näher anschauen wollen. Landseitig ist sie kaum zugänglich, der ansonsten am Ufer entlang um die Insel führende Highway 560 bricht dort ab. Nach Osten hin ist es etwas flacher und entlang des hier mündenden Hanalei River gibt es sogar (Wasser-) Felder, überwiegend wird hier Kalo (=Taro) angebaut. Die Knollen dieser Pflanze werden zum traditionellen Hawaiianischen Grundnahrungsmittel Poi verarbeitet, die Blätter zum Beispiel für Lau Lau genutzt, ein weiteres traditionelles hawaiianisch-polynesisches Gericht, in seiner ursprünglichen Form im Erdofen gegart.

Das ich diesen Ausblick habe, verdanken wir der unglaublichen Gastfreundschaft hier. Mit dem Dinghy fahren wir in den Hanalei River, im Gepäck Rucksäcke für den letzten Einkauf von frischen Lebensmitteln und unseren Hackenporsche mit zwei Zwanzig-Liter Kanistern, deren Diesel wir zuvor in den Schiffstank geschüttet hatten und die nun wieder aufgefüllt werden sollen. Zur Tankstelle ist es ein langer Fußmarsch, aber es soll auch einen stündlich fahrenden Bus geben. Ist allerdings fraglich, ob der uns mit Kanistern einsteigen lassen würde. Ein Stück den Fluss hinauf legen wir am Ufer an und binden das Dinghy an einer Palme fest. Riley sitzt daneben im Liegestuhl hinter seinem Truck. Wir kommen ins Gespräch, fragen ihn nach dem Weg zur Tankstelle. Er beschreibt uns den Weg, “aber das könnt ihr nicht laufen. Ich würde Euch ja fahren, aber da ist mir jetzt zu viel Verkehr. Nehmt einfach meinen Truck. Schlüssel steckt.” Machen wir, ich setze Wiebke am Supermarkt ab, fahre zur Tankstelle. Das wäre zu Fuß tatsächlich nicht nur weit, sondern auch schwierig geworden. Es geht ziemlich steil den Berg rauf und die schmale Straße hat keinen Randstreifen und erst recht keinen Fußweg. Danke, Riley. Wir laden ihn auf ein Bier zu uns auf die Flora ein und es wird ein angeregtes, spannendes und persönliches Gespräch.

Wie an fast allen Ankerplätzen sind auch in Hanalei viele Auslegerkanus unterwegs. Wie sehr das auf Hawai’i Volkssport ist zeigt sich heute, als am Ufer Zelte aufgebaut werden und vor dem Strand eine Rennstrecke abgesteckt wird. Den ganzen Tag schallen die Kommandos der Bootsführer und die Anfeuerungsrufe der vielen Zuschauer zu uns herüber.

Trotz immer wieder auch trauriger Gedanken, heute sind wir genau drei Jahre unterwegs. das wollen wir würdig begehen. Wiebke backt einen Jubiläumskuchen (eine Variation von Tante Christas Zitronen-Baiser).

Fahren wir morgen wirklich los? Nein, einen Tag geben wir uns noch. Also Abfahrt am Montag. Es sei denn, der Wetterbericht ändert sich noch einmal. Waren zuletzt in flotter Folge Tiefs durchgezogen, scheint sich jetzt das nordpazifische Hochdruckgebiet mit etwa einem Monat Verzögerung (La Niña bedingt) zu stabilisieren. Unsere Route um dieses Hoch herum wäre dann etwa 2.600 Seemeilen lang, würde aber günstigere Winde erhoffen lassen, Segelzeit dann vielleicht drei Wochen. Für den direkten Weg (2.300 sm) hatte unser Routenprogramm zwischendurch auch schon mal 30 Tage ausgewiesen, zu viel Gegenwind und Flauten. Dann doch lieber so:

Aloha.

Kāne’ohe Bay

Wir haben uns entschieden, noch einige Tage in Hawai’i zu bleiben und die Abfahrt nach Alaska etwas zu verschieben. Aus der quirligen Großstadt Honolulu verabschieden wir uns aber, um den Süden von O’ahu herum fahren wir auf die Ostseite der Insel, in die Lagune von Kāne’ohe. Es ist keine Spazierfahrt, ziemlich schaukelig und erst im letzten Drittel vernünftig segelbar.

Die Einfahrt in die Bucht ist beeindruckend. An Steuerbord ragen steile grüne Berghänge in die Höhe, die das Ka’a’awa Tal abschirmen, es erinnert an Jurassic Park. Erinnert? Nein, nicht nur. Teile der Filme wurden tatsächlich hier gedreht.

Und auch voraus an der Westseite der Bucht zieht sich ein Gebirgszug wie eine natürliche Festungsmauer entlang, nur dass er hier ein kleines Stück vom Ufer zurück emporsteigt und damit Raum für ein paar kleinere Ortschaften bietet. Das Besondere der mit Korallenköpfen gespickten Bucht ist das große Barriereriff, das sie vor dem Pazifikschwell abschirmt und zudem eine beeindruckende Sandbank beinhaltet. Boote können aus dem Inneren der Bucht im tiefen Wasser bis an die Sandbank heranfahren, sogar den Anker auf die Sandbank fallen lassen und sich mit dem Heckanker im 12 m tiefen Wasser vor einem Herumschwingen schützen.

Wir wählen aber die klassischere Variante und ankern frei schwingend etwas abseits der Sandbank, nachdem wir uns im betonten Fahrwasser zwischen den Korallenbommies (den oliv-braunen Flecken im Drohnenbild) hindurch getastet haben.

Durchatmen, jetzt erst einmal diese Landschaft in uns aufnehmen:

Anders als in Honolulu an O’ahus Westküste bleiben die Wolken hier im dem Wind zugewandten Osten der Insel zumeist nicht auf Abstand, sondern ziehen in schneller Folge durch. Bleiben an den Bergen hängen und bescheren uns immer mal wieder einen Regenguss.

Morgens, Mittags und Abends haben wir den Ankerplatz fast für uns allein. Dazwischen aber wird die Sandbank in getakteten Schichten reichlich genutzt. Ausflugsboote bringen stundenweise Tagestouristen und reichlich “Spielzeug” heran, also Kajaks, Paddleboard, Schwimmwesten und Schnorchelbrillen.

Wer mag es ihnen verdenken. Aber zu unserer Stimmung passt die Fröhlichkeit der Tagestouristen nicht, trotzdem tut es uns gut, in der Natur zu sein. Wir setzen mit dem Dinghy zur Sandbank über, suchen uns eine ruhige Ecke, laufen durch das flache Wasser, Schnorcheln an der Riffkante.

Lenken uns ab und versuchen, das Schöne zu sehen. Das gelingt uns mal besser, mal weniger gut, wenn die Trauer wieder Raum greift. Aber das muss sein und ist wohl auch gut so.

Aloha.

Abschied

Wir stehen neben uns. Praktisch die ganze letzte Woche schon. Gute Segelfreunde von uns sind tödlich verunglückt. Auf dem Weg von Bermuda nach Halifax gab es auf der Escape einen Unfall, sowohl Annemarie als auch Volker wurden schwerst verletzt abgeborgen. Genaueres zum Hergang ist noch nicht gesichert bekannt. Zurzeit wird nach dem treibenden Schiff professionell gesucht um es zu bergen.

Gute Freunde, wunderbare Menschen sind von einem Tag auf den anderen auf schreckliche Weise für immer fort.

Wir sind fassungslos und unendlich traurig, aber auch dankbar für die vielen schönen Erinnerungen, die uns mit den beiden verbinden. Dennoch, der frische Schmerz dieses Verlustes, die Lücke, die dieser Unfall in unser Leben, das Leben anderer Freunde und ihrer Familie gerissen hat, all das überlagert immer wieder urplötzlich jede andere Empfindung.

Während wir versuchen, irgendwie damit klarzukommen, es zu verarbeiten, müssen wir den Austausch des Stehenden Gutes der Flora begleiten, Teile besorgen oder abholen, beim Zusammenbau helfen, die Segel wieder aufriggen, testen, mit dem Rigger gemeinsam nachjustieren. Es beschäftigt uns, lenkt uns ab. Zwischendurch.

Flora ist jetzt bereit für den nächsten großen Schlag von Hawai’i nach Alaska, aber sind wir es?

