Zurück im Wasser, Saturna Island, Rettungsaktion und der Blick in die Sterne

Vor Anker mit Blick auf den 90 km entfernten Mount Baker

Flora schwimmt wieder. Der Wellness-Aufenthalt an Land hat ihr gut getan, das Coppercoat-Unterwasserschiff ist wieder sauber und glatt, der Propeller ist gereinigt und gefettet, die Anoden sind neu, das Ruderlager geschmiert und sogar das von uns selten genutzte Bugstrahlruder quirlt nicht mehr nur das Wasser, sondern schiebt Floras Bug bei Bedarf zur Seite, nachdem die Muschelzucht im Inneren des Tunnels entfernt wurde.

Mit dem “haul out self propelling trailer” wird Flora abgeholt und wieder in ihr eigentliches Bestimmungs-Element gesetzt.

Einen Tag später als ursprünglich geplant, weil zwar die ersetzten drei Borddurchlässe und Seeventile rechtzeitig drin waren, aber auch noch ein Seewasserfilter gewechselt werden musste. Das gestaltete sich tricky: die originalen (europäischen) Seewasserfilter sitzen direkt auf den Seeventilen. Das ist sehr kompakt, bewirkt aber auch einen relativ großen Hebel etwa beim Öffnen eines festsitzenden Deckels. Angeblich aus diesem Grund ist das nordamerikanische System anders: vom Seeventil führt ein Schlauch zu dem senkrecht an einer Wand montierten Seewasserfilter. Der Filter selbst ist zudem auch um einiges größer. Es wird deutlich mehr Platz benötigt. Ein europäischer Filter ist natürlich nicht vorrätig oder kurzfristig zu beschaffen. Den Vorschlag der Montage des großen amerikanischen Filters am Schott zwischen Motorraum und Salon muss ich ablehnen, dort würde er mich beim Wechsel des Impellers zu sehr behindern. Wir einigen uns auf eine Montage an einer Halterung auf einem Stringer, die muss aber erst gebaut werden.

Größenvergleich. Der nordamerikanische Filter steht hier noch verkehrt herum.
Eingebaut. Ganz schön eng, aber es geht.

Nach den Verprovierungseinkäufen (im Costco Großmarkt, frisch vom Feld an einem Straßenstand mit Geldeinwürfen wie in Dänemark und im normalen Supermarkt) sind wir startklar. Wir ziehen wieder aufs Boot. Von Melanie und Chris müssen wir uns trotzdem noch nicht gleich verabschieden, SolarCoaster und Flora laufen zu einem gemeinsamen Wochenende in den Gulf Islands aus. Wochenende zur Hauptsaison, da sind die meisten schönen Ankerbuchten der direkt an die US-amerikanischen San Juan Islands angrenzenden Inselgruppe gut besucht. Aber unsere Gastgeber wissen in ihrem Heimatrevier Abhilfe: der Anker fällt im äußersten Osten des Archipels, in der Narvaez Bay auf Saturna Island.

Den Ankerplatz mit Blick auf den von Gletschern bedeckten und weit drüben am Festland gelegenen Vulkanberg haben wir zunächst ganz für uns allein, erst kurz vor Sonnenuntergang kommen noch zwei kleine Motorboote dazu.

Es ist die Nacht mit dem Höhepunkt des Perseiden-Schauers. Chris als begeisterter Nacht-Fotograf kann sich das natürlich nicht entgehen lassen. Das ist klasse, denn so bekomme ich eine Einweisung in die Grundlagen und kann meine neue Kamera (eine Sony RX 10 IV) entsprechend voreinstellen, um unsere Ankerlieger und den Sternenhimmel abzulichten.

Melanie nimmt Chris und mich auf und fängt damit die Stimmung wunderbar ein:

Und hier ein Ergebnis von Chris:

Die Mehrzahl der Meteoriten zeigt sich aber erst am frühen Morgen. Dass Wiebke und ich auch zu dieser Zeit wieder einige Sternschnuppen zu sehen bekommen, liegt an unserem Motorboot-Nachbar. Kurz vor drei Uhr nachts frischt der Wind kräftig auf. Wiebke schaut nach, ob alles in Ordnung ist und ruft mich dann nach draußen. Unser Nachbar driftet in 20 m Entfernung an uns vorbei Richtung offenes Meer. Sein Anker hält nicht.

Wiebke gibt Schallsignale und ich springe ins Dinghy, fahre hinüber und klopfe am Rumpf, bis der Eigner aufwacht und ein neues Ankermanöver fährt.

Danach sind wir erstmal hellwach, außerdem wollen wir schauen, ob sein ziemlich kleiner Anker (mit kurzem Kettenvorlauf und dann Leine) jetzt besser hält. Also legen wir uns aufs Vorschiff und beobachten in der wunderbar lauen Sommernacht noch einmal den Sternenhimmel.

Die Milchstraße direkt über dem Masttop

Am nächsten Tag (Sonntag) machen wir einen größeren Hike. Saturna bietet mehrere schöne Trails, wir entscheiden uns für die Wanderung hoch auf den Bergrücken und am westlichen Cliff entlang zum rund 400 Meter hohen Mount Warburton Pike. Das sind zwar rund 15 km, aber die Ausblicke auf dieser Strecke sind fantastisch. Nachdem der Aufstieg geschafft ist geht’s hoch über dem Meer auf Ziegenpfaden mal durch den Wald, mal am steilen Abhang entlang. Gulf Islands und San Juan Islands liegen uns zu Füßen, der Blick geht hinüber bis Vancouver Island und Mount Olympia. Nebenbei können wir auch gut erkennen, wie lokal die Wind- und Strömungsfelder in der Inselgruppe sind, die das Segeln hier trotz der kurzen Entfernungen so spannend und anspruchsvoll machen.

Zurück bei den Booten (etwa 24.000 Schritte Training für die Seglerbeine) heißt es dann wirklich Abschied nehmen von unseren Freunden. Chris und Melanie segeln nach Hause, wir dagegen bleiben noch etwas in den Gulf Islands und bereiten uns auf den langen Schlag nach San Francisco vor.

Danke für alles, Ihr Lieben.

Sidney. Per Luftkissen an Land. Erschreckendes Seeventil. Und wunderbare Gastfreundschaft.

Eine Woche sind wir schon in Sidney. Von Victoria aus gleich um die Ecke im Südosten von Vancouver Island und damit in unmittelbarer Nähe der Gulf Islands gelegen, ist Sidney so etwas wie das Segler-Mekka auf Vancouver Island. Ein knappes Dutzend Yacht Clubs und Marinas gibt es hier, dazu die entsprechende Infrastruktur von Segelmachern bis zu Motor-Mechanikern und Elektronik-Spezialisten.

Für uns eine gute Gelegenheit, Flora für den nächsten langen Schlag nach San Francisco fit zu machen. Wir entschließen uns, unser Boot für ein paar Tage aus dem Wasser zu nehmen und ein paar kleinere Wartungsarbeiten durchzuführen.

Aber erst einmal ankern wir in der Roberts Bay, direkt am Haus unserer Freunde Melanie und Chris. Na ja, fast. Ein bisschen Vorsicht ist geboten, der innere Teil der Bucht fällt bei Ebbe trocken, man sollte also nicht bis zu den (ohnehin als privat gekennzeichneten) Bojen fahren. Aber die Seekarten sind akkurat und wir sind ohnehin gewarnt.

Es ist schon klasse, im Garten zu sitzen und das eigene Boot vor Anker beobachten zu können.

Oder aber bei Sonnenaufgang aus dem Fenster.

Das Foto hat Chris gemacht, aber es hätte auch von uns sein können. Denn schon am zweiten Abend paddeln wir nicht mehr zur Flora, sondern beziehen das Gästezimmer im Haus unserer Freunde.

Wir machen gemeinsame Ausflüge und Fahrradtouren, besuchen den privaten Blumenpark Butchart Gardens mit Karussellfahrt, anschließendem Picknick und großem Feuerwerk, machen eine Einkaufstour (Wolle und Kamera) nach Victoria, werden bekocht, gehen Essen und besuchen Freunde der beiden, feiern Chris’ Geburtstag, kurz: wir werden so richtig verwöhnt.

Orca ganz nah (und ganz freundlich)

Aber na klar, auch etwas Arbeit auf Flora steht an. Die neue Armatur in der Pantry installieren wir noch vor Anker. Hört sich einfach an, erfordert aber doch einiges an Boots-Yoga und ein paar Anpassungen an den Anschlüssen. Ein wenig Blut und einige Flüche gehören nun mal zu jeder anständigen Bootsarbeit …

So siehts aus, endlich tropft der Wasserhahn nicht mehr (und deshalb müssen wir auch nicht mehr nachts die sonst regelmäßig anspringende Frischwasserpumpe ausstellen).

Aber die anderen Arbeiten heben wir uns für Floras Landaufenthalt auf. Insbesondere zwei Seeventile sehen nicht mehr sehr Vertrauen erweckend aus, sie und die dazu gehörenden Borddurchlässe sollen getauscht werden. Der Log/Lot/Temperatur-Geber kommt ebenfalls neu. Außerdem hat unser Unterwasserschiff hier im kalten aber an Nährstoffen reichen Wasser des Nordpazifiks etwas Pelz angelegt.

Bei Philbrooks an der Van Isle Marina gehen wir aus dem Wasser. Diesmal nicht wie sonst per Travellift (also per fahrbarem Kran, der Flora mit Schlingen unter dem Bauch hochhebt). Statt dessen bringt ein “45 t haul out self propelling trailer” unser Schiff aufs Trockene.

Und das geht so: Flora liegt am Steg vor der Rampe. Wie von einem überdimensionierten Unter-Wasser-Gabelstapler wird Flora auf die Hörner genommen, links und rechts vom Kiel werden per Fernsteuerung die langen Metallarme (mit großen Luftschläuchen darauf) unter Floras Rumpf platziert. Dann wird das Ganze hydraulisch hoch gepumpt (bzw. die darunter liegenden Räder nach unten gegen die Rampe gepresst. Das alles ohne irgendwelche Abspannung des Bootes, ganz schön aufregend für uns. Flora bleibt waagerecht und wird auf dem jetzt schrägen Gefährt die Rampe hoch gezogen und an Land gesetzt.

Das Coppercoat des Unterwasserschiffs wird nach dem Hochdruck-Reinigen mit 320er Papier angeschliffen. Decken, Vorhänge und Teppiche kommen raus, Waschmaschine und Teppichreiniger unserer Freunde laufen im Hochbetrieb. Was für ein Luxus, wir können bequem in ein paar Minuten von der Marina zum Haus unserer Freunde laufen. Und für die Teppichladung werden wir von Melanie und Chris sogar im Auto chauffiert.

Bootsteppich trocknet mit Aussicht hinterm Haus
Gardinen im Vorgarten

Die Opferanoden hat die Taucherin in Campbell River vor zwei Monaten kontrolliert: “sind noch gut”. Wohl eher nicht, gut dass wir sie jetzt checken und tauschen können.

Opferanode der Antriebswelle alt/neu
Opferanode Propeller alt/neu

Und die Borddurchlässe/Seeventile? Eins überlebt den (allerdings verschärft durchgeführten) Rütteltest nicht und bricht im Verbindungsstück zwischen Seeventil und Seewasserfilter ab:

Die rote Bruchstelle sieht schwer nach galvanischer Korrosion/Entzinkung aus. Das betroffene Fitting wurde bei der nachträglichen Installation des Wassermachers in Griechenland eingebaut. Möglicherweise war es Messing statt gegen Seewasser beständigerer Bronze, aber wir haben ab jetzt ein besonders wachsames Auge auf unsere Borddurchlässe. Alle werden noch einmal gecheckt, drei lassen wir von Philbrooks tauschen.

Aber jetzt ist erst einmal langes Wochenende: Montag ist “British Columbia Day” und damit arbeitsfrei. Mittwoch soll Flora zurück ins Wasser.

Zeit, erstmal bei “Tim’s“ Kaffee und Croissants zu holen. Melanie: “Ihr wart noch überhaupt nicht bei Tim Hortons? Dann lassen Euch die Zöllner bestimmt nicht aus Kanada ausreisen!” Die von der kanadischen Eishockey-Legende Tim Horton gegründete Kaffeehaus-Kette ist wohl eine kanadische Institution.

😇

Think out of the box!

Wir haben das Ruder herumgeworfen und den Kurs neu abgesteckt.

Die Überfahrt zu den Bahamas wäre wohl möglich, allerdings mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von Winden über 35 kn in den Böen bei Ankunft. Machbar, aber dann nicht durch die Riffeinfahrten von Abaco nach Marsh Harbour, sondern etwas weiter südlich zur nächsten Insel Eleuthera, nach Spanish Wells.

Bloß, der Hurrikan Eta tobt sich nach der Vorhersage nicht bei seinem Landfall in Nicaragua völlig aus, sondern wandert wieder hinaus aufs Wasser, sammelt neue Kräfte und wendet sich dann Kuba zu. Aktuell sagt die Vorhersage zwar, dass ETA dann über Cuba hinweg in den Golf westlich von Florida und nicht westlich über die Bahamas geht, aber jedenfalls käme er den Bahamas unbehaglich nah.

Also vielleicht heute einfach nur ums Kap Hatteras herum und mit einem Übernachttörn nach Beaufort in North Carolina? Oder weiter an der Küste herunter nach Charleston oder Brunswick? Wäre ein gutes Wetterfenster dafür. Allerdings gibt es auf absehbare Zeit, mindestens mal in der nächsten Woche, kein Wetterfenster um von dort auf die Bahamas zu kommen. Außerdem würden wir uns auf den Hurrikan zu bewegen. Und letztlich auch blöd: unser Visum für die USA gilt nur bis zum 12. November (wie schnell doch ein halbes Jahr vergeht). Und ausklariert haben wir ja auch schon. Eine Zwickmühle?

Nicht unbedingt. Querdenken. Wir haben uns reichlich verproviantiert, das Schiff ist klar, die Strecktaue für die Offshorepassage befestigt, das Dinghy mit Fendern unter der Persenning aufgefüllt und verzurrt, der Außenborder am Heckkorb.

Gestern Abend nach dem neuesten Wetterbericht beschließen wir, einfach das Ziel neu zu definieren. Bahamas ist schwierig, aber das Wetterfenster passt gut für Antigua. O.k., da waren wir im Frühjahr gerade längere Zeit, aber erstens ist es toll dort, zweitens ist die Ausgangslage dort super, um mit dem Passat die großen Antillen zu besuchen und drittens haben wir vielleicht sogar die Chance, doch noch die British Virgin Islands zu besuchen, die ab 8.12. Wieder für Yachten aufmachen sollen. Dafür wären wir quasi in pole Position. Die Mehrheit der heute aufbrechenden Salty Dawg Schiffe hatte sowieso von Anfang an Antigua als Ziel, so wechseln wir einfach in diese Flottille.

Also los, statt 5 Tagen zu den Bahamas werden wir für die rund 1.640 sm nach Antigua eher 10 bis 12 Tage brauchen. Solange werden wir ab jetzt auch erstmal nicht erreichbar sein, dies ist der letzte Blogpost im US-Telefonnetz. Wir werden aber versuchen, zwischendurch reine Textblogbeiträge über Iridium-Satellit zu senden.

Auf geht’s, aus der Kälte (heute morgen unter 10 Grad) hoffentlich in die Wärme. Wir freuen uns.

Ihr könnt unsere Fahrt auf mit den Salty Dawg hier verfolgen. Durch Klick auf SDSA Fall Rally Tracks kommt ihr auf die Bootsliste und könnt dort auch die Flora anwählen und unsere jeweilige Position hervorheben. Das wird stündlich aktuell sein. Auf Noforeignland werden wir unere Position ein paar mal am Tag manuell aktualisieren (leider geht immer nur eins von beiden automatisch).

Der ungewöhnliche Isaias

Isaias. Ungewöhnlicher Name. Erst recht für einen Hurrikan, denn ein solcher war Isaias (Kategorie 1) noch über den Bahamas, aber inzwischen hat er etwas an Kraft verloren und ist zum tropischen Sturm heruntergestuft. Vor allem aber hat Isaias eine ungewöhnliche Zugbahn.

Der Weg nach Florida war noch eher typisch, aber jetzt arbeitet sich Isaias langsam die ganze US-Ostküste hoch, vielleicht mit einem kleinen Landfall bei Myrtle Beach oder bei Kap Hatteras, nur um dann wieder Kraft auf dem offenen Meer zu tanken und weiter die Küstenlinie entlang zu ziehen. Bis nördlich von New York. Hm. Da sind wir.

Zuerst (vor einer Woche) schien die Vorhersage so ungewöhnlich, dass wir gedacht haben, das würde sich sicher noch ändern. Hat es aber nicht, die verschiedenen Modelle nähern sich immer mehr an und die ungewöhnliche Zugbahn bestätigt sich weiter.

Für uns heißt das, die wunderschöne aber weiter draußen und damit exponiert liegende Insel Block Island (für diese Gegend sind Wellen von 4 m Höhe vorhergesagt) etwas früher zu verlassen und ein Stück in die Narraganset Bay hinein zu segeln, dort sollte der Sturm weniger Kraft haben. Unser erster Ankerplatz bei Bristol ist zwar schön (insbesondere der kleine Ort), aber nach Süden zu offen. Nicht gut, denn Isaias soll hier vor allem starke Südwinde bringen.

Gemeinsam mit unserem alten Buddyboat, der Amalia (Steve und Helena), verholen wir 6 sm weiter nach Osten nach East Greenwich und ankern dort wunderschön vor einem Waldstück mit kleiner Steilküste und Sandstrand. Das Bojenfeld etwas näher vor dem Ort liegt in einem genau in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Creek und ist ziemlich eng gesteckt, da scheint uns unser Ankerplatz geschützter. Wir bauen unsere Solarpaneele und unser Bimini ab, ebenso alle jetzt überflüssigen Leinen wie Spischoten, Barberholer und die an den Spibäumen angeschlagenen Vor- und Achterholer. Selbst die Angeln verschwinden unter Deck. Steht unserer Flora eigentlich ganz gut 😊.

Hört sich übertrieben an? Na ja, die Wetterberichte zeigen, dass Isaias zwischendurch vermutlich nur etwa vier Knoten fehlen werden, um wieder zum Hurrikan hoch gestuft zu werden. Ob er sich daran hält? Außerdem ist er eben ungewöhnlich, da gehen wir um so mehr lieber auf auf Nummer sicher. Gerade bekommen wir eine NOAA-Wetterwarnung für die die Narragansett-Bay, also den tiefen Einschnitt bei Newport, in dem wir uns verkrochen haben: “Uncertanty in track, size and intensity: potential for wind 58-73 mph.” Windy sagt für unseren Standort “nur” etwa 43 kn an, was auch schon 9 Beaufort wären.

Das Gute: Isaias sollte schnell vorbeiziehen, nach ein paar Stunden durch sein. Und vermutlich wird er hier am späten Nachmittag kommen, also bei Tageslicht, und dann schon nach wenigen Stunden weitergezogen sein. Wir haben viel Platz, guten Ankergrund und gut 10fachen Scope (Verhältnis der ausgebrachten Ankerkette zur Wassertiefe).

Wir sind gespannt, aber eigentlich ganz zuversichtlich. Morgen wissen wir mehr.

Feuer und Wasser

Für eine Langfahrt gibt es ein ganz ein ganz einfaches Erfolgsrezept:

„Keep the crew happy!“ 😃 Wer beim Titel dieses Blogs jetzt an Feuerwasser denkt … nein, wir sind hier ganz nüchtern, vielleicht sogar ein wenig zu technisch unterwegs. Ich hoffe, es schreckt Euch nicht zu sehr.

Glücklich wird die Mannschaft sicher nur sein, wenn es nicht nur der Besatzung selbst, sondern auch dem Boot gut geht, alles andere würde die Stimmung der Crew schnell vermiesen. Zweiter wesentlicher Grundsatz ist deshalb:

„Keep the water out!“

Die Vorsorge dafür schließt eine ganze Menge ein: Kollisionsverhütung genauso wie die regelmäßige Überprüfung aller Seeventile. Bei uns sind das eine ganze Menge: schon ab Werk hat unsere HR 43 über 20 „Löcher“ im Rumpf, die mit Seeventilen abgesperrt werden. Manche davon sind über der Wasserlinie und somit weniger kritisch, erstaunlich viele jedoch auch unter der Wasseroberfläche und somit im Falle eines Defektes ein potentielles Leck. Die hohe Anzahl hat uns erst einmal überrascht und auch ein bisschen erschreckt. Zum Beispiel fand ich es ziemlich befremdlich, dass beide Spülbecken der Pantry jeweils einen eigenen Unterwasser-Rumpfdurchbruch und somit ein eigenes Seeventil haben.

Mit etwas Nachdenken findet sich dafür aber ein guter Grund: wir haben zwei Kühlschränke, die beide wassergekühlt arbeiten, was gerade in warmen Gefilden den Energieverbrauch des Kühlkompressors deutlich verringert. Bei dieser sogenannten SP-Kühlung wird die natürliche Pumpbewegung im mit Kühlspiralen versehenen Borddurchlass genutzt, um die vom Kühlkompressor erzeugte Wärme abzuführen.

Durch die nachträglich eingebauten Extras wie Klimaanlage und Watermaker finden sich weitere Seeventile. Wir haben den von Hallberg-Rassy mitgelieferten Plan der Borddurchlässe deshalb ergänzt. Laminierte Ausfertigungen liegen im Kartentisch und sollten im Fall des Falles bei einem Wassereinbruch die Suche trotz Hektik systematisieren helfen.

Außerdem vereinfacht der Plan die regelmäßige Sicht- und Funktionskontrolle aller Seeventile, ansonsten würde man einfach zu leicht eines vergessen. Wir machen das regelmäßig und jetzt im Frühjahr haben wir leider bei einem der Seeventile eine grünliche Verfärbung und kristalline Ausblühung an der Verschraubung gefunden. Das Ventil des Seewassereinlasses des Motors wird daher im Juni getauscht werden, Flora kommt für eine Erneuerung des Coppercoat-Antifouling-Unterwasseranstriches ohnehin noch einmal aus dem Wasser.

Wir haben außerdem auch endlich einmal in praktischer Übung nachvollzogen, welche Bilgepumpen wir haben (es sind drei, davon eine elektrische und eine manuelle ganz tief unten im Bilgensumpf, dazu noch eine große elektrische (Not-) Volumenpumpe, die etwas höher in der Bilge sitzt), welcher Schalter welche Pumpe bedient und (testweise) wo das Wasser denn tatsächlich nach draußen gepumpt wird.

Wenn man etwas darüber nachdenkt, gehört zur Vorbeugung hinsichtlich „Keep the water out!“ auch alles, was der Bekämpfung des eigentlich komplementären Elementes 🔥 dient. Denn Feuer an Bord wäre neben einem Wassereinbruch nicht nur das zweite große Schreckensszenario an Bord, außer Kontrolle geraten würde es auch für den Untergang und damit für mehr als reichlich Wasser 💦 im Schiff sorgen.

Schon ab Werk hat die Flora 4 Feuerlöscher 🧯 (je einen im Vorschiff, Salon und Achterkajüte sowie einen in der Backskiste draußen). Diese Feuerlöscher sind jeweils ABC-Pulverlöscher (also für die Brandklassen A, B und C, d.h. für Feststoffe, Flüssigkeiten und Gase), nicht aber Metalle (D) oder Fette (F) geeignet. Soweit eigentlich schon mal ganz gut, allerdings richtet der Einsatz eines Pulverlöschers in einem geschlossenen Raum eine ausgesprochene Sauerei an, nimmt sofort die Sicht und auch die Luft zum Atmen. Der feine Staub kriecht dann auch in die Bauteile aller elektronischen Geräte. Übrigens backt das feine Pulver nach einiger Zeit durch Luftfeuchtigkeit zusammen und wird dann hart wie Beton, nach einem Einsatz sollte man also schnellstmöglichst mit der Reinigung beginnen. Nun wird einem das alles ziemlich egal sein, wenn man nur so das Feuer an Bord gelöscht bekommt.

Bei noch vergleichsweise kleinen Bränden (Entstehungsbränden) wäre es allerdings wünschenswert, die negativen Begleiterscheinungen des Löschens so gering wie möglich zu halten.

Am einfachsten geht das durch den Einsatz von Löschdecken. Wir haben zwei davon im Bereich Pantry und Salon leicht erreichbar platziert. Es sind einfache IKEA-Löschdecken, aber hier kommt es eigentlich nur auf die schnelle Einsatzmöglichkeit an.

Zusätzlich haben wir noch einen Aerosol-Löschstab am Salontisch neben dem Pulverlöscher angebracht:

Die wartungsfreien kleinen Aerosolstäbe haben eine für ihre Größe erstaunlich hohe Löschleistung und hinterlassen kaum Schmutzrückstände. Allerdings muss man beachten, dass er dem Feuer quasi nur die „Luft“ entzieht und nicht die Glut löscht.

Darüber hinaus haben wir (ebenfalls für Entstehungsbrände) einen kleinen Schaumfeuerlöscher griffbereit. Diese Sprühdose ist sehr leicht und unproblematisch einsetzbar und macht in überschaubarem Umfang Sauerei, nämlich wirklich nur in der Nähe des Brandherdes. Nicht zuletzt deshalb werden diese Löscher auch für den Brand am heimischen Adventskranz empfohlen 😉.

Wir haben zwar einen Feuermelder installiert, aber trotzdem war es uns für den Motorraum wichtig, einen selbstauslösenden „Automatik“-Löscher zu haben. Uns gefiel weder die Vorstellung, im Brandfall die Türen zum Motorraum aufmachen zu müssen, noch auf gut Glück durch das kleine – immerhin ab Werk vorhandene – aufzustoßende Feuerlöschloch in den Motorraum hineinzusprühen.

Wir haben deshalb im Motorraum eine Feuerlöschkugel angebracht. Sie löst bei Kontakt mit Feuer automatisch aus und wirkt dann pyrotechnisch wie ein Pulverlöscher.

Zwar dürfte das unser ebenfalls im Motorraum untergebrachtes Batterieladegerät nicht so toll finden, aber das wäre dann wohl eher zweitrangig.

Überhaupt hoffen wir doch sehr, dass es sich mit den Feuerlöschern bei uns an Bord wie mit den Regenschirmen verhält, die man ja immer nur braucht, wenn man sie NICHT dabei hat 😉.

Auch in diesem Sinne: KEEP THE CREW HAPPY! 😌

Gürtel und Hosenträger für MOB?

Eine der schlimmsten Vorstellungen hinsichtlich einer Langfahrt ist, dass auf hoher See ein Crewmitglied über Bord gehen könnte. Nicht ohne Grund ist „Eine Hand fürs Schiff!“ oberster Grundsatz.

Die praktische Erfahrung beim Safety-at-sea-Kurs in Elsfleth im letzten Jahr hat uns noch einmal deutlicher gemacht, wie schwierig es insbesondere bei Wellengang sein dürfte, eine über Bord gegangene Person wieder an Deck zu bekommen. Die allererste Prämisse muss also sein, das Überbordfallen zu verhindern. Strecktaue und feste Punkte zum Einpicken der Sicherheitsleine sind bei uns an Bord vorhanden.

Allerdings – das ständige Tragen von Rettungswesten und darin eingepickten Lifebelts halten wir nicht für realistisch. Schaut man sich die Fotos oder Videos von Seglern auf Langfahrt an, tragen nur die Allerwenigsten IMMER eine Rettungsweste. Blöderweise besteht das Risiko, über Bord zu fallen aber nicht nur bei Schwerwetter oder jedenfalls starkem Wind.

Zwar wäre es bei weniger schwerem Wetter im Prinzip einfacher, jemanden wieder an Bord zu bekommen, allerdings kommen bei unserer kleinen Crew auch bei eigentlich gutem Wetter ein paar weitere Schwierigkeiten dazu.

Zunächst mal bewegt sich das Boot ja, schwimmend kommt man da nicht hinterher. Also muss das Boot stoppen. Dafür muss erst mal jemand anderes mitbekommen, dass ein Crewmitglied fehlt. Bei kleiner Crew ist das nicht selbstverständlich. Nachts darf selbst eingepickt niemand das geschützte Cockpit verlassen, wenn nicht mindestens ein anderer ebenfalls im Cockpit ist. O.k., aber tagsüber?

Eine mögliche Lösung könnte in diesen kleinen, einer Armbanduhr ähnlichen „OLAS“-Sendern liegen.

Die mit rund 50 Euro pro Stück vergleichsweise eher günstigen OLAS-Armbänder (SmartTags) sind über Bluetooth mit einer App auf Handy und/oder iPad verbunden. Sie zu tragen stellt auch bei heißem ruhigen Wetter praktisch keine Einschränkung der Bequemlichkeit dar. Fällt der Träger eines solchen SmartTags über Bord, unterbricht die Bluetooth-Verbindung, die App löst dann optisch und akustisch Alarm aus. Außerdem zeigt die App den Ort (die GPS-Position) der Unterbrechung an und auch die Richtung, in der dieser Ort von dem sich inzwischen ja fortbewegenden Schiff aus liegt.

Die optimale Lösung?

Na ja, bei genauerer Betrachtung gibt es da doch einige Bedenken. Die kleinen SmartTags brauchen natürlich Batterien. Leider sind sie nicht mit (etwa per USB) wiederaufladbaren Akkus bestückt. Allerdings kann man die Knopfzellen-Batterien gut selbst wechseln und die Laufzeit soll zwischen einem und vier Monaten liegen, was wir allerdings noch nicht getestet haben. Etwas schwerer wiegt da schon, dass das Device, auf dem die App läuft, logischerweise nicht mit über Bord gehen darf. Auch hier sehen wir aber ein eher kleines Problem, da man die App parallel auf mehreren Geräten laufen lassen kann und die SmartTags dann auch auf allen Geräten angemeldet sein können. Allerdings: wie wir im praktischen Versuch schon zu Hause ausprobiert haben, muss die App geöffnet sein, sie läuft bei uns nicht auf dem ausgeschaltetem iPad im Hintergrund. Das ist eine suboptimale und stromfressende Geschichte. Eine weitere und die im Ernstfall wohl entscheidende Einschränkung ergibt sich aus der Bluetooth-Struktur. Die geringe Reichweite von irgendwo zwischen 10 und maximal 100 Metern wird ja genutzt, um über die Unterbrechung das Alarmsignal auszulösen. Danach ist aber eben gerade keine Verbindung mehr vorhanden, d.h. man weiß zwar in etwa, wo jemand über Bord gefallen ist, aber nicht, wohin er jetzt getrieben ist. Wenn man die über Bord gefallene Person bei etwas Wellengang nicht mehr erkennen kann, liegt darin ein großes Manko. Damit ist für uns klar: Die SmartTags helfen im MOB-Fall bei der Alarmierung (was gerade bei kleiner Crew nicht unterschätzt werden sollte). Bedenkt man aber, dass der Rest der (kleinen) Crew vielleicht gerade schläft oder unter Deck beschäftigt ist, vergeht bis zum Stoppen oder gar Umdrehen des fahrenden Bootes sicher einige wertvolle Zeit, nach der man die über Bord gegangene Person vielleicht nicht mehr so leicht wiederfindet. Zur Hilfe bei der Suche bieten die SmartTags aber nur eine sehr grobe Orientierung.

In unseren Rettungswesten haben wir ja automatisch auslösende AIS-Sender ( https://florasailing.wordpress.com/2019/01/11/armed/ ), aber wie eingangs geschrieben nützt das eben nur, wenn die Rettungsweste auch tatsächlich getragen wird.

Auf der Boot haben wir deshalb kleine zusätzliche AIS-Sender von Simy gekauft. Die sind mit ca. 200 Euro pro Stück zwar nicht ganz billig, aber sehr kompakt, sie können leicht etwa in der Tasche der Shorts getragen werden. Man muss sie allerdings manuell auslösen.

Wenn so ein AIS-Sender ausgelöst wird, egal ob automatisch oder manuell, schlägt der Plotter (sofern er eingeschaltet ist!) akustisch Alarm und zeigt zugleich die Position des AIS, also des über Bord gegangenen, laufend mit einem besonderen Symbol auf dem Bildschirm an. Sind andere Schiffe mit AIS-Empfänger in der Nähe, bekommen auch sie den Alarm und die Anzeige.

Anders als bei den in unseren Rettungswesten montierten MOB1 von Ocean Signal kann keine MMSI in die kleinen Simy My-AIS programmiert werden, sie lösen also nicht zusätzlich einen Alarm auf der eigenen UKW-Funke (sofern auf Langfahrt überhaupt eingeschaltet) aus.

Verglichen mit den SmartTags vereinfacht sich aber das Wiederfinden einer über Bord gegangenen Person erheblich, weil deren Position trotz der niedrigen Antennenhöhe des Senders im Wasser jedenfalls in einer Entfernung von mindestens zwei Meilen punktgenau auf dem Plotter ersichtlich sein sollte.

Gürtel und Hosenträger? Jedenfalls verschieden Optionen für zusätzliche Sicherheit.

Am besten aber natürlich gar nicht erst über Bord fallen!

ARMED

Das automatische Schiffserkennungssignal (Automatic Identification Signal), kurz „AIS“ empfinde ich als einen wesentlichen Sicherheitsfortschritt. Es ist einfach klasse, damit ausgerüstete Schiffe auf dem Plotter nicht nur identifizieren zu können, sondern auch leicht ablesen zu können, wie nahe sie einem wann kommen werden. Gerade beim Queren einer Schifffahrtsstraße mit dicken Pötten oder beim Heranrauschen von Fähren ist uns das eine große Hilfe. Aber auch umgekehrt können andere die Flora, ihren Kurs und ihre Geschwindigkeit auf Ihrem Plotter sehen, so dass auch unsere passive Sicherheit steigt. Um diesen Aspekt noch weiter zu verbessern, haben wir in unseren Rettungswesten zusätzlich kleine und leichte AIS Notsender mit DSC-Funktion eingesetzt. Diese auch POB (Person over Bord Beacon) genannten kleinen Wunderteile sollen das Auffinden und damit die Rettung von über Bord gefallenen Personen maßgeblich verbessern bzw. in der Nähe befindliche Schiffe überhaupt erst auf einen solchen Seenotfall aufmerksam machen. Wir haben uns dabei schon vor einiger Zeit, nämlich 2016 vor meiner Silverrudder-Teilnahme, für MOB1 der Firma Ocean Signal entschieden. Sie sind nur 92 Gramm leicht, mit einem GPS Empfänger ausgestattet und lösen beim Aufblasen der Rettungsweste automatisch aus, können aber auch manuell ausgelöst werden. Nach einer Aktivierung wird dann 24 Stunden lang gesendet, der MOB1 sendet das Notsignal an alle AIS Empfänger in Reichweite, auf deren Plotter erscheint dann ein „Mensch über Bord“-Signal.

So weit, so gut (auch wenn es hoffentlich nie zum Einsatz kommen muss). 

Durch einen Artikel auf http://www.morganscloud.com wurde ich im November 2018 darauf aufmerksam, dass genau die von uns gekauften MOB1 allerdings ein Problem mit der automatischen Auslösung haben könnten. Im Wesentlichen beruht dies darauf, dass der magnetische Auslösemechanismus durch ein schnelles Aufblasen der Rettungsweste und das dadurch erfolgte Wegreißen des Sicherungsschiebers erfolgen muss. Verschiebt sich der Sicherungsschieber langsam, wird nicht ausgelöst. Durch das Tragen der Rettungsweste kann sich der Sicherungsschieber aber langsam verschieben, wenn nicht ein besonderer durchsichtiger Plastikclip eingesetzt wird. Dieser Plastikclip war aber unseren früh gekauften MOB1 wohl nicht beigelegt und jedenfalls auch in der Anleitung nicht erwähnt. Also nachgeschaut und tatsächlich: Der Clip fehlt bei unseren MOB1.

Da ich die bei AWN gekauft hatte, habe ich mich an AWN in Hamburg gewendet. Das Problem war dort unbekannt, aber nach Zusendung eines Fotos haben sich die Mitarbeiter dort beim Hersteller darum gekümmert und: letzte Woche bekam ich eine Mail von AWN, ich könne die beiden Clips in der AWN-Filiale abholen, kostenlos. Habe ich gemacht, jetzt müssen sie nur noch zu unseren Rettungswesten auf die Flora nach Griechenland und dort eingebaut werden.

Falls Ihr auch solche MOB1 habt, schaut doch mal nach, ob bei Euch die durchsichtigen „ARMED“-Clips vorhanden sind.