Washingtons Westküste … und dann geht’s flott.

Wir verlassen Oregon über die Astoria-Megler-Bridge, die den Unterlauf des hier 6 km breiten (!) Columbia River überspannt, es ist die längste durchgängige Fachwerkbrücke Nordamerikas.

Auf der nördlichen Seite des Flusses beginnt Washington. Am Cape Disappointment vorbei fahren wir bei wechselhaftem Wetter auf die westlich vorgelagerte Halbinsel Long Beach. Nicht nur in den gleichnamigen Ort, sondern wir nehmen das durchaus wörtlich.

Der zumeist dunkle, aber breite und feste Sandstrand im südlichen Teil von Washingtons Westküste ist an vielen Stellen mit Zufahrten für Pkw versehen und kann bei Ebbe befahren werden. Mehr noch, lange Zeit war er für Kutschen sogar so etwas wie eine heutige Autobahn.

Nach Norden hin allerdings verändert sich die Küstenlandschaft. Auffällig mehr Treibholz liegt angespült am Ufersaum …

… die Dünen weichen einer Steilküste, die zunehmend näher an die Brandung heranrückt.

Irgendwann verschwindet auch der Sandstrand, weicht Kieselstränden und felsigen Abschnitten, wird spektakulär wie hier am Ruby Beach:

Kurz danach biegt die bisher oft so schön nahe an der Küste verlaufende Straße (US 101) ins Landesinnere ab und windet sich nördlich um den mit Gletschern bedeckten Mount Olympus herum. Die Strecke führt teilweise durch den ausgedehnten Olympic National Park. Mal säumen Baumriesen die Straße, aber häufig sehen wir auch Langholztransporter und große Kahlschlagflächen.

Bei Port Angeles erreichen wir wieder die Küste, diesmal allerdings an der “Salish Sea”. Hier trennt die Juan de Fuca Strait die USA von Kanada, auf der anderen Seite des Meeresarmes können wir Vancouver Island sehen. Und SEHR SEHR DEUTLICH hören wir Flora nach uns rufen. Hm, wir wollten doch eigentlich erst noch Richtung Whistler zum Skilaufen? Aber Seglers Pläne sind ja bekanntlich bei Niedrigwasser in den Sand geschrieben, also werfen wir unsere Reiseroute mal wieder um. Das Skifahren läuft uns ja nicht weg. Noch eine Visite im Holzboot-Eldorado von Port Townsend, das uns richtig gut gefällt.

Dabei schaffen wir es sogar, der “Tally Ho” einen Besuch abzustatten. Der wunderschöne und zwischenzeitlich völlig heruntergekommene Holzboot-Klassiker, der 1927 das Fastnet-Race gewann, wird derzeit liebevoll und unfassbar aufwändig renoviert. Der Eigner, Bootsbauer Leo Sampson Goolden, berichtet darüber regelmäßig in seinem YouTube Channel, sehr sehenswert!

Trotzdem, nach nur einer Übernachtung fahren wir zurück nach Port Angeles, nehmen die Fähre hinüber nach Victoria und brausen zurück zu unserem Zuhause. Bei unseren Freunden Lynn und Wulf wollen wir eigentlich nur Floras Schlüssel abholen, die beiden haben sich in unserer Abwesenheit ganz wunderbar um das Wohlergehen unseres Schiffes gekümmert. Aber die Einladung zu einem Willkommensessen schlagen wir natürlich nicht aus.

😊

Und jetzt sind wir erst einmal wieder auf unserer Flora im Hafen von Campbell River. Fühlt sich sooooo gut an.

Pazifik wieder erreicht. Lewis und Clark. Und: die Columbia River Bar

Wir sind wieder am Pazifik. Der Roadtrip durch die USA ist noch nicht ganz zu Ende. Aber immerhin: den Ozean, auf dem Flora derzeit schwimmt, den haben wir wieder erreicht.

Von Portland fahren wir zunächst in das Örtchen Seaside und erreichen dort den Ozean. Und das ziemlich nahe einer historischen Stelle, wie uns die Statue von Lewis und Clark oberhalb des breiten Sandstrandes von Seaside deutlich macht.

“End of the Trail“ (Ende des Weges) lautet die Inschrift am Sockel des Denkmals, daneben die Namen Lewis und Clark. Mehr braucht es wohl nicht, denn die beiden und ihre Geschichte kennt in den USA jedes Schulkind. Und doch, eigentlich wird nicht das Ende ihres Weges markiert, sondern der Punkt, an dem sie umkehrten. Wohl aber ist es der Schlusspunkt des “Lewis and Clark National Historic Trail”, mit 5.950 km einem der längsten Wanderwege und Routen im umfangreichen vom National Park Service betreuten Trail-System der USA.

Der Hintergrund ist eine abenteuerliche Expedition. Die Vereinigten Staaten hatten 1803 von Frankreich dessen koloniales Gebiet westlich des Mississippi und von New Orleans hinauf bis etwa zur heutigen kanadischen Grenze bei Montana gekauft (und damit Napoleons Kriegskasse für seine Europäischen Expansionspläne aufgefüllt). Mit dieser Innenpolitisch hoch umstrittenen Entscheidung wurde das Staatsgebiet der USA etwa verdoppelt. Allerdings war einigermaßen unklar, was man da eigentlich genau erworben hatte. Und so veranlasste Präsident Jefferson eine Expedition, auf der neben möglichst umfangreicher Kartierung insbesondere schiffbarer Flüsse versucht werden sollte, soweit wie möglich nach Westen in dieses unbekannte Gebiet oder gar bis zum Pazifik vorzudringen und zudem Informationen über die geographischen Gegebenheiten, aber auch über die indigenen Bewohner und über Pflanzen und Tiere zu sammeln.

Die von Lewis und Clark geleitete Expedition bestand im Kern aus 33 Personen (überwiegend Soldaten) und startete im Mai 1804. Zunächst den Missouri hinauf arbeiteten sie sich dann durch die Great Plains. Dort konnten sie einen französischen Pelzhändler und – wohl ziemlich entscheidend – dessen Frau (eine indigene Shoshone) für die Expedition gewinnen. Nach der ersten Überwinterung ging es über die Rocky Mountains auf Pferden, die sie von Shoshone-Indigenen durch Tauschhandel erwarben. Danach folgten sie dem Clearwater River zum Snake River und weiter zum Columbia River. Im November 1805 erreichten sie den Pazifik, überwinterten in der Nähe des heutigen Seaside und schafften tatsächlich auch den Rückweg. Ende September 1806 erreichten sie St. Louis.

Was für eine Reise, was für eine erfolgreiche Expedition. Damit war klar: der Weg nach Westen ist möglich. Und die weitere Entwicklung der USA nahm ihren Lauf.

Dort, wo Lewis und Clark den Pazifik erreichten, an der Mündung des Columbia River, liegt auf der Oregon-Seite des Flusses die Stadt Astoria, unser nächstes Ziel. Wir schauen uns das interessante Columbia River Maritime Museum an.

Der Fluss ist eher ein Strom, riesig breit und weit hinauf schiffbar. Mit Flora könnten wir auf unserer geplanten Fahrt die Westküste hinunter hier Station machen. Allerdings liegen fast alle potentiellen Zwischenstops an dieser Küste in Flussmündungen, so wie eben dieser. Und praktisch alle Mündungen hier an der Nordwestküste weisen eine flache Barre auf, die gemeinsam mit der ungebremst anrollenden Pazifikwelle und dem oft auftretenden Nebel die Einfahrt häufig gefährlich macht.

Vielleicht doch lieber ein langer Schlag weiter draußen vor der Küste? Müssen wir ja erst irgendwann im Juli oder August entscheiden, also: mal sehen.

Die Sache mit den Kreisen. Von Park City in Utah nach Portland in Oregon

Mal wieder Strecke: wir verlassen Park City und fahren zunächst durch die schneebedeckten Berge. Über die Rocky Mountains, durch Salt Lake City hindurch, am Großen Salzsee und Industrieanlagen vorbei und weiter durch die scheinbar endlose Landschaft, erst einmal ins südliche Idaho.


In Utah werden die Nummern der Landstraßen auf den Schildern in Bienenkörben abgebildet, dem offiziellen Symbol im Mormonenstaat. Auch wenn das heute gern im Sinne von Zusammenarbeit und Gemeinsinn interpretiert wird ist die ursprüngliche Symbolik dahinter wohl eine andere. Schon früh als christliches Symbol für die durch Christi Tod vermittelte Unsterblichkeit verwendet, steht es auch für das Land, in dem Milch und HONIG fließt und das der Mormonen-Führer Brigham Young genau hier am großen Salzsee entsprechend seiner Vision zu finden glaubte, weshalb er sich mit vielen Anhängern hier niederließ.
Das führt zu interessanten Schildern am Straßenrand wie diesem:

Und auf der weiteren Fahrt gibt’s noch ein anderes spannendes Schild. Wir müssen die Autobahn (Interstate 84) wegen einer Vollsperrung verlassen und fahren auf der kleineren Landstraße 42 weiter, fernab größerer Ortschaften. Nach einiger Zeit kommt am Straßenrand der Hinweis “No service next 102 miles”, wir haben aber glücklicherweise einen noch ziemlich vollen Tank.

Zwischendurch reißt der Himmel auf, dann wieder haben wir eine dichte Wolkendecke. Die Fahrt führt durch ein eher flaches Tal, beidseitig von Bergzügen begrenzt. Die Vegetation ist karg, trotzdem sehen wir große Rinderherden, Heustapel und auch Milchviehbetriebe auf den vereinzelten Gehöften. Möglich gemacht wird das in dieser trockenen Gegend ganz offensichtlich durch Bewässerung, denn überall auf den Feldern oder Weiden finden sich riesige Sprinkleranlagen, montiert auf Rädern. Beim näheren Hinsehen zeigt sich, dass es zumeist Pivot-Beregnungssysteme sind, also quasi Karussell-Bewässerungsanlagen, die um eine Zentralpumpe rotieren können.

Die Drohne vermittelt schon einen ersten Eindruck, was daraus entsteht:

Aber erst im Google Earth Bild wird deutlich, welche Dimensionen diese Bewässerung hat und welche grafischen Muster dabei in der Landschaft erzeugt werden:

Erst jetzt wird uns so richtig klar, was wir wir bei der Fahrt durch die Great Plains etwa in Oklahoma und Texas schon so oft gesehen haben.

Die zum Teil riesigen Pivot-Bewässerungen machen die Landwirtschaft in weiten Bereichen insbesondere des mittleren Westens der USA erst möglich. Der “Dustbowl“, benannt nach verheerenden Dürren und Staubstürmen über den urbar gemachten immensen ehemaligen Prärieflächen in den frühen 1930er Jahren, zeigte das deutlich auf. Unzählige Farmer mussten damals ihre Ländereien aufgeben, viele zogen auf der Suche nach Arbeit weiter nach Westen in Richtung Kalifornien, oft auf der gerade 1926 fertiggestellten Route 66. Nobelpreisträger John Steinbeck hat die “Okies” (Dustbowl-Flüchtlinge aus Oklahoma und umgebenden Staaten) auf ihrem Trek begleitet und dies in “Früchte des Zorns” (Originaltitel: The Grapes of Wrath”) literarisch verarbeitet.

1948 entwickelte der Farmer Frank L. Zybach einen neuen Typ Sprinklersystem, den er sich ein paar Jahre später auch patentieren ließ. Durch die neue Pivot-Beregnung wurde gegenüber dem vorher üblichen Verspritzen der Anteil des nutzlos verdunstenden Wassers deutlich reduziert. Außerdem musste es im Gegensatz zu anderen Bewässerungsanlagen für Aussaat, Bearbeitung und Ernte nicht demontiert werden, so dass sich diese Methode rasch durchsetzte. Allerdings ist die dauerhafte Beregnung der notorisch trockenen Flächen in so großem Maßstab nicht unproblematisch. Zehntausende Brunnen zapfen hierfür zumeist den Ogallala Aquifer an, einen der weltweit größten Grundwasserleiter. Er erstreckt sich über acht US-Bundesstaaten unterhalb der Great Plains, aber er entstand vermutlich während der letzten Eiszeit und bildet nur einen geringen Teil des entnommenen Grundwassers nach. Ganz überwiegend ist der Grundwasserspiegel deshalb im betroffenen Gebiet bereits erheblich gesunken. Wird weiter so intensiv aus diesem Grundwasserleiter bewässert, ist dauerhaft eine Wiederholung der Dustbowl-Problematik nicht ausgeschlossen. (Sehr spannend zu lesen in diesem Zusammenhang: Bericht in “Scientific American”).

Und manche Farm scheint schon historische Anknüpfungen zu machen:

Unser Roadtrip führt uns weiter, zunächst durch Idaho am Snake River entlang und bis zur Hauptstadt des Bundesstaates, Boise (gesprochen Bäu-sie!). Über 200.000 Einwohner hat die Kapitale und selbstverständlich auch ein Kapitol:

Dahinter leuchten schon wieder schneebedeckte Berge. Am nächsten Tag soll sich das Wetter verschlechtern und so fahren wir nach einem kurzen Zwischenstopp und leckerem Essen weiter, übernachten erst hinter der Landesgrenze, schon in Oregon, im Örtchen Ontario. Die Bergkette der Kaskade Mountains vor Portland queren wir entlang des mächtigen Columbia River, der seinen Lauf tief in diese Erhebung eingegraben hat. So ist die Straße zwar gewunden, aber während wir an den Hängen ein paar Hundert Meter über uns Schnee sehen, fällt unten am Flussufer nur Regen.

In Portland bleiben wir für zwei Nächte, ziehen zu Fuß unsere Kreise durch die schöne Stadt mit ihren vielen viktorianischen Gebäuden, streifen durch unsere bisher größte Buchhandlung (Powell’s City of Books) und erkunden die quirligen Viertel Northwest und Pearl (auch ein Wollgeschäft darf nicht fehlen).

Park City, Utah. Und Stricken auf dem Roadtrip.

Winter Sturm-Warnung. Hm. Ziemlich oft haben wir auf unserem Roadtrip diese Meldung inzwischen aufs Handy bekommen. Das erste Mal bereits in den Blue Ridge Mountains. Ein ums andere Mal wurde die Reiseroute angepasst oder aber der Reisetag danach gewählt, na klar. So auch diesmal, auf der Fahrt von Denver in Colorado nach Park City in Utah. Wobei, ein bisschen Restrisiko bleibt und so erwischt uns zwischenzeitlich doch unser erster echter “white out”. Schneefall und starke Winde nehmen fast komplett die Sicht, Straße und Verkehr sind nur noch schemenhaft zu erkennen.

Wir tasten uns im Schritttempo weiter durch die Berge bis es wieder besser wird. Hinter Steamboat Springs reißt der Himmel dann zum Glück auf und der Rest der Fahrt beschert uns Sonnenschein und blauen Himmel.

Tatsächlich erlebt Utah derzeit den schneereichsten Winter der letzten 20 Jahre und in Park City ist das sowohl in der Stadt als auch in dem Olympiaskigebiet von 2002 gut zu erkennen.

Selbst der Bergmann, dessen Statue an die Ursprünge der Stadt erinnert, präsentiert sich fast schon eingedeckt von fluffigem „Powder“.

Und der Spaziergang mit den Hunden geht wohl am besten in Schneeschuhen, wie wir vom Lift aus beobachten können:

Für uns heißt das aber vor allem: herrliche Bedingungen und ein wunderbarer Skitag. 😁😎

Und am Abend kommen wir – winterlich passend – auch beim Stricken weiter. Nachdem ich bis Denver ja noch mit dem Pullover für die kleine Elli von unseren Segelfreunden Maggie und Sam beschäftigt war (den wir dort bei einem Besuch auch übergeben konnten) und Wiebke ihr „Malibu“-Schultertuch fertiggestrickt hat, kann ich jetzt auch mein Projekt „Peaceful People“-Mütze abschließen. Die Wolle dafür hatte ich schon in Tulsa gekauft, unser Roadtrip ist irgendwie auch die Aufgabe, in jedem Bundesstaat mindestens einen Wollladen zu besuchen.

Ich muss aber zugeben, dass meine Mütze Wiebke noch besser steht als dem unrasierten Kerl 😉.

Denver. The Mile High City.

Die Fahrt von Santa Fe nach Denver bringt uns nicht nur von New Mexico nach Colorado, sondern auch (erstmal) wieder aus den Rocky Mountains hinaus in die flache Prärie der “Great Plains”. Diese riesige Grasland-Steppenzone ist den Rocky Mountains östlich vorgelagert und reicht bis an das Gebirge heran.

Einzelne Tafelberge (Mesa, spanisch für Tisch/Tafel) ragen heraus, vor allem aber sehen wir auf der nach Norden verlaufenden Strecke zu unserer linken fast durchgängig die hohen schneebedeckten Gipfel der Rocky Mountains und zur rechten fast nur die weiten Ebenen der Prärie, aus denen sich am Ende Denvers Skyline heraushebt.

Wobei: Ebene stimmt nur bedingt und wenn, dann ist es eine ziemlich schiefe. Von 500 bis 600 m in Teilen Iowas und Minnesotas bis auf etwa 1800 m über dem Meeresspiegel steigen die Great Plains an. Kein Wunder also, dass sich Colorados Hauptstadt Denver mit dem Beinamen “Mile High City” schmückt. Unsere Gastgeber Karen und Steve weisen uns beim Besuch des Kapitols in Denver darauf hin, dass sogar extra ein entsprechender Hinweis in die Stufen des Parlamentsgebäudes eingraviert wurde. Das 1894 eingeweihte Kapitol glänzt (im wahrsten Sinne des Wortes) mit seiner nachträglich vergoldeten Kuppel und erinnert damit bewusst an den Goldrausch, der Mitte des 19. Jahrhunderts zur Gründung der Stadt führte.

Aber auch im Inneren kann es sich sehen lassen, auch wenn vielleicht nicht alle glücklich über ihre Nachbarn in der imposanten Rotunde mit den Präsidentenportraits sind 😜

Fast unmittelbar westlich von Denver geht es hinauf in die bis zu 4.400 m hohen Rocky Mountains. Hier liegen die berühmten Skigebiete von Aspen und Vail, aber auch eine Vielzahl weniger bekannter (und noch näher an Denver gelegene) Wintersportorte. Mit Karen und Steve fahren wir in der Woche unseres Besuchs gleich dreimal in die Skiregionen von Breckenridge und Eldora und genießen den herrlichen Pulverschnee (wobei: am ersten Tag macht mir die Höhe scheinbar etwas zu schaffen, an den anderen beiden Skitagen ist es aber wunderbar)!

Unsere Gastgeber haben wir übrigens vor ziemlich genau drei Jahren im Corona-Lockdown auf Antigua kennengelernt. In der Carlisle-Bay ankerten wir damals nebeneinander. Karen hat die abendliche Funkrunde (virtueller Sundowner) gemanagt, die WhatsApp-Gruppe der damaligen Ankerlieger in der Bucht ist noch immer aktiv. Auch sonst haben wir seitdem Kontakt gehalten und uns zwischendurch in der Chesapeake Bay auch einmal wieder getroffen. Auf einer Europareise haben sie ein paar Tage in unserer Wohnung in Hamburg übernachtet, da aber “nur” Jan angetroffen, wir waren ja unterwegs. Die Freude über das Wiedersehen ist umso größer und wir unternehmen viel gemeinsam, werden zudem auch noch lecker bekocht.

Eine Wanderung durch die verschneite Stadt führt uns in das “Denver Museum of Nature and Science”, das die beiden bisher auch noch nicht besucht hatten. Die Ausstellungen begeistern uns. So bringt uns etwa der Bereich “Unseen Oceans” noch einmal ganz andere Aspekte unseres Lieblingselements nahe. Und die Dioramen, für die das Museum auch bekannt ist, stellen die präparierten Tiere in einem aufwändig lebensgroß nachgebauten Lebensraum dar, wobei teilweise ganze Biotope etwa mit Insekten und versteckten Tieren kunstvoll gestaltet werden und die Übergänge zum gemalten halbrunden Hintergrund verschwimmen.

Am Faschingsdienstag (englisch: Fat Tuesday, französisch mit gleicher Bedeutung: Mardi Gras) gehen wir abends zusammen zu einer Mardi-Gras-Party mit Live Musik in einer Kneipe um die Ecke. Aus New Orleans herüber geschwappt ist die Tradition der Mardi-Gras-Beads, allerdings muss hier in Denver für das Umhängen einer solchen Kette nicht die Bluse gelupft werden.

Ein anderes Mal gehen wir zu einem Swing-Tanzabend (ebenfalls mit Live-Band), auch wenn Wiebke und mir die ungewohnten Tanzschritte doch etwas schwerfallen.

Und wir fahren aus der Stadt hinaus, wandern durch den winterlichen Roxborough State Park. Hier finden sich spektakuläre geologische Formationen. Die roten Sandsteinfelsen etwa lassen erahnen, warum die Spanier dieses Gebiet “Colorado” genannt haben. Mit grünen Blättern an den hier nur gut buschhoch werdenden und dennoch weit verbreiteten Eichen sieht es im Sommer wahrscheinlich noch einmal ungleich bunter aus.

Und natürlich wäre ein Besuch in Denver kaum denkbar, ohne im hippen Ausgeh- und Künstlerviertel “RiNo” (kurz für River North, aber das Nashorn findet sich natürlich immer wieder) die Kneipen und Bars zu besuchen und die unzähligen Murals zu bewundern. Diese gemalten bzw. gesprayten Wandbilder haben sich zu einem der Wahrzeichen Denvers entwickelt.

In der sehr liberalen Stadt finden sich darunter auch viele politische und gesellschaftskritische Murals …

aber auch rein werbliche, wie etwa das Italienische Restaurant, dass sich ein Wandbild nach einem Hochzeitsfoto der Eltern des Besitzers gestalten ließ:

solche, die je nach Betrachtungswinkel völlig unterschiedlich aussehen:

und kleine, fast versteckte Kostbarkeiten. Manchmal sogar zu unseren Füßen auf dem Bürgersteig:

Und das ist wirklich nur eine kleine Auswahl.

Ein riesengroßes Dankeschön, Karen und Steve, für Eure wunderbare Gastfreundschaft und dafür, dass Ihr uns Euer Denver gezeigt habt.

Santa Fe, Adobe, Cliff Dwellings und große Ohren

Santa Fe ist anders, New Mexico ist anders. Als in der Halbwüste die ersten verstreuten Bauten der Vororte von Santa Fe auftauchen, sehen sie so ganz anders aus als die Häuser, die wir bisher auf dem Roadtrip gesehen haben. Adobe nennt sich der hier deutlich vorherrschende Baustil. Ursprünglich meint diese Bezeichnung luftgetrocknete Lehmziegel, das hat sich zunächst auf die darauf errichten Bauten und weiter auf einen Baustil in Terrakottafarben mit Flachdächern, herausstehenden Holzträgern, oft geschnitzten Holzverzierungen sowie typischerweise abgerundeten Kanten übertragen.

Santa Fe ist mit immerhin rund 90.000 Einwohnern die Hauptstadt von New Mexico, obwohl Albuquerque mit fast einer Million Einwohner deutlich größer ist.

Eigentlich ist Santa Fe nur die Kurzform des Namens der Stadt, allerdings wird die Praktikabilität dieser Abkürzung mehr als deutlich, wenn man den eigentlichen Namen einmal ausspricht: “La Villa Real de la Santa Fe de San Francisco de Asís” (Die königliche Stadt des heiligen Glaubens des heiligen Franziskus von Assisi). Die hier siedelnden Native Americans wurden bereits im 16. Jahrhundert von den Spaniern kolonialisiert. 1848 fiel das Gebiet nach dem Mexikanisch-Amerikanischen Krieg an die Vereinigten Staaten.

Diese Mischung zeigt sich auch heute in der Stadt und auch der Baustil ist eben für die USA schon ein ganz Besonderer:

Von Santa Fe aus machen wir zudem einen Ausflug zum Bandelier National Monument. In der Frijoles-Schlucht dort gibt es sogenannte Cliff-Dwellings. Etwa zwischen 1150 und 1600 unserer Zeitrechnung lebten hier Amerikanische Ureinwohner in Behausungen, die zum Teil in den Tuff-Stein der Canyonwände hineingearbeitet wurden, zum Teil auch mit Gebäuden aus Lehmziegeln außen an den Cliffs ergänzt wurden. Die menschengemachten Höhlen sind zum größeren Teil nur über Leitern erreichbar. Anders als die bekannteren Cliff Dwellings im Mesa Verde Nationalpark können sie auch im Winter (mit deutlich geringerem Andrang) besichtigt werden. Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen, zumal es von Santa Fe aus nur etwa eine Stunde Fahrt durch die Berge bedeutet.

Zusätzlich bekommen wir noch eine Tierbegegnung geschenkt, im Bandelier sind Tiere besonders geschützt. Uns begegnen mehrere Maultier-Hirsche. Die engen Verwandten der Weißwedelhirsche werden auch als Großohrhirsche bezeichnet. Wie kommt es nur zu diesen Namensgebungen?

Auf der Route 66 von Tulsa nach Santa Fe

Wir verlassen Memphis so, als müsste auch dies zu dem Ohrwurm von Marc Cohn passen: in the middle of the pouring rain.

🌧️ 🌧️ 🌧️

Der Wolkenbruch setzt ein, als wir über den Mississippi fahren. Von Arkansas sehen wir erst mal nichts, Schritttempo ist angezeigt. Als sich der Regen etwas legt, sind rechts und links des Highway die Felder in den Lowlands größtenteils überflutet. Und zwar nicht nur die, auf denen Reis angebaut wird. Auch die Autobahn steht in den Senken teilweise unter Wasser und wir sehen gleich mehrere Unfälle. Und selbst als wir bei unserer Fahrt quer durch Arkansas schon die Lowlands verlassen haben zeigen sich viele Flussauen weiterhin überschwemmt.

Es wird ein langer Tag. Wir fahren komplett durch Arkansas hindurch bis nach Tulsa in Oklahoma. Dort statten wir erst dem Woll-Laden Knit Stars einen ausgiebigen Besuch ab, mit Wolle sind wir jetzt wirklich reichlich versorgt. Dann geht es weiter zu unserer Unterkunft in der Innenstadt. Wie schon in Memphis finden sich in Tulsa eine Vielzahl von Belle-Epoque-Bauten. Hier sind es statt der Baumwolle die um 1900 herum neu erschlossenen Erdöl- und Erdgasressourcen, die für einen schnellen Aufbau städtischer Strukturen und den Reichtum zeigender Hochhäuser sorgten.

Sogar die 1926 gebaute Brücke über den Arkansas River wird entsprechend aufwändig gebaut und entpuppt sich nebenbei als ein Herzstück der legendären Route 66 von Chicago nach Los Angeles.

Heute ist sie praktisch funktionslos, zwischen modernen mehrspurigen Brücken eingequetscht. Aber im Zuge der Nostalgie um die Route 66 und deren Wirkung auf den Tourismus soll auch die Brücke wieder benutzbar gemacht werden.

Für uns jedenfalls führt die weitere Strecke nach Westen teils auf, teils neben der historischen “Mother Road” der amerikanischen Ost-West-Verbindungen weiter nach Westen. Durchgängig befahrbar ist die klassische Landstraße der Route 66 schon längst nicht mehr. Zu weiten Teilen haben viel geradere Autobahnen die alte Streckenführung unter sich begraben. Insbesondere in der Interstate 40 sind große Abschnitte der alten Legende aufgegangen.

Immer mal wieder sind aber kleinere Abschnitte der “echten” Route 66 befahrbar und an denen finden sich dann zum Teil auch noch die originalen Tankstellen, Diner oder Motels. Und natürlich auch die verschiedenen Route 66 Museen. Gleich in Oklahoma besuchen wir eins und tauchen tief in die Geschichte der “Main Street of America” ein.

Endlose Straßen in Oklahoma, aber doch ziemlich grün und hügelig, eher lieblich. Als wir nach Texas hineinkommen ändert sich das. Es wird flacher, riesige Viehherden säumen die Straße, Weiden rechts und links der Straße. Zumindest zu dieser Jahreszeit wirken die braungelben Grasflächen aber eher wie Magerkost für die Rinder. Und doch: bewirtschaftet sind die Flächen fast durchgängig. Neben der Viehzucht fällt ins Auge, dass eine unglaubliche Vielzahl an Windrädern aufgestellt wurde. Von Horizont zu Horizont drehen sich die großen Dreiflügler, allein vom Erdöl soll die Energieproduktion offenbar selbst in Texas nicht mehr abhängig sein.

In Texas legen wir natürlich einen Stop an der Cadillac Ranch ein, sie liegt fast direkt neben der Interstate 40, nur ein paar Meilen westlich von Amarillo. Die hierfür vom Grundbesitzer und Mäzen Stanley Marsh III gesponserte Künstlergruppe „Ant Farm“ aus San Francisco hat hier direkt an der Route 66 im Jahr 1974 zehn Cadillacs in einer Reihe in den Boden eines Maisfeldes „gepflanzt“, indem die vordere Hälfte schräg in den Boden eingegraben wurde. (Zylinder-)Kopf-in-den-Sand für die Autos, könnte man meinen, wobei das bei Erstellung des Kunstwerks so sicher noch nicht gedacht war. Die Autos der Baujahre 1948 bis 1963 sind inzwischen über und über mit Graffiti besprüht, wozu die Besucher ausdrücklich aufgefordert werden. Das Aussehen verändert sich also ständig.

In den Sonnenuntergang hinein fahren wir an diesem Abend noch weiter bis nach Tucumcari. Hier gibts wieder mal ein Stück der historischen Route 66. Auch wenn es nur ein paar Meilen sind, einige der vielen Motels im Ort präsentieren sich noch wie in alten Zeiten. Unseres ist keines der ganz alten, passt sich im Stil aber dann doch an. Nostalgie der 60er Jahre.

Die Tankstelle gegenüber und auch das Restaurant für unser Abendessen gehen da noch ein Stückchen weiter in der Zeit zurück.

In Tukumkari liegt dann auch Texas schon wieder hinter uns, wir sind in New Mexiko.

Auf der Weiterfahrt bei Tageslicht macht sich das heute dann auch bemerkbar. Einmal mehr verändert sich die Landschaft, wird karger, die Weiden weichen einer Steppe. Erst durch flache Landschaft führend, gewinnt die Straße fast unmerklich an Höhe.

Langgezogene Hügel werden überwunden und jede Kuppe liegt etwas höher. Es wird kälter und irgendwann taucht am Straßenrand der erste Schnee auf, Berge lassen sich in der Ferne erspähen.

Kein Wunder, Santa Fe liegt immerhin auf etwa 2.200 m über dem Meeresspiegel.

Und da sind wir jetzt angekommen. 😁

Walking in Memphis. Und King(s).

Von Nashville nach Memphis. Music in the air. Eigentlich. Aber der erste Eindruck von Memphis ist nicht sehr gut. Wir kommen die Second Street hinunter zu unserem AirBnb, alles wirkt ziemlich in die Jahre gekommen. Unsere Unterkunft ist ein 65 $ günstiges Appartement im “Exchange Building”. Memphis war ein Zentrum des Baumwollhandels und neben einem Hotel und Apartments beherbergte der 19 Stockwerke hohe, reich verzierte Bau aus der Belle Epoque von 1910 bis 1925 auch die Baumwollbörse der Stadt. Die Lobby des ehemals schmucken Hochhauses zeugt noch etwas von der alten Pracht, aber sie lässt auch die lange vergangene Zeit erkennen.

Als wir abends dann die Straße hinunter bis zur berühmten Beale Street laufen festigt sich dieser Eindruck. Die Beale Street, das selbst ernannte “Center for Southern Folklore” wirkt ein bisschen wie gestorben und noch nicht richtig wieder auferstanden. Bunt beleuchtet, aber viel Neonschriften nur halb illuminiert. Grell nach Aufmerksamkeit heischend, aber doch fast leer.

Auch B.B. King’s Club ist leer, erstaunlich für uns, wo do gestern in Nashville die Musikkneipen bereits am Nachmittag so gut gefüllt waren. Aber hier zieht nicht einmal der Club des “King of the Blues” die wenigen Passanten von der Straße herein. Hmm. Aber ein leckeres Essen im Supper Club (“food and cocktails hamonized”) hebt unsere Stimmung wieder.

Und am nächsten Tag präsentiert sich unser Gang durch Memphis dann auch anders. Anders als im Song von Marc Cohn begegnet uns auf der Union Avenue zwar nicht der Geist von Elvis und somit folgen wir ihm auch nicht nach Graceland sondern sparen die gut 160 $ Eintritt, die der Besuch dieser Pilgerstätte und die Besichtigung des Hauses mit dem Jungle Room sowie der beiden Privatflugzeuge des King of Rock & Roll uns gekostet hätte.

Statt dessen spazieren wir durch die sich offenbar gerade wieder neu erfindende Stadt und am Ufer des Mississippi entlang.

Memphis, tauche wieder auf.

Und wir gehen zu dem Ort, der uns in dieser Stadt am meisten bewegen und beeindrucken wird.

Auf dem Balkon von Zimmer 306 im Lorraine Motel wurde am 4. April 1968 Dr. Martin Luther King erschossen.

Heute befindet sich in dem Gebäude das National Civil Rights Museum, das die Geschichte der Sklaverei und der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung thematisiert.

Wir dachten, dass wir schon einiges hierüber wüssten. Und doch, beim Besuch des Museums beschleicht uns die Erkenntnis, dass (vielleicht nicht nur für uns) ein Besuch dieser Ausstellung eigentlich nötig ist, um Amerika, die fortdauernden Verwerfungen, das Selbstverständnis der Amerikaner und auch die aktuellen politischen Diskussionen im Land wenigstens ein bisschen besser zu verstehen.

Schon allein dafür muss man eigentlich Memphis besuchen!

Honky Tonk Bars in Nashville

Von Asheville (North Carolina) nach Nashville, Tennessee. Wir besinnen uns wieder auf unser Reisemotto bei Losfahrt mit der Flora: “Go West”.

Unzweifelhaft hat der Name Nashville Klang. Und ebenso sicher ist dieser Klang mit Steel Guitar, Fidel und Banjo verbunden. Country Music! Man muss kein Fan dieser Stilrichtung sein um zu wissen, dass der Ort und die Musik eng miteinander verbunden sind. Nicht umsonst ist der Beiname der Stadt “Music City”. Der Broadway in Downtown Nashville ist gesäumt von Honky Tonk Bars, lauten Lokalen mit durchgehender Live-Musik.

Uns zieht es aber erst einmal ins Museum. Nicht irgendeins, sondern die Country Music Hall of Fame. Wir wissen nicht allzu viel über diese Musikrichtung und so erfahren wir (neben einigen Kuriositäten) eine ganze Menge über ihre Entwicklung, ihren Einfluss auf andere Stile und natürlich über ihre Protagonisten. Und so finden wir in der Ruhmeshalle des Country Namen, die wir dort eigentlich nicht erwartet hätten, etwa Elvis Presley, Jerry Lee Lewis und Ray Charles!

Dann aber flugs weiter zum Broadway. Auch am Montagnachmittag ist die Partymeile gut gefüllt. Ein Honky Tonk neben dem anderen, dazwischen z.B. das Johnny Cash Museum und natürlich Restaurants und Hotels. Aus den bei herrlichem Wetter weit geöffneten Fenstern der Honky Tonk Bars tönt die Musik hinaus auf den Broadway. Draußen eine Kakophonie der verschiedenen Klänge auf dem Bürgersteig und doch im Vorbeigehen deutlich zu hören, wie gut die Musiker sind, die es hierhin geschafft haben.

Da können wir natürlich nicht widerstehen 😊

Und nebenbei erkennt man erst drinnen, wie weit die Liebe zur Country Music wirklich geht …

😉

Weiter durch die Blue Ridge Mountains nach Asheville

Für uns geht es auf dem Blue Ridge Parkway weiter nach Südwesten. Ein ganzes Stück weiter auf diesem wunderschönen Gebirgszug der Appalachen, der nicht nur die Kulisse für die Fernsehserie “Die Waltons” bildete, sondern sich tatsächlich mit einigem Abstand von der Ostküste von Neufundland in Kanada bis hinunter nach Alabama zieht, also fast bis zum Golf von Mexiko.

Kein Wunder, dass dieser Gebirgszug für die frühen europäischen Einwanderer eine natürliche erste große Hürde war und zunächst (zwischenzeitlich) vom englischen König 1763 sogar per Proklamation als Besiedlungsgrenze festgelegt wurde. Das hielt aber nur ein Jahrzehnt, dann wurde mit der Besiedlung Kentuckys jenseits der Appalachen begonnen und die Ureinwohner wurden weiter zurück gedrängt.

Unser Weg führt noch immer über “Country Roads”, über kleine Straßen, manchmal auch abseits des zumeist auf dem Gebirgskamm verlaufenden Blue Ridge Parkways, weil einzelne Abschnitte wegen der jetzt im Winter stattfindenden Wartung und Ausbesserung gesperrt sind. So kommen wir an den vereinzelt liegenden, oft ochsenblutrot gestrichenen Scheunen vorbei, sehen einzelne der früher so typischen gedeckten Brücken, aber auch immer wieder Mini-Friedhöfe rostiger Autos und Pickups an verfallenden Gebäuden.

Abgesehen von der Bewaldung sind Landschaft und Boden eher karg, so dass die Wirtschaft sich historisch vorwiegend auf Bergbau, insbesondere den zuletzt immer weniger profitablen Abbau von Steinkohle gründete. Wir sehen noch Güterzüge mit Kohle, aber auch die Wunden, die dessen Förderung in der Landschaft hinterlässt. Die typische Abbaumethode hier in den Appalachen war (und ist) nämlich das “Mountaintop Removal Mining”, bei dem die Bergspitze weggesprengt und die darunter liegende Kohle dann im Tagebau abgebaut wird.

In jüngerer Zeit gibt es Bestrebungen, statt der schwächelnden Kohleförderung nunmehr die tiefer liegenden Erdöl- und Erdgasvorkommen anzuzapfen. Das dafür angedachte Fracking ist allerdings hier noch umstrittener als anderswo in den USA, denn die von Höhlen durchzogenen Karstböden machen diese Methode umso problematischer. Immer wieder sehen wir Protestplakate und Spruchbänder.

Die wunderschöne, überwiegend dünn besiedelte Landschaft begeistert uns. Als wir mit North Carolina den nächsten Bundesstaat erreichen, werden die Berge sogar noch höher, mit dem 2037 m hohen Mount Mitchell findet sich hier die höchste Erhebung der Appalachen.

Unser Ziel ist das Universitätsstädtchen Asheville, quasi die Metropole dieser Region. Gelegen in einer von Bergen umschlossenen Hochebene hat sie sich früh einen Namen als Luftkurort gemacht. George Washington Vanderbilt ließ deshalb hier seine 1895 bezogene riesige Sommerresidenz errichten. Den Schlössern der Loire nachempfunden war es prägend für den Châtauesque-Stil in den Vereinigten Staaten und eines der ersten Wohnhäuser, die vollständig mit Edisons Glühlampen ausgestattet waren. Die Sommerresidenz eines der älteren Brüder des Bauherren haben wir bereits in Newport, Rhode Island, gesehen. Hier verzichten wir auf eine Besichtigung und sehen uns lieber das Museum im überschaubareren Haus des anderen berühmten Bewohners der Stadt an.

Der große amerikanische Schriftsteller Thomas Wolfe lebte hier und sein autobiografischer Roman “Schau heimwärts, Engel!” zeichnet nicht nur ein Bild dieser Zeit um die vorletzte Jahrhundertwende, sondern auch des Ortes Asheville (im Roman Altamont genannt) und seiner Bewohner. Letztere erkannten sich wieder und waren darüber zunächst keineswegs begeistert.

Als Kind lebte er mit seiner Mutter in dem von ihr betriebenen “Boarding House”. Durch die vermieteten Fremdenzimmer blieb kein eigener Raum für ihn, Thomas zog sozusagen immer wieder in ein jeweils gerade frei gewordenes Fremdenzimmer im Haus um.

Auch wir beziehen für ein paar Tage ein Fremdenzimmer in einer kleinen Holzvilla (unsere ist blau statt gelb). Die Hausherrin gibt Musikunterricht, aber abends wird es ruhig und das passend viktorianisch eingerichtete Zimmer ist sehr gemütlich, zudem in einem schönen Viertel fußläufig zur Innenstadt gelegen.

Die Innenstadt schauen wir uns mit einer Audioführung (kostenlos, über das Handy) bei einem ausführlichen Spaziergang an. Die vielen besonderen Bauten aus den späten 1800er und frühen 1900er Jahren, darunter einige Art-Deco-Bauten sprechen uns an, Musik und Skulpturen sind allgegenwärtig. Über den Audioguide erfahren wir dazu einige Besonderheiten, etwa dass das hiesige „Flat Iron Building“ nicht nur von der Grundriss-Form her an ein Bügeleisen erinnert, sondern zudem die erste dampfbetriebene Wäscherei der Stadt beherbergte.

Auch die Dichte an Craftbeer-Brauereien ist erstaunlich, da müssen wir natürlich einer einen Besuch abstatten.😊

Und dann kommt einmal mehr das Wetter ins Spiel. Nicht nur auf dem Boot müssen wir den Wetterbericht genau im Auge behalten. Obwohl wir uns ja inzwischen deutlich in den Südstaaten der USA befinden, poppt eine Wetterwarnung für einen Wintersturm auf unserem Handy auf. Statt auf kleinen Straßen durch die Berge geht es daher auf der Autobahn weiter nach Nashville in Tennessee. Zum Glück erwischt uns so statt Schnee nur eine ganze Menge Regen bei unserer Fahrt durch die Smoky Mountains.