Es ist unser erstes Thanksgiving-Fest in den USA. „Erntedankfest“ passt schon irgendwie, ist aber trotzdem eine unzureichende Übersetzung. Denn anders als unser deutsches Erntedankfest ist Thanksgiving in den USA ein nationaler Feiertag. Und nicht nur das, sondern zugleich das wichtigste Familienfest des Jahres, Thanksgiving rangiert in dieser Bedeutung noch über Weihnachten.
Zugleich wird aber mit Thanksgiving die Weihnachtszeit eingeläutet. Gefeiert wird am 4. Donnerstag im November. Fun fact: Präsident Lincoln setzte den letzten Donnerstag im November als Termin fest, Roosevelt versuchte es ab 1939 (mit fünf Donnerstagen im November) auf den vorletzten Donnerstag zu verschieben, um die vorweihnachtliche Einkaufszeit zu verlängern. Nach ein bisschen Konfusion fand man den Kompromiss: 4. Donnerstag im November.
Ein Ritual unserer Gastgeber: kein Thanksgiving ohne „The Wizard of Oz“. Den Film von 1939 mit Judy Garland sah ich als Kind mal im Fernsehen, daran erinnere ich mich noch. Aber die Verknüpfung von „nach Hause kommen“ mit der Ermutigung Verstand, Herz und Courage in sich selbst zu finden, das hatte ich damals nicht so abgespeichert. „You can do it!“
DAS Thanksgiving-Ritual schlechthin dreht sich natürlich um den Truthahn. Sei es die öffentliche Überreichung eines lebenden Truthahns durch Industrievertreter im Weißen Haus an den Präsidenten (der den Truthahn in den letzten Jahrzehnten dann üblicherweise begnadigt hat) oder eben das traditionelle Truthahnessen im (erweiterten) Familienkreis. Und an einem solchen dürfen wir teilnehmen. 😊
Der von Michael zubereitete Truthahn steht zwar im Mittelpunkt, aber die Tafel biegt sich unter der Last des gemeinschaftlich erstellten Schlemmermenüs im Haus von Gregs Bruder Ricky, wo die große Familie sich eingefunden hat. Genau genommen passt das alles gar nicht einmal auf die veritable Tafel. Stuffing, also die Füllung, gebackener Kochschinken, Cranberry-Soße und Bratensoße, Kartoffelstampf, Brot, Kürbis-, Süßkartoffel- und Blaubeer-Pies, geröstetes Gemüse, kandierte Süßkartoffeln, Süßstaaten-Grünkohl (collard greens), Mac and Cheese, Pilze und und und … Zusätzlich diverse Kuchen zum Nachtisch.
😋
Danke, dass wir dabei sein durften.
Was machen wir sonst so in den Tagen vor unserem Flug nach Europa? Ausflüge, zum Beispiel nach Washington DC und von den vielen Museen dort wählen wir diesmal das Hirshhorn Museum of Modern Art.
Unser Roadtrip führt uns weiter durch Minnesota hinauf in Richtung der Großen Seen. Zunächst weiter durch flache Landschaft mit viel Landwirtschaft, schnurgerade Straßen. Abwechslung bringen die immer mal wieder in Gegenrichtung vorbeifahrenden Häuser 😁.
Eine Zwischenstation machen wir noch, wir übernachten in Minneapolis. Anders als der Name vermuten lässt, ist das zwar die größte Stadt, nicht aber die Hauptstadt von Minnesota. Diesen Titel führt das gleich nebenan ein paar Meilen flussabwärts am Mississippi liegende St. Paul. Gemeinsam bilden sie die Metropolregion „Twin Cities“. Für uns eine Wundertüte, wir wissen nicht so recht, was uns erwartet. Als Volltreffer erweist sich der Tip, nicht direkt zum Stadtzentrum, sondern zunächst entlang der „Chain of Lakes“ zu fahren. Der inoffizielle Beiname von Minnesota ist „land of 10.000 lakes“, tatsächlich ist die Zahl der Seen sogar noch größer. Und selbst das Stadtgebiet von Minneapolis trägt dazu bei. Neben vielen kleineren Wasserflächen am markantesten mit eben dieser Kette von Seen, der größte (Bde Maka Ska / See der weißen Erde) etwas größer als die Außenalster. Auch die Villen am Ufer, die Parks und die Wassersportmöglichkeiten müssen sich hinter denen an Hamburgs zentralem Wasser nicht verstecken. Nur eben, dass es hier gleich eine Kette von Seen gibt. An denen entlang fahren wir in Richtung Downtown. Gleich gegenüber vom Hotel liegt ein großes Theater in futuristischem Design, das Guthrie Theater. Kein Wunder, schließlich ist die Pro-Kopf-Dichte an Theatern außer in New York nirgends in den USA so hoch wie in Minneapolis. Hatten wir so nicht erwartet.
Eine weitere Besonderheit in Minneapolis ist historisch bedingt: durch mit Wasserkraft betriebene sehr effektive Groß-Mühlen wurde hier, am Oberlauf des schiffbaren Mississippi besonders feines Mehl gemahlen. So wurde die Stadt zwischen 1880 und 1930 zu einem der wichtigsten Standorte für die Mehlproduktion in den USA. Zudem konnte das Mehl über den Fluss und die Eisenbahnlinie nach Chicago auch günstig an die Abnehmer weitergeleitet werden. Die riesigen Pillsbury und Gold Medal Flour Reklamen auf den historischen Produktionsanlagen und Speicher zeugen noch heute davon.
In die erhaltenen Ruinen in Downtown hinein wurde das moderne „Mill City Museum“ hineingebaut, am Tag unseres Besuchs war es allerdings leider geschlossen. Also trotz der Kälte noch ein Gang über die alte Eisenbahnbrücke, die heute die beiden Ufer für Fußgänger und Radfahrer verbindet.
Ein weiteres Industriedenkmal besichtigen wir am nächsten Tag bei einem Stop in Duluth.
Die Hubbrücke wurde 1905 als Schwebefähre gebaut, später umgebaut und 1930 in jetziger Form eröffnet. Größere Frachtschiffe, insbesondere die “Laker” können so durch den unter ihr verlaufenden Kanal in den Hafen von Duluth einlaufen, der dadurch an Bedeutung für den Verkehr auf den großen Seen gewann.
Das Museum gleich neben der Hubbrücke informiert über die speziellen Laker, schlanke (wegen der Schleusen) Frachtschiffe, oft mit dem Steuerhaus vorn auf dem Bug. Sie transportierten neben anderen Gütern Getreide und vor allem Eisenerz über die großen Seen und zum Teil den Sankt Lorenz Strom hinunter. Insbesondere aber auch zu den Stahlwerken an den unteren Seen.