Unsere Nachbarn wollen am Montag Richtung Alaska ablegen, ihr professioneller Meteorologe sagt, das Wetter passt. Trotzdem, wir überlegen, noch ein paar Tage auf Hawai’i zu bleiben. Hoffen, den Kopf und das Herz etwas freier zu bekommen. Vielleicht hilft es aber auch mehr, einfach los zu segeln.

Mast runter.

Da fehlt doch was? Ja, allerdings. Und wir sind froh, dass das so gut und schnell geklappt hat. Ein bisschen mulmig war uns nämlich schon, als uns der Rigger die Anfahrtskizze zugeschickt hat:

Hm. Aber so läufts, oder sonst eben erstmal nicht. Der Mobilkran steht an Land und nimmt den Mast „über den Bug“ ab. Hatten wir so zwar auch bei unseren vorigen Booten noch nie, aber die auf dem Skizzenfoto an Land liegenden Masten zeigen ja zumindest, dass es hier nicht zum ersten Mal so gemacht wird. Die Steuerbord-Landleine läuft durch die Mangroven, aber immerhin sind die Landleinen vom Rigger vorbereitet und werden uns am Stegende herübergereicht.

Die Jungs von Rigging Hawaii nehmen unsere Leinen an und schwupps, gehen sie gleich an die Arbeit. Wir dagegen sind erst noch anderweitig beschäftigt. Denn bei der Anfahrt zum Hafen kommt ein Boot der Coastguard längsseits und möchte eine „Inspection“ machen. Kann man ihnen natürlich nicht verweigern, aber wir erklären ihnen unsere Situation (mit dem bereits abmontiert an Deck liegenden Baum ist die auch schnell glaubhaft gemacht). Dann sollen wir halt erstmal an den Steg gehen und die Inspection wird dann dort gemacht.

Zwei Officer kommen mit schusssicherer Weste, Dienstwaffe und schweren Stiefeln, aber auch mit freundlichem Lächeln an Bord, checken die Papiere, kontrollieren die (geschlossenen) Seeventile der Klos, das Ablaufdatum der Seenotraketen, die Feuerlöscher, den Motorraum und dessen Entlüftung, die Rettungswesten, die Rettungsinsel. Alles gut. Die Funke? Ja, aber da ist das Antennenkabel schon getrennt. Wo haben wir die NavRules? Die was? Die internationalen Navigationsregeln. Die Colreg (Convention for International Regulations for Preventing Collisions at Sea, auf deutsch KVR/Kollisionsverhütungsregeln). Ach so haben wir nicht schriftlich dabei. Muss man aber in den USA. Das gibt einen (folgenlosen) Vermerk im ausgehändigten Protokoll und den Hinweis, dass es auch ausreicht, die NavRules als App auf dem Handy dabei zu haben. Ok, dann laden wir die mal runter. Noch ein Foto mit den beiden Officern der Coast Guard …

… und dann können wir uns wieder unserem Rigg zuwenden.

Das Team von Rigging Hawaii hat inzwischen schon die Kranschlinge unter der dritten Saling angebracht und mit dem Lösen der Wanten begonnen.

Das Achterstag muss wegen des mit einem Scanstrut-Gimbal schwingend befestigten Radars durchgesägt werden, hier kommt beim neuen Acherstag dann wohl ein Norseman-Terminal zum Einsatz, das Stag also durch den Gimbal geschoben und das Terminal erst dann aufgeschraubt und nicht wie die übrigen Terminals in der Werkstatt auf den Draht gewalzt. In der Zwischenzeit spannen wir die Scanstrut-Halterung zum Windgenerator und den Davids hin ab.

Und dann gehts für das Rigg erst einmal in die Luft und dann an Land.

Da können wir es in Ruhe begutachten und entdecken tatsächlich noch drei weitere Macken, die uns bisher verborgen geblieben waren, weil sie bei stehendem Mast schlicht verdeckt waren: ein Riss im Edelstahl-Topbeschlag, der vom Schäkel des Blocks des Spifalls verdeckt war, eine Scheuerstelle der Dirk, die nur bei komplett aufgeholter Dirk zu sehen ist und eine Scheuerstelle in einer Kabelisolierung unten im Mastfuss. Gut, dass wir das jetzt alles gleich mit erledigen können.

Ist vielleicht doch nicht so schlecht, so alle 10 Jahre mal den Mast runter zu nehmen. 😊

Aloha.

Helme aus Vogelfedern, Riggingvorbereitung und Ablenkungen

Montag soll der Mast gelegt werden. Dafür müssen wir dann etwa 5 Meilen weiter zum Hafen des “La Mariana Sailing Club”. Segeln können wir allerdings nicht, denn zur Vorbereitung haben wir heute schon mal das Vorsegel und auch das Großsegel abgeschlagen. Theoretisch ist das noch zu zweit machbar, aber wir waren doch froh, dass uns Machiel von der Pitou beim Großsegel geholfen hat. Mit seinen fünf senkrechten langen Latten (die natürlich erstmal raus müssen) und den knapp 50 qm Hydranet ist es ein ziemlich steifes und damit eher unhandlich zusammenzupackendes Segel. Und auch ein ordentliches Paket zu schleppen und unter Deck zu verstauen:

Danach bauen Wiebke und ich den Rodkicker und den Großbaum ab, der zum Glück noch ganz gut auf unserem Laufdeck gestaut werden kann. Sieht aber schon seltsam aus.

Die nächsten Vorbereitungen betreffen die Elektrik, denn auch da müssen ja die Verbindungen zum Mast getrennt werden. Bei Flora laufen diese Leitungen alle durch zwei „Schwanenhälse“ neben dem Mastfuß.

Damit wird verhindert, dass an den Leitungsdurchführungen Wasser ins Schiffsinnere gelangt. Die Leitungen haben dann Trennstellen, die im vorderen Bad der Flora hinter einer Verkleidung oberhalb der Dusche angebracht sind. Da wir den Mast in den fünf Jahren seit Floras Kauf bisher noch nie gelegt haben, sehen wir der Trennung der ganzen Kabel etwas skeptisch entgegen. Schließlich sind mit Ankerlicht, Dreifarbenlaterne, Dampferlicht, Deckslicht, Funkantenne, (seit Jahren nicht mehr genutzter) Fernsehantenne, NMEA der Windanzeige und vor allem der elektrischen Verbindung der Rollanlage im Mast für das Großsegel dann doch einige Kabel zu trennen. Der erste Blick in das Schapp sieht auch etwas verwirrend aus:

Die Kabel sind zwar (soweit von Hallberg-Rassy verlegt) beschriftet, allerdings mit Codes wie 12-W34, also nicht unbedingt selbsterklärend. Aber mit etwas Überlegen und Durchmessen können wir alle Kabel zuordnen. Ich beschriftet sie mit unserem Labelgerät jetzt zusätzlich so, dass wir im Bedarfsfall (Fehler) leichter erkennen können. Dann prüfen wir, wie wir die Kabel durch die Schwanenhälse schieben können, es geht ganz leicht.

Damit sind unsere Vorbereitungen erstmal abgeschlossen, die Trennung der Kabel machen wir dann Montag.

Und womit lenken wir uns hier in Honolulu sonst so ab? Der Reiseführer empfiehlt „Schirmchendrinks“! Na gut 🍹 😊.

Am Wochenende ist die Flaniermeile in Waikīkī gut gefüllt, aber wir bekommen mit etwas Glück trotzdem einen Patz in der ersten Strandreihe der Bar im Banyan Tree Courtyard des traditionsreichen Moana Surfrider Hotel.

Die Strandbar legerer und bunter:

Die Stadtkulisse von Honolulu in der blauen Stunde:

Wir machen einen Ausflug nach Pearl Harbor und besuchen das dortige Museum. Und wir fahren mit dem Bus auch hinaus zum Bishop-Museum, das sich der polynesischen Kultur Hawaiis und der gesamten Südsee widmet.

Die Begrüßung scheint mit fast deutscher Beflaggung zu erfolgen …

… aber wir erfahren drinnen, dass die komplett mit feinen Vogelfedern geschmückten Umhänge und sogar Helme der Hawaiianischen Könige eben diese Farben trugen:

Das Museum beeindruckt auch sonst. Mit seinen Räumlichkeiten, aber auch mit der Präsentation und Themenvielfalt.

Räumlich getrennt einmal betreffend Hawai’i und einmal ganz Polynesien (Wiebke steht auf einer Intarsienarbeit im Polynesien-Haus und markiert Hawai’i). Eine tolle Foto- und Videoausstellung über die Tradition des Tätowierens, Wissenswertes über die Tier- und Pflanzenwelt, die Göttervorstellungen, aber auch zum Beispiel die Mondphasen (jeder einzelne Tag hat einen Namen und eine Bedeutung z.B. für das Pflanzen von Setzlingen oder die Auswahl der zu fangenden Fische) und so vieles mehr. Mich begeistert z.B. die Ausstellung über die verschiedenen Angelhaken und deren schwierige Herstellung z.B. aus Muschelschalen (da Metalle ja unbekannt waren):

Wie viel einfacher haben wir es da heute: nach dem Museumsbesuch fahren wir mit dem Bus weiter zu „POP Fishing und Marine“. Wiebke steht im Gang mit den Tintenfischimitat-Ködern, es gibt aber noch zwei weitere Köder-Gänge.

Eigentlich wollen wir aber neue Fockschoten kaufen und auch da werden wir fündig:

Aloha.

Zwischenstand Rigg

Gute und weniger gute Nachrichten zum Rigg wechseln sich ab. Der Rigger kann schon am nächsten Tag nach dem wir mit ihm gesprochen haben kommen. Er inspiziert das Rigg, findet (wie wir) keine weiteren akuten Schäden. Und er könnte für das defekte Want einschließlich der Beschläge kurzfristig ein neues machen. Aber: er würde es nicht bei stehendem Mast tauschen, der Mast müsste mit einem Mastenkran gelegt werden.

Von Uwe in Hamburg unterstützte Recherche ergibt, dass auch in Deutschland die Rigger sehr deutlich zu einem Tausch bei gelegtem Mast raten, das Risiko bei dem betreffenden Want und Beschlag sei vergleichsweise hoch. Mechanisch ist es allerdings nicht sonderlich kompliziert. Theoretisch könnte ich das Want selbst wechseln, ich kenne einen Eigner einer Hallberg-Rassy 43 MK II, der es bei seinem Boot am Ankerplatz in Galápagos gemacht hat. Allerdings hatte er da auch kaum eine andere Chance, und seine Salingsbeschläge waren nicht die gleichen, also kein Stemball/Ballcup-System. Und: wollen wir aus Kostengründen dieses Risiko eingehen?

Das dann sogar gleich zwei mal, denn die Wanten sollten idealerweise jeweils paarweise getauscht werden, mit dem Steuerbordwant auch das entsprechende Backbordwant. Überhaupt, bei der Recherche wieder was gelernt: die einzelnen Abschnitte der Wanten unseres Dreisalingsriggs werden vom Hersteller Seldén wie folgt bezeichnet:

Bei uns sind zwei (von 19) Drähten des unteren 12 mm dicken Hauptwants V1 eben unterhalb der ersten Saling gebrochen. Auf den Fotos die Stelle mit dem lila Pfeil.

V1 an Steuerbord muss getauscht werden, mindestens V1 an Backbord sollte dann auch neu. Wenn aber der Mast ohnehin gelegt werden muss, wollen wir eigentlich lieber das gesamte Stehende Gut tauschen (also alle Drähte der Wanten sowie Vorstag und Achterstag (also die Drähte die den Mast zum Bug und zum Heck abspannen).

Der Rigger ist Seldén-Händler, gut. Das Angebot von Seldén USA ist fast doppelt so teuer wie in Deutschland, nicht so gut. Lieferzeit: 4 Wochen, kann aber wegen “supply chain issues” auch länger werden, schlecht.

Der Rigger kann das Stehende Gut mit Originalbeschlägen aus dem gleichen Draht auch vor Ort und deutlich schneller fertigen, gut. Allerdings fehlt der Mastbeschlag für D3 (7 mm), der müsste bestellt werde. Lieferung voraussichtlich circa Ende nächste Woche. Nicht so gut. D3 könnte aber auch später bei stehendem Mast getauscht werden. Gut???

Wir pendeln gedanklich hin und her (besser wir als das Rigg!).

Also gut, Entscheidung: Krantermin für Anfang nächster Woche vereinbaren, Stehendes Gut komplett erneuern. Wenn der Beschlag nicht rechtzeitig da ist, bleibt D3 erstmal wie es ist und ich tausche es später bei stehendem Mast.

Bruch im Rigg. Vorbereitung ist kein Wunschkonzert.

Seit dreieinhalb Wochen sind wir auf Hawai‘i, immerhin eine Woche schon in Honolulu. Unser vorgesehener Abfahrtstermin Richtung Alaska rückt näher. Mitte Juni, so hatten wir uns das gedacht. Zum einen, um Zeit genug für Hawai‘i zu haben und trotzdem nach der mit etwa drei Wochen auf See kalkulierten Passage die (relativ kurze) Saison in Alaska auch vernünftig nutzen zu können. Zum anderen, weil sich ab Mitte Juni das nordpazifische Hochdruckgebiet stabilisiert haben sollte. So empfiehlt es auch Jimmy Cornell in dem Standardwerk „Segelrouten der Welt“.

Da ist es jetzt an der Zeit, den Riggcheck vorzunehmen, den wir regelmäßig vor längeren Passagen machen. Den kleinen Takelbeutel mit Leatherman, Tape, Lupe, Lesebrille und Handy füllen. Die Ausholer-Leine des Großsegels aus der Umlenkung nehmen, dafür dort die Dirk einscheren. So kann Wiebke mich mit der großen Genuawinsch in den Mast ziehen. Rein in das Klettergurt-Geschirr, die Dirk vorne am Brustbeschlag einknoten und mit dem Softschäkel zusätzlich sichern, im Rücken wird das Spinnakerfall als zweite Sicherungsleine befestigt. Machiel von der Pitou übernimmt dessen Führung über die Mastwinsch, so muss Wiebke nicht dauernd hin und her laufen.

Bis dahin ist alles Routine und ein bisschen freue ich mich auch schon auf den Ausblick aus von der Mastspitze. Die gute Laune kriegt allerdings einen erheblichen Dämpfer, als ich die erste Saling erreiche. Das 12 mm dicke Hauptwant an Steuerbord weist an der Pressung zwei gebrochene Drähte auf! Nicht das, was man sehen will. Aber einer der Gründe, warum man guckt!

Nicht gut, gar nicht gut! Das Rigg fällt jetzt nicht gleich um, das defekte stehende Gut muss aber vor dem Törn nach Alaska auf alle Fälle getauscht werden. Zwar finde ich bei der weiteren Kontrolle des Riggs keine weiteren Unregelmäßigkeiten, aber das beruhigt natürlich nur wenig. Die anderen Wanten und Stagen haben schließlich das gleiche Alter und eine ähnliche Belastung.

Den Blick aus dem Masttop kann ich dieses Mal irgendwie nur eingeschränkt genießen.

Immerhin, wir haben den Bruch im Rigg rechtzeitig festgestellt und wir sind in Honolulu, da sollte ein professioneller Rigger aufzutreiben sein, der Flora wieder seeklar machen kann. Zeitschiene? Mal sehen. Jetzt ist natürlich erstmal Pfingsten, außerdem sitzt das Want in der Saling in einem Spezialbeschlag (Seldén Stemball and Ballcup System), es könnte also sein, dass der Rigger auch noch Teile besorgen muss. Drückt uns die Daumen, dass sich das alles einigermaßen zeitnah erledigen lässt.

Andererseits, wir scheinen ohnehin noch etwas Zeit zu haben. Das Nordpazifikhoch, ein ähnlich dem Azorenhoch im Atlantik relativ stabiles Hochdruckgebiet, liegt im Sommer einigermaßen regelmäßig zwischen Hawai‘i und der Westküste der USA. Ist es stabil, hält es die durchziehenden Tiefdruckgebiete auf Abstand. Es würde dann einen im Uhrzeigersinn bogenmäßigen Segelkurs um das Hochdruckgebiet nach Alaska vorgeben. Derzeit kann davon aber noch keine Rede sein.

Das Hoch scheint zwar zu beginnen, sich auszuformen, liegt aber eher noch in der Winterposition näher am Äquator und ist insgesamt sehr instabil. Flauten und Starkwind wechseln sich nördlich von Hawai‘i ab, die Windy-Vorhersage zeigt gleich drei durchziehende Tiefs in schneller Folge. Nichts dramatisches (erst ab einem Kerndruck von unter 980 hPa würde man von einem Sturmtief sprechen), aber eben auch nicht angenehm mit den schnell wechselnden Fronten der Wettersysteme.

Ist zwar eigentlich kein Anlass für ein Freudenfeuerwerk, aber es scheint so, als dürften wir Honolulu noch etwas länger genießen.

Aloha.