Wir sind in Kolumbien 🇨🇴. Irgendwie. Andererseits auch wieder nicht, denn wir haben nicht einklariert, liegen hier nur vor Anker, die gelbe Q-Flagge unter der Steuerbordsaling. Auf Funk hat niemand reagiert, auch der designierte Agent nicht, der auch auf unsere Email nicht geantwortet hat. An Land dürfen wir erst, wenn wir einen PCR-Test vorlegen, der nicht älter als drei Tage ist. Das wird wohl nichts. Man kann auch in Kolumbien einen PCR-Test machen (dazu kommt wohl die Gesundheitsbehörde an Bord), bis zum Vorliegen des Ergebnisses dann Quarantäne an Bord. Wenn hier keiner auf unsere Kontaktversuche reagiert, kommt das wohl auch nicht in Frage. Macht aber nichts, wir erholen uns hier eine Nacht, schlafen aus, genießen den Ankerplatz als Zwischenstopp, und dann gehts weiter Richtung Panama 😁
Schön ist es trotzdem hier. Als wir gegen 15.00 in die malerische Ankerbucht einlaufen, haben wir in den fünf Tagen und 6 Stunden insgesamt 760 sm zurückgelegt. Grün und gebirgig hebt sich die Isla de Providencia aus dem Meer.
Der Naturhafen diente dem Freibeuter (und spätere Vizegouverneur des englischen Jamaika) Henry Morgan als eines seiner vielen Verstecke, von hier organisierte er die Überfälle auf Panama.
Im bunten Mix der Bebauung kann man bei genauerem Hinsehen noch deutlich die Spuren des 2020er Hurrikans Iota erkennen, aber auch die fortschreitenden Wiederaufbauarbeiten.
Dann jetzt die Bilder zu den vorherigen (Satelliten-)Blogbeiträgen:
Steve, Paula und Helena werfen unsere Leinen in Mexico los.Irgendwie falsch, Sonnenuntergänge hinter uns …Und Sonnenaufgänge vor uns. Aber zunächst mal segeln wir ja tatsächlich nach Osten.
Überhaupt, “Segeln”. Auf diesem Törn lief knapp ein Drittel der Strecke der Motor, wenn auch zum Teil nur zur Unterstützung. Die windarmen Teilstrecken hatten aber auch ihre Vorteile. Wir lieben das Baden im tiefen Blau!
Kuchenbacken ist sonst auch schwieriger 😉
Nicht zuletzt stellte sich auch unser zum frischen Sushi erforderliche Angelerfolg unter Motor ein.
Und immerhin sind wir ja die anderen zwei Drittel hierher gesegelt.
Wir wollen mal wieder einen großen Schlag machen. Richtung Panama soll es gehen. Von hier (Puerto Morelos in Mexiko) ist das mit ein paar kniffligen Entscheidungen verbunden.
Das beginnt schon mit dem Ziel. Nahe an der Route liegen Isla de Providencia und St. Andres. Beide gehören zu Kolumbien, obwohl sie deutlich näher an Nicaragua liegen. Als Zwischenstopp bieten sie sich an. Laut Noonsite sind sie auch offen. Allerdings hat Kolumbien zu Jahresbeginn die Einreisebestimmungen geändert und in den sozialen Medien kursieren widersprüchliche Angaben. Sicher ist, dass wir zum Einklarieren einen Agenten benötigen würden. Wir schreiben den für Isla de Providencia an, bekommen aber auf unsere Email keine Antwort. Im Zweifel müssen wir halt nach Panama weiter segeln, wenn wir in Isla de Providencia nicht einklarieren können.
Der zweite Punkt ist nicht weniger knifflig.
Haie, Stürme, Piraten. Das sind oft die ersten Assoziationen von Freunden an Land mit unserer Segel-Langfahrt. Über die spannenden und schönen Begegnungen mit Haien haben wir ja berichtet. Stürme haben wir bisher weitestgehend vermieden, indem wir ihre saisonalen Gebiete (vor allem den Hurrican-Gürtel) eben in der Saison meiden. Und mit Piraten hatten wir bisher nichts zu tun. Das soll sicher so bleiben, deshalb wollen wir der Flachwasserzone im Grenzgebiet zwischen Honduras und Nicaragua nicht einmal nahe kommen. Dort hat es in der Vergangenheit einige Vorfälle gegeben, bei denen sich Fischer als Gelegenheitspiraten betätigt haben. Happige 200 sm Abstand von der Küste werden hier empfohlen. Wir haben hier in Mexiko die nette Crew eines Bootes kennengelernt, dass da gerade dicht unter der Küste trotzdem unbehelligt durchgefahren ist, aber das ist absolut nicht unser Ding. In der Planung setzen wir statt dessen sogar noch einiges drauf, machen einen Riesenumweg und bleiben noch weiter von dem (schraffierten) Gebiet weg, obwohl der direkte Kurs unmittelbar hindurchführen würde:
Die Caiman-Islands bleiben an Backbord und etwa auf der Hälfte zwischen ihnen und Jamaika biegen wir nach Süden ab, um dann einen weiten Bogen nach Südwesten zu schlagen. Der Grund dafür liegt neben einem eigenen „Sicherheitszuschlag“ mal wieder an den Strömungsverhältnissen.
Die karibische Strömung (rote Pfeile) schlängelt sich nämlich von Süden kommend um diese Bank herum, bevor sie dann hier oben im Osten Yucatans zu voller Stärke heranreift und den Golfstrom befeuert.
Den allerdings müssen wir gleich zu Beginn einmal mehr queren. Dazu muss also auch der Wind passen, nicht nur um uns voranzubringen, sondern auch um nicht mit Wind gegen Strom allzu chaotische Wellen aufzuwerfen.
Mal sehen, ob unser Kompromiss gut genug gewählt ist. Morgen früh geht es los. 700 sm bis Isla de Providencia, weitere 250 sm bis Panama. Eventuell also knapp 1.000 sm am Stück.
Drückt uns die Daumen, wir werden jetzt also eine knappe bis ganze Woche erstmal Offshore sein. Da freuen wir uns drauf.
Bei unseren Landgängen in Mexiko fällt auf: nicht nur Maya-Geschichte, Margaritas, Cenotes, bunte Farben und Sombreros sind allgegenwärtig. Sondern auch ein gleichsam alter Bekannter, der VW Käfer. Deutlich häufiger als in Deutschland fällt uns eines dieser (für uns) ikonischen Symbole des heimischen Wirtschaftswunders der Nachkriegsjahre auf.
Klar, die knuffigen „Mexiko-Käfer“ wurden hier in Mittelamerika seit 1964 gebaut, hier lief 1981 der 20-millionste Käfer vom Band, der letzte rollte 2003 aus dem Werk. Und sie wurden in den späteren Jahren (ab 1978, als nach 40 Jahren die deutsche Produktion des Käfers endete, nicht aber dessen deutscher Vertrieb) sogar in einer speziellen Europaversion im mexikanischen Werk Pueblo für den Export nach Emden produziert.
Und so gehören die „Vocho“, wie sie hier genannt werden, ebenso zum Verkehrsbild wie viele ältere VW-Busse. So selbstverständlich sind sie hier, dass sie sich sogar auch in den Souvenirshops finden.
Dort mexikanisch bunt bemalt, im Straßenbild oft ganz banal als Alltagswagen,
manchmal aber auch als Umbau …
Jedenfalls oft in gutem Zustand und liebevoll instand gehalten.
Straßenbild trifft es allerdings nicht ganz. 😚
Denn auch im MUSA Unterwassermuseum sehen wir beim Tauchgang nicht nur einen klassischen Käfer …
(ja, das Bild kennt Ihr schon), sondern zusätzlich sogar auch einen Beetle.
Und das ist nur konsequent, denn auch diese Autos, mit denen VW ab 1997 einen Retro-Kleinwagenboom auslöste (der BMW Mini folgte dann 2001), wurden im Werk Puebla gebaut.
So oder so freuen wir uns jedesmal, wenn wir einen Käfer (oder Beetle) sehen. Jedenfalls einen solchen. Ein andere Käfer 🪲 dagegen nervt: bereits seit der Chesapeake Bay finden wir immer wieder „Stinkekäfer“ an Bord. Eigentlich unauffällig, aber wenn eine Leine oder ein Segelsack umgestaut werden, krabbelt nicht selten dahinter ein fingernagelgroßer, geflügelter Käfer hervor. Die setze ich dann regelmäßig über Bord. Tritt man allerdings versehentlich auf eines der aufgeschreckten Krabbeltiere drauf oder zerdrückt ihn beim Wegnehmen der Leine, stinkt das Ganze erbärmlich. Also Vorsicht ⚠️ 💩.
Wenige Maja-Tempelanlagen sind direkt am Meer errichtet, insbesondere auch weil die Frischwasserversorgung schwieriger ist, wenn in den notwendigen Cenotes das Salzwasser durch das poröse Kalkgestein sickert und sich unter das Süßwasser schiebt. Eine der wichtigen und bekannten Stätten dieser ungewöhnlichen Art ist Tulum, etwa zwei Stunden Autofahrt südlich unseres Hafens Puerto Morelos. Wobei, diese Fahrt geht auf der gut ausgebauten Carretera 307 durch das Touristenzentrum Playa del Carmen und durchgängig küstennah entlang der „Riviera Maya“ mit ihren luxuriösen Hotelanlagen. Kein Wunder also, wenn der Tempel in Tulum die Touristenmassen anzieht.
Von der Wasserseite sieht das noch ganz passabel aus. Moment, wieso von der Wasserseite? Auf unserer Anfahrt stauen wir uns zunächst durch den Ort und dann auf einem Strandweg in Richtung der Maya Ruinen.
Irgendwann geht es nicht mehr weiter. Die Coop der Pescadores bietet ein Stück zurück einen kostenpflichtigen Parkplatz, von dem aus man zu den Ruinen laufen und sich in die Schlange vorm Eingang einreihen kann. Oder (Geschäftsmodell) man lässt sich von den Fischern wasserseitig die Tempelanlage zeigen und schnorchelt danach noch etwas am vorgelagerten Riff. Überredet 😚.
Wobei Schnorcheln mit vorgeschriebenen Schwimmwesten schon ganz schön befremdlich ist. Bei dem Betrieb der hier herrscht ist es aber wahrscheinlich so, dass ohne die Schwimmwesten alle naselang ein auftauchender Schnorchler überfahren würde, oder man müsste jedem eine Taucherboje mitgeben, für ungeübte wohl wenig praktikabel. Immerhin, wir sehen neben einigem Rifffisch einen großen Rochen, Jan sogar eine Schildkröte. Und eine Erfrischung ist es allemal.
Der eigentliche Hit komm allerdings später. Auf dem Rückweg von Tulum machen wir einen Abstecher zu den Cenotes Sac Ac Tún. An mehreren anderen Cenotes führt der Feldweg vorbei, unter anderem an der bekannten und touristisch gut erschlossenen Cenote Dos Ojos. Der große Parkplatz und das Restaurant hier sind gut gefüllt, aber ein paar Kilometer Holperstraße weiter beim Einstieg in Sac Ac Tún sieht es anders aus. Es ist so wenig los, dass wir vier von Guide Alberto sogar eine Privatführung bekommen, was normalerweise einen heftigen Aufpreis bedeuten würde.
Auch hier sind Schwimmwesten obligatorisch, bei der über eine Stunde langen Tour in dem (relativ) auftriebsarmen Süßwasser aber auch ganz angenehm. Das Höhlensystem Sac Ac Tún ist riesig, wohl eines der größten verbundenen Systeme weltweit. Wir erkunden natürlich nur einen kleinen Teil davon, sind aber trotzdem völlig fasziniert.
Dabei ist es gar nicht so leicht festzumachen, was genau an den Cenotes uns so begeistert. Das Schwimmen durch ein System von Tropfsteinhöhlen mit unfassbar klarem Wasser, die Licht- und Schatteneffekte über und unter Wasser, hervorgerufen durch ein paar installierte Lampen und die Taschenlampe, mit der Alberto uns den Weg zeigt. Und durch die gelegentlichen, zumeist nur kleinen Deckendurchbrüche, die etwas Tageslicht einfallen lassen. Das Urtümliche, Geheimnisvolle, die Abgründe (die verbundene Höhle Blue Abyss, von der wir nur den tief unter Wasser liegenden Eingangsspalt sehen, geht bis auf über 70 m in die Tiefe).
Abwechseln geht es durch vergleichsweise große Höhlen und schmale Gänge, bei denen wir uns zwischen den Stalaktiten hindurchschlängeln und achtgeben müssen, uns nicht den Kopf zu stoßen. Mal können wir stehen, meist aber sieht der Boden im glasklaren Wasser zwar nah aus, ist aber doch unerreichbar für die Füße. Catfish, also Welse, finden sich in größerer Zahl, aber auch einige andere Fischarten haben sich an die überwiegend dunklen Höhlen angepasst.
Wie Saugnäpfe ragen Baumwurzeln von der Decke in die Höhle hinein, verdicken sich und enden kurz über der Wasseroberfläche.
Ziemlich geflashed und auch ein wenig heruntergekühlt kommen wir nach einer guten Stunde wieder ans Tageslicht. Wow 🤩.
Zurück an Bord heißt es (viel zu früh) langsam Abschied nehmen von unserer Crew Catalina und Jan. Dabei gibts vor deren obligatorischem COVID-Antigentest noch einen ordentlichen Aufreger: ich bekomme Fieber, einen rauen Hals, fühle mich schlapp. Ein COVID-Selbsttest bleibt aber negativ und auch die Tests der beiden sind negativ. Pffff, das hätte kompliziert werden können.
Aber selbst auf Langfahrt ist man vor einer standardmäßigen Erkältung nicht gefeit (ist allerdings die erste in den zweieinhalb Jahren), wenn man im durchgeschwitzten T-Shirt die Klimaanlage des Autos aufdrehen muss, damit die Scheiben nicht beschlagen.
Als Ziel unseres nächsten Landausflugs haben wir uns Ek Balam ausgesucht. das liegt zwar ungefähr auf der gleichen Breite wie unser Hafenort Puerto Morelos, erfordert aber doch eine etwa zweieinhalbstündige Autofahrt. Und die unterschätzen wir etwas, sie erweist sich als eine der langweiligsten Fahrten überhaupt, es zieht sich. Das liegt wohl hauptsächlich daran, dass die Landschaft flach und weitgehend unbebaut ist. Bis dicht an die zumeist schnurgerade verlaufende Straße zieht sich scheinbar undurchdringlicher Bewuchs aus niedrigen Bäumen und hohen Büschen, keine Abwechslung für die Augen, kein Überblick. Trotz Licht und Grün fühlt es sich nach einer stundenlangen Tunnelfahrt an.
Die von uns per Email angeschriebenen Hotels haben beide bisher nicht geantwortet, das werden wir unterwegs nachher noch mal checken.
Aber: die langweilige Fahrt lohnt sich für uns ohne Zweifel! Die Ruinen der Mayastadt Ek Balam begeistern uns. Nur ein Teil der Anlage ist bisher ausgegraben. Guide Francisco erklärt uns, dass sich unter allen in der Umgebung sichtbaren Hügeln weitere Ruinen verbergen. Und nicht alle ausgegrabenen Gebäude sind restauriert. Zumal nicht nur die wuchernde Natur den Maya-Städten (im wahren Wortsinn) zusetzt, sondern die Steine in den vergangenen Jahrhunderten seit dem Untergang der Maya-Hochkultur teilweise auch entfernt und für Privatbauten verwendet wurden.
Eine Besonderheit für den Besucher ist, dass die Ruinen überwiegend begehbar sind, anders als etwa die berühmtere Anlage in Chichén Itzá, zugleich aber weniger touristische Aufmerksamkeit erhält und damit auch deutlich weniger „Rummel“-Charakter entfaltet. Unsere Segelfreunde Martina und Daniel von der Vairea hatten uns mit ihren Facebookberichten und dem Blogbeitrag über ihren Mexiko-Aufenthalt schon darauf vorbereitet und auch ein bisschen hierhin gelockt, ganz lieben Dank dafür.
Das Eingangsportal sieht noch recht bescheiden aus, zeigt aber schon sehr gut die Maya-Bauweise mit konstruktiv eher schmalen Räumen, die Maya kannten keine Rundbögen oder Gewölbe mit tragenden Schlusssteinen, vielmehr mussten die Seitenwände selbst tragend sein.
Durch enge Gänge geht es weiter in die Anlage hinein, aber dann weiter es sich.
Besonders beeindruckend ist die steile Treppe hinauf auf das „Akropolis“-Gebäude. Tip bei diesen Treppen: diagonal benutzen. 😉 Von oben lassen sich im Grün dann auch einige der anderen Gebäude ausmachen und die Dimension der Gesamtanlage erahnen.
An der Fassade der Akropolis findet sich auch eine restaurierte Stuckatur. Sie zeigt das stilisierte Gesicht des „Erdmonsters“ (in der mittleren der drei Mayawelten zwischen Unterwelt und Himmel). Mit aufgerissenem Mund und Augen, wobei dieses Tor später als Zugang zum Grab des Maya-Fürsten und Halbgottes Ukit Kan Le’k Tok verschlossen wurde. Auch das eine Besonderheit, denn anders als die ägyptischen Pyramiden waren die Maya Tempel nicht als Grabanlagen konzipiert.
Zurück geht es über das Ballspielfeld. Auf den Schrägen spielte nur der jeweilige Kapitän, die übrigen Spieler auf dem Rasen dazwischen. Ob auch hier nach dem Spiel eine der Mannschaften geopfert wurde ist nicht bekannt, wie überhaupt die Opfertradition der Mayastämme regional und wohl auch im Ablauf der Jahrhunderte unterschiedlich war.
Angenehm für uns zu wissen: in der zugehörigen Cenote X’Canche fanden sich keine Relikte von Menschenopfern, was andernorts durchaus der Fall ist. Wir fahren mit den im Eintrittspreis enthaltenen Leihfahrrädern die anderthalb Kilometer dorthin.
Unsere nächste Cenote, diesmal bietet sich ein völlig anderes Bild. Hier in Ek Balam gleicht die Cenote noch mehr einem Blue Hole, fast kreisrund, oben vollständig offen und tief eingeschnitten in die umgebende Landschaft. Baden (diesmal auch ohne obligatorische Schwimmweste) im erfrischenden Süßwasser ist erlaubt, Sprünge aus zwei, zehn und zwölf Meter Höhe auch.
Der „Dachüberstand“ und die am Rand fast wie ein Vorhang herunter hängenden Baumwurzeln sowie das intensive Spiel des Lichts lassen diesen Ort ganz besonders erscheinen.
Die Hotels haben sich immer noch nicht gemeldet, statt uns vor Ort ein anderes zu suchen beschließen wir, wieder zurück auf die Flora zu fahren.
Die aus Leinen gebildeten Wildbrücken (u.a. für Affen und Faultiere) sind eine der wenigen optischen Abwechslungen
Noch mal zweieinhalb Stunden Langweil-Fahrt, aber mit den frischen Eindrücken des Erlebten im Kopf (und ein paar „8 Milliarden“-Podcasts) vergeht die Fahrt diesmal gefühlt viel schneller.
Mit dem TIP stand ja noch eine weitere Formalität aus, obwohl wir bereits einklariert sind. In Mexiko ist es nämlich so, dass wir für das Boot eine “temporäre Importbewilligung” benötigen (auf Englisch: Temporary Import Permit), wenn Flora denn länger als 14 Tage im Land bleiben soll. Wir sind vorgewarnt, was den formalen Aufwand angeht. Originale und Kopien von allen Papieren der Einklarierung und des Reisepasses, ein frei formuliertes Antragsschreiben (auf Spanisch), das idealerweise auch Angaben zur Motornummer unseres Bootsdiesels sowie ein Foto des Schiffes und der Motornummer beinhalten soll, Außerdem einen Eigentumsnachweis für das Dinghy, auch hier möglichst mit Dinghynummer und Außenbordmotornummer. Das wurde jedenfalls bei einem befreundeten Boot verlangt, die hatten es nicht mit und mussten einen neuen Termin machen. Haben wir alles gemacht, die Kopien in der beim Einklarieren bewährten Weise als auf dem Borddrucker ausgedrucktes Handyfoto.
Dann telefonisch (zwischen 13.00 und 13.30!) einen Termin vereinbaren, mit der Fähre nach Cancún fahren, zum Büro der dortigen Capitanía gehen. Ich bin zu früh, muss warten, obwohl sonst niemand da ist. Aber Termin ist Termin, ist ja auch o.k.
Auch bei uns die Frage nach dem Dinghy, die wir aber ja parieren können. Dann aber: die Kopien gefallen ihr nicht. Es sei zwar alles erkennbar, aber wenn sie das jetzt kopieren und weiterschicken würde, könnten Informationen verloren gehen. So ginge das nicht. Außerdem sei das Papier der Kopien zu groß (es ist DIN A4), das passt nicht in ihre Akten. Es müsste gut einen Zentimeter kürzer sein. Wir diskutieren. Ich bitte um eine Schere. Nein, hat sie nicht. Außerdem würden dann Informationen verloren gehen. Nein, nur Rand.
Am Ende reißt sie mit angelegtem Lineal von jeder Kopie ein Stückchen weg, ich bezahle meine 60 US$ Gebühr und bekomme mein Temporary Import Permit.
Puuuh. 😳
Jetzt dürfen wir uns mit Flora frei in Mexiko bewegen. Flora dürfte sogar bis zu 10 Jahre hier bleiben. Soll sie aber nicht. Wir feiern ein bisschen mit den Crews der Freydis (brauchte mehrere Anläufe fürs TIP) und der Amalia (TIP steht noch aus).
Und dann trennen sich leider unsere Wege mal wieder, denn wir wollen mit unserer Crew bei dem günstigen Wind etwas weiter nach Süden segeln.
Es wird ein schöner, flotter Törn nach Puerto Morelos, wir machen in der El Cid Marina fest. Und auch Fest, Silvester an Bord 🎆, so schön, dass die beiden da sind.
Neujahr gehts mit dem Mietwagen zu unserer erste Cenote. Hier im Norden der Halbinsel Yucatan gibt es unzählige Cenotes. Im Grunde sind sie ganz eng verwandt mit den Blue Holes, die uns in den Bahamas so fasziniert haben.
Die Cenotes hier sind ebenfalls ausgewaschene Karsthöhlen, oft unterirdisch zu weitreichenden Wassersystemen verbunden, mit Öffnungen in der Höhlendecke, die oft als Einstieg dienen. Die von uns besuchte „7 Bocas“ hat gleich sieben Öffnungen, die meisten klein, eine aber mit etwa 20 m Durchmesser. Die Cenote soll 150 m tief gehen, hineinspringen vom Rand ist erlaubt (und einer von uns macht das auch 😉). Das Gefühl ist schon sehr besonders, in das dunkle Loch der Cenote hinunterzusteigen und dann in das von unten (über die unterseeische Verbindung zum großen Loch) mystisch blau leuchtende Süßwasser zu gleiten.
Manche der Höhlen sind luftig, andere lassen nur wenig Luft über unseren Köpfen. Zwei der sieben Höhlen sind sogar nur für (Geräte-)Taucher erreichbar, die lassen wir heute aus.
(PhotoCredit Jan)(Photo Credit Jan)
Faszinierend ist aber auch der Blick unter Wasser, wo sich die größeren Stalaktiten von der Höhlendecke weiter fortsetzen.
Oder auch der Blick in die andere Richtung, nach oben zu einer der sieben „Bocas“, also Öffnungen, wörtlich übersetzt aber „Münder“.
Die Mayas übrigens verehrten die Cenotes als heilige Quellen, nutzten sie als Trinkwasserbrunnen. Sie sahen in ihnen aber zugleich auch Eingänge zum Sitz der Götter der Unterwelt und verwendeten sie auch als religiöse Opferstätten.
Mit den „7 Bocas“ haben wir ein glückliches Händchen. Jedenfalls heute am Neujahrstag ist sie ganz überwiegend von Mexikanern besucht, Familien mit jung und alt haben sich ein Picknick mitgebracht und genießen den allerdings auch etwas abgelegenen Ort, der aber eben extra Picknickstellen mit palmgedeckten offenen Hütten bietet und an dem sich keine Massen durchschieben.
Das MUSA (Museo Subacuático del Arte) bietet in Mexiko mehrere Unterwasserausstellungen. Eine davon findet sich direkt an der Isla Mujeres, wo auf 8 bis 10 Meter Tiefe ein Skulpturengarten angelegt wurde.
Die ersten Skulpturen hier wurden vor 11 Jahren aufgestellt, etwa 450 Figuren menschlicher Körper des britischen Künstlers Jason DeCaires Taylor unter dem Titel „La Evolución Silenciosa“ haben also schon einige Zeit unter Wasser verbracht und sind entsprechend mit Algen, Schwämmen und Korallen bewachsen. Das ist integrativer Teil des Kunstwerks, dass durch den Bewuchs zu einem künstlichen Riff werden soll, um zumindest einen kleinen Ausgleich für die durch den Menschen zerstörten Riffe zu schaffen und Bewusstsein dafür zu bilden. Auf einigen der Figuren wurden aus diesem Grund Fragmente von beschädigten Korallen angepflanzt.
Weitere der Figurengruppen stehen in flacherem Wasser auf der Festlandsseite bei Cancún. Diese zweite Ausstellung kann man gut schnorchelnd besichtigen, hier an der Isla Mujeres ist das wegen der Wassertiefe und der Strömung eher nicht zu empfehlen.
Und so buchen Wiebke und ich denn einen Platz auf einem Tauchboot, dass uns hinaus zum Unterwassermuseum fährt. Wohlgemerkt nur uns und den Guide, obwohl auf dem Boot Platz für 14 Taucher plus Guides wäre. Der Tourismus läuft offenbar noch nicht wieder auf vollen Touren, obwohl den Tauchplatz natürlich auch noch andere Tauchboote anfahren. Uns ist es recht. Es wird ein Doppeltauchgang, zuerst am Riff, dann ein Stückchen weiter und mit neuen Flaschen der Tauchgang am Unterwassermuseum.
Unser Einstieg in das Kunstmuseum ist die etwas jüngere Skulptur „Antropoceno“ , ebenfalls von Jason DeCairo Taylor. Ein VW-Käfer mit einer weiblichen, zusammengerollten Figur vor der Windschutzscheibe.
Die Figuren selbst sind echten Personen aus dem Wohnort des Künstlers angelehnt und alle mit individuellen Charakterzügen ausgestattet, die aber nicht mehr immer erkennbar sind. Nicht alle sind positiv dargestellt, manche gleichgültig, manche negativ.
Der natürliche Bewuchs mit seinen Farben und Formen verändert das sich bietende Bild ohnehin. Je nach Lichteinfall (und sicher auch persönlicher Stimmung) wirken die Skulpturen mal engelsgleich mit Flügeln aus Fächerkorallen, mal divenhaft mit einer Stola aus Federbüschen, mal aber auch wie Figuren aus einem Horrorkabinett, die dem verwunschenen Flying Dutchmann entsprungen scheinen.
Das waren zwei für uns sehr eindrucksvolle Tauchgänge.
Seit Fort Lauderdale findet sich ja vorübergehend unser Chief Engineer Jan auf der Crewliste. Bei der Arbeit am “Geweih”, der Rückflussleitung der Einspritzdüsen des Volvo-Penta Dieselmotors, hatte ich ihn schon gezeigt.
Zeit also, auch mal sein Arbeitszimmer vorzustellen 😉:
Übrigens, das Weitwinkelobjektiv lässt Floras Motorraum um einiges größer erscheinen. Man muss schon so schlank sein wie Jan (und sich trotzdem noch ordentlich verbiegen), um zwischen Diesel und Generator hockend an der Einspritzung arbeiten zu können.
Und: ja, es hat geklappt, keine neuen Dieselpfützen mehr in der Motorbilge. also Zeit für neue Projekte:
Den abgestürzten Plotter durch Hard-Reset wiederbeleben und alles neu einstellen …Die Umlenkblöcke von Großschot und Ausholer auseinandernehmen …… auch wenn dafür die Deckenverkleidungen im Bad und in der Achterkoje ebenfalls weg müssen … … sich so hartnäckig durch all die verkorksten Menüstrukturen und Einstellungen von Furuno-Plotter (mit Installationswizzard 🤣) und Autopilot wühlen, bis endlich auch die Steuerung nach Windwinkel funktioniert …die USB-Steckdose am Niedergang erneuern und eine weitere zwischen den Sesseln im Salon einbauen, damit auch dort Telefone, iPads, eReader, Kameras etc. geladen werden können.
Und noch einiges mehr. Danke, Jan. Echt Urlaub auf der Flora, oder?
Aber natürlich gehts auch manchmal anders, hier auf der Isla Mujeres:
Und heute Abend kommt Catalina 😉. Dann wird’s allerdings enger im Vorschiff.
Es war zu erwarten, dass das Einklarieren hier in Mexiko eine gewisse Herausforderung mit sich bringen würde. Ich hatte im Vorfeld einige eher unerfreuliche Berichte darüber gelesen. Dann bei Ankunft der wenig erbauliche und doch relaxte Zuruf unseres Bootsnachbarn Jim von der australischen „Freydis“, bei ihm habe das Einklarieren 4 Tage (!!!) gedauert. Und dazu die Angabe auf Noonsite, die Behörden hier würden ein “Zarpe” (gemeint ist die Ausklarierung aus dem vorigen Land USA) verlangen, welches eine Crewliste beinhalte. Wir haben zwar in Key West ein “CBP Form 1300” erhalten, aber eben ohne Crewliste. Zudem lesen wir häufig die Empfehlung, hier für das Einklarieren einen Agenten zu nehmen, was etwa 150 bis 200 US$ kosten würde. Wir wollen es aber ohne probieren. Steve und Helena von Floras Schwesterschiff Amalia sind ein paar Tage vor uns angekommen, aber noch nicht ganz vollständig einklariert, der Rest soll heute erfolgen. Was wird das wohl bei uns geben? Immerhin wissen wir von ihnen den groben Ablauf und die Örtlichkeiten, zudem hat uns auch Maik von der „Seefalke“ gute Tips gegeben.
Im Zweifel, so sagen wir uns, wäre es eben auch eine klassische Langfahrt-Erfahrung.
Und so machen wir uns denn mit jeweils 5 Kopien (und natürlich den Originalen) von Zarpe / 1300, Crewliste auf Spanisch, den Reisepässen aller drei Crewmitglieder, der Bootsregistrierung und des Bootsführerscheins des Kapitäns (letzteres ist eine Fehlinfo, die benötigen wir hier nicht), somit also allein 35 Kopien auf den Weg. „Kopien“ heißt bei uns übrigens, Handyfoto des Dokuments auf unserem kleinen Schwarzweiß-Laserdrucker an Bord auszudrucken. Laserdrucker deshalb, weil die Tintenstrahlpatronen in den Tropen noch schneller eintrocknen als in Hamburg.
Zuerst gleich morgens zur Capitanía de Puerto Isla Mujeres, die Öffnungszeiten können knapp sein. Ein bisschen warten, dann geht das verdunkelte Fenster auf, hinter dem wir bisher nur einen Tannenbaum bunt blinken sehen konnten, und wir werden freundlich begrüßt. Zuerst müsse der Arzt (Gesundheitsbehörde / Salud) kommen, wir sollen etwa 20 Min warten. Der kommt aber recht flott, zwei Formulare werden gemeinsam ausgefüllt, abgestempelt, danach werden alle Kopien von Zarpe, Crewliste und Bootsregistrierung gestempelt, jeweils eine gestempelte Kopie einbehalten, dann gehts am Schalter weiter. Drei weitere Formulare, eins davon ausschließlich auf Spanisch, aber es gibt eine an der Wand aushängende Übersetzungshilfe ins Englische.
Wieder werden alle verbleibenden Kopien von Zarpe, Crewliste und Bootsregistrierung gestempelt, ebenso jeweils eine Kopie der Pässe.
Jetzt ein paar hundert Meter weiter in das Gebäude der „Imigración“. Freundliche Begrüßung, dann erstmal warten. Die zuständige Offizierin ist gerade nicht da, sondern außerhalb tätig. Zwei kurz nach uns eingetroffene Franzosen verlieren die Ruhe und gehen, wir bleiben da und es lohnt sich. Denn nach etwa einer halben Stunde kommt nicht nur die Dame von der Immigración (Formulare ausfüllen, stempeln der Formulare und unserer verbleibenden Kopien, von den jeweils eine einbehalten wird), Stempel in die Pässe, bezahlen mit Kreditkarte (für uns drei 1.760 Pesos, etwa 75 Euro). Sondern sie hat gleich ihre Kollegin von „Agricultura“ im Schlepptau, so dass wir diese Station mit dem üblichen Prozedere und Fragen nach Fleisch oder Obst und Gemüse an Bord (Nein) gleich mit abwickeln können. Danach zurück zur Capitanía, wobei wir auf dem Weg am Bankautomaten noch mexikanische Pesos ziehen können. Nächster Glücksfall: auf dem Parkplatz vor der Capitanía treffen wir auf den freundlichen Zollbeamten, der als nächster dran ist. Und – doppeltes Glück – er verzichtet auf einen Bootsbesuch bei uns, als Helena (auf der Amalia war er gestern recht ausgiebig und wurde mit Kaffee und Keksen bewirtet) ihm erzählt, wir hätten ein Schwesterschiff und seien Freunde. Auf der Motorhaube seines Dienstwagens füllen wir ein weiteres Formular aus, er stempelt die Kopien, behält je eine ein und dann darf ich wieder in die Capitanía. Wiebke und Jan sind nach dem Stempel in ihrem Reisepass frei, sie gehen schon mal Telefonkarten (SIM) besorgen.
Nochmal warten, dann bekomme ich ein Formular ausgehändigt, mit dem ich zur Bank soll. Dort der einzige mürrische Kontakt heute, der Mann hinterm Schalter telefoniert noch einige Zeit mit seinem Handy, wirft dann einen Blick auf das Formular und muffelt mich an, die 1.237 Pesos (gut 50 €) seien „solo en efectivo”, also ausschließlich in bar zu zahlen. Hm, in einer Bank? Aber egal, geht ja. Stempel aufs Formular, zurück zur Capitania, abgeben, warten.
Und dann: „Listo“. Fertig. Darauf achten, dass ich meine Originale und jeweils eine mit allen Stempeln versehene Kopie zurückbekomme, denn die brauche ich für die Prozedur der temporären Einfuhr unserer Flora nach Mexiko. Das ist erforderlich, wenn man mehr als 14 Tage im Land bleibt, gilt dann aber für 10 Jahre. Kostet 60 US$. Erfordert aber eine vorherige telefonische Anmeldung und einen Besuch im Büro in Cancún auf dem Festland. Das wird dann der zweite Akt, wohl nächste Woche. Auch spannend mit den Festtagen.
Aber: wir sind einklariert in Mexiko. Und es hat NUR 4 STUNDEN gedauert.
Die vier Tage von Jim stimmen übrigens, die Behördenvertreter mussten teils herantelefoniert werden, ein Gang in den Copyshop erforderlich, Freydis hatte den bei uns entfallenen Bootsbesuch und auf einer Kopie war ein Stempel vergessen worden, der Durchlauf also noch einmal zu machen 😳.
Bisher verwöhnt uns die westliche Karibik. Zwar war zwischendurch etwa 24 Stunden der Motor an, aber bei spiegelglatter See und weiteren Delfinbesuchen, zudem einem schönen Sonnenuntergang und einem fast noch beeindruckenderen Aufgang des Vollmonds ist das leicht zu verschmerzen. Und dann folgt auch noch ein Halo um den Mond, wohl verursacht von Eiskristallen in großer Höhe.
Danach herrliches Code0-Segeln. Und wieder Delfine. 🤩
Wir entscheiden uns für einen direkteren als den zunächst geplanten Kurs und werden belohnt. Unter Code0 kreuzen wir zum zweiten mal den Golfstrom, diesmal schräg gegen ihn. So werden aus den 7 bis 8 Knoten durchs Wasser nur 4 bis 5 über Grund. Trotzdem nicht schlecht. Jetzt sind wir knapp 20 sm vor der südlichen Ansteuerung, scheinen soeben den Golfstrom verlassen zu haben. Der Wind frischt auf, wir wechseln auf die Fock.
Mal schauen, ob wir noch im letzten Büchsenlicht ankommen, der Ankerplatz wäre aber auch bei Dunkelheit anlaufbar. Mexiko, wir kommen.
Pura Vida.
Dieser Beitrag wird per Iridium-Satellit übermittelt, ist also (ursprünglich) wieder mal ohne Bilder. Es gibt aber welche 😉 die werden (wurden) nachgereicht.