Spannend auch die großen Seen selbst:
Das obere Schaubild zeigt das Volumen der Seen (das etwa dem der Ostsee entspricht) und die unterschiedlichen Höhenlagen einschließlich der sich daraus ergebenden Niagara-Fälle. Das untere Relieffpanorama macht auch deutlich, wie wir uns hier, am Ostende des Lake Superior (Oberer See) relativ zu Lake Michigan, Lake Huron, Lake Erie und Lake Ontario befinden.
Diese riesigen Inlands-Wassermassen sorgen auch für besondere Klimabedingungen – eben die “Lake Effects”. Im Winter kann das zu plötzlichem extrem starken Schneefall führen, so wie es gerade in dieser Woche wieder in der Gegend der unteren Seen auftrat. Polar kalte Winde Streifen dann (zumeist von Nordwesten her) über die noch relativ warmen Seen, der aufgenommene Wasserdampf geht am Lee-Ufer als Schnee nieder.
Am Nordwestufer des Lake Superior entlang fahren wir zum Glück ohne aktuellen Schneefall durch eine wunderbare Winterlandschaft. Unsere Segelfreunde Kim und Chuck (La Rive Nord) haben uns nach Lutsen eingeladen, kurz vor der Kanadischen Grenze. Wir haben die beiden an der US-Ostküste kennengelernt, unterwegs in Antigua, Puerto Rico, den Bahamas und Annapolis wieder getroffen und sind immer in Kontakt geblieben.
Sie haben ihr altes Haus in Lutsen verkauft, das neue ist noch im Bau. So wohnen wir gemeinsam mit ihnen im Haus ihrer Freunde. Mitten im Ahorn-Wald, einige Kilometer außerhalb des Ortes.
Mit Chuck machen wir unsere erste Schneeschuh-Wanderung, hinunter zum Fluss. Es ist herrlich, wobei: nicht immer ist die Natur im tief verschneiten Wald unberührt. Was sind das für Schläuche zwischen den Bäumen?
Na klar: hier wird Ahornsirup gemacht. Die Bäume werden angezapft, die Flüssigkeit dann per Vakuum aus den Schläuchen gesaugt und verarbeitet, etwa 40 Liter Saft benötigt man für einen Liter Ahornsirup.
Der Saft fließt nur, wenn die Bäume am Ende des Winters Nährstoffe von den Wurzeln zu den Trieben zu transportieren beginnen, es nachts friert und tagsüber Plus-Temperaturen herrschen. Und auch sonst ist es tricky, je nach Periode werden unterschiedlich dunkle und unterschiedlich schmeckende Säfte abgegeben, die dann nach Verdickung zu dem gewünschten Sirup zusammengestellt werden (blending).
Carrey und Michael erklären uns das in einem kleinen Nebengebäude ihres Hauses, der Abfüllerei ihres preisgekrönten “Wild Country pure Maple Syrup”.
Aber auch Kim und Chuck produzieren in Lutsen Lebensmittel: unser nächster Ausflug führt in ihre Weinkellerei, die “North Shore Winery”.
Trifft sich doch gut, dass sie dort heute auch noch Live-Musik veranstalten 😊.
Ausklingen lassen wir das Ganze am Lagerfeuer im Schnee zurück bei Carrey und Michael:
Ausflüge in die Umgebung mit ihrer herrlichen Natur, mehrfach wunderbare Bewirtung bei Freunden, spannende Vorträge und Anschauungsunterricht im Schneeschuhbau bei der Folk School, die Tage mit Kim und Chuck vergehen unfassbar schnell.
Danke für die wunderschöne Zeit mit Euch!
Für uns geht es auf unserem Roadtrip weiter, zunächst durch Wisconsin und Illinois nach Chicago am Südwestufer des Lake Michigan. Es ist schon dunkel als wir dort ankommen.
Frühe Weihnachtsbeleuchtung und der Beginn der legendären Route 66 fallen ins Auge, aber die geschäftige Stadt bleibt doch nur eine Durchgangsstation, wir fahren nach einer kleinen Tour durch Downtown doch noch bis kurz vor Mitternacht weiter, rasten erst hinter Indianapolis in Indiana. Dann am darauffolgenden Tag weiter durch Ohio, West Virginia und Pennsylvania nach Maryland. Ganz schön viel Strecke in zwei Tagen, aber wir kommen gut (und wie geplant rechtzeitig vor Thanksgiving) bei unseren Freunden Greg und Michael in der Nähe von Washington DC an.
Dort ist noch ein bisschen Ruhe angesagt und dann fliegen wir auch schon bald nach Deutschland. Der erste Teil (also West nach Ost) unseres Roadtrips durch die USA liegt schon hinter uns. Anfang Februar werden wir wieder in die USA fliegen. Dann soll der zweite Teil des Roadtrip-Abenteuers folgen, über eine etwas südlichere Route zurück von der Ostküste nach Westen und nach Vancouver Island.
Wir verlassen Vancouver in strömendem Regen. Das Wetter wird sich den ganzen Tag nicht ändern und so verzichten wir darauf, noch ein längeres Stück den Fraser River entlang zu fahren, obwohl die Anbaugebiete für Wein und viele andere landwirtschaftliche Produkte an seinen Ufern bei schönem Wetter tolle Herbstbilder abgegeben hätten. So aber macht es keinen Sinn, länger als nötig durch die Gegend zu kutschieren. Wir biegen ab Richtung US-Grenze und können sie ziemlich problemlos passieren, werden lediglich gefragt, ob wir die Eigentümer dieses Autos (mit kanadischen Kennzeichen) sind. Und wenn wir das Formular i94 zuvor online ausgefüllt hätten, hätten wir vielleicht nicht einmal mehr ins Grenzgebäude gemusst, aber egal, es ging auch so schnell und problemlos.
Auch auf der weiteren Fahrt bleibt es regnerisch, aber kurz vor Seattle hört der Niederschlag auf und wir können unsere Sachen trocken in unsere nächste Airbnb-Unterkunft bringen. Statt Hochhaus Downtown wie in Vancouver haben wir diesmal eine gemütliche kleine Altbauwohnung im Stadtteil Capitol Hill ausgesucht.
Der Name des Viertels deutet es schon an, Seattle ist ziemlich hügelig. Die Stadt zieht sich vom Pazifikwasser des Puget Sound über einen Gebirgsrücken bis hinüber zum von Gletschern geformten 20 km langen Lake Washington, ist also quasi von Wasser eingerahmt. Als wäre das nicht genug, gibt es im Stadtgebiet auch noch mehrere Seen. Allen voran den zentralen Lake Union, etwas größer als die Alster in Hamburg und wie diese nur über Schleusen zu erreichen, aber auch von größeren Yachten und sogar Frachtern befahrbar. Trotzdem, die Parallele ist beim Blick von der “Space Needle”, dem Wahrzeichen Seattles, schon frappierend.
Was uns an Seattle sofort begeistert ist, dass wir zwar auf ein gutes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgreifen könnten, dies jedoch nicht brauchen. Die Stadt ist fußgängerfreundlich und die Entfernungen sind machbar. Und so laufen wir dann auch am nächsten Tag hinunter Richtung Downtown, wechseln zwischen den quirlig urbanen Pike und Pine Street hin und her und lassen uns auch in die Nachbarstrassen treiben, etwa um dem von außen unscheinbaren, innen aber zum Stöbern einladenden Elliot Bay Buchladen einen Besuch abzustatten…
… bei “Salt & Straw” ein (richtig leckeres) Eis zu kaufen (hier Roasted Peach & Sage Cornbread aus der Limited Thanksgiving Edition)
… die Statue des in Seattle geborenen Jimi Hendrix anzusehen
… und auch auch die stylische “Starbucks Reserve Roastery and Tasting Room” schauen wir uns an, schließlich wurde die Kaffee-Kette in Seattle gegründet.
Durch Downtown hindurch …
… kommen wir unten am Public Market Center am Ufer des Puget Sound an, lassen uns mit anderen Touristen und Einheimischen durch die Markthallen und vorbei an der (hoffnungslos überfüllten) ersten Starbucks-Filiale treiben.
Das bunte Gemisch wird vielleicht auf diesem Bild etwas deutlicher, die Menschen stehen vor der Hochhauskulisse an einem kleinen Laden an, der vor Ort (und durch die Schaufensters heilen sichtbar) handwerklich Käse produziert:
Unser ausgedehnter Spaziergang führt uns dann weiter zur Space Needle. Wir beißen in den sauren Apfel des ziemlich teueren Eintrittspreises und sausen mit dem gläsernen Außenfahrstuhl hoch zur Aussichtsplattform in 150 m Höhe. Allerdings: die Aussicht ist wirklich beeindruckend, sowohl seitlich
als auch durch den gläsernen, langsam um die Achse des Turms rotierenden Glasfußboden nach unten.
Und der happige Eintrittspreis von über 50 $ erklärt sich auch durch ein Kombiticket: inbegriffen ist nämlich auch die Ausstellung „Chihuly Garden and Glass“ gleich neben der Space Needle.
Und diese Ausstellung begeistert uns. Das Werk des Glaskünstlers Dale Chihuly wird hier sowohl in den Innenräumen als auch im Garten umfangreich präsentiert, zudem zeigen Filme im Multimediaraum beieindruckende Perfomances etwa in Finnland, in Venedig und in Jerusalem sowie den Prozess zur Herstellung der zum Teil riesigen Glas-Skulpturen.
Aus Nanaimo raus und einmal um die Ecke gibt’s mal wieder einen Erkenntnisgewinn. Dafür also das “Logging”, der Holzeinschlag, dessen Auswirkungen wir mit einigen kahl geschlagenen Hängen zuletzt häufiger gesehen haben. Die Fahrt führt vorbei an einer Zellstoff-Produktionsanlage, Unmengen an Holzstämmen werden angeliefert, zu Zellstoff verarbeitet und verschifft, nach Aussage der unternehmenseigenen Website hauptsächlich nach Asien. Gleich hinter der Fabrik wird es dann für die Navigation der Flora spanned, hier liegen die nächsten Narrows, deren Durchfahrt das richtige Timing erfordert.
Die Dodd Narrows trennen Vancouver Island von der kleinen Insel Mudge und der größeren Insel Gabriola. Die gehören bereits zu den Gulf Islands, einem beliebten Ziel für Segler und andere Wassersportler aus Vancouver und Victoria, quasi dem kanadischen Pendant zu den San Juan Islands vor Seattle, die beiden Inselgruppen gehen praktisch ineinander über.
Bis zu 9 kn kann die Strömung der Dodd Narrows erreichen, also am besten bei Stillwasser passieren. Das klappt diesmal nicht ganz, obwohl wir sogar etwas vor der Zeit da sind, gurgelt das Wasser bereits mit rund zwei Knoten in unsere Richtung. Das ist zwar kein Problem, aber die bereits deutlichen Wirbel zeigen uns, dass wir nicht allzu viel später hätten kommen dürfen.
Ein Stück hinter den Dodd Narrows setzen wir den Gennaker, aber es wird ein kurzes Vergnügen, der Wind schläft bald darauf wieder ein.
Unser Tagesziel diesmal ist Saltspring Island, die größte der Gulf Islands. Wir laufen deren Hauptort Ganges an, mit sehr gutem Grund: hier macht das jüngste unserer sechs Patenkinder gerade ein Highschool-Jahr. Jasper ist 15 und statt in Montabaur jetzt also für 10 Monate in Ganges. Wir freuen uns wie Bolle, dass es mit diesem Treffen klappt. Gemeinsam mit ihm holen uns seine Gasteltern am Hafen ab, zeigen uns ihr Haus und die Insel.
Nach zwei Tagen auf Saltspring Island verabschieden wir uns und fahren weiter nach Sydney auf Vancouver Island. Das gibt uns die Möglichkeit Eliza und Ben zu treffen, bevor Ben am nächsten Tag nach Panama zu ihrem Boot fliegt. Wir hatten die beiden Anfang des Jahres in der Shelter Bay Marina auf Panamas Atlantikseite kennengelernt, wo ihre Nauticat 37 jetzt “on the hard” lagert. Die beiden wohnen in Victoria und besuchen uns, es wird ein schöner Nachmittag, erst mit selbstgebackenem “Flora-Butterkuchen” und dann mit einem netten Abendessen in der Stadt und ganz viel Klönen.
Am nächsten Tag lösen wir eine Tageskarte und fahren mit dem Bus hinaus zu den anderen Marinas nördlich von Sydney. Wir klappern sie alle ab, aber die Aussage ist überall die gleiche wie auch schon bei zwei Häfen auf Saltspring Island und mehreren anderen Marinas, die wir nur angerufen haben: ein Winterplatz, egal ob im Wasser oder an Land ist nicht frei. Allenfalls ein Platz auf der Warteliste. Hm.
Am Abend dann ein Vortrag im Royal Victoria Yachtclub: Tony Gibb and Connie McCann berichten über zwei sehr verschiedene Langfahrten. Eine siebenjährige Pazifikumrundung über Japan und die Aleuten in ihrer selbst ausgebauten Vancouver 27 “Hejira” von 1983 bis 1990 ohne Kühlschrank, ohne eingebaute Toilette und vor allem ohne elektronische Navigationsgeräte. Und eine Weltumsegelung mit ihrer modern ausgestatteten und geräumigeren Wauquiez 38 “Sage” ab 2010. Gerade im direkten Nebeneinander der beiden Reisen sehr spannend, zumal von den beiden auch klasse bebildert und vorgetragen. Eingeladen hat uns Daragh, der Port Officer des OCC (Ocean Cruising Club, das britisch/internationale Pendant zu unserem deutschen Verein Trans Ocean). Ich hatte ihn angeschrieben wegen möglicher Winterplätze. Weil wir den Yachtclub nur schwer mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen können organisiert uns Daragh auch noch den Transport dorthin und zurück: Clubkammerad Don holt uns aus Sydney ab und bringt uns nach dem Vortag und einer anschließenden privaten Stadtrundfahrt auch wieder zurück. Kanadische Gastfreundschaft.
Und was den Winterplatz der Flora angeht, treffen wir mit Blick auf das sich ab Freitag wohl deutlich (und vermutlich auch eher dauerhaft) in Richtung kälter und regnerischer verschlechternde Wetter eine Entscheidung: wir werden wieder ein Stück zurück nach Norden segeln. In Campbell River können wir Flora über den Winter parken, nach Bedarf auch auf ihr wohnen (letzteres leider nicht selbstverständlich bei den Winterplätzen hier). Es gibt dort sogar eine aktive Winter-Community, einige der Boote kennen wir, darunter die “Pitou”, mit der wir in Honolulu, Sitka und Juneau zusammen waren.
Mit dem in Deutschland eher unüblichen Überwintern des Bootes im Wasser haben wir in Griechenland gute Erfahrungen gemacht und der Pazifik ist hier in BC frostfrei, warum also nicht?
Vom Miles Inlet hinüber nach Port Hardy im Nordosten von Vancouver Island ist es eine reine Nebelfahrt, das zähe Zeug will sich einfach nicht auflösen. Einmal mehr sind wir sehr dankbar für das Radar und die elektronische Navigation. Und trotzdem froh, als sich endlich das Leuchtfeuer in der Hardy Bay aus dem Dunst schält.
Ein Stückchen weiter sollte eigentlich das Public Dock liegen. Wir sehen nur eine Nebelwand, tasten uns heran, aber … außer gelben Bojen erspähen wir nichts. Dann tauchen die Umrisse der Port Hardy Government Warf auf und ein Angler ruft uns zu, dass es dieses Public Dock nicht mehr gibt.
O.k., also weiter um das Flach und den nächsten kleinen Leuchtturm herum zur Port Hardy Fisherman‘s Warf, die hat ebenfalls ein Public Dock. Es gibt auch noch eine Marina, in der wir ebenfalls festmachen könnten, aber dort liegen fast nur kleine Angelboote. Da gefällt uns das Miteinander mit den mittelgroßen und kleineren Fischerbooten in Fisherman‘s Warf besser. Es ist belebter und darüber hinaus ein Miteinander, wie es hier in Pacific Northwest noch häufig vorkommt. Früher – vor unserer Seglerzeit – muss es so auch in den Häfen etwa der Ostsee und des Mittelmeeres ausgesehen haben. Aber mit der immer größer werdenden Flotte der Sportboote (Motor- und Segel-) und der sich dafür entwickelnden Vereinshäfen und Marinas bei gleichzeitigem Niedergang der regionalen Fischerei ist es dort viel seltener geworden. Hier im Norden von BC, ebenso wie in Alaska aber sind diese gemischten Häfen mit deutlich mehr Fischern als Sportbooten noch der Normalfall. Weiter im Süden, näher an den großen Städten wie Vancouver und Seattle, finden sich dann auch deutlich mehr Marinas.
Warum sind wir überhaupt im Hafen und nicht vor Anker? Zum einen wollen mal wieder einkaufen. Und außerdem steht ein Ölwechsel beim Volvo an und den mache ich aus mehreren Gründen lieber im Hafen. Ich kann dann das Altöl und die alten Filter gleich vorschriftsmäßig entsorgen und muss es nicht mitschleppen, könnte im Zweifel neues Öl kaufen (wir haben aber noch genug dabei) und habe bessere Möglichkeiten, falls sich irgendwas Unerwartetes zeigt.
Und das tut es natürlich! Der Ölwechsel klappt zwar wunderbar (wie geschmiert), aber beim ebenfalls fälligen Wechsel des Impellers der Seewasserpumpe (bei unserem Boot bäuchlings auf dem Motorblock liegend kopfüber zu erledigen) gibts eine unangenehme Überraschung. drei von vier Schrauben des Deckels sehen normal aus, bei der vierten fehlt der Schraubenkopf. Grrr. Daran bin ich komplett unschuldig, den letzten Impellerwechsel hat der Volvo-Mechaniker bei der großen Inspektion in Herrington im letzten Herbst durchgeführt. 😇 Die Schraube selbst ist noch drin, aber Salzspuren zeigen, dass sich einzelne Tropfen Seewasser ihren Weg gesucht haben. Ausbohren kann ich die Schraube dort so nicht ohne weiteres. Eventuell würde ich den Deckel abbekommen, aber die Pumpe und ihre Dichtungsflächen dort zu reinigen wird wohl nichts. Also die Seewasserpumpe ausbauen, was ziemlich problemlos gelingt. Nur die Schläuche wollen nach jetzt 2.300 Stunden an ihrem Platz mit etwas Nachdruck überredet werden, die Pumpe jetzt mal loszulassen.
Die Pumpe selbst tut es noch, ist aber ein Teil, das auf Langfahrt typischerweise häufiger mal Probleme bereitet. Wir haben deshalb eine Ersatzpumpe dabei und da sie jetzt ohnehin ausgebaut ist entscheide ich, lieber gleich die Ersatzpumpe einzubauen und das Original dann als künftigen Notersatz aufzuarbeiten.
Dafür muss allerdings das Mitnehmerrad des Originals auf die Ersatzpumpe umgebaut werden. Versucht man die Mutter zu lösen, dreht das Rad mit. Einspannen möchte ich es nicht, um es nicht zu beschädigen. Aber mit dem Ölfilterschlüssel festgehalten funktioniert es.
Nur: das Rad ist auf einen konischen Zapfen aufgepresst und lässt sich trotzdem nicht lösen. Man bräuchte einen Abzieher. Unsere Segelfreunde Tereza und Jakub auf der Kate Marie leihen uns ihren, den sie für den Impellerwechsel benutzen, aber er ist etwas zu klein. Gut, das wir im Hafen in einem Ort sind, ich kann einen passenden Abzieher kaufen und der Job ist damit dann schnell erledigt.
Noch etwas schneller wäre es gegangen, wenn ich beim (Überkopf-)Einbau nicht erst mal die O-Ring-Dichtung eingeklemmt hätte. 😞 Aber immerhin, auch dafür findet sich noch passender Ersatz. 😅
Heute bleiben wir noch hier liegen, erledigen den Rest Wäsche (die 6. Maschine!) in der Laundry (Münzwäscherei) gleich am Hafen, backen leckeren Hefe-Pflaumenkuchen mit Walnuss-Streuseln. Sehr lecker! Und heute Abend gibt’s Nudeln mit Brokkoli und Hähnchen-Pilz-Sahnesoße. So ein Frische-Einkauf hat seine Vorteile, jetzt sind wir wieder fürs Ankern in der Wildnis gerüstet.
Es ist soweit. Nach ungefähr zwei Monaten in Alaska laufen wir Ketchikan an, die südlichste Stadt in Alaska und damit der Ort, in dem wir aus den USA ausklarieren werden.
Ketchikan leitet sich her von Kichxáan oder auch Keech Ka Xa haan, dem ursprünglichen Namen des Ortes in Tlingit-Sprache, es bedeutet etwa “Flügel ausgebreitet darüber“.
Die monumentale Zedernholz-Schnitzerei “Thundering Wings” erinnert an die Herkunft des Ortsnamens.
Heute breitet sich eher der Kreuzfahrt-Tourismus über dem Ort aus als die Adlerflügel, drei größere Kreuzfahrtschiffe liegen gleichzeitig am Kai und die Zahl ihrer Passagiere reicht wohl an die der 8.000 Einwohner heran.
Das führt neben unzähligen “Jewelry“-Geschäften und Souvenirshops auch zu einer lebendigen Café-, Restaurant- und Kneipenlandschaft in dem Städtchen. Und es hat auch dazu bewirkt, dass diverse historische Häuser im alten Stadtkern erhalten und – je nach Lage – mehr oder weniger restauriert wurden, so wie hier im ehemaligen Rotlichtviertel mit seinen Boardwalks über dem Wasser …
oder etwas weniger zentral gelegen entlang der Promenade und den Hang hinauf:
Und natürlich machen es auch erst die vielen Touristen möglich, mehrere Museen zu unterhalten, wie etwa das sehr sehenswerte Totem Heritage Center, in dem anschaulich der kulturelle Hintergrund dieser für Alaskas Ureinwohner so ikonischen geschnitzten Pfähle und auch das strukturell sehr unterschiedliche Design der Totems in den verschiedenen Regionen erklärt wird.
Gleich neben dem Totem Heritage Center befindet sich die Deer Mountain Hatchery. Eine schöne Brücke zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Grüßt vor dem Eingang des Heritage Center doch ein Totem, das “Raven and Fog Woman” darstellt und an die Legende erinnert, wie der für die Ureinwohner und auch die Entwicklung Alaskas so wichtige Lachs in die Welt kam. Die Hatchery (eine von 29 in Alaska) ist eine Art Geburtsklinik und Kindergarten für (Wild-)Lachse. Anders als in Lachsfarmen wird hier nicht der Fisch für kommerzielle Zwecke gezüchtet, sondern ein Teil der Eier der lokalen Lachspopulation werden für die kritische erste Lebensphase in einem geschützten Habitat aufgezogen und dann in die Freiheit entlassen. Die erwachsenen Lachse kehren dann zum Laichen aus dem Meer den Fluss hinauf zur Hatchery zurück und sorgen für Nachschub.
Mitte der 70er Jahre wurden die ersten Hatcheries eingerichtet, seit 2010 machen die erwachsenen Lachse aus diesen Aufzuchtstationen zwischen 30 und knapp 50 Prozent der alaskaweit gefangenen Wildlachse aus.
Lachsfarmen sind in Alaska verboten 🚫.
Wenn man es nicht selbst erlebt hat, kann man sich die schiere Menge der Wildlachse in den Flüssen und Bächen Alaskas nicht vorstellen. Ohne Superlative geht’s ja in Amerika nicht: Ketchikan nennt sich selbst nicht nur “Alaska’s 1st City” (weil von Süden kommend erste Stadt), sondern auch “Salmon Capital of the World”.
Und jetzt zur Wanderzeit der Lachse sieht der Ketchikan Creek so aus:
Das ist eine etwas ruhigere, flussaufwärts gelegene Stelle, an der sich die Lachse für die weitere Reise ausruhen. Warum? Um hierher zu gelangen, müssen die Lachse erst einmal die Stromschnellen überwinden. Nicht ganz einfach:
Das irgendwie romantische Bild der Lachse bekommt aber einen ziemlichen Dämpfer, wenn man sich die Lachse kurz vor ihrem Ziel ansieht, den Laichgründen auf den zumeist höher gelegenen Kieselsteinbetten der Flüsse.
Die anstrengende Reise hat Spuren hinterlassen, die Fische wirken ziemlich ramponiert. Außerdem hat die Natur für die pazifischen Lachse (anders als die atlantischen) vorgesehen, dass sie diese Reise nur einmal antreten. Sobald sie das Salzwasser verlassen und die Flüsse hinaufziehen, hören sie auf zu fressen. Ihr Körper verändert sich massiv, wechselt die Farbe. Die vormals silbrigen Fische bekommen teils grünliche Köpfe und teils leuchtend rote oder Flanken (Sockeye und Coho), werden oliv (King/Chinook und Chum/Keta) oder stumpf grau mit cremefarbenem Bauch (Pink Salmon/Humpy). Der Kopf verändert die Form, das Maul bekommt einen verbogenen Oberkiefer mit Überbiss und herausstehenden Zähnen. Die Humpy-Männchen entwickeln zudem den namensgebenden auffälligen Buckel. Selbst die Schuppen werden zurückgebildet und weichen einer eher ledrigen Haut, der Lachs verzehrt sich buchstäblich selbst. Und nach Eiablage bzw. Besamung stirbt er. Alles in allem sehen die Lachse aus der Nähe betrachtet in diesem letzten Abschnitt ihres Lebens schon ein bisschen wie Fisch-Zombies aus:
Hier ein kurzes Video dazu, aufgenommen mit der GoPro in einem Bach direkt an unserem Hafen. Gefangen werden die Lachse in diesem Stadium nicht mehr (außer von den Bären), Geschmack und Textur des Fleisches haben sich nämlich auch verändert. Die leckeren Lachsfilets stammen also nicht von den “Zombies”.
Nach einem Übernachtungsstop in der Portage Bay, noch völlig geflasht von dem beobachteten Bubble-Net-Feeding der Buckelwale, fahren wir den Frederick Sound weiter bis zu seinem Ende vor der Dry Strait und wählen als nächste Übernachtungsbucht die Ideal Cove.
Für uns liegt sie tatsächlich ideal, denn schräg gegenüber auf der Festlandsseite liegt die Le Conte Bay. Und die wiederum beherbergt Nordamerikas südlichsten „Tidal Glacier“, also in die Tidengewässer hineinreichenden Gletscher. Zwar müssen wir einen ordentlichen Bogen um das große trockenfallende Gebiet machen, dass sich dazwischen erstreckt und als Mudflat einen Teil der Spülsände des flachen aber mächtigen Stikine River aufnimmt. Trotzdem ist es der dem Gletscher am nächsten gelegene gut geschützte Ankerplatz.
Wir verlassen ihn schon am frühen Morgen, denn wir möchten mit auflaufendem Wasser über die flache Barre vor der Le Conte Bay und auch weiter in Richtung des Gletschers, um möglichst wenig entgegen kommendes Eis zu haben, das zudem ja hinter uns auf der nur 6 m flachen Barre des ansonsten tiefen Fjords stranden und die Ausfahrt erschweren könnte.
Schon bei der Anfahrt sehen wir einige große Brocken, aber es ist genug Platz. Wir freuen uns an den je nach Lichteinfall so unterschiedlich schillernden Farben im Eis und den von der Natur modellierten Formen der Eisskulpturen.
Aber größere Growler oder gar Eisberge bereits hier draußen bedeuten, dass der Gletscher eine Phase aktiveren Kalbens hatte und so wird die Fahrrinne zusehends enger, das abgebrochene Gletschereis treibt immer dichter. Als wir vor uns den über 800 m in die Tiefe stürzenden Wasserfall auftauchen sehen, der aus dem hoch gelegenen Gletschersee des Summit Glacier gespeist wird (anders als der Le Conte ein „Hanging Glacier“ oben in den Wolkenverhangenen Bergen) können wir schon aus der Ferne das sich vor ihm stauende Eis erkennen.
Wir arbeiten uns – zunehmend im Slalom fahrend – noch ein ganzes Stück näher in Richtung Le Conte Glacier heran.
Aber irgendwann ist für uns Feierabend. Mit der Drohne sehen wir zwar, dass wir noch weiter durchkämen, wenn wir uns an den äußeren Rand durcharbeiten, aber es ist uns für heute genug Nervenkitzel. Lieber lassen wir uns noch ein ein wenig zwischen den Eisriesen und ihren kleinen Geschwistern treiben und genießen die Lichtspiele.
Der tägliche Weißkopfseeadler hat sich heute wieder auf dem Eis niedergelassen, gleich im Doppelpack und stilbewusst auf einem majestätisch hochaufragenden Aussichtsplatz.
Da muss die Möve dann mit dem kleineren Growler Vorlieb nehmen.😉
Ach ja, frisches Gletschereis für den Drink will auch noch gefischt werden.
Findet sich heute Abend im Gletscher-Aperitif, zu Essen gibt’s den selbstgefangenen Felsenbarsch gedämpft mit gebratenem grünen Spargel und Zitronen-Pastis-Bavette.
Ziemlich offensichtlich: das Bärenspray, na klar. Die XtraTuf-Gummistiefel, hier liebevoll auch Alaska-Sneaker genannt, o.k. Trotz dieser Standard-Fußbekleidung sind übrigens Regenschirme sehr selten zu sehen. Die Broschüre der Stadt Juneau hat dazu zwei Hinweise: erstens „Prepare for rain, hope for sun!“ und zweitens – frei übersetzt – „Wir haben keine Regenschirme, wir klappen Kragen oder Kapuze hoch.“
Blick in den Vorraum einer LodgeBlick nach unten
Für den Cruiser bietet Alaska noch ein paar weitere Besonderheiten. Zum Beispiel, was die Ausrüstung angeht. So wohnt seit heute eine fünf Meter lang rote Schlange auf unserem Boot.
Kannten wir bisher nicht, gibts hier aber bei jedem Bootsausrüster. Die Schlange heißt „Anchor Buddy“. Das Besondere an ihr: sie kann sich auf 16 m Länge strecken und zieht sich dann wieder zusammen. Als Ankerleine fürs Dinghy benutzt (bei größerer Wassertiefe als Vorläufer für die zusätzliche Ankerleine), holt sie das Dinghy nach dem Aussteigen (und Sichern mit einer langen Landleine) von den Felsen weg in tieferes Wasser. Das ist nützlich bei dem Tidenhub, vor allem aber ist das Dinghy so vom Land entfernt und nicht für Bären zugänglich, die sich von den Gerüchen im Dinghy sonst ziemlich unwiderstehlich angezogen fühlen und nach Fressbarem suchen. Dabei sollen die Schläuche dann schon mal gelegentlich in Fetzen gehen. Das möchten wir doch gern vermeiden.
Andere empfehlenswerte Ausrüstung legt der Törnführer zum Beispiel für die Glacier Bay nahe. Sehr nachdrücklich wird dort und auch vom betreuenden National Park Service wegen des Eisgangs empfohlen, sowohl für das Schiff als auch für das Dinghy einen Ersatzpropeller dabei zu haben. Da waren wir glücklicherweise schon vorbereitet, denn bei Hallberg-Rassy ist bei geordertem Faltpropeller der Festpropeller als Ersatz ab Werk dabei und für unseren Außenborder haben wir ebenfalls eine Ersatzschraube dabei.
Auch die Ausstattung der Häfen weist in Alaska eine Besonderheit auf, die wir vorher so noch nicht gesehen hatten, hier aber absoluter Standard ist. Es gibt meist keine Klampen oder Poller auf den Schwimmstegen, statt dessen sogenannte „Bull Rails“.
Es ist zwar ein bisschen fisselig, die Leinen unter den massiven und mit dem Schwimmsteg (oder Ponton, selbst an den Fingerstegen) verbolzten kantigen Balken durchzufädeln, aber die Vorteile liegen ebenfalls auf der Hand. Überall am Steg kann festgemacht werden, der Schwimmsteg erhält eine kräftige Erhöhung, so dass die Fender bei Schwell nicht so einfach hoch geschoben werden und außerdem hat man eine gute (wenn auch bei Regen gelegentlich rutschige) Trittstufe zum Boot.
Eine andere Spezialität der Stege in den Häfen Alaskas sind die Tragmasten für das Hochlegen der Landstromkabel.
Donna und Bill leben ganzjährig in Alaska auf ihrer „Denali Rose“. Sie versichern uns, dass die Wasserflächen in den Häfen hier nicht zufrieren. Das Hochlegen der Landstromkabel sei aber nicht nur dem einfacheren Hinüberrollen mit den Hafenkarren geschuldet, sondern im Winter eine Notwendigkeit, um den Schnee maschinell von den Stegen räumen zu können.
Die Natur als unbestrittener Hauptdarsteller Alaskas mag da nicht zurückstehen und versorgt den Cruiser mit einer weiteren Besonderheit, die allerdings nicht auf Alaska beschränkt ist, sondern sich in vielen Gewässern insbesondere der „Hohen Breiten“ findet. Kelp. Hochwachsende Braunalgen mit zumeist kräftigen Blättern und Stengeln. Hier in Alaska sehen wir vor allem „Giant Kelp“ und „Bull Kelp“. Das ist (neben der wichtigen biologischen Funktion der Kelpwälder) manchmal äußerst nützlich. Etwa weil es in engen Einfahrten von Buchten gerade bei Niedrigwasser ziemlich deutlich die Position der Unterwasserfelsen markiert. Manchmal ist es aber auch weniger hilfreich, z.B. beim Ankern.
Im Moment lernen wir gerade noch, welche der Wildpflanzen neben den Beeren hier in Alaska essbar sind. Die Locals Donna und Bill haben uns unter anderem gedämpftes „Beach Asparagus“ empfohlen, offenbar mit Queller nah verwandt und weit verbreitet. Außerdem für den Salat „Deer Heart“, auch „False Lilly of The Valley“ genannt. Und Lamb Tongue (im Deutschen: Wollziest/Eselsohr/Hasenohr), wiederum gedämpft. Danach werden wir uns in den nächsten Buchten auf die Suche machen. Und Kelp?
Wir fahren bei mäßigem Wetter von Hoonah aus die Icy Strait hinauf und ein kleines Stück den Lynn Canal (der große Verbindungsfjord, der nach Skagway hinauf führt). Dann biegen wir aber gleich wieder ab in die Funter Bay.
Ein schöner, unspektakulärer Ankerplatz. Nicht völlig einsam, im Süden der Funter Bay ist vor den langsam verfallenden Ruinen der alten Fischkonsenvenfabrik ein öffentlicher Ponton verankert, an dem man kostenlos festmachen darf. So etwas gibt es hier häufiger mal. Wir entscheiden uns aber für den nordöstlichen Arm, die Crab Cove. Im Scheitel der Bucht stehen mehrere Häuser am Waldrand. Ein deutlich kleinerer Ponton ist außerhalb der trockenfallenden Zone verankert, er scheint privat zu sein, ein Aluboot mit Außenborder ist offenbar schon länger daran festgemacht. Wir ankern noch einmal um, nachdem wir unseren Schwoikreis kontrolliert haben. Bei gut 4 m Tidenhub kämen wir bei Ebbe doch sehr nah an den Flachwasserbereich, etwas mehr Abstand sorgt für besseren Schlaf. Ein paar Bojen von Krebsfallen sprenkeln die Wasseroberfläche, kein Wunder beim Namen der Bucht. Vielleicht haben wir hier ja mal Erfolg beim “Crabbing”, also bringen wir gleich unseren Krebskorb aus.
Am nächsten Morgen wundern wir uns über eine kleine Versammlung auf dem Ponton. 6 Leute stehen im Regen und unterhalten sich. Beim ersten flüchtigen Hinsehen halte ich sie für Fischer. Als ich nach dem Kaffee aus dem Fenster sehe, kommt gerade eine Frau mit einem Hund im Kajak dazu. Hm, doch keine Fischer. Drei Männer und drei Frauen stehen auf dem kleinen Floß, außerdem können wir jetzt auch Gepäckstücke erkennen.
Wir fragen doch mal nach, ob sie ein Shuttle brauchen, ich fahre mit dem Dinghy rüber und werde sehr freudig empfangen. Sie wollen zum Haus und der Cabin von Joan (der Frau mit dem Hund). Das Taxiboot aus Juneau konnte bei dem niedrigen Wasserstand nicht nahe genug an den Strand fahren und das Boot von Joan liegt noch für ein paar Stunden hoch und trocken. Also bringe ich sie mit ein paar Fuhren hinüber. Joan nimmt mir das Versprechen ab, dass wir auf jeden Fall noch vorbeikommen müssen.
Wiebke und ich frühstücken gemütlich und fahren dann beide hinüber. Kurz, wie wir denken, eigentlich wollen wir ja gleich Anker auf gehen. Aber es kommt anders. Das Haus ist super gemütlich. Wir bekommen eine Tasse Tee mit Blick auf unser Schiff und schnacken uns gleich fest.
Es ist nur mit dem Boot oder per Wasserflugzeug erreichbar, eine Straße führt nicht einmal in die Nähe. Stromanschluss gibts ebenfalls nicht, Solarpanels und ein Dieselgenerator versorgen die 12-Volt-Batterien, wie auf unserem Boot. Wasser wird aus dem oberhalb des Hauses angestauten Bach gezapft und von da per Fallrohr zum Haus geleitet. Gasflaschen, Diesel, Lebensmittel, das muss alles per Boot mitgebracht werden.
Als die Flut das Boot von Joan wieder flott gemacht hat, holen wir das Gepäck, Wiebke shuttelt die Koffer und Lebensmittel mit Joans Quad.
Dann wollen die Jungs aus Texas fischen gehen. Sie haben Angelruten und Krebskörbe mitgebracht, Greg macht auch mir gleich eine Angel fertig und erklärt, wie das Setup für Heilbuttfischen am besten funktioniert. Als Köder befestigt er mitgebrachte Heringe auf den Doppelhaken hinter dem Gewicht. Zwischen den vorgelagerten Inselchen lassen wir das Boot langsam driften, die Köder knapp über dem Grund werden durch Auf- und Abwippen mit der Angel immer wieder in die Höhe gezogen und heruntergelassen. Jig-Fischen (oder Pilken beim Dorschfischen in der Ostsee, danke an Michael von der Samai für den Hinweis).
Erfolgreich. Nach weniger als 5 Minuten habe ich den schönen Heilbutt im Boot. Auch die anderen haben Angelglück, innerhalb einer halben Stunde fangen wir vier Heilbutte (die Schollen und Rockfische gehen gleich wieder ins Wasser zurück).
Das wird ein Festessen, zumal wir aus Joans Krebsfallen auch noch fünf fette Dungeness-Krebse holen (unsere ist natürlich leer, war aber auch nicht so lange drin).
Die Krebse werden gekocht, die Heilbuttfilets zünftig über auf einem Bett aus Skunk-Cabbage-Blättern auf Zwiebeln und Knoblauch gegrillt.
Es wird ein wunderschöner, sehr langer Abend mit tollen Gesprächen. Danke an Joan, an Anna und Greg, Jennifer und Alex, Lissette und Pedro für Eure Gastfreundschaft.
Bärenspray und Gummistiefel haben wir. Und was brauchen wir noch? ganz klar, wenn wir Lachs zu den Salmonberries wollen: eine Fishing Licence! Zu Alaska hat wohl fast jeder Bilder im Kopf, auf denen sich die Lachse dicht an dicht die Flüsse und Bäche hinaufdrängeln und den Grizzlybären wie im Schlaraffenland in die weit geöffneten Mäuler hüpfen. Bei dem sprichwörtlichen Fischreichtum hier in Alaska wäre es ja sträflich, wenn wir nicht angeln 🎣 dürften.
Zumal es auch nicht so einfach ist, hier Fisch zu kaufen. Dem Vernehmen nach ist es den Fischern verboten, direkt vom Kutter zu verkaufen. Große Fischereischiffe gibt es viele, was auch daran liegt dass Fischfarmen in Alaska verboten sind. Anders in British Columbia, dort gibt es dafür viel weniger Fischer. Wie auch immer, das einzige Fischgeschäft an Sitkas Hauptstraße bietet nur Konserven an, die die Touristen als Geschenk mitnehmen können. Und im Supermarkt kostet eine Scheibe abgepacktes Lachssteak 12 US$. Hier angelt offenbar jeder selbst, die Vielzahl der kleinen und mittelgroßen Angelboote in den Häfen spricht dafür. Also gut, die Fischereilizenz kann man online beantragen (www.adfg.alaska.gov/) oder in einer der vielen Verkaufsstellen bekommen, etwa Angelgeschäften. Ganz günstig ist das allerdings für „Non Residents“ wie uns nicht: für einen Tag kostet die Lizenz 15$, für eine Woche 45$, für ein Jahr 100$. Also gut, dann die Jahreslizenz. Schluck.
„Ja, aber wenn Ihr King Salmon fischen wollt, kostet das noch mal 100$.“ Wie jetzt?
Lachs ist nicht gleich Lachs. Es gibt hier fünf verschiedene Lachsarten. Der Königslachs (King Salmon oder Chinook) wird bis zu 1,5 m lang und 36 kg schwer. Viel zu groß für uns, zumal wir den zweiten Kühlschrank nicht als Kühltruhe eingestellt haben. Abgesehen davon ist die Saison für diesen Lachs fast schon zu Ende und er ist ohnehin recht selten geworden. Die Zusatzlizenz kaufen wir also nicht. Wir werden „Nicht für King Salmon“ auf den Haken schreiben. Spaß beiseite, die mit der Lizenz übergebene Broschüre enthält diverse weitere lokale Einschränkungen und genaue Anleitungen zum Freilassen „verbotener“ Arten. Die anderen Lachsarten sind Chum (Calico/Ketalachs, bis 100 cm und 15 kg), Coho (Silver Salmon/Silberlachs, bis 100 cm und 10 kg), Sockeye (Red Salmon/Rotlachs, bis 90 cm, 7 kg) und Pink Salmon (Humpy/Buckellachs, bis 65 cm und 6,5 kg). Außerdem Steelhead Trout, kein Lachs, sondern die Salzwasservariante der Regenbogenforelle, die dafür aber um einiges größer ist (bis 110 cm und 25 kg). Mal schauen, ob uns irgendetwas davon an den Haken geht.
Der geschäftstüchtige Verkäufer im Angelladen ist aber noch nicht glücklich mit der verkauften Lizenz und ein paar Ködern. „Wenn Ihr ankert, solltet Ihr auf alle Fälle einen Crab Pot (Krebskorb) aussetzen. Dafür braucht Ihr keine weitere Lizenz.“
Oh Mann. Aber Krebse sind hier wirklich ganz groß. Im Wortsinn und auch was die Verbreitung des Krebsfischens angeht. Wir sehen kaum ein Sportboot, dass nicht mindestens einen Crab Pot an Bord hat. Unser Bootsnachbar (2 Krebskörbe) erklärt uns, wie es geht. Am besten vor einer Flussmündung/einem Wasserfall/einem einfließenden Bach, wo wir ohnehin gerne ankern wollen. Krebskorb runter auf 10 bis 40 m und ein paar Stunden warten. Das war’s.
Hm. Und wie machen wir das mit den Krebsen? 🦀
Hier in Alaska sind es hauptsächlich Dungeness Crabs, also Taschenkrebse, die bis etwa 25 cm groß werden können (Körperbreite ohne Beine). Wir finden einen Fischer, der uns zwei Crabs verkauft, erklärt, wie man die freizulassenden Weibchen von den Männchen unterscheidet und uns zeigt, wie man sie schnell und einfach tötet (kräftiger Schlag auf die Brust) und filetiert.
Na dann, jetzt kaufen wir uns tatsächlich einen (zusammenfaltbaren) Crab Pot. Wir werden berichten, ob wir damit Erfolg haben.
Erst einmal bereiten wir aber die Taschenkrebse zu. Das Kochen riecht etwas kräftiger, am Besten macht man es draußen. Bei uns kommt dafür unser „Notfall-Backup-Gaskartuschenkocher“ zum Einsatz.
Und das Ergebnis (mit selbst gebackenem Baguette):
Lecker. Wird Zeit, dass wir den Hafen verlassen, ankern ⚓️ und den Crab Pot ausprobieren 😊.