Passage nach Hawaii, Tag 15

Ziemlich genau 22 Stunden motoren wir, dann kommt der Wind wieder. Erst schwach, inzwischen kräftig und von der anderen Seite, denn jetzt segeln wir im Nordostpassat. Also wohl für die nächsten knapp 2.000 sm auf Backbordbug.

Wenn wir bisher dachten, dass die Sonnenuntergangsbilder von Hawaii wohl übertrieben gefotoshopped sind (Grüße an Geburtstagskind Kerstin) haben wir am Abend eine Einstimmung darauf, was uns erwartet. Der Himmel überzieht sich mit unglaublichen, fast schon kitschigen Tönen. Am Horizont rot, orange, gelb, darüber ein rosafarbenes Band, als ob ein riesiger Farbverlaufsfilter vor den Himmel gespannt ist. Wir staunen und genießen. Um so mehr, als wir zu diesem Zeitpunkt bereits wieder segeln, in den Sonnenuntergang hinein.

Wir lesen viel über Hawaii, ganz unterschiedliche Sachen. Die Reise- und Törnführer natürlich, Jack Londons „The House of Pride and other Tales of Hawaii“ aber auch Romane (darunter James A. Micheners Epos „Hawaii“), historisches und ein Buch über Legenden und Mythen der Inselgruppe. Bleibt also noch reichlich Lesestoff für den Rest des Törns.

Essen: Auf Orangenscheiben gedämpfter Mahi und gebratene Knoblauch-Gnocchi mit Artichokenherzen und getrockneten Tomaten.

Etmal: 132 sm, gesamt gesegelt 2.356 sm, noch geschätzte 1.944 sm nach Hawaii.

Passage nach Hawaii, Tag 14

Erst die Arbeit und dann das Bergfest-Vergnügen

Der Schlenker nach Norden ist eingeleitet. Die ersten vier Stunden können wir noch segeln, wobei der Wind immer weniger wird. Einmal mehr segeln wir (diesmal stundenlang) mit der ungewöhnlichen Kombination von Passatbesegelung und vollem Groß bei wenig Wind aus 165 Grad AWA. Kurz vor Sonnenuntergang dann Flaute, wir rollen die Segel ein, bauen den Spinnakerbaum zurück. Motor an und mit dem eintönigen Brummen des Diesels durch die Nacht.

Und damit wird der Pazifik, der uns ja bisher schon sehr friedlich behandelt hat, seinem Namen nun wirklich gerecht. Magellan hatte ihn nämlich „Mare Pacifico“, also „Stiller Ozean“ oder auch „Friedlicher Ozean“ getauft, weil er auf seiner Irrfahrt über diesen riesigen und für die Europäer unbekannten Ozean rund 100 Tage Flaute erlebte. Hoffen wir mal, dass wir auf unserem Törn nach Hawaii mit nur einem klitzekleinen Bruchteil davon konfrontiert sind.

Nach dem Frühstück wenden wir es positiv und nutzen die Flaute zu einem Arbeitseinsatz. Ein Blick ans Heck hatte zuletzt einen schleimig grünen Film auf dem Rumpf gezeigt, soweit Wellen ihn gelegentlich umspülen. Und – ärgerlicher – an der Kante des Hecks waren außerdem Entenmuscheln sichtbar. Wenn da schon welche sind …
Also Motor aus, Flossen an, Taucherbrille auf und bewaffnet mit einem Eiskratzer für die Autoscheibe ans Werk. Kein schöner Anblick: vor allem unterm Heck des Bootes finden sich etwa 2 cm lange Entenmuscheln in erschütternd großer Dichte, ziehen sich hoch bis 20 cm über die Wasserlinie und ansonsten etwa 60 cm unterhalb der Wasserlinie, tiefer finden sie sich nur noch vereinzelt.
Gut eine Stunde schabe ich die Biester vom Rumpf und wische danach den grünen Schleim mit einem Schwamm ab, damit sie nicht gleich wieder einen guten Nährboden finden. Das Wasser im Pazifik (und wahrscheinlich insbesondere um die Galapagos) scheint ein Wachstum dieser Muscheln zu fördern, wie wir es bisher mit Flora nicht erlebt und gekannt haben.

Und dann feiern wir. Den sauberen Rumpf vielleicht auch ein bisschen, vor allem aber unser Bergfest auf der Strecke nach Hawaii. Heute nacht haben wir auf diesem Törn die 2.150 sm überschritten, also mehr als die Hälfte der geschätzten 4.300 sm Gesamtstrecke geschafft. Und – total lieb – Susan und Holger von der Ultimate hatten uns vor der Abfahrt ein kleines Geschenk übergeben, was wir zu diesem Anlass öffnen sollen. Wir freuen uns über die Worte der Karte und das schöne Geschenk.

Gestern waren wir auch schon fleißig: Brot gebacken, Müsli gemacht, Mandelkuchen gebacken, natürlich alles auch probiert ;-). Deshalb gab es zum Essen dann einen leichten Wassermelonen-Schafskäse-Salat.

Etmal: 118 sm, gesamt gesegelt bisher 2.224 sm, noch geschätzte 2.076 sm nach Hawaii.

Passage nach Hawaii, Tag 13

Wie kann man beschreiben, was das für ein Gefühl ist? Seit fast zwei Wochen segeln wir jetzt durch das scheinbar endlose Blau des Pazifik. Bisher verwöhnt er uns mit ganz überwiegend herrlichem Wetter und bestem Segelwind. Sonnenaufgang hinter der Flora, Sonnenuntergang vor dem Bug, wieder Sonnenaufgang hinter der Flora in einem speziellen Gelb-Orange-Rosa, wieder Sonnenuntergang vor dem Bug in den gleichen Farben, oft mit ein paar Wolken am Horizont garniert. Die Zeit verschwimmt. Heute erneut eine sternenklare Nacht, erst kurz vor Sonnenaufgang geht als ganz schmale Sichel der abnehmende Mond auf.
Wir sind zwar wieder auf der Nordhalbkugel, aber so nahe am Äquator können wir die bekanntesten Sterne und Sternbilder des Südhimmels noch gut erkennen: das Kreuz des Südens natürlich, in der leuchtenden Milchstraße. Zu seiner linken Seite unser Nachbar-Sonnensystem Alpha Centauri im Sternbild Zentaur, zur Rechten der unauffällige „Fliegende Fisch“ und das große Sternbild „Kiel des Schiffes“ mit seinem hell leuchtenden Stern Canopus, dem zweithellsten überhaupt am Nachthimmel, nach dem noch etwas weiter rechts bläulich strahlendem Sirius im großen Hund, den wir ja auch im Norden als Bestandteil unseres Wintersechsecks gut beobachten können.

Wir haben den 120. Längengrad West überschritten, deshalb die Bordzeit eine weitere Stunde zurückgestellt und sind jetzt 10 Stunden hinter der deutschen Zeit. Heute gibts also wieder ein 24 Stunden Etmal und ein korrigiertes Etmal.

Und ab heute Mittag werden wir einen weiteren Schlenker nach Norden machen, hinein in die ITZ. Wenn alles glatt geht, müssen wir dann ab heute Abend nur etwa 24 Stunden motoren und würden morgen Abend die ersten Ausläufer des Nordostpassats erreichen. Drückt uns die Daumen.

Essen: Hawaiian Poke Bowl mit Mahi Mahi.

Etmal: 154 sm in den letzten 24 Stunden, + 5 sm in der durch die Zeitumstellung gewonnenen Stunde, korrigiertes Etmal (in 25 Stunden) somit 159 sm, gesamt gesegelt 2.106 sm, noch geschätzte 2.194 sm nach Hawaii.

Passage nach Hawaii, Tag 12

So lange waren wir bisher noch nie unterwegs. Heute Mittag haben wir die 12 Tage voll gemacht und damit unsere bisher längste Passage übertroffen, die Atlantiküberquerung Dezember 2019 mit 11 Tagen und 22 Stunden. Überhaupt erst die dritte Passage mit einer zweistelligen Anzahl von Tagen (10 Tage war Chesapeake Bay nach Antigua, November 2020).

Von der Passage nach Hawaii haben wir noch nicht ganz die Hälfte geschaft, das Bergfest steht noch aus. Und vor allem der taktisch kniffeligste Teil liegt noch vor uns, sogar unmittelbar vor uns: die Kalmenzone der ITZ. Das Wetterfenster ist nicht mehr so klar wie noch vor ein paar Tagen vorhergesagt, aber gleichwohl scheint sich uns noch die Chance zu bieten, mit einer überschaubaren Motorzeit durch die ITZ hindurch zu kommen und damit relativ weit östlich den Nordostpassat Richtung Hawaii zu erwischen. Damit würden wir den Passat dann leicht achterlich haben. Würden wir weiter nach Westen segeln in der Hoffnung auf eine dort schmaler werdende ITZ, hätten wir auf dem langen Schlag nach Hawaii den Passat eher schräg von vorn (also bei der zu erwartenden Windstärke nicht ganz so angenehm). Wir wälzen die über Satellit empfangenen Wetterberichte hin und her, diskutieren auch mit Jan in Hamburg. Spätestens morgen müssen wir die Entscheidung treffen.

Derzeit haben wir nichts auszustehen, der Wind ist mit etwa 15 kn perfekt, die Wellen sind auf knapp über 2 m zurückgegangen. Die Strömung hat ebenfalls nachgelassen und wird vermutlich in den nächsten Tagen eher ein bisschen gegen uns stehen. Sonnenschein, blauer Himmel, absolut kein Schiffsverkehr. Wir lesen viel, schlafen viel, genießen den Törn. Selbst so weit draußen begleiten uns immer wieder Seevögel, heute ein Nazca Boobie und ein junger Red Footed Boobie, der um unser Boot herum Kreise zieht und fliegende Fische jagt, außerdem Sturmtaucher.

Essen: Mahi-Tartar auf Reis mit Norigurken und Möhren in Sojasauce, frische Wassermelone zum Nachtisch.

Etmal: 182 sm(damit 599 sm in den letzten drei Tagen!), gesamt gesegelt 1.947 sm, noch geschätzte 2.353 sm nach Hawaii.

Passage nach Hawaii, Tag 11

Wir sind immer noch außergewöhnlich schnell unterwegs, der schiebende Äquatorialstrom schwächt sich nur ganz langsam ab, der Wind war sogar ein klein wenig stärker als gestern. Allerdings kommt er achterlicher, wir schaukeln etwas mehr. Außer die Segel ein bisschen zu öffnen brauchten wir keinerlei weitere Arbeit an Schoten und Segeln, weiterhin Fock und Groß. Das Wetter ist leicht bewölkt mit sonnigen Abschnitten, nur ein kurzer Schauer in der Nacht, sonst trocken.

Ab und zu beschleicht uns die Erkenntnis, dass um uns herum nicht viel anderes als Wasser ist. Tatsächlich ist das Festland von Mexiko 1.200 sm entfernt, die Marquesas rund 1.500 sm. Beides also sowohl näher als Galapagos und erst recht als Hawaii. Wir sind also ziemlich weit weg von allem. Das kann bedrückend sein, wenn wir an potentielle Probleme denken, kann aber auch ungeahnte Gespräche z.B. über weit entfernte Verwandtschaft mit sich bringen (was wahrscheinlich durch die im Moment gelesenen Bücher unterstützt wird), über Liedertexte lange nicht gehörter Lieder, allgemein über Stimmungen, über Ängste und Freuden.

Bootsarbeit des Tages: Eine Kombination aus (ungeliebtem) Lesen der Betriebsanleitung und (freudigem, wenn auch von gelegentlichem Fluchen begleiteten) Ausleben des Spieltriebs bringt mich dem Furuno-Plotter mal wieder etwas näher. Tatsächlich schaffe ich es, den dunklen Tiefen des Furuno-Menüs die Informationen zu entreißen, wie ein 360 Grad Radar-Alarmkreis gebildet werden kann und wie ich ihn zu einem 20 minütigem Stromspar-Schlaf mit anschließendem 1 minütigem automatischen und mit dem Alarmkreis gekoppelten Rundumblick bringen kann. Furuno nennt das Watchman. Warum dafür zuvor Grundeinstellungen in zwei völlig unterschiedlichen Grundmenüs zu verändern sind erschließt sich mir zwar nicht, aber der (kleine) Erfolg zählt. Auch einen Schlaf-Modus für das Display haben wir jetzt entdeckt, wir sind ja auch erst bald drei Jahre unterwegs.

Essen: Fischfrei! Hörnchennudeln mit frisch gerösteten Haselnusskernen, grünem Basilikum-Pesto und getrockneten Tomaten.

Heute vormittag war die Angel wieder draußen, allerdings nur kurz. Ein schöner 80 cm Mahi Mahi liegt jetzt bereits filetiert im Kühlschrank. 😉

Neues Rekord-Etmal: 209 sm, gesamt gesegelt 1765, noch geschätzte 2.535 sm nach Hawaii. Position 3 Grad N, 116 Grad 54′ W

Passage nach Hawaii, Tag 10

Nicht zu fassen. Ich habe gestern glatt vergessen zu erwähnen, dass wir erneut den Äquator passiert haben. Wir sind wieder auf der Nordhalbkugel.

Unsere hakenschlagende Streckenführung zahlt sich heute aus. Beim Umfahren der kleineren Schwachwindzone sind wir bewusst weiter als dafür eigentlich nötig nach Norden gegangen. Nicht zu weit, da warten ITZ und Regen, aber doch bis zu den bereit stehenden Siebenmeilenstiefeln. Blankpoliert und gespornt. Denn zwischen 1 und 2 Grad Nord verläuft derzeit der Äquatorialstrom ziemlich stabil und schiebt sehr kräftig westwärts. Auf den SeamanPro-Gribfiles von Wetterwelt lässt sich das wunderbar erkennen.
Mit der Halse von gestern morgen springen wir in diese magischen Stiefel hinein, sie bescheren uns unser heutiges Fabel-Etmal, das beste, das wir bisher mit der Flora jemals erreicht haben.
Dabei bleibt das Segeln angenehm, schon Schräglage, aber eben nur auf einer Seite und nicht hin und her rollend. Halbwindkurs mit zwischen 10 und (in Böen) 18 kn scheinbarem Wind. Der wahre Wind kommt leicht schräg von achtern, wie die Wellen auch, die uns deshalb zusätzlich immer mal wieder anschieben.

Im Bordrestaurant gibt es heute Zatar Mahi Mahi auf Rosmarin-Ofenkartoffeln gegart (Danke an Michael für die superleckere Zatar-Gewürzmischung). Und außerdem verwöhnen wir uns mit frischem Schokoladen-Haselnuss-Brownie-Kuchen. Steuerbord-Art, denn trotz kardanisch aufgehängtem Herd bildet er auf dem Blech eine etwas schiefe Ebene. Tut dem Geschmack aber keinen Abbruch.

Rekord-Etmal: 208 sm in den letzten 24 Stunden. Selbst wenn man 48 sm für konstante zwei Knoten westsetzende Strömung abzieht, immer noch sehr ein gutes Etmal. Gesamt gesegelt jetzt 1.556 sm, noch geschätzte 2.744 sm nach Hawaii.

Passage nach Hawaii, Tag 9

Das traumhafte Segeln vom Vortag setzt sich fort, wir bleiben den ganzen Tag und auch die Nacht hindurch unter Gennaker bei mäßiger Welle und nur ganz langsam zunehmendem Wind, Sonnenschein und blauem Himmel. „Wie klein Fritzchen sich das Segeln vorstellt!“

Die Linie(n) der chineschen Fischfangflotte, die hier offenbar systematisch das Meer leerkämmt, passieren wir bei Tageslicht. Die Schiffe fahren in mehreren Reihen gestaffelt und mit einigen Meilen Abstand, so dass wir auf dem AIS maximal vier gleichzeitig sehen. Durchkommen ist also zum Glück überhaupt kein Problem. Interessant wird es in der Nacht, da liegen die Fischer schon diverse Meilen achteraus. Wir können die uns am nächsten fahrenden trotzdem gut ausmachen, denn ihr gleißend helles Licht beleuchtet nicht nur die Schiffe sondern vielmehr auch das Meer um sie und spiegelt sich selbst in den Wolken. Die weiter entfernt fahrenden Flottenschiffe bilden einen gemeinsamen Lichtschein am Horizont, als läge in dieser Richtung eine Stadt. Ein surreales Bild mitten auf dem Ozean mit über 1.000 Seemeilen Wasser in jeder Richtung ohne ein Inselchen.

Im Übrigen eine wunderschöne Nacht, trotz spät aufgegehendem Mond nicht sehr dunkel durch den unfassbar leuchtenden Sternenhimmel. Mit dem ersten Sonnenlicht und unter Delfinbegleitung wechseln wir auf Westkurs. Wir nehmen den Gennaker herunter und sausen mit dem aufgefrischten Wind und jetzt wieder ordentlich mit 1,5 bis 2 kn schiebendem Strom unter Groß und Fock flott voran. Der neue Wetterbericht deutet von Donnerstag bis Samstag ein für uns erreichbares Fenster zum zumiondest teilweisen passieren der ITZ unter Segeln an, das wäre natürlich klasse.

Essen: Golddorade in Kruste von Maismehl und schwarzem Sesam mit Asia-Kohlgemüse und Reis 😉
Außerdem hat Wiebke aus Augenbohnen, Thymian, Rosmarin, Chili, Zwiebeln und etwas Frischkäse einen Brotaufstrich gemacht, der superlecker auf dem selbstgebackenen Dinkel/Weizenvollkorn-Baguette schmeckt.

Bootsarbeit des Tages: Betakeln einiger loser Enden von weniger benutzten Leinen. Fallen, Schoten und Festmacher hatte ich betakelt, aber bei Abschnitten wie etwa für unseren Trittfender oder die als Allzweckleine benutzte vormalige Rollreffleine war ich nachlässig, nur beklebt und verflammt. Jetzt ist Zeit und Muße für vernähte Taklinge.

Etmal 168 sm, gesamt gesegelt jetzt 1.348 sm, noch geschätzte 2.952 sm nach Hawaii.

Passage nach Hawaii, Tag 8

Was für Kontraste. Um ein derzeit eher schmales, jedoch weit von Ost nach West ausgreifendes Schwachwindgebiet (noch nicht die ITZ) zu vermeiden leiten wir einen Schlenker nach Norden ein. Nach der vorherigen Rauschefahrt ist damit aber auch ein ziemliches Bremsmanöver verbunden, weil wir direkt vor den Wind gehen müssen. Und kaum ein paar Stunden auf diesem Kurs, bricht der Wind dann ein (hätte er auf dem anderen Kurs auch getan). Wir dümpeln in der noch recht hohen Restwelle. Probieren alle möglichen Segelstellungen, selbst eine Passatbesegelung mit ausgebaumter Fock, Code0 auf der anderen Seite und zusätzlich dem Groß. In die Nacht geht es mit ausgebaumtem Code0 und dem per Bullenstander gesicherten Groß auf der anderen Seite (Schmetterling). Aber während der ersten Nachtwache nimmt der Wind noch weiter ab, die Segel flappen, die Beschläge ächzen und quietschen unter den ruckartigen Belastungen. Grrr.

Normalerweise würden wir jetzt den Motor starten, aber mit noch über 3.000 Meilen und der ITZ vor uns ist das erst einmal keine Option, den Diesel wollen wir noch sparen. Trotzdem, die Bewegungen und vor allem die Geräusche schmerzen fast körperlich. Gegen Ende dieser Wache dann Regen … Dankeschön. Denn mit der Regenwolke kommt auch Wind, und der bleibt auch, als das Regenfeld durch ist. Wir können wieder segeln statt dümpeln.

Bei Tagesanbruch wechseln wir auf den Gennaker und luven etwas an, laufen damit wieder über 5 kn. Herrliches, wunderbares Segeln, denn auch die Ozeanwelle hat sich inzwischen beruhigt, schüttelt uns nicht mehr durch sondern wiegt uns nur sanft mit ihrer langen Dünung.

Ah, die Verpflegung: Nach dem der Mahi Mahi gleich am ersten Tag für Ceviche genutzt wurde, gibt es diesmal Mahi Mahi in Koriander-Mango-Buttersoße, Kochbananen und Salat. Ein Gedicht. Außerdem backen wir Brot und machen Crunchy-Müsli-Nachschub.

Bootsarbeit des Tages: Das in den Davits aufgehängte Dinghy verliert in der Bugkammer Luft. Ärgerlich bei einem so neuen Dinghy. Ein Loch können wir nicht finden, wir vermuten ein schleichendes Entweichen durch das Ventil. Das Beiboot sitzt dadurch nicht mehr ganz fest in den Davits. Also muss nachgepumpt werden. Allerdings reicht das Kabel unserer elektrischen Kompressorpumpe nicht so weit. Wir suchen die manuelle Pumpe unter der Achterkoje heraus, lassen das Dinghy ein kleines Stückchen ab und können tatsächlich nachpumpen, auch wenn es ein Balanceakt auf der Badeplattform ist. Bei dem ruhigen Wetter jedenfalls gut machbar. Und wir stellen eine Scheuerstelle bei der zusätzlichen Verzurrung des Gennakers am Top-Beschlag des Antitorsionskabels (um das der Rollgennaker aufgewickelt wird) fest, die wir gleich vernähen und mit Scheuerschutz umwickeln.

Seit 4 Tagen die erste Schiffsbegegnung: Die Zhou Yu 919 läuft 3,5 sm vor uns durch. Vor zwei Tagen hatte Jan uns geschrieben, dass rund 100 chinesische Fischer sich auf einer Linie etwa 100 sm nördlich von uns über eine Länge von 400 sm synchron bewegen. Vielleicht ist es eines dieser Schiffe.

Etmal 115 sm (unser bisher schlechtestes Etmal nach dem bislang besten mit 172 sm gestern), auf dieser Passage gesamt gesegelt jetzt 1.180 sm, noch geschätzte 3.120 sm nach Hawaii.

Passage nach Hawaii, 7. Tag

Herrliches Ozeansegeln. Rund 15 kn wahr, segeln mit raumem Wind, Groß und Fock. Etwa 2,5 m Welle, blauer Himmel.

Wir sind schon eine Woche unterwegs, haben heute die 1.000 Seemeilen geknackt. Am Morgen wieder viele fliegende Fische und Kalmare an Deck und auch tagsüber sehen wir große Schwärme fliegender Fische, ein paar Mal geschätzte 50 bis 100 Stück, die sich schräg vor unserem Bug über die Wellen heben und zur Seite hin wegsegeln. Wenn eine Welle sie zu erreichen droht schlagen sie mit der Schwanzflosse darauf und scheinen sich damit weiteren Schwung zu holen. Tagsüber landen auch keine auf unserem Deck, aber nachts scheinen sie das Schiff zwar als Bedrohung zu spüren, es selbst aber im Flug nicht sehen zu können.

Was uns bewegt: eine taktische Entscheidung steht an. Wann und wie queren wir am besten die ITZ, also die Innertropische Konvergenzzone. Hätte gar nicht gedacht, dass wir die Erdkunde aus der 8.Klasse, in diesem Fall die „Hadley-Zelle“ so viel brauchen würden ;-).
Grundsätzlich weht auf den Ozeanen in den nördlichen Tropen der Nordostpassat, in den südlichen Tropen der Südostpassat. Das Zusammenströmen (also die Konvergenz) dieser beiden starken Windsysteme verstärkt das durch den hier hohen Sonnenstand ohnehin kräftige Aufsteigen von feuchter Luft. Die ITZ liegt nicht genau um den Äquator herum, sonder jahreszeitlich bedingt derzeit etwas nördlich davon. Sie ist gekennzeichnet von wechselhaften und flauen Winden, vielen Wolken und leider auch Gewittern. Also eine Zone, die man als Segler so schnell wie möglich hinter sich lassen möchte.
Die ITZ muss man sich aber nicht als eine feste Einrichtung vorstellen, eher wie ein waberndes Band, typischerweise ist sie näher am östlich gelegenen Festland (hier also am amerikanischen Kontinent) breiter und wird Richtung Westen eher schmaler.

Für uns gilt es jetzt also, um kleinere Schwachwindgebiete herum einen Weg zu einer (bei Ankunft) möglichst schmalen Stelle der ITZ zu finden, was natürlich auf die Schwierigkeit von ungenauen mittelfristigen Wetterprognosen stößt. Außerdem wäre es für den Winkel im derzeit recht starken Nordostpassat (nach dem Queren der ITZ) besser, wenn wir die Zone so früh, also so östlich wie möglich queren. Je weiter westlich, um so höher müssen wir auf der weiteren Strecke nach Hawaii an den Nordostpassat gehen (also desto mehr bekommen wir den Wind von vorn). Und um es noch ein bisschen komplizierter zu machen wollen wir die kräftigen Strömungen und Eddies idealerweise auch noch mit einbeziehen. Ihr könnt das z.B. auf http://www.windy.com ganz gut sehen.

Also wälzen wir die über Satellit bezogen Grib-Files Wetterdaten von PredictWind und von Wetterwelt in Kiel. Und zum Glück unterstützt uns unsere Shore-Crew in Hamburg (Chief Jan) mit dem für uns schwierigen Blick auf die großräumigere Lage.

Wer unseren Kurs auf Noforeignland verfolgt, sollte jedenfalls über irgendwelche Schlenker nicht irritiert sein.

Sorry an die Nichtsegler, wenn dieser Bericht mal wieder etwas „technisch“ geraten ist, aber das sind halt die Überlegungen, die uns gerade ziemlich beschäftigen.

Etmal letzte 24 Stunden: sehr gute 172 sm, von 12.00 Uhr bis 12.00 Uhr wegen der Zeitumstellung 25 Stunden: 178 sm. Und wo wir schon am korrigieren sind nehmen wir die bisher unterschlagenen 5 sm von der Abfahrt in Santa Cruz bis zum ersten Schiffsmittag auch noch dazu, bisher gesegelt insgesamt somit 1065 sm, noch geschätzte 3.235 sm nach Hawaii.

Passage nach Hawaii, Tag 6

Zeit für die Zeitumstellung. Was, schon wieder?
Das letzte Mal hatten wir die Bordzeit bei der Ankunft auf den Galapagos umgestellt, eine Stunde zurück gegenüber Panama. Aber klar, die jeweiligen Orte gehören zu einer Zeitzone, so wie eben in Deutschland MEZ (Mitteleuropäische Zeit) bzw. jetzt MESZ (Mitteleuropäische Sommerzeit) gilt. Und irgendwie habe ich auch noch diese Bilder aus dem Lufthansa Bordmagazin vor Augen, in dem immer auch eine Weltkarte mit den Zeitzonen enthalten war. Lustig, wenn dann für manche Länder wie z.B. Tonga die Zeitzone auf einmal eine Ausbuchtung hat, weil Tonga per Gesetzt beschlossen hat, zu einer anderen Zeitzone zu gehören.

Und wie machen wir das auf dem offenen Ozean, wo eine Zeitzonenkarte gerade nicht zur Hand ist? Na ja, immerhin haben wir Zeit zum Überlegen, mentalen Herauskramen des Geo-Unterrichts aus der 8. Klasse und Rechnen.
Die Zeitzonen verlaufen entlang der Längengrade, reihen sich also in Ost-West-Richtung aneinander. Kapstadt z.B. liegt grob im gleichen Längengradabschnitt wie Berlin oder Rom, haben also grundsätzlich auch die gleiche Uhrzeit. New York und Madrid liegen zwar auf dem gleich Breitengrad (also gleich weit vom Äquator weg), aber 6 Zeitzonen auseinander.
Stellt sich aber die Frage, wie breit eine Zeitzone denn nun eigenlich ist. Da sich die Erde in 24 Stunden einmal um die eigene Achse (also um 360 Grad) dreht, ist eine Zeitzone 15 Grad weit (360 : 24).
Das macht es für uns einfach. Im Moment segeln wir ja praktisch genau von Ost nach West, dabei legen wir am Tag etwa zweieinhalb Grad in dieser Richtung zurück. nach 6 Tagen sind das … 15 Grad. Galapagos liegt auf 90 Grad West, heute überqueren wir den 105ten Längengrad W. Also wird die Borduhr eine Stunde zurückgestellt und der Sonnenuntergang springt von kurz nach 19.00 wieder auf kurz nach 18 Uhr.
Hier am Äquator entspricht ein Längengrad übrigens 60 Seemeilen, so wie das die Breitengrade überall auf der Welt tun. Die Zeitzonen sind also 900 sm auseinander. Das gilt aber in anderen Breiten nicht. In Oslo muss man auf dem dort 60ten Breitengrad nur genau die Hälfte, also 450 Seemeilen nach Osten oder Westen reisen, um 15 Längengrade zu überwinden. New York und Madrid liegen beide ungefähr auf dem 40ten Breitengrad rund 70 Längengrade auseinander. Die Entfernung beträgt dort rund 3.100 sm, während 70 Längengrade auf dem Äquator 4.200 sm ausmachen würden. Klar, so ein Längengradbereich zieht sich ja wie die Apfelschale auf eine Apfelspalte von Pol zu Pol, ist in der Mitte am breit und an den Enden spitz.

Langer Rede kurzer Sinn: ab jetzt sind wir 9 Stunden hinter der Zeit in Deutschland. Wenn es hier Mittag ist, ist es in Deutschland schon 21.00 Uhr.

Ehrlich, so etwas beschäftigt mich unterwegs. Und ich kann herrlich meine Nachtwachen damit verbringen, mir darüber Gedanken zu machen und es mir an ein paar durchgerechneten Beispielen zu verdeutlichen 😉

Bootsarbeit des Tages: Gasflaschenwechsel. Das bedeutet auch, die achtere Backbord-Backskiste ganz leer zu machen um an die Ersatzflasche heranzukommen und gibt Gelegenheit zur Neusortierung/-Ordnung. Hört sich leichter an als es ist, denn auf dem Deck kann in den mitlerweile doch recht ordentlichen Wellen nichts davon einfach zwischendurch aufs Achterschiff gelegt werden, ohne mit der nächsten Welle davon zu rutschen. Kreative Befestigungs- und Stopftechniken sind gefragt. Die alte Gasflasche hat übrigens immerhin von Mexiko bis hierher gereicht, fast vier Monate. Trotz Brot- und Kuchenbacken, crunchy Müsli machen und fast täglichem Kochen.

Seit zwei Tagen sind wir keinem anderen Boot oder Schiff mehr begegnet, schaukeln hier (heute meist recht flott) scheinbar ganz allein durch die Gegend. Ein paar Vögel leisten uns ab und an doch Gesellschaft, insbesondere die kleinen Sturmtaucher finden sich immer wieder ein. Und unter der Wasseroberfläche? Ein Biss an der Angel, aber die schöne Dorade konnte sich wieder freikämpfen. Dafür zähle ich heute morgen 8 fliegende Fische und 9 Kalmare an Deck, hm.
Die werfe ich aber über Bord, es gibt leckere Bohnesuppe mit Augenbohnen, grünen Bohnen und Chorizo.
Während ich gerade schreibe, wieder ein Biss und wieder ein Fight, aber diesmal bekomme ich die 90 cm Golddorade (Mahi Mahi) an Deck und filetiere sie gleich auf dem Achterschiff in unserer bewährten Fischbox (eine flache 80 x 40 cm Plastikbox, in der wir in der Backskiste die Schnorchelflossen aufbewahren). Noch kein Boots-Yoga, aber schon eine Arbeit in verkrampfter Knieposition bei der Schaukelwelle. Egal, für die nächsten Tage ist wieder Fisch gesichert, die Angel werfe ich erstmal nicht wieder aus und auch die andere Leine wird eingeholt.

Etmal 166 sm (in 24 Std, also vor Zeitumstellung), gesamt gesegelt 882 sm, noch geschätzte 3.418 sm nach Hawaii.