St. Augustine: da kommt uns Amerika spanisch vor

Die Einfahrt nach St. Augustine hat einen Ruf. Wir werden vorher von anderen Seglern gefragt, ob wir da wirklich rein wollen. Man habe Schlimmes gehört. Und die Navionics-Seekarte zeigt direkt vor der Einfahrt die Zweimeter-Linie an. Hm. Aber auf Sonar-Charts umgestellt wird klar, dass die Tiefe mehr als ausreichend ist. Die Recherche zeigt außerdem, dass der schlechte Ruf von Wind-gegen-Strom-Situationen herrührt. Wir timen es so, dass uns das nicht trifft. Tatsächlich ist es dann völlig unproblematisch und wir finden auch noch einen Platz im gut gefüllten Ankerfeld vor der alten Festung der Stadt.

Schon von dort sieht die Stadt eher südeuropäisch als typisch amerikanisch aus.

An Land setzt sich dieser Eindruck fort. Zunächst bei der Festung „Castillo de San Marcos“, deren Mauern und Türme nicht zufällig an San Juan in Puerto Rico erinnern, die wir uns ob des Besucheransturms aber lieber nur von außen anschauen.

Dann aber vor allem bei den im Stadtzentrum mit Gebäuden, die mit ihren Ornamenten und Holzbalkonen sehr deutlich spanischen Einfluss zeigen. Oder auch in der alten Pflasterung mit Ziegelsteinen.

Tatsächlich ist St. Augustine (kein amerikanischer Ort ohne Superlativ) die älteste noch durchgehend besiedelte existierende Stadt der USA. 1565 von Spanien gegründet, wechselte ihr Besitz mehrfach zwischen den Staaten, die Stadt wurde 1763 britisch, 1784 wieder spanisch und dann 1821 wie ganz Florida durch einen Grenzbereinigungs- und Kaufvertrag Teil der Vereinigten Staaten.

Aber nicht nur die beiden spanischen Phasen führen zu dem südeuropäischen Gepräge, sondern auch eine Besonderheit der Besiedlung während der britischen Phase. Etwa 1.000 vorwiegend aus Menorca stammende Siedler waren nach Neu Smyrna, etwa 100 km weiter südlich in Florida ausgewandert und dort in der Indigoproduktion angeworben worden. Die Arbeitsbedingungen und mangelnde Vertragstreue der Partner führten aber 1777 dazu, dass sie sich zu Fuß auf den Weg nach St. Augustine machten und hier im Stadtteil „Little San Felipe“ ansiedelten. Schöner Nebeneffekt für uns: die Küche in den Restaurants dort verbindet inzwischen mediterranes Erbe mit karibischen Einflüssen, eine tolle Mischung.

Ein Spaziergang führt uns in ein ganz anderes, historisch aber ebenfalls bedeutsames Eckchen der Stadt. Der Stadtteil Lincolnville wurde nach dem amerikanischen Bürgerkrieg 1866 von befreiten Sklaven gegründet und entwickelte sich ausnehmend gut, wie diverse erhaltene viktorianische Häuser bezeugen. Er blieb dabei ein afroamerikanischer Stadtteil. Als solcher machte er knapp 100 Jahre später Schlagzeilen, als 1963/64 Dr. Martin Luther King und andere Aktivisten des Civil Rights Movement wie Dr. Robert Hayling nach mehreren rassistischen Vorfällen friedliche Proteste organisierten, die gewaltsam aufgelöst wurden. Auch Dr. Martin Luther King wurde 1964 hier verhaftet.

Die Hauptstraße durch das bunte Viertel trägt heute seinen Namen.

Ein anderer (ziemlich langer) Spaziergang führt uns am nächsten Tag zum Leuchtturm von St. Augustine auf einer Insel jenseits des ICW. Es ist der erste Advent und nicht nur das Geländer der Aussichtsplattform des charakteristisch spiralförmig schwarz-weiß geringelten Leuchtturm mit seiner roten Haube ist weihnachtlich geschmückt.

Das angeschlossene interessante Museum in den Nebengebäuden des Leuchtturms ist es ebenso, außerdem sehen wir in jedem Raum (und auch vor dem ehemaligen Außen-WC) verzierte Tannenbäume. Alle sind phantasievoll, detailversessen und sehr unterschiedlich (aber immer übervoll und bunt) dekoriert, hier eine kleine Auswahl:

Am Abend sehen wir dann schon vom Ankerplatz aus und erst recht später in der Stadt, warum derzeit so viele Touristen in der Stadt sind.

Nights Of Lights. Schon seit 28 Jahren wird in St. Augustine unter diesem Namen in den Wintermonaten eine Illumination privater und öffentlicher Gebäude vorgenommen, bei der die besten Beleuchtungen am Ende prämiert werden. Das ganze hat hat sich zu einem Touristenmagnet entwickelt, kaum einer mag zurückstehen. Auch die Schiffe werden mit Glühbirnen vollgehängt und wir sehen sogar Pferdekutschen mit „Unterboden-Beleuchtung“. American Show, die auf der offiziellen Webseite der Stadt ohne erkennbaren Anflug von Ironie auf den alten spanischen Brauch zurückgeführt wird, zu Weihnachten eine weiße Kerze ins Fenster zu stellen, um in den Häusern und Herzen symbolisch Raum für Jesus zu schaffen.

Pura Vida.

Ruhige Tage am Cape Lookout

Danke für’s Daumendrücken, es hat ganz offensichtlich geholfen. Unsere Passage um das Kap Hatteras war so, wie wir wie sie uns angesichts des Wetterfensters nur wünschen konnten: vergleichsweise ruhig, ohne allzu große Seen und mit durchaus schönen segelbaren Abschnitten, obwohl ganz überwiegend doch der Motor ran musste. Insgesamt 38 Stunden Fahrt, zwei Nächte wegen der Abfahrt am Nachmittag, die Ankunft kurz vorm Hellwerden.

Und jetzt sind wir hier auf dem Ankerplatz im Barden Inlet am Cape Lookout. Durchatmen und genießen.

Während sich die Wellen draußen am Strand krachend brechen, liegen wir hier drinnen wunderbar ruhig.

Lange Strandspaziergänge gemeinsam mit Helena und Steve, Spiele, gemeinsame Abendsessen.

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Pura Vida.

Cape Lookout

Ein näherer Blick auf die amerikanische Ostküste von North Carolina aufwärts bis New York State offenbart etwas (zumindest für uns) Unerwartetes. Der Atlantik hat hier gemeinsam mit der oft küstenparallelen Strömung auf etwa 1.000 km Länge eine Landschaft geschaffen, bei der häufig Sanddünen lange Strände säumen. Dahinter befinden sich aber Lagunen und Buchten, die auf uns wie eine Mischung aus den Hafflandschaften der Ostsee und den Tidenrevieren hinter den friesischen Inseln wirken.

Ganz besonders betrifft das die “Outer Banks”, genau genommen eine Kette von rund 20 schmalen, langgestreckten und teilweise mit Brücken verbundenen Inseln, die sich in einem Bogen von etwa 300 Kilometern vor dem Festland von North Carolina und Virginia entlangziehen. Die Linie der zum Teil nur wenige Hundert Meter breiten Inseln entfernt sich dabei am Kap Hatteras etwa 50 Km vom Festland.

Südlichster Punkt der “Outer Banks” ist Cape Lookout, an dem wir jetzt im Barden Inlet, geschützt von der South Core Banks und der Shackelford Banks ankern.

Die flachen Sandinseln und die sich an den Kaps noch weit ins Meer erstreckenden Flachs, verbunden mit der starken und schwer einschätzbaren Strömung des Golfstroms, die bei nördlichen Wind zudem eine grobe See produziert, haben für viele Schiffbrüche an diesem Küstenabschnitt gesorgt. Schon früh wurden deshalb Leuchttürme errichtet. Das erste Leuchtfeuer am Cape Lookout ging 1812 in Betrieb, aber es war zu niedrig und die Reichweite zu gering. Einige Kapitäne bezeichneten die Feuer von Hatteras, Lookout und Cape Florida als geradezu gefährlich, weil sich Schiffe auf der Suche nach dem Licht des Leuchtturms zu nahe an die Flachs begaben. Schon 1859 ging deshalb ein neuer, mit 163 Fuß (knapp 50 m) deutlich höherer Leuchtturm in Betrieb, der dann auch ausreichend Tragweite hatte. Die charakteristische, unverwechselbare Bemalung mit weißen und schwarzen Rauten (day marks) erhielt er 1870.

Natürlich statten wir dem Leuchtturm einen Besuch ab, mit dem Dinghy können wir an der Innenseite des Fähranlegers festmachen. Über Holzbohlenstege geht es dann durch die Dünenlandschaft zum Leuchtturm und weiter hinüber zum breiten Strand an der Atlantikseite. Teile des Strandes sind für Autos befahrbar, weiter im Norden gibt es eine Fährverbindung extra für diesen Zweck. Viel Verkehr ist aber nicht, wir machen einen herrlichen Strandspaziergang.

Zurück zum Leuchtturm, wo uns intensiver Kiefernduft empfängt, Sommerluft wie auf Anholt oder Hiddensee 😃.

Fun fact: die Rauten sind keineswegs nur zufällig dekorativ zur Unterscheidung von anderen Leuchttürmen. Sie sind so aufgemalt, dass die weißen Rauten übereinander exakt in Ost-West-Richtung sichtbar sind, die schwarzen Rauten exakt in Nord-Süd-Richtung. 😎

Die Landschaft scheint irgendwie vertraut, aber sie ist es natürlich nicht allein, die die verschiedenen Regionen auf unserer Reise unterscheidet. Es sind die Menschen und – auf unbewohnten Inseln wie hier – eben auch die Pflanzen und Tiere. Lösen die Kiefern mit ihrem Duft eher heimatliche oder zumindest urlaubsbekannte Gefühle aus, erinnert uns die zum Teil ungewohnte Tierwelt daran, dass wir eben doch Besucher in fremden Ländern sind.

Beim Strandspaziergang sehen wir bekannte Arten wie Möven, Austernfischer, Seeschwalben und Standäufer. Aber eben auch das:

Ein weißer Ibis (Schneesichler) erschüttert unsere vorschnelle “ ach, das ist ja wie in … “ – Einordnung. Auch die Reiher kommen irgendwie anders daher. Erst ein Rötelreiher (Egretta Rufescens),

dann ein Schmuckreiher (Egretta THULA!) mit gelben Füßen und ebensolchem “Brillenband”:

Der erinnert uns einmal mehr an Janna und Ilja von der Thula, die jetzt gerade auf dem nicht ganz einfachen Törn von den Bahamas zu den Azoren unterwegs sind und mit denen wir immer mal über Iridium Kontakt haben.

Vielleicht sogar noch mehr als durch die Vögel bekommen wir durch ein anderes Tier deutlich vermittelt, dass wir uns in für uns neuem Terrain befinden:

Am Baum direkt neben dem Bohlenweg schlängelt sich eine amerikanische Kletternatter entlang. Sie ist ungiftig und als Würgeschlange eher auf Nagetiere und Vögel spezialisiert, aber – hey – , das muss ja doch erstmal nachschlagen ☺️.

Castle Island

Wir sind in den Bahamas. Von den mehr als 700 Inseln hier sind nur 30 bewohnt, kein Wunder also, wenn wir über unbewohnte Inseln stolpern. Bei Castle Island war das nicht immer so, denn hier an der Südspitze von Acklins Island ist quasi ein Verkehrsknotenpunkt. Die Crooked Island Passage, die Windward Passage und der Old Bahama Channel treffen hier aufeinander, nicht ohne dass in knapper Entfernung die Mira-Por-Vos-Felsen lauern. Um diese Herausforderung für die Schifffahrt zu entschärfen, wurde 1867 das Castle Island Lighthouse gebaut. Bis zur Unabhängigkeit der Bahamas 1973 wurde es von Leuchtturmwärtern bedient, seit der Automatisierung ist die Insel aber unbewohnt. Die Natur hat sich schon einiges zurück erobert, rund um den Leuchtturm und die verfallenen Wohnhäuser wächst dichtes Gestrüpp. Aber der Turm kann ohnehin nicht mehr bestiegen werden.

Und so liegt denn auch die Attraktion dieses Ankerplatzes vor der Küste. Der Haken, auf dem der Leuchtturm steht bietet einen gewissen Schutz, noch ruhiger wäre es aber ein paar Meilen weiter nördlich vor der Küste von Acklins Island. Trotzdem bleiben wir erst einmal eine Nacht hier, genießen das Farbenspiel im kristallklaren Wasser und sehen uns das Wrack eines Frachters aus Belize an, der hier mit seiner Fracht aus Schuhen und Kleidung strandete. Die jedenfalls 2008 noch vorhandenen Aufbauten sind inzwischen heruntergefallen, Bug und Heck sind auseinandergebrochen.

Ganz viel Fisch findet sich zwar nicht am Wrack, dazu liegt es einfach in zu flachem Wasser. Hauptsächlich ein paar Gelbstreifengrunzer verstecken sich unterm Heck und in den umliegenden korallenbestandenen Felsblöcken. Aber Licht und Sicht sind im Gegenzug traumhaft, Bug, Heck mit Ruder und Schraube und die freiliegende Hauptmaschine machen es zu einem faszinierenden Schnorchelspot direkt an unserem Ankerplatz.

Zum Blogbeitrag vom Hogsty Reef habe ich inzwischen die Bilder ergänzt. Wer mag, kann HIER nochmal dahin zurückschauen.

Und Wiebke hat außerdem noch ein Video zu Castle Island zusammengestellt, das auf Vimeo verlinkt ist.

Matthew und die karibischen Farben

Matthew Town führt zwar “Stadt” im Namen, ist aber eigentlich ein mittleres Dorf. Schachbrettartig angelegt, eine Hauptstraße führt vom Leuchtturm durch das Dorf zum Flugplatz und weiter zur großen Saline. Es gibt ein paar Restaurants, einen kleinen Supermarkt, eine Bank. Und sogar ein kleines Gesundheitszentrum.

Wir wandern erst einmal zum Leuchtturm. Das 1870 in Betrieb genommene Feuer leuchtet (entgegen der Angaben in der Seekarte und im Internet) inzwischen nicht mehr.

Als wir hinaufsteigen (die Tür steht offen) sehen wir auch warum. Lampe und Linse fehlen völlig. Überhaupt ist der Zustand drinnen einigermaßen marode.

Ein paar der Holzstufen wurden ersetzt, eine fehlt völlig, weil auch ihre Aufnahme weggerostet ist.

Aber oben angekommen gibt’s eben einen tollen Ausblick über die Insel.

Wie der Leuchtturm wirkt auch der Rest des Ortes ein bisschen verlassen, aber die wenigen Menschen, die wir treffen sind super zuvorkommend und nett. Ein vorbeifahrender Truck hält an und fragt, ob wir mitfahren wollen. Autos machen bereitwillig Platz, die Fahrer grüßen freundlich auch uns Fremde.

Der Bankautomat spuckt für uns kein Geld aus, aber der Security-Mitarbeiter erklärt uns, was wir morgen für die Geldauszahlung in der Bank mitbringen müssen, nämlich neben der Kreditkarte ZWEI Ausweise (Pass und Führerschein), sonst gibt’s nichts. Gut zu wissen und so läuft es dann auch.

Zwei Bars am Strand sind noch zu bzw. werden gerade hergerichtet. Das Ambiente spricht schon mal an, auch wenn die Natur die wirklich tollsten Farben zusteuert.

Auch die Vogelwelt zeigt uns mal wieder eine wunderbare Seite: wir entdecken tatsächlich die ersten wild lebenden Papageien seit wir in der Karibik sind. Hatten wir viel früher und häufiger erwartet, aber um so schöner, dass es jetzt dock klappt. Zumal es wieder einmal eine endemische Art ist, der “Bahamas-Papagei”.

Als Zugabe gibt’s noch einen Fischadler (Osprey) am Strand

und den kleinsten auf den Bahamas heimische Raubvogel, einen Buntfalken (nahe verwandt mit unserem Turmfalken):

Eine große Population an Flamingos lebt zudem im Inselinneren am Lake Rosa. Aber nachdem uns der Immigration-Officer eröffnet, wir könnten auch vorzeitig den vorgeschriebenen 5-Tage-Test absolvieren (nämlich fünf Tage nach dem PCR-Test in der Dominikanischen Republik und nicht wie offiziell verkündet 5 Tage nach Einreise), begeben wir uns gleich zum Test in dem immerhin flamingorosa-farbenen Gesundheitszentrum.

Mit dem (zum Glück wiederum negativen) Testergebnis, das per Email innerhalb von zwei Minuten nach dem Test da ist, sind wir jetzt frei, uns innerhalb der Bahamas zu bewegen. Vorher mussten wir täglich eine Gesundheitsmeldung online ausfüllen, brauchten also Internet. Aber jetzt können wir auch an abgelegene Stellen, wie erstmal die Man-O-War-Bay auf Great Inagua und dann das Hogsty Reef, wo wir keinen Empfang haben werden.

Vielleicht können wir aber den ein oder anderen Bericht (ohne Fotos) per Iridium hochladen.

Culebrita 😎

Culebra (spanisch: die Schlange) ist ungefähr so groß wie Borkum. Kleine Nachbarinseln erhalten ja oft verniedlichende Namen der Hauptinsel, das ist hier in den Spanish Virgin Islands nicht anders als im Rest der Welt. Das östlich vorgelagerte Inselchen von rund einem Quadratkilometer Fläche (etwa ein fünftel von Hallig Hooge bei Ebbe) heißt demgemäß auch Culebrita (das Schlängelchen). Und dahin schlängeln wir uns die sechs Meilen von unserem Platz am Riff aus hinter den vorgelagerten Flachs entlang und dann noch um die Cayo Botella herum.

Warum machen wir das? Na ja, unbewohnte Inseln reizen ja immer ein bisschen, ein alter Leuchtturm darauf tut ein übriges und die Ankerbucht mit einem halbmondförmigen, palmenbestandenen Sandstrand …

Ein bisschen tricky ist, dass Schwell von allen Seiten auf die Insel zu stehen scheint. Die Ankerbucht mit den beiden Bojen ist gegen den in dieser Jahreszeit vorherrschenden Grundschwell aus Nord nur wenig geschützt ist, er macht sich im Inneren der Bucht selbst jetzt bei Südostwind bemerkbar, wenn auch etwas abgeschwächt. Trotzdem, es rollt ein bisschen. Wir finden aber jedenfalls, dass es sich trotzdem absolut lohnt.

Die Crew der „LA RIVE NORD“ sieht das genauso und so machen wir uns gemeinsam mit Kim und Chuck auf den Weg hoch zum alten Leuchtturm. Der Hike ist einfach und trotzdem schön, allerdings bei weitem nicht so kurz wie die optimistischen „15 Min“ die uns das Schild zu Beginn des Trampelpfades weismachen will. Schließlich – der Name der Insel muss ja irgendwie verdient sein – windet sich der Weg durch Mangroven an einem kleinen See vorbei und dann an der Westflanke der Insel hoch. Der Leuchtturm ist längst aufgegeben und nur noch eine (allerdings schmucke) Ruine ohne Dach – aber mit Ausblick. Wir können von hier oben sogar Buckelwale beim Springen beobachten.

Direkt von der Flora aus machen wir seit langem zum ersten Mal auch wieder einen Tauchgang. Die Strömung ist o.k., allerdings nimmt die Sicht am Riff dann leider doch deutlich ab – kein großes Wunder angesichts des Schwells, der über uns doch einiges durcheinanderwirbelt. Fühlt sich aber gut an, mal wieder etwas Praxis zu bekommen. Außerdem freut sich das Unterwasserschiff über die Streicheleinheiten mit der Restluft aus der Tauchflasche (die wir hoffentlich in Culebra wieder füllen lassen können).

Dann doch lieber schnorcheln, und da bietet sich direkt an unserer (kostenlosen) Boje ein unerwartetes Schauspiel:

Sepien oder (worauf wir tippen) vielleicht eher karibische Riffkalmare geben sich ein farbwechselndes Stelldichein an der Bojenleine und lassen uns erstaunlich nahe herankommen um sie zu beobachten. Das haben wir so noch nie erlebt.

Und auch das Inselchen selbst verwöhnt uns. Am Strand finden wir ein offenbar gerade erst von der Palme gefallene Kokosnuss. Schnell mit dem SUP zurück an Bord, die Machete holen. Ja, ich bin da noch ziemlich ungeschickt, es dauert, (man muss auch erst das richtige Ende finden 😂) aber am Ende schaffe ich es doch die Kokosnuss verletzungsfrei so zu öffnen, dass wir erst das Kokoswasser trinken und dann die weiße Kokosschicht essen können.

Rund Nantucket

Die Insel gefällt uns so richtig gut. Nicht nur, weil das scheinbar Gleiche dann doch so unterschiedlich sein kann (Brant Point Lighthouse),

sondern vielmehr, weil wir auf Nantucket in wirklich entspannter Atmosphäre immer wieder Neues entdecken. Und immer wieder Schönes, wohin man schaut. Das ist schon ziemlich erstaunlich. Wir haben Martha´s Vineyard ja schon mit Sylt verglichen. Um im Bild zu bleiben, ist Nantucket dann ein einziges großes Kampen.

Tatsächlich ist Nantucket noch oberhalb von Kampen angesiedelt und mit 125 Quadratkilometern etwa ein viertel größer als Deutschlands mondänste Insel, zudem praktisch durchgängig von Sandstrand umgeben, der noch dazu – für die USA untypisch – öffentlich zugänglich ist.

Einige Probleme sind aber die gleichen: durch die extrem angezogenen Preise können sich nur wenige Einheimische ein Haus auf der Insel leisten, es ist schwer, irgendwie bezahlbaren Wohnraum zu finden. Und das, obwohl die Grundsteuer (für die USA) prozentual vergleichsweise niedrig ist. Handwerker kommen täglich mit der Fähre vom Festland herüber, die vielen super gepflegten Gärten werden von externen grünen Daumen in Ordnung gehalten, die während der Saison in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind.

Zwar wird bei jedem Hausverkauf eine lokale Steuer von 2 % des Kaufpreises fällig, von der die Insel Grundstücke aufkauft, die geschützt und nicht bebaut werden dürfen, zudem öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein privater Trust kauft aus Spenden weitere Grundstücke auf und verfährt ähnlich. Rund die Hälfte der Insel soll damit bereits dauerhaft vor Bebauung geschützt sein. Die Neubauwut wird dadurch zwar eingeschränkt, die Exklusivität und damit die Preise aber zusätzlich gesteigert.

Ein Spaziergang führt Wiebke und mich an das westliche Ende der Stadt, ganz langsam wird es ländlicher, aber nicht weniger gepflegt und schön.

Auch das älteste Haus der Insel finden wir auf diesem Spaziergang, es wurde 1686 gebaut.

Annemarie und Volker mit der Escape sind inzwischen ebenfalls in Nantucket angekommen, es freut uns die beiden hier wieder zu treffen.

Und sie helfen uns gleich aus der Patsche: den Weg an Land konnten wir mit Florecita wurderbar (vor dem Wind) zurücklegen, aber der Außenborder fängt unterwegs wieder an zu sprotzen und kein Gas anzunehmen. Der Rückweg gegen den frischen Wind und die inzwischen hohen Wellen wäre zu viert damit kaum machbar, aber Volker holt mit dem Dinghy der Escape Greg und Michael ab, Wiebke und ich schaffen es dann im Standgas irgendwie mit unserem Dinghy. Pitschnass werden wir übrigens alle dabei.

Kein Wunder, dass man bei den verlässlichen Wetterfahnen (neben Walen) zwar Boote sieht, aber niemals mit Außenborder 😉, sondern entweder mit Segel oder gerudert.

Wie dem auch sei, für den nächsten Landgang bei wieder viel Welle nehmen wir das Launch Boot. Wie schon in Provincetown und Edgartown gibt es auch hier wieder die Möglichkeit, sich in diesen „Taxibooten“ von dem Bojenplatz abholen und wieder zurückbringen zu lassen. In Provincetown war es in der Mooringgebühr enthalten, auf Martha´s Vineyard (4$) und Nantucket (6$) war es jeweils extra und pro Person zu zahlen. Wird Zeit, den Außenborder wieder in Ordnung bringen zu lassen.

Morgen soll es mal wieder einen Ortswechsel geben, wir möchten nach New Bedford am Festland. Das hängt damit zusammen, dass New Bedford ebenfalls eine schöne alte Walfängerstadt sein soll, aber auch damit, dass der Hurrikan „Paulette“ heute Nacht bereits Bermuda erreichen soll, laut Prognose wird er dann weiter nach Nordosten ziehen. Damit trifft er zwar nicht auf die US-Ostküste, zieht aber mit einigem Abstand an ihr hoch, bringt das Wetter durcheinander und wahrscheinlich auch ziemlich hohe Wellen. Da suchen wir lieber ein bisschen Schutz am Festland hinter den vorgelagerten Inseln. Mit Rene (der sich weiter draußen auf dem Atlantik bereits zur Depression abgeschwächt hat) und dem tropischen Sturm Sally an der Westküste Floridas ist auch sonst einiges los. Nur noch für drei weitere benannte tropische Stürme reichen die Namen (Teddy, Vicky und Wilfred, die Buchstaben Q, U, X, Y und Z werden als Anfangsbuchstaben der Namen nicht verwendet), alle weiteren benannten tropischen Stürme in diesem Jahr bekommen dann griechische Buchstaben (Alpha, Beta, Gamma …) Muss eigentlich nicht sein 😬. Nachtrag: jetzt, nur ein paar Stunden später sind auch Teddy und Vicky bereits benannte Stürme!)

Aber für den Abschluss auf Nantucket gibts noch ein besonderes Geschenk. Wir hatten auf Sardinien die Amerikaner Maggie und Sam kennengelernt, die für eine Auszeit ihre Jobs gekündigt und in Griechenland ein Segelboot gekauft haben. Wiedergetroffen haben wir die beiden auf Gran Canaria und dann in Bequia, aber wir sind immer in Kontakt geblieben. Inzwischen haben sie hier in den USA ihre Contest 38 wieder verkauft, wohnen und arbeiten nun in Denver. Aber sie haben uns nachdrücklich aufgefordert, Maggies Stiefvater David in Nantucket zu besuchen und – Nägel mit Köpfen – gleich eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe eingerichtet.

David überlässt uns nicht nur die freie private Boje seines Segelbootes (ist schon aus dem Wasser), für heute hat er uns außerdem auf sein Angelboot eingeladen und unsere Freunde gleich mit.

Also fahren wir heute gemeinsam mit Davids Freund Charly und Volker von der Escape in Davies 29-Fuß-Motorboot hinaus. Es ist ziemlich ruppig, mit dem Angeln wird es nichts, aber dafür fahren wir eine wunderschöne Runde um die ganze Insel.

Es geht etwas flotter als mit der Flora, draußen springen wir mit 25 kn über die Wellen, mal dicht am Strand entlang, mal raus zu den „Rips“ genannten Flachs, wo die Fische stehen sollten, die See aber heute so aufgewühlt ist, das wir sie schnell wieder verlassen. Die abschließende Runde in den inneren „Head of the Harbor“, die gut 4 sm nach Nordosten gehende glatte Wasserfläche hinter der den Hafen schützenden Dünennehrung zeigt bis zu 35 kn auf dem Display.

Ab morgen kalkulieren wir dann wieder mit 5,5 kn 😁. Vorher gibts aber hier noch ein leckeres Abschiedsessen mit Annemarie und Volker und Greg und Michael hier in Nantucket.