Lurchi in der Shoal Bay

Frühe Prägung: als Kind der 60er und 70er habe ich auch heute immer noch Lurchi vor Augen, den Feuersalamander, dessen Comic-Hefte es beim Schuhe kaufen dazu gab. Leider konnte ich aber bisher keine Salamander oder Lurche in freier Wildbahn beobachten.

Unser zweiter, diesmal etwas kürzerer Hike in der Shoal Bay ändert das. Wir wandern zu einem für die Frischwasserversorgung genutzten kleinen Teich den Berg hinauf. Sieht ziemlich unspektakulär aus, klares Wasser über braun-grünem Waldboden, ein paar Äste liegen darin. Fische können wir nicht entdecken. Aber da bewegt sich doch was? Ein Frosch? Nein, sondern eben …

… ein rauhhäutiger Gelbbauchlurch 😃.

Als wir sie erstmal gesehen haben, entdecken wir gleich eine gute Handvoll dieser zur Familie der Salamander zählenden Lurche. Ich gehe sogar extra noch mal zum Boot zurück und hole die GoPro:

So possierlich diese Amphibien auch aussehen, streicheln sollte man sie lieber nicht. Sie produzieren auf ihrer Haut das Nervengift TTX, das auch in Kugelfischen vorkommt. Es soll sie vor Fressfeinden schützen und mit einer Ausnahme klappt das auch ganz gut. Die Strumpfbandnatter (die wir ja in Prideaux Haven gesehen haben) hat zum Leidwesen der Lurche eine Resistenz gegen das TTX entwickelt, und nicht nur das, sondern sie bezieht sogar einen Teil ihre eigenen Giftigkeit aus diesen Beutetieren.

Wie hieß es zum Ende der Comics doch immer: Lange schallt’s im Walde noch: Salamander lebe hoch! 😉 Wir drücken ihm jedenfalls die Daumen.

Wiebke erntet noch einmal Salat und Rhabarber im Garten von Cynthia und Mark. Wir backen einen Rhabarber-Baiser-Hefekuchen und bringen den beiden zum Dank auch welchen hinüber. Für uns gibts außerdem an Bord auch leckeren Rhabarber-Fenchel-Salat (Danke an Catalina für den Tip).

Aber nach jetzt doch einigen Tagen in der wunderbar entspannten Atmosphäre der Shoal Bay verabschieden wir uns. Früh morgens um halb sechs geht es bereits los, damit wir bei Slack-Tide durch die Greene Point Rapids kommen. Danach saugt uns die ablaufende Tide in die Johnstone Strait und durch die “Current Passage”. Leider findet der Nordwestwind früher als angesagt wieder zu über 20 kn Stärke, das beschert uns nördlich von Helmcken Island eine ziemlich unangenehme See.

Die Wellen auf der elektronischen Seekarte deuten aber schon an, dass die Seegangsverhältnisse hier häufiger ziemlich kabbelig sind. 10 sm weiter haben wir ohnehin unser Tagesziel erreicht. Wir machen am Public Dock in Port Neville (kostenlos) fest.

Port Neville, das hört sich nach einem Ort mit Hafen an. Aber tatsächlich ist dieser Anlegesteg nur ein Relikt der Zeit, als die Familie Hansen hier eine kleine Poststation betrieb. Das Haus immerhin steht noch, dazu ein paar kleine Nebengebäude, die von der Familie noch als Sommerresidenz genutzt werden. ansonsten: Landschaft. Heute mal mit mehr Grau, aber trotzdem schön.

Shoal Bay

Die drei kurz aufeinander folgenden Rapids bringen wir ganz gut hinter uns. Entsprechend der Angaben im Revierführer sind wir eine Stunde vor Stillwasser an den Yuculta Rapids. Es strömt uns ordentlich entgegen, aber als wir uns ab Harbott Point eng am Ufer von Stuart Island halten, können wir vom dortigen Neerstrom profitieren, der uns bis Kellsey Point schiebt. Hier wechseln wir hinüber auf die andere Seite und versuchen dabei die uns fast 40 Grad hin und her drehenden Whirlpools einfach zu ignorieren. Dicht am anderen Ufer gibt’s wieder eine Zeit lang nordsetzenden Neerstrom, dann müssen wir wegen der Felsen ins Fahrwasser wechseln und uns noch eine Dreiviertel Meile mit zwei bis drei Knoten Gegenstrom in die Big Bay kämpfen. Auch in der kurzen Gillard Passage haben wir noch Gegenstrom, aber danach ist Stillwasser und das gilt auch noch, als wir 2 Meilen weiter die Dent Rapids passieren. Alles in allem ganz gut getimt, 10 Minuten später wäre vielleicht noch besser gewesen, aber: wer weiß? Wir sind jedenfalls problemlos durchgekommen.

Kurz nach den Dent Rapids springt genau zwischen der Flora und dem ein Stück vor ihr fahrenden Segelboot mehrfach ein Buckelwal. Immer wieder ein tolles Erlebnis, wenn sich diese riesigen Meeressäuger aus dem Wasser wuchten und zurück in das Meer klatschen.

6 Seemeilen weiter biegen wir dann schon ab zu unserem Ziel, dem Public Dock in der Shoal Bay.

Hier liegen wir sehr geschützt (die nächsten Tage soll es nämlich ordentlich aus Nordwest blasen) und haben zugleich ein wunderbaren Ausblick in den gegenüber liegenden Phillips Arm und die dahinter aufragenden hohen Berge.

Bei dem vorhergesagten Nordwest von 25 bis 35 kn macht es keinen Sinn, weiter in Richtung Johnstone Strait zu fahren. Statt dessen genießen wir die ruhige Shoal Bay, fahren wieder Paddelboard und wandern den Trail in Richtung der stillgelegten Goldmine oben in den Bergen hinter der Bucht. Den Pfad müssen wir mehrfach suchen, entdecken dabei aber zum Beispiel auch eine Wild-Kamera und Reste einer eisenummantelten hölzernen Wasserleitung aus den Zeiten der Goldmine.

Cynthia und Mark betreiben ein kleines Airbnb mit drei liebevoll eingerichteten Hütten an der Shoal Bay und ihre Gastfreundschaft schließt die Boater vom Public Dock mit ein. So treffen sich die Gäste des Airbnb und die im Laufe der windigen Tage zahlreicher werdenden Besatzungen der Boote zum Sundowner auf der Terrasse, am Samstag werfen die beiden dort sogar ihren holzbefeuerten Pizza-Ofen an und stellen den selbstgemachten Teig, wir bringen nur den jeweils gewünschten Belag mit. Es wird ein wunderschöner Abend, wie überhaupt die Stimmung hier einfach wunderbar entspannt ist.

Wir dürfen sogar im Gemüsegarten von Cynthia und Mark Salat und Rhabarber ernten 😁.

Auch die Bootsarbeit kommt nicht zu kurz. Wo wir mal wieder am Steg liegen, nehmen wir uns den blauen Streifen auf der Steuerbordseite vor (Backbord hatten wir ja in Campbell River schon bearbeitet). Mit der Poliermaschine und per Hand wird das ausgekreidete Blau wieder auf Hochglanz gebracht – war auch mal wieder Zeit.

Außerdem wird gebacken. Lecker. Und was zu schauen gibts auch: mehrfach fahren riesige Logging-Flöße an der Shoal Bay vorbei in Richtung der Rapids. Jeweils gleich zwei Schlepper mühen sich mit ihnen ab, einer zieht, einer ist hinten wohl eher für das sichere Manövrieren in den engen Stromschnellen zusätzlich dabei. Das Floß selber (ohne Schlepper und Schleppleine) ist alleine schon gut 250 m lang. Wir sind froh, dem nicht in den Rapids begegnet zu sein.

Ein beeindruckender Anblick ist es aber trotzdem.

Sommer. Spaziergänge und sogar Baden in BC. Und FLORA ISLAND!

Das Wetter und die Trails meinen es gerade RICHTIG GUT mit uns. Bisher sind wir bisher hier in British Columbia auf unseren Hikes durch den “Temperate Rainforest” (Regenwald in kühlgemäßigten Klimazonen) auf zumeist steilen und oft rutschigen Pfaden unterwegs gewesen. Die letzten zwei Tage aber hatten wir eher leichte und trotzdem wunderschöne Wanderungen.

Am Ankerplatz in Deep Bay auf Jedediah Island nehmen wir zum ersten Mal einen der “Stern Anchor Tie Pins” in Anspruch. Die schmale und kurze Bucht bietet einfach nicht genug Schwoiraum zum freien Ankern, wenn wir uns nicht mitten in die Durchfahrt legen wollen. Also machen wir zusätzlich zum Anker mit dem Dinghy eine Landleine an der Kette eines der “Pins” fest. Klappt ganz gut, wir haben schließlich in Griechenland ausgiebig Ankern mit Landleine geübt.

Für den Landgang müssen wir dann mit dem Dinghy bei über vier Metern Tidenhub ähnlich verfahren.

Unser Spaziergang führt uns dann einmal längs über die Insel, hin zur ehemaligen Farm, deren Obstbäume gerade in voller Blüte stehen. Und weiter zum Driftwood Beach (warum heißt der wohl so) und zur Codfish Bay. Es ist wunderschön, einfach durch den lichten Wald, über Wiesen und durch ehemalige Felder zu spazieren.

Eine mit über 10 km fast doppelt so langer Wanderung wird es bei unserem nächsten Stop. Den Ankerplatz in der Tribune Bay auf Hornby Island haben wir diesmal allerdings nicht für uns allein. Kein Wunder, lockt er doch mit seinem langen breiten Sandstrand jetzt am Wochenende Bootsausflügler auch aus Nanaimo, Comox und Courtenay von Vancouver Island herüber.

Die Wanderung führt ein ganzes Stück oben am steilen Ostkliff der Bucht bis hinaus bis zum St. John Point im Helliwell Provincial Park. Und von dort haben wir einem Blick hinüber zur vorgelagerten Felsinsel FLORA ISLAND. Ganz viel Flora dürfte sich dort allerdings nicht finden lassen, dafür aber umso interessantere Fauna: neben nistenden Seevögeln haben sich sowohl Steller-Seelöwen als auch Kalifornische Seelöwen eingefunden, außerdem Seehunde. Ein echtes kleines Robbenparadies, das wir bis hinüber nach St. John Point hören können.

Auf dem Rückweg kommen wir dann auch noch an blühendem weißen Flieder vorbei, damit hat für Wiebke der Sommer begonnen 😉.

Und das bekräftigen wir auch gleich, indem wir unser erstes Pazifik-Bad der Saison nehmen. Hier in der vergleichsweise flachen Tribune Bay hat das Wasser heute nur knapp unter 18 Grad Celsius, also Zeit zum Anbaden!

Und nach der willkommenen Abkühlung mit einem Drink in die Hängematte auf dem Vorschiff. Genau hinschauen, die Kuchenbude haben wir nämlich heute wieder gegen das Bimini getauscht.

Sommer, Wärme, Sonnenschein! Keineswegs selbstverständlich und vielleicht auch nur vorläufig, wir nehmen jedenfalls jeden der warmen Sonnentage einzeln und sehr dankbar wahr.

🌞

Sommertage im April in BC

Schon klar, Tropennächte sind damit nicht verbunden. Aber die letzten Tage haben uns in Prideaux Haven im Desolation Sound tatsächlich mit sommerlichem Wetter verwöhnt. Sind wir wirklich nicht mehr gewohnt. T-Shirt und kurze Hose auf Flora!

Wir nutzen das wunderbare Wetter für Dinghyausflüge und für ausgedehnte Hikes. Der Tidenhub und die mit scharfkantigen Austern bewachsenen Felsen machen es nötig, das Beiboot während unserer Abwesenheit vom Ufer weg zu halten. Unser „Anchor Buddy“ bewährt sich einmal mehr: das starke Gummiband in der Ankerleine zieht Florecita zuverlässig ins tiefe Wasser, obwohl wir landseitig wir an einer der Ketten (stern tie pin) festgemacht haben.

Es gibt mehrere gekennzeichnete Trampelpfade durch den Wald und sie führen buchstäblich über Stock und Stein. Besonders der Hike zum Unwin Lake hat es in sich, über mehrere Bergrücken hinweg geht es fast nur steil bergauf und bergab, dazwischen abgesehen von der sumpfigen Niederung am See kaum einmal ein paar Meter in der Ebene zum Luftschnappen. Insgesamt sind es eigentlich nur 7 km aber trotzdem sind wir rechtschaffen fertig und ordentlich durchgeschwitzt, als wir wieder am Dinghy ankommen. Was für eine herrliche Wanderung.

Etwas einfacher ist der Hike am nächsten Tag, er führt über die Halbinsel, die unseren Ankerplatz von der südlicher gelegenen Melanie Cove trennt.

Wie schon am Vortag gibt es auch hier ein paar ganz besondere Naturerlebnisse. Wieder sehen wir eine Schlange, wie am Vortag ist es eine Puget Sound Garter Snake, eine farbenprächtig grün-gelbe Unterform der Strumpfbandnatter.

Sie ist eine der wenigen lebendgebärenden Schlangenarten und gehört zwar zu den Giftschlangen, aber ein Biss der eher scheuen, nur gut daumendicken Reptilien ist für den Menschen normalerweise ungefährlich, löst allenfalls Jucken, Hautreizung und Schwellungen aus.

Wir hören gelegentlich die Rufe wilder Truthähne und vor allem häufig flötende Vogel-Stimmen, aber es dauert eine ganze Zeit, bis wir einen der Urheber zu sehen bekommen. Es ist eine Wanderdrossel (American Robin). Ein ganzes Stück fliegt sie von Ast zu Ast vor uns her, bis sie uns endlich auch einen Blick auf ihre rötliches Brustgefieder erhaschen lässt.

Auch rötlich: die Rinde des Amerikanischen Erdbeerbaums (sic!), hier Madrone genannt. Er ist einer der wenigen Laubbäume in diesen von Nadelbäumen geprägten Regenwäldern. Mit seinen ledrigen Blättern zählt er zu den immergrünen Gewächsen, aber die farbenfrohe Rinde scheint diese Einordnung verhöhnen zu wollen:

Vor allem aber: was für ein Wald, was für eine traumhafte Landschaft!

Ein ganz anderes Abenteuer

Ziemlich genau vor einem Jahr sind wir aus der Chesapeake Bay aufgebrochen, die US-Ostküste hinuntergesegelt (die in diesem Jahr aktuell von “Nicole”, einem eher seltenen Novemberhurrikan heimgesucht wurde), über Mexiko, Panama, Galápagos, Hawai’i, Alaska und durch British Columbia bis nach Vancouver Island gesegelt. 12 Monate, gut 13.000 Seemeilen!

Und jetzt wollen wir von Seattle aus mit dem Auto quer durch die Vereinigten Staaten zurück zur Chesapeake Bay fahren (direkte Strecke ca. 4.370 km,) und spätestens an Thanksgiving am 24.11. in Washington sein. Von heute aus also in zwei Wochen.

Das wird ein weiteres, ganz anderes Abenteuer. Zumal wir ein paar Abstecher eingeplant haben und uns ziemlich nördlich bewegen. Mit Bedacht haben wir uns ein Allradauto ausgesucht und zusätzlich Schneeketten gekauft. Es ist schon winterlich in den Rocky Mountains, und da wollen und müssen wir nun mal rüber.

Einen ersten Vorgeschmack bekommen wir gleich nachdem wir Seattle in Richtung Osten auf der Interstate 90 verlassen haben. Gleich hinter der Stadt beginnen die Berge. Noch nicht die hohen Rocky Mountains, erstmal “nur” die Issaquah Alps und die Cascade Range. Und trotzdem, gerade noch die Segelboote auf dem Puget Sound und jetzt:

Noch vor dem 919 m hohen Snoqualmie Pass biegen wir von der Interstate ab und wandern zu den Franklin Falls.

Winter-Wunderland. Aber die Weiterfahrt beschert uns nochmal eine Pause vor dem weiteren Winter, denn östlich der Cascade Range zeigt sich Washington State ganz anders: extrem trocken. Selbst auf Google Earth im großen Maßstab lässt sich das leicht nachvollziehen, die Farbe wechselt von Grün nach Braun. Die Cascade Range hält die Niederschläge ab, erst die deutlich höheren Rocky Mountains werden wieder bedacht.

Für uns verheißt das bei unserem Besuch der Segelfreunde in Ellensburg schönes Wetter und blauen Himmel.

George und seinen Sohn Ben mit ihrer “Island Time” hatten wir in der Kwatsi Bay kennengelernt und in Campbell River nochmals getroffen. Die Gastfreundschaft von ihnen und Georges Frau Lucy ist umwerfend. Weil ihre Mieter gerade ausgezogen sind, sollen wir doch gerne ihr sonst vermietetes Haus in der Nachbarschaft beziehen.

Sprachlos.

Auch sonst werden wir rundum verwöhnt, bekommen die Universität und die Stadt gezeigt, klönen und diskutieren viel (die US-Midterm-Elections sorgen nochmal für zusätzlichen Gesprächsstoff). Haben einen tollen Abend mit Freunden und Verwandten der drei. Aber auch Zeit für uns, um uns einen ruhigen Tag nach der in Ellensburg vorgenommenem Booster-Impfung mit dem neuesten Covid-19-Impfstoff zu gönnen.

Zum Abschied begleitet uns der passionierte Felsenkletterer Ben noch ein ganzes Stück mit dem Auto und zeigt uns die Frenchman Coulee, einen tollen Ort zum Hiken und Klettern in der wüstenähnlichen Landschaft eines tiefen Canyon.

Für uns geht es danach weiter gen Osten auf der i90, dem mit über 3.000 Meilen längsten US Interstate Highway. Hinter Spokane beginnt der Anstieg in die Rocky Mountains, wir fahren durch den Panhandle von Idaho, dann weiter nach Montana. Von dort soll es in den Yellowstone Nationalpark gehen. Die meisten Straßen dort sind zwar gesperrt und werden erst im Dezember wieder geöffnet – dann aber auch nur für Snowmobile! Der nördliche Eingang und ein kleiner Teil der Straßen ist derzeit noch offen, das werden wir morgen ausprobieren.

Malerisches BC

British Columbia verwöhnt uns weiter mit einigen richtig schönen, sonnigen Spätsommertagen. Fast immer sind wir das einzige Boot in der Ankerbucht. So auch in der Fancy Cove, obwohl sie recht nah an New Bella Bella liegt, der einzigen Ortschaft in diesem Abschnitt der Inside Passage südlich von Klemtu.

Am nächsten Tag ist es dann nur ein kleiner Hüpfer von 5 Meilen durch die Lama Passage und quer über den Fisher Channel bis zur Lagoon Bay. So können wir die Ankunft dort gut timen und darauf kommt es uns an. Wie der Name andeutet liegt hier eine größere Bucht, die nur über eine enge und flache Einfahrt zugänglich ist. Das bedeutet eben auch, dass das Wasser der gesamten Bucht bei Ebbe und Flut durch den Flaschenhals des schmalen Zu- und Abflusses muss und entsprechende Strömung aufweisen kann, also am besten um Stillwasser herum zu passieren ist. Die Codville Lagoon wartet zwar nicht mit dem Türkisblau auf, was man vielleicht mit Lagunen verbindet, wohl aber mit einem wunderschönen Ankerplatz auf für hiesige Verhältnisse flachen 15 Metern Wassertiefe in einer der vielen kleinen Buchten der Lagune. Der Clou: ein ausgeschilderter Wanderweg hier mitten in der Wildnis, der zu einem Süßwassersee oberhalb der Lagune führt. Einmal mehr leistet unser “Anchor Buddy” gute Dienste und zieht unser Dinghy nach dem An-Land-Gehen aus der Tidenzone heraus in das tiefere Wasser.

Der Trail führt herrlich über buchstäblich Stock und Stein durch den Regenwald. Zum ersten Mal kommen unsere noch in Alaska gekauften Teleskop-Wanderstöcke zum Einsatz (und bewähren sich). Der See überrascht dann mit einem langen hellen Sandstrand, für diese Gegend eigentlich völlig ungewöhnlich.

Unsere Segelfreunde Tereza und Jakub hatten uns berichtet, dass sie in dem See schwimmen waren. Etwas ungläubig haben wir vorsichtshalber unsere Badesachen eingepackt und – tatsächlich – die Temperatur in dem recht klaren, aber durch die Holzteile im Wasser und am Grund rotbraunen Wasser ist nach den sonnigen Tagen annehmbar, wir baden hier wirklich. Windstill und sonnig wie es ist, schließen wir noch einen ausgiebigen Strandspaziergang an. Barfuß im Sand hatten wir zuletzt länger nicht mehr.

Einiges an verwittertem Schwemmholz liegt hoch auf dem Sandstrand, darunter auch der massige Rest einer riesigen Zeder einschließlich Wurzelstumpf. Die Maserungen und Holzverläufe der Wurzel sind ein einziges die Phantasie anregendes Kunstwerk. Nach Wolkentieren im Passat und Eisskulpturen in Alaska finden wir jetzt hier im schon grau gewordenen Holz Figuren oder gar Abbildungen von Wasserstrudeln. Dann wieder scheint es, als könnten sich Edvard Munch oder Vincent van Gogh hier die Anregung für ihre Pinselführung abgeholt haben.

Die nächsten Tage wird wohl mal wieder eine Front durchziehen, das sonnige Wetter macht also dann Pause, aber bisher können wir uns echt nicht beklagen. Und bevor das Grau kommt, legt Mutter Natur mit der Abendsonne noch mal ordentlich Farbe auf:

Klemtu: von Geister-Bären und Klassiker-Gänsen

(Einen) Schwarzbären haben wir ja jetzt gesehen, aber Klemtu bietet uns die Chance auf eine extrem seltene Unterart: den Spirit Bear, also Geister-Bär. Genau genommen ist Klemtu nicht der einzige Ort, an dem diese Tiere gesichtet werden können, die Chance ist ohnehin nicht gut, allerdings besser als anderswo.

Denn der Spirit Bear ist ein weißer Schwarzbär. Hört sich seltsam an und ist es auch, denn diese Unterart des amerikanischen Schwarzbären gibt es tatsächlich mit weißem oder cremefarbenem Fell. Keine Albinos, sondern eine natürliche Genmutation, die diese nur hier vorkommende Unterart (Kermodebär) von den anderen Schwarzbären unterscheidet. Selbst innerhalb der Unterart sind zumeist 90 Prozent der Bären schwarz. Auf einigen wenigen Inseln aber sind fast ein Drittel der Kermodebären hell, so auf Gribbel Island und eben auf Swindle Island, wo Klemtu liegt. Der Ort ist eine First Nation Gemeinde, eine der größeren. Etwa 500 Kitasoo und Xai’xais leben hier. In ihrer Mythologie hat der Schöpfer einen von zehn Schwarzbären weiß gemacht, um an die (gar nicht so weit zurück liegende) Zeit zu erinnern, in der Gletscher das Land bedeckten. Die Menschen sollen dankbar dafür sein, es nicht als selbstverständlich hinnehmen, dass stattdessen nunmehr Bäume und andere Pflanzen das Land bedecken und die dazwischen liegenden Wasser befahrbar und fischreich sind.

Am öffentlichen Steg in Klemtu können wir kostenlos festmachen. Die “bull rail”, an der auch hier statt Klampen die Leinen festgemacht werden, hat zwar schon bessere Tage gesehen, aber der Steg selbst ist in Ordnung. Ein Obmann der Gemeinde spricht uns beim Landgang an, erklärt uns, wie die Bewohner versuchen, selbstständig zu bleiben und gleichzeitig nachhaltig zu wirtschaften, in der Forstwirtschaft, mit den gemeindeeigenen Lachsfarmen ebenso wie der Hatchery (Wildlachsaufzuchtstation) und auch besonderen Regeln beim Fischen. Für uns bedeutet das, keinen Krebskorb ausbringen zu dürfen, angeln ist aber erlaubt. Wir erfahren auch, dass auf UKW-Kanal 6 der allgemeine Dorffunk läuft und wir dort George Robinson anfunken sollen, wenn wir das Long House von innen besichtigen möchten. Probieren wir, erreichen ihn aber leider nicht. Von außen ist es schon mal imposant:

Das Wasserflugzeug ist übrigens eine Grumman Goose G21A, ein Flugboot, das auf dem Wasser und auch auf normalen Landebahnen aufsetzen und auch starten kann. Von 1937 bis 1944 insgesamt 345 mal gebaut ist es ein echter Klassiker und hier immer noch im normalen Betrieb, wie Wasserflugzeuge überhaupt ein ganz übliches und auch notwendiges Verkehrsmittel in BC (und auch in Alaska) sind.

Bei unserem Landgang sehen wir dann zwar Spirit Bears, aber leider nur auf den Abbildungen, die in dem Örtchen die (bärensicheren) Mülleimer zieren. Die Erinnerung an Bewusstheit und Nachhaltigkeit findet also ihre Fortsetzung.

Selbst auf unserem ausgedehnten Hike hinauf durch das Hochmoor und den Wald bis hin zum weit über Klemtu liegenden Süßwassersee sehen wir keine Bären. Ist aber auch kein Wunder, wir machen vor unübersichtlichen Stellen absichtlich ordentlich Lärm und rufen den Bären zu, dass wir gleich um die Ecke kommen.

😊

Trotz der wenigen Touristen (es gibt nach unserer Kenntnis nur eine Lodge und wir sind das einzige Gastboot im Hafen) sind die Trails aufwändig angelegt. Bohlen, Holzscheite und Baumscheiben machen das Hochmoor gut begehbar, auch wenn die Baumscheiben beim Schwereren von uns beiden mit schmatzendem Geräusch bis fast zum Rand einsinken, obwohl es daneben fast trocken aussieht.

Der weitere Weg durch den Regenwald zum See ist dann noch deutlich rutschiger, manchmal im Bachbett verlaufend und zwischendurch auch abenteuerlich, an den steilen Stellen ist das Halteseil unerlässlich. Aber es lohnt sich:

Im Ort finden wir (wenn auch nur durch Nachfragen) einen gut ausgestatteten Supermarkt, wobei wir das Glück haben, dass am Tag unserer Ankunft die große BC-Fähre am örtlichen Terminal angelegt und die neue Lieferung mitgebracht hat.

Supermarkt in Klemtu. Das Tor rechts ist der Eingang 🤔

Nach zwei Nächten am Steg verholen wir eine knappe Meile weiter in die herrliche Ankerbucht eben südlich des Ortes.

Liegt nicht nur wunderbar idyllisch, sondern beschert uns auch gleich Angelglück, ein stattlicher Coho-Lachs geht uns an den (widerhakenlosen) Haken. Für das Abendessen ist also gesorgt und wer weiß, vielleicht zeigt sich am Waldrand im Lachsbach ja noch ein echter Geister-Bär.

Wrangell

Schon wieder ein Ort, groß für hiesige Verhältnisse mit 2.500 Einwohnern. Und doch so ganz anders als das skandinavisch anmutende Petersburg.

Wrangell präsentiert sich eher klassisch amerikanisch, insbesondere auf seiner Main Street, die hier Front Street heißt:

Scheint sehr übersichtlich, bietet dann aber auch versteckte Ecken zum besonderen Genießen:

Überhaupt: auch andere Sehenswürdigkeiten liegen ein bisschen verborgen. So findet sich etwas nördlich außerhalb des Ortes gelegen der Petroglyph Beach. Auf unserer Wanderung dorthin statten wir auch dem auf einer kleinen Insel im Ortskern gelegenen Chief Shakes Longhouse einen Besuch ab. Die 1940 gebaute und 2013 restaurierte Replika des sich ursprünglich an gleicher Stelle befindlichen Clan-Longhouses beinhaltet Tlingit Kunst. Leider können wir es nur von außen besichtigen, obwohl wir eigentlich während der ausgeschriebenen Öffnungszeit da sind. Das Saisonende ist offensichtlich. Immerhin können wir einige auf dem Gelände gelagerte Totempfähle anschauen, in überdachten Unterständen vor dem weiteren (natürlichen) Verfall geschützt.

Das massive große Holzhaus steht in Widerspruch zu der in Europa verbreitete Vorstellung, die Ureinwohner Amerikas hätten alle in Zelten oder Tipis gelebt. Tatsächlich trafen schon die ersten russischen und westlichen Eroberer hier die Tlingit in am Ufer gebauten Siedlungen aus Holzhäusern an. Gebaut allerdings im wahrsten Wort-Sinne in der Steinzeit, denn Metallwerkzeuge waren den Tlingit bis dahin nicht bekannt (eine Parallele zu den Polynesiern). Metallwerkzeuge und Nägel waren deshalb auch die begehrtesten Tauschgegenstände für die Felle der heimischen Tierwelt (allen voran Seeotter).

Steinzeit dann auch am Petroglyph Beach: Petroglyphen sind in Stein gearbeitete Felsbilder aus prähistorischer Zeit, also aus einer Zeit, aus der keine schriftlichen Überlieferungen vorliegen, was regional somit ziemlich unterschiedlich definiert ist.

Das genaue Alter der hiesigen Artefakte ist nicht bekannt und lässt sich auch nur schwer bestimmen, da sie in der Gezeitenzone liegend nicht anhand klassischer Ablagerungen (wie etwa den Resten von Flechtenbewuchs) eingeordnet werden können. Die unterschiedlich starken Verwitterungen lassen aber auf die Entstehung über verschiedene Perioden schließen.

Auch heute noch liegen die rund 40 Originale verstreut am Strand zumeist in der Spülzone der Tide und sind frei zugänglich. Wobei “Strand” vielleicht eine falsche Vorstellung weckt:

Hierzu noch einmal ein Orca-Detail von den Totems:

Zum Anfassen sind auf einer Plattform über dem Strand zudem erläuterte Modelle ausgestellt.

Einmal umgedreht und vom Strand in die bewaldeten Berge: am Ortsrand führt ein Pfad mit vielen Stufen steil den Hausberg hinauf.

Schon John Muir (der “Vater der amerikanischen Nationalparks” und Autor der wunderbaren “Wilderness Essays”) bestieg diesen Berg 1879 auf seiner Alaskareise. Im Regen, er musste unterwegs zum Aufwärmen ein Lagerfeuer machen. Wir haben mehr Glück mit dem Wetter, können auf dem damals natürlich auch noch nicht vorhandenen Bohlen-Weg bequem entlang der Steilhänge durch den wunderschönen Wald hoch zum Aussichtspunkt weit oberhalb von Hafen und Ort.

Jetzt warten wir noch den Durchzug einer Front ab, heute bei reichlich Regen gemütlich im Boot, und dann gehts weiter Richtung Süden. Die Saison hier neigt sich spürbar ihrem Ende entgegen, die Tiefdruckgebiete kommen in schnellerer Frequenz und werden heftiger, die Wetterfenster für Passagen über offene Strecken kleiner. Aber den Großteil der Strecken können wir auf der geschützteren Inside Passage durchführen, sowohl hier in Alaska als auch dann im weiteren Verlauf im kanadischen British Columbia.

Aber ein bisschen Alaska bleibt uns ja noch 😊

Wale, heiße Quellen und nette Menschen. Über Cannery Cove nach Warm Springs

Es ist ein langes Stück die Stephens Passage hinunter, etwas über 50 Seemeilen bis zu unserer nächsten Ankerbucht in der Cannery Cove. Zur Unterscheidung kein sonderlich glücklich gewählter Name bei der Unzahl von Konservenfabriken, die noch zu Beginn des letzten Jahrhunderts in Alaska existierten und gefühlt jede zweite Bucht zu einer Cannery Cove machten. Inzwischen sind die Gebäude nach dem Niedergang der lokalen Eindosung von Lachs ganz überwiegend verfallen und verschwunden, so auch hier. Ziemlich neu scheint ein Luxusressort am Eingang der Bucht mit Anleger für Wasserflugzeuge und diversen Booten für Angelausflüge. Mit seinen einzeln stehenden Holzhäusern passt es sich gut in die Landschaft ein und wir bekommen sonst nicht viel von ihm mit, abgesehen vom gelegentlichen Landen eines Wasserflugzeuges und zwei Booten, die mit Gästen vorbeikommen und diese die Krebskörbe einholen lassen.

Der Hit der Cannery Cove ist die Landschaft. Der steil ansteigende Talkessel rahmt das Ende der Bucht mit schneebedeckten Bergen, während vor der Einfahrt eine Vielzahl kleinerer, dicht mit Tannen bestandener Inseln pittoreske dunkelgrüne Tupfer in das Blau des Wassers setzt. Oder – wie am nächsten Morgen – in das Weiß des sich schnell auflösenden Morgennebels.

Als wir aufwachen, sehen wir aus Floras Fenstern nur wabernde Schwaden in für unsere Blicke undurchdringlicher Suppe, nach dem Morgenkaffee ziehen sich eine halbe Stunde später bereits nur noch einzelne Nebelstreifen an den Hängen der Berge entlang.

Bei herrlichem Wetter lichten wir Anker und fahren den Frederic Sound um die Südspitze von Admirality Island herum, queren die Chatham Strait und laufen in die Warm Springs Bay ein. Den ganzen Tag über sehen wir immer wieder Wale. Mal noch weit entfernt vor dem Hintergrund der hohen weißen Spitzen von Baranof Island, mal zeigen die Buckelwale ihre Fluken dicht an der Flora. Haben wir doch schon gesehen? Ja, aber es fasziniert uns jedesmal aus Neue.

Warm Springs Bay weist gleich mehrere Besonderheiten auf. Zum einen rauscht ein Wasserfall weiß und schäumend gleich neben der Handvoll Häuser in den Scheitel der Bucht. Gespeist wird er von einem höher liegenden Bergsee. Zum Zweiten gibt es einen Anlegesteg. Der ist praktisch, muss aber wegen der von der Tide und den Wassermassen der nahen Kaskade verursachten Strömung vorsichtig angefahren werden, zumal auch noch ein Unterwasserfelsen vor seinem Ostende verborgen ist. Von Donna und Bill haben wir den Tip, den Steg mit einigem Abstand parallel anzufahren und uns von der Strömung heran drücken zu lassen. Klappt auf Anhieb wunderbar. Später können wir dann beobachten, wie Booten bei „normaler“ Anfahrt der Bug weggedrückt wird und sie das Manöver abbrechen müssen.
Die dritte Besonderheit dieses Ortes sind – na klar – die warmen Quellen. Direkt am Hafen gibt es ein kostenlos zu nutzendes Badehäuschen. In drei Kabinen findet sich jeweils eine King-Size-Badewanne mit Platz für eine vierköpfige Familie. Ein Schlauch führt (nur leicht schwefeliges) Heißwasser aus den Bergen heran, einer frisches Kaltwasser vom Wasserfall. Zum Wasserfall hin sind die Kabinen offen, wer mag, kann einen Vorhang zuziehen.
Wir lassen uns ordentlich einweichen. 😊

Der eigentliche Kracher aber erfordert eine kleine Wanderung den Berg hinauf und durch den Wald. Der Pfad ist teilweise ein bisschen schlammig, Holzbohlen machen ihn aber auch in den sumpfigen Abschnitten gangbar.

Der Trail führt hinauf bis zum Bergsee und mit einer Kletterpartie an den Felsen entlang auch auf ein kleines Plateau mit tollem Blick.

Eine Abzweigung mitten im Wald leitet uns zu den Stromschnellen zwischen Bergsee und Wasserfall. Hier, direkt am Ufer des reißenden Flusses, finden sich die eigentlichen Namensgeber der Bucht, die warm Springs. Eher heiße als warme Quellen, ergießen sie sich in drei gestaffelte Natursteinbecken nacheinander, wobei die Temperatur langsam abnimmt. Das erste ist einfach zu heiß, im dritten Becken finden wir immer noch gesteigerte Badewannentemperatur. Derart aufgeheizt, können wir in ein Kaltwasserbecken der Stromschnellen als Sauna-Tauchbecken nutzen und uns gleich danach wieder wohlig durchwärmen lassen.

Das i-Tüpfelchen auf diese wundervollen Highlights setzen einmal mehr die Menschen, deren Bekanntschaft wir hier machen dürfen.
Auf einem Dinghyausflug in eine Nebenbucht sehen wir neben einem Grizzly am Ufer auch viele Lachse im flachen Wasser. Ich hole meine Angel und kann tatsächlich erstmals einen Pink Salmon an den Haken bekommen. Zurück am Steg bietet mir der Fischer Jeff von seinem Kutter aus an, mir das korrekte Filetieren des Lachses zu zeigen. Nehme ich natürlich gerne in Anspruch und seine Technik unterscheidet sich auch deutlich von der, die ich bisher bei Thunfisch und Mahi Mahi erfolgreich angewendet habe. Gut zu wissen.

Auf der Flora klönen wir danach ausgiebig mit Jeff. Der Profi, der seine Fischerei-Leidenschaft allerdings erst vor einigen Jahren auch zu seinem Beruf machte, findet unsere Angelausrüstung allerdings nicht optimal. Kurzerhand finden wir nach einem späteren Ausflug „ordentliche“ Köder auf unserem Deck!

Auch der Stegschnack mit Jim, dem einzigen anderen Segler an unserem Ponton, entwickelt sich zu einem weiteren Beispiel amerikanischer Gastfreundschaft. Jim war deutlich erfolgreicher als wir beim Lachsangeln, kurzerhand bringt er uns selbst geräucherten Fisch vorbei. Seinen Bordgrill hat er zum Räuchern umgebaut. Nicht so gut wie zu Hause, wo er einen großen Räucherofen hat, findet er. Eine echte Delikatesse, finden wir! Jim erklärt uns, wie lange und bei welcher Temperatur die einzelnen Räucherabschnitte erfolgen sollten. Und er erläutert auch, wie wir aus den Lachsrogen am besten leckeren Lachs-Kaviar machen können. Nicht nur theoretisch natürlich, selbstgemachten Kaviar dürfen wir auch gleich probiere. Außerdem hat er viele Tips für unsere weitere Strecke parat, 22 mal ist er bereits von Seattle nach Alaska gesegelt, 13 mal hat er dabei Flottillen von Booten geführt, die die Eigner vorher bei ihm als Vertreter unter anderem von Janeaux, Nauticat und Nordic Tug gekauft hatten.

Ein kleines bisschen können wir uns revanchieren: mit selbst gebackenem Blaubeerkuchen, von uns in Rum eingelegte getrockneten Beeren im Teig und frisch gepflückte wilde Blaubeeren in einem leckeren Topping.

Nachtrag: Jeff, Dein Köder hat sofort gefangen. Ein Coho-Salmon an Bord und schon gemäß Deiner Anleitung filetiert. 😋

Ganz lieben Dank.

Juneau, Alaskas Hauptstadt

Anna, eine unserer Gastgeberinnen in der Crab Bay, stammt aus Juneau. Ihr ambivalentes Verhältnis zu Alaska und ihrer Heimatstadt hat sie uns gegenüber so beschrieben: „For 18 years I tried hard to get out of Alaska and than another 18 years to get back!” damit steht sie nicht allein. Die kleinstädtische Enge der gut 30.000 Einwohner zählenden Hauptstadt Alaskas und noch mehr der sie umgebenden Fischerdörfer, die Abgeschiedenheit vom Rest der Welt wird wohl von vielen (insbesondere von Jugendlichen) eher als Bürde denn als Privileg empfunden. Und doch, die enge soziale Verbundenheit und die phantastische Natur fehlen umgekehrt in der Anonymität ferner Großstädte.

Sehr schön beschreibt das eine Freundin von Anna, die Musikerin Erin Heist, in ihrer Musik. Etwa im Song “Out of town” (Album: From the land of rusted dreams) mit der Textzeile “Ain’t no boat to take, ain’t no road for free, I gotta get out of town.” Kommt sofort auf unsere Reise-Playlist.

Aber warum eigentlich gibt es keine Straße nach Juneau? Na klar, Alaska ist abgelegen. Trotzdem haben die Amerikaner im zweiten Weltkrieg in nur zwei Jahren mit Genehmigung der Kanadier einen Highway quer durch Kanada gebaut, um die bisher abgelegenen Flugplätze und Orte, insbesondere Anchorage, zu erreichen. Die Hauptstadt Juneau wurde trotzdem nicht an das Straßennetz angeschlossen. Der Grund wird auf diesem Schaubild im Alaska State Museum deutlich:

Das Juneau Icefield, eine riesige, 3.900 Quadratkilometer messende zusammenhängende Fläche von Gletschern, zieht sich im Osten Juneaus auf der Grenze zwischen Kanada und Alaska entlang.

Teile dieser Eisfläche sehen wir schon bei der Anfahrt auf Juneau. Der Mendenhall Gletscher, quasi der Hausgletscher der Stadt, begrüßt uns mit leuchtendem Hellblau bereits aus der Ferne und bevor wir die Häuser der Stadt ausmachen können.

Aber selbst für uns präsentiert sich Juneau zwiespältig. Zum einen ist da der sehr geschützte Hafen und die pittoreske Lage unmittelbar vor den hohen Bergen.

Andererseits ist das alte Stadtzentrum schon ausgesprochen touristisch geprägt. Überteuert, mit vielen Schmuck und Souvenirshops. Kein Wunder bei den im Verhältnis zur Bevölkerungszahl überwältigenden Zahl der großen Kreuzfahrtschiffe und ihrer Passagiere.

Schlangen vor dem Imbissbuden am Hafen, wo man für nur 20 US$ lokales Fastfood erstehen kann, Wartezeiten von einer Dreiviertelstunde im Food-Truck-Dorf, wo es das Ganze bei schönerer Kulisse etwas teurer gibt. Geschiebe in den Läden um die Franklin Street, wo dann z.B. original Bärenzähne zu kaufen sind.

Wandbild in der Innenstadt

Toll aber das innenstadtnah gelegene Alaska State Museum.

Kajak einschließlich Jagdgerätschaften sehr anschaulich erläutert
Sonnen- bzw. Schneebrillen
Verzierte Heilbutt-Angelhaken

Die verschiedenen Nationen der in Alaska lebenden Ureinwohner, ihre besonderen Kulturen und Jagdtechniken, Alltags- und Kunstgegenstände werden ebenso dargestellt wie die Kolonialisierungsgeschichte mit russischer und US-amerikanischer Station und der industriellen Fischerei.

Die Natur Alaskas wird zwar behandelt, kommt aber vielleicht ein bisschen kurz. Wir kompensieren das am nächsten Tag durch einen ausgesprochen langen Hike vor den Toren der Stadt. Mit dem Bus gelangen wir zum Startpunkt in der Nähe des Mendenhall Gletschers. Das Bussystem funktioniert gut, jede Fahrt kostet (unabhängig von der Fahrtstrecke) 2 $, von unserem Hafen in der nördlich gelegenen Auke Bay aus sind so große Supermärkte und auch das Stadtzentrum gut erreichbar. Der Hike beginnt einfach durch eher flaches Regenwald-Gebiet ein bisschen abseits der Straße.

Aber dann wählen wir den „East Glacier Loop Trail“, der abseits des von von den Kreuzfahrtbussen angefahrenen Besucherzentrums durch die Berge oberhalb des am Ufer des Gletschersees entlang führenden gut ausgebauten Fußweges zu den imposanten Nugget Falls führt.

Unser Wanderweg ist da einsamer. Wir begegnen auf dem mehrere Stunden dauernden Weg nur ein paar Handvoll andere Wanderer.

Mal mit gut ausgebauten Stufen oder Treppen …
… mal rustikaler …
aber immer mit beeindruckender Natur.

Am Ende schließt dann wieder ein flacheres Stück durch moorige Seenlandschaft an.

Hier treffen wir auf Mary, die gerade „High Bush Cranberries“ pflückt, nicht Huckleberries (Johannisbeeren) , wie wir fälschlich annehmen. Die Biologin ist vor über 30 Jahren nach Alaska gekommen und hier geblieben. Sie erklärt uns anschaulich, wie wir die Sitka Spruce (piksig, gerade Spitze) von der Hemlock-Tanne (weiche, flache Nadeln, gebogene Hexenhut-Spitze) unterscheiden können. Unsere bisherigen Versuche über die Borke („Potato Chips bzw. Bacon“) waren nicht so recht eindeutig. Während wir uns unterhalten, fliegt eine große blaue Libelle zu uns und lässt sich abwechseln auf jedem von uns nieder. Von Wiebkes Rücken kann ich sie auf meinen Finger locken und an Mary weiterreichen. Ungewöhnlich, aber sehr schön.

Mary berichtet uns, dass über diese blauschwarzen Libellen gesagt wird, sie würden die Lippen von schlechte Dinge sagenden Menschen zusammennähen. 😜

Und noch eine andere tierische Begegnung haben wir auf dieser Wanderung: erstmals sehen wir Lachse in ihrer Laichfärbung ein stark strömendes Bachbett hinaufwandern. Für den Rotlachs (Sockeye) hat die Saison begonnen, sein dunkelblauer Rücken und die silbrigen Seiten haben sich leuchtend rot verfärbt, der Kopf grünlich. Das Maul macht eine Formveränderung durch, wird deutlich länger und bekommt in Ober- und Unterkiefer einen Haken. Die laichfähigen Tiere in diesem Stadium fressen nicht mehr, sondern kämpfen sich die Bäche hoch zu ihrem Geburtsort, laichen und sterben dann.

Jetzt beginnt die Festmahlzeit für die Bären. Wir sind gespannt, ob wir das noch zu sehen bekommen.

Zurück am Hafen treffen wir auf die gerade angekommenen Crews der Pitou und der (ebenfalls holländischen) Fidelis. Spontan drehen wir nochmal um und begleiten die anderen zur örtlichen Brauerei oberhalb der Marina.

Die Kombination aus großem Wagen und Nordstern ziert die Flagge Alaskas

Ach ja, der tägliche Seeadler. Heute mal „Marina-Style“. Hoffentlich verzeiht der B&G-Windmesser im Masttop des Nachbarbootes die funktionsfremde Nutzung.

Heute haben wir übrigens Ruhetag, die 13 km von gestern stecken uns noch in den Beinen. Passt aber, um es mit einem anderen Alaska-Song von Erin Heist auszudrücken: „Another rainy day“. Wir verwöhnen uns mit Selbstgebackenem: Apfel-Pekanuss-Kuchen und Hafer-Cashew-Karamell-Keksen.

😁