Danke!

Was für ein Jahr. Wir haben nach emotionalen Abschieden in der Firma und privat tatsächlich die Leinen losgeworfen, sind auf die Flora gezogen, quer durchs Mittelmeer, hinunter zu den Kapverden und über den Atlantik in die Karibik gesegelt. Haben nun schon ein halbes Jahr lang uns bisher unbekannte Orte erkundet, tolle Naturerfahrungen gemacht, vor allem aber wunderbare Menschen kennengelernt, Besuch von lieben Freunden und Verwandten bekommen, Zuspruch und Unterstützung auch von Daheimgebliebenen erhalten, interessante Gespräche geführt. Und jetzt sind wir hier in den traumhaft schönen Tobago Cays, nehmen Abschied von 2019 und freuen uns auf 2020.

Wir sind froh und dankbar dafür, dies alles genießen zu dürfen. Und wir möchten Danke sagen an Euch, dass ihr auch über den Blog an unserer Reise teilnehmt und uns damit gleichzeitig auch ein gutes Stück Geborgenheit gebt, weil wir mit Euch in Kontakt bleiben können.

Alles Gute für 2020!

Filmreif in den Tobago Cays

Nach einigen schönen Tagen auf Bequia sind wir jetzt etwa 25 sm weiter nach Süden gefahren und ankern in den Tobago Cays. Die Namensgebung dieser kleinen Inselgruppe kann verwirren: der Staat Trinidad & Tobago 🇹🇹 liegt noch deutlich weiter südlich, die Tobago Cays dagegen sind ein Teil der Grenadinen, die aber wiederum keineswegs zu dem Staat Grenada 🇬🇩 gehören (der allerdings im Süden unmittelbar angrenzt), wir sind immer noch in St. Vincent & die Grenadinen 🇻🇨.

Wir finden es TRAUMSCHÖN hier!

Die erste Nacht haben wir recht weit draußen auf der helltürkisen Sandfläche direkt hinter dem hufeisenförmigen Riff (Horseshoe-Reef) geankert, dann haben wir uns in den etwas geschützten Bereich zwischen den beiden Inseln Petit Bateau und Petit Rameau verholt.

Die Tobago Cays sind ein unbewohntes Naturschutzgebiet, aber von der nahen Insel Mayreau aus kommen die Locals mit kleinen Booten herüber und bieten z.B. Fisch, Brot oder Dienstleistungen wie etwa ein Lobster-Barbecue am Strand. Tische sind aufgebaut, die Zehen können beim Dinner im feinen Sand wühlen. Haben wir gestern sofort genossen.

Hier wird unser Abendessen von den Fischern angelandet, wobei die Lobster nicht hier in den Cays, sondern nördlich von Mayreau gefangen werden.
Und hier wird es serviert. O.k., die waren nicht alle für uns, wir haben mit fünf Finnen an einem Tisch gesessen. Lecker war’s!

Und auch das Schnorcheln hier gefällt: Wiebke hat direkt am Schiff unter anderem einen großen Rochen und eine Schildkröte gesehen. Jan und ich waren mit dem Dinghy raus zum Riff. Ein kleiner Film davon:

Fische am Horseshoe-Reef in den Tobago Cays

Eben gerade ist das Baguette 🥖-Boot vorbeigekommen. Hier bleiben wir noch etwas 😁.

Bequia

Wir sind da. In der Karibik. So ganz langsam gewöhnen wir uns an den Gedanken, dass das wahr ist und wir im letzten halben Jahr wirklich mit unserem eigenen Segelboot von Griechenland aus quer durchs Mittelmeer mit Sizilien, den Liparischen Inseln, Sardinien, den Balearen und Südspanien nach Gibraltar, weiter über Cádiz, Porto Santo und Madeira, die Kanaren mit La Graciosa, Lanzarote, Fuerteventura, Gran Canaria, Teneriffa und La Gomera, dann den Kapverden mit Sal, São Nicolau, Santa Luzia, São Vincente und Santo Antão und dann eben jetzt über den Atlantik nach Bequia gesegelt sind.

Und jetzt liegen wir hier, in der Admiralty Bay:

Sieht toll aus.
Sieht voll aus? Na ja, mit Teleobjektiv aufgenommen, da wirkt es etwas enger 😉

Ja, es sind viele Boote hier. Und nein, es ist – trotz Weihnachten – nicht voll hier. Man kann auf dem oberen Foto schon erahnen, dass die Strände nicht dicht bevölkert sind und auch am Ankerplatz sind wir von den Balearen engeres Zusammenrücken gewohnt. Tatsächlich präsentieren sich die angrenzenden Strände uns bei unserem Strandspaziergang direkt am Ankerplatz so:

Jawohl. So soll das auch!

Nach dem vielen Blau der letzten Wochen tut das kräftige Grün der Hänge rund um die Bucht und der Obstbäume und Palmen in den Gärten unseren Augen ganz besonders gut.

Und wie empfängt uns der Ort, unser „Port of Entry“ (*1) Port Elizabeth? Noch bevor wir das Beiboot klarmachen können, kommt schon ein Bötchen längsseits und bietet uns frisches Baguette an. An die gesalzenen Preise müssen wir uns noch gewöhnen, aber wir schlagen trotzdem zu, morgens um acht nach der langen Überfahrt ist das doch sehr willkommen. Weitere Boote kommen vorbei, bieten Eis, Wäscheservice, Diesel und Frischwasser oder sogar Lobster an. Wir lehnen erstmal ab und das wird auch ohne Diskussion akzeptiert. An anderen Orten sollen die „Boatboys“ aufdringlicher sein, aber hier gibt’s nichts zu meckern. Karibik für Einsteiger 😁. Auch das Einklarieren bei Zollbehörde und Einwanderungsbehörde ist schnell erledigt und völlig problemlos, lediglich eine Seite ist auszufüllen und wir müssen zusammen rund 40 € bezahlen, das war’s. Und anders als im Revierführer vermerkt, muss auch nur der Skipper mit den Pässen der Crew dort erscheinen.

Auch in Bars oder Restaurants brauchen wir keine Reservierung, alles ganz relaxed. Frei nach dem Motto auf der Kreidetafel einer Strandbar hier: Live slow today!

Farbenprächtig in Pastell wie die Strandbars präsentiert sich auch der Ort, wenngleich auf der südlichen Buchtseite eher mit gepflegten Villen und Gärten, einigen Hotels und netten Restaurants (Jans Eltern sponsern aus der Ferne ein leckeres Weihnachtsessen, DANKE!), im Norden der Bucht durchmischter mit weniger exclusiven Häuschen.

Beachtenswert auch die Wasserversorgung mit Auffangen des Dachrinnenwassers in einem großen Fass. Viele Häuser haben auch gemauerte Zisternen.

Auch das Socializing kommt nicht zu kurz: wir treffen Paulina und Matthias von der Kompanon (mit neuer Crew) wieder, die mit ihrer Aluminium-Reinke in San Miguel bei uns längsseits gegangen waren und die wir auch in Mindelo getroffen hatten. Spontan werden wir zu einigen selbstgemixten Piña Coladas an Bord eingeladen. Das Feiern kommt definitiv nicht zu kurz.

(*1) Port of Entry: Man darf in einem neuen Land (hier: St. Vincent und die Grenadinen) nicht einfach irgendwo ankern oder anlegen, sondern muss zuerst einen ausgewiesenen „Eingangshafen“ anlaufen, wo dann auch die zuständigen Behörden aufzusuchen sind.

Leinengetüdel und Segelgeraffel? Passatsegel II

Warnhinweis für Nichtsegler und Noch-Nicht-Segler: Mal wieder ein SEHR technischer Beitrag. Ich hoffe, die Bilder machen es etwas klarer. Ansonsten: lasst Euch nicht abschrecken! Vor dem Wind segelt eigentlich auch ein Ballen Stroh! Schlimmstenfalls: diesen Beitrag ausnahmsweise einfach „nicht mal ignorieren“ ! 😉

Vor unserer Langfahrt haben wir uns viele Gedanken gemacht, welche Besegelung in den Passatwindzonen wir für unser Boot vorsehen (dazu hatte ich hier schon etwas geschrieben). Vorhanden waren Großsegel, Fock, (135%-)Genua und Rollgennaker. Wir haben uns letztendlich gegen ein spezielles Passatsegel (oder auch einen Blue-Water-Runner oder einen Parasailor) und für einen modifizierten Code0 zur Ergänzung der Segelgarderobe entschieden. Modifiziert insoweit, als wir mit dem Segelmacher den voraussichtlichen Einsatzzweck als ausgebaumtes Vormwindsegel und nur in zweiter Linie als Leichtwind-Amwindsegel besprochen haben. Das Schothorn ist deshalb etwas höher geschnitten, als Segeltuch haben wir statt Code0-Laminat ein schweres Spinnakertuch (MPEX 300, 130 gr/qm) gewählt. Unser Code0 ist mit einem Antitorsionskabel im Vorliek auf einer Rollanlage mit Endlosleine montiert, hinten am Cockpit läuft die Endlosleine durch einen Doppelblock mit Klemmen. Im Längssack an der Reling angeschlagen, ist der Code0 schnell gesetzt oder geborgen und verstaut. Mit dem Segel waren wir schon vor der Passatzone hochzufrieden, es hat sich bereits im Mittelmeer bei leichteren Winden als echter Allrounder und Schwachwindturbo erwiesen und lässt sich selbst bei stärkerem Wind noch gut von Hand einrollen. Auf Teneriffa haben wir im Schothornbereich noch Klettstreifen nachrüsten lassen, die ein unbeabsichtigtes Ausrollen verhindern.

Code0 als normales Leichtwindsegel, nicht ausgebaumt, dafür mit Barberholer auf der Schot als zusätzliche Trimmmöglichkeit. Vorne sieht man den Längssack des Code0 an der Reling. Wir können das Segel in ihm verstauen und dabei die Endlosleine angeschlagen lassen.

Und wie hat sich das Segel nun im Passat der Atlantiküberquerung geschlagen?
Zunächst einmal: es kam weniger zum Einsatz als erwartet, wir sind mehr „Schmetterling“ gefahren als erwartet. Das lag daran, dass der Passatwind bei unserer Überfahrt Mitte Dezember 2019 ziemlich stark blies. In der ersten Woche von Mindelo auf den Kapverden aus hatten wir praktisch durchgehend sechs bis sieben Windstärken, selten auch mal Böen die untere acht Windstärken erreichten. Eher nicht das perfekte Einsatzgebiet für ein 80 qm großes Segel. Wenn aber der wahre Wind unter 20 kn fiel konnte es seine Stärken voll ausspielen, vor allem, weil das Umstellen der Besegelung so einfach war, denn der Code0 ist auf der Gennakernase angeschlagen und blieb aufgerollt auch bei Nichtbenutzung stehen.

„Schmetterling“ mit gerefftem Groß und ausgebaumter Fock. In der Mitte kann man den aufgerollten Code0 erkennen.

Wie ist nun unser Setup insgesamt?

Wir haben auf der Passage beide Spibäume permanent ausgestellt geriggt. Jeder ist zur Spibaumnock hin mit Topnant, vorderem Niederholer zur Vorschiffsklampe und achterem Niederholer zur Mittelklampe gesichert. Da wir nur einen echten Topnant haben, dient beim Backbordspibaum das Ersatzgenuafall als Topnant. Auf eine Ausführung der Topnanten als Hahnepot haben wir verzichtet, wichtig ist nur, sie zur Baumnock und nicht etwa zu einem mittiger auf dem Spibaum angeschlagenen Haltebügel zu führen, weil sonst erhebliche Biegekräfte auf den Spibaum wirken. Die Backbord-Spischot ist durch die Spibaumnock zum Schothorn des Code0 geführt. Entsprechend läuft die Steuerbord-Spischot durch die Spibaumnock des Steuerbord-Spibaumes zum Schothorn der Fock.

Steuerbordseite auf der Atlantiküberquerung
Schematischer Überblick
Im Vordergrund die Furlex-Rollanlage mit der Fock, dahinter unsere Code0-Endlosleinerollanlage (Bartels IV)
Seldén-Doppelblock mit Klemmen, auf der Fußreling hinten beim Cockpit angeschlagen
Die beiden Spibäume laufen auf derselben Schiene am Mast, sie sind mit einem Dyneema-Tauwerkschäkel miteinander verbunden. Der Kohlefaserbaum wird bei Nichtbenutzung am Mast hochgezogen und befestigt, der Alu-Teleskopbaum wird dann in einer speziellen Relingshalterung gefahren. Natürlich kann der Kohlefaserbaum auch einzeln gefahren werden.

Die normalen Fockschoten bleiben ebenfalls angeschlagen. Das hat gleich mehrere Vorteile: zum einen kann so sehr leicht die Spischot auf Schamfil-Stellen (insbesondere dort, wo sie in der Spibaumnock liegt) kontrolliert werden, indem die normale Fockschot dichtgeholt und die Spischot lose gegeben wird. Zum zweiten wird dadurch ermöglicht, die Fock „ganz normal“ zu fahren, falls doch einmal höher als ca. 120 Grad zum Wind gesteuert werden muss. Bei uns war das z.B. am Anfang der Passage in den Turbulenzen hinter Santo Antão der Fall. Die Fock kann bei dieser Konfiguration sogar gewendet und normal an Backbord gefahren werden. Im Prinzip hat die Fock ansonsten fast die ganze Passage über an Steuerbord ausgebaumt gestanden, wobei wir sie dabei zweimal etwas eingerefft hatten.

Bei Winden über 20 kn (TWS) fahren wir dazu das Großsegel (Schmetterling, also auf der gegenüberliegenden Seite zur Fock), bei mehr Wind reffen wir dann das Groß entsprechend ein. Der Bullenstander zur Sicherung des Großbaumes ist auf der Passage permanent an der Großbaumnock angeschlagen und außen zur Bugklampe und dann dort hindurch zurück auf die Backbord-Spinnakerwinsch im Cockpit geführt. Er lässt sich also vom Cockpit aus fieren oder dichtholen.

Bei wahrem Wind unter 20 kn rollen wir an Backbord zusätzlich den Code0 aus und nehmen dafür das Großsegel weg. Der Vorteil liegt nicht nur in der größeren Segelfläche des Code0 gegenüber dem Großsegel, sondern vor allem in einem etwas verminderten Rollen des Bootes und einem geringeren Arbeitspensum (und damit auch Stromverbrauch) unseres elektrischen Autopiloten.

Sind wir mit dem Setup zufrieden? Ja, sehr sogar. Es hört sich etwas kompliziert an und sieht mit den vielen geriggten Leinen auch erstmal so aus, ist aber extrem einfach zu bedienen und variabel in den Möglichkeiten, sich an geänderte Windverhältnisse anzupassen. Dazu ist auf der Passage keine Turnerei auf dem Vorschiff erforderlich, alles lässt sich sicher von hinten regeln. Gut war, dass wir statt der 135%-Genua die Arbeitsfock angeschlagen haben. Die Genua lässt sich mit ihrem niedrigen Schothorn nur schwer ausbaumen und hätte vermutlich ohnehin dauernd gerefft sein müssen. Der Größenunterschied zwischen Fock und Code0 bei gleichzeitiger Nutzung der beiden als Passatsegel hat nicht zu einer größeren „Unwucht“ mit spürbarem Effekt auf die Ruderlage geführt, aber vor dem Wind ist ja auch der Druckpunkt beider Segel nach vorn gerichtet und nahe am Bug, worauf wir auch die geringere Neigung zum Rollen zurückführen. Der Code0 hat sehr dabei geholfen, dem Atlantikschwell in leichtwindigeren Phasen genug Druck im Segel entgegenzusetzen.

Wäre ein extra Passatsegel nötig gewesen? Ganz klar nein, auch der Code0 nicht. Auch unter Schmetterling ließ sich das Boot im stärkeren wie im normalstarken Passat wunderbar fahren. Am Ende ist es immer die Frage, welchen der vielen möglichen Kompromisse man eingehen möchte. Wir sind aber trotzdem oder gerade deshalb sehr froh, dass wir uns für den Code0 entschieden haben, denn den setzen wir auch unabhängig von der langen Vormwindstrecke sehr gerne und sehr häufig ein. Ein gar nicht beabsichtigten „Nebeneffekt“ ist, dass wir unsere Fock sehr schätzen gelernt haben, die zuvor ein reines Reservistendasein geführt hatte. Die Genua war auf der Rollanlage angeschlagen und weil der Wechsel ja doch ein ziemlicher Aufwand ist, blieb sie es meist das ganze Jahr. Gerade wenn schon mehr Wind ist, möchte man nicht mehr wechseln, sondern fährt dann eben die Genua gerefft. Da steht allerdings die Fock besser und lässt das Boot auch mehr Höhe laufen. Der Nachteil der Fock bei wenig Wind und auf raumeren Kursen wird nach unserer Erfahrung mit dem leicht einsetzbaren Code0 deutlich überkompensiert.

😁
Die gelbgrünen Flecken auf dem Wasser an Steuerbord sind übrigens Sargassum.

Fotonachtrag zur Atlantiküberquerung

Erst mal ganz lieben Dank für Eure Anteilnahme, die Aufmunterungen und die Glückwünsche. Es freut uns riesig, dass Ihr uns auf unserer Reise so begleitet.

Ich hatte ja in den Iridium-Posts mehrfach geschrieben, dass wir ganz schön durchgeschaukelt werden und die See nicht einfach nur eine lange Ozeandünung sondern ziemlich kabbelig ist. Hier erst mal ein paar Bilder die versuchen, das in seiner Wildheit und Schönheit zumindest ansatzweise einzufangen:

Es ist schon erstaunlich, wie einerseits unfassbar anstrengend es ist, wenn DAUERND ALLES in Bewegung ist, nichts einfach dort liegen bleibt, wo man es „mal kurz“ ablegen musste, man sich selbst auf dem stillen Örtchen festkeilen muss, man beim Schlafen selbsttätig gewendet wird als sei man ein Grillhähnchen und selