Rätsel der Seefahrt
Ein Blick in die Schüssel. 🚽 Die Erde ist kaputt. Oder zumindest das Meer. Die Schwerkraft? Die Corioliskraft? das Wasser fließt in einem rechtsdrehenden Strudel ab. Darf das das? Wir sind doch jetzt auf der Südhalbkugel. Der Einfluss auf den Abfluss: das muss doch andersrum! Wir alle haben in Erdkunde irgendwann in grauer Vorzeit gelernt, dass sich Wirbel auf der Nordhalbkugel rechtsdrehend bilden, auf der Südhalbkugel linksdrehend. Eben wegen der Corioliskraft! Denn durch die Eigendrehung der Erdkugel dreht sie sich unter einem fluiden Medium wie Wasser oder Luft weg. Da sich die unser Planet nach Osten dreht, werden Hochdruckgebiete und Wasserwirbel in der nördlichen Hemisphäre rechtsdrehend abgelenkt, auf der Südhalbkugel dagegen linksdrehend. Tiefdruckgebiete entsprechend umgekehrt. Und doch: nicht in Floras Schüssel. Zur Sicherheit noch mal im Waschbecken ausprobiert: nein, auch das macht, was es will. Die Corioliskraft ist trotzdem nicht kaputt. Vielmehr sind die Wirbel in Floras Becken und Schüsseln einfach viel zu klein, um von dieser Kraft maßgeblich beeinflusst zu werden. Andere Faktoren, wie etwa die Schiffsbewegung oder auch Unregelmäßigkeiten der Form und der Oberfläche haben einen größeren Einfluss auf den Abfluss und sorgen für eher zufällige Wirbelrichtung.
Ein anderes Rätsel: warum sind wir eigentlich so langsam? Wir haben allerbeste Segelbedingungen, Traumwetter, ruhige See. Und trotzdem dödeln wir bei 9 kn Wind mit der Fock und zwei Reffs im Groß herum, laufen derzeit nur noch zwischen vier und fünf Knoten bei 60 Grad am Wind. Ist der Code0 schuld? Das wäre doch eigentlich sein Kurs?
Liegt irgendwie nahe und tatsächlich habe ich heute Vormittag auf dem Vorschiff noch einmal versucht, die Lasching zu optimieren. Aber nur, weil das Segel jetzt etwas schwieriger aufzurollen ist und manchmal durchrutscht. Kein Grund, es nicht zu setzen. Und außerdem würde das auch nicht die beiden nicht zur Windstärke passenden Reffs im Großsegel erklären. Wer uns auf Noforeignland folgt und auf der Bootsansicht in die allgemeine wechselt, sieht dass unser Buddyboat Fidelis neben uns genauso schleicht. Aber nein, zum Glück hat keins der Boote technische Probleme (dreimal auf Holz geklopft). In diesem Fall liegt des Rätsels Lösung in der Zukunft: wären wir schneller unterwegs, würden wir kurz vor den Gambier am Mittwoch/Donnerstag in ein ziemlich großes Gewittergebiet hineinlaufen. Also lieber die Handbremse anziehen und bewusst langsam segeln. Sutje, wie wir in Norddeutschland sagen. Das ist derzeit hier bei diesen Bedingungen leicht zu machen und (für Nicht-Regatta-Segler) auch ganz angenehm. Leider ist aber wohl trotzdem ein unangenehmer Preis dafür zu zahlen: das Gewitterband gehört zu einem kräftigen Tiefdrucksystem, das nach der Vorhersage südlich der Gambier durchziehen wird.
Wenn wir entsprechend unserer Strategie dessen Durchzug abwarten, schaufelt das (auf der Südhalbkugel ja rechtsdrehende) Tiefdruckgebiet auf seiner Rückseite Südwind zu uns hoch. Wir werden also vermutlich die letzten beiden Tage unserer Passage Wind und Wellen gegenan haben. Aber immerhin: die Corioliskraft funktioniert.
🤓
Etmal 142 sm, gesamt auf dieser Passage bisher 2.425 sm, rechnerisch bis Gambier noch 875 sm.
Essen: Linseneintopf (eins von meinen Lieblingsgerichten) mit mexikanischer Chorizo, lecker!
Und nach dem ganzen theoretischen Kram noch etwas Versöhnliches: so sah heute Morgen um sechs unser Sonnenaufgang aus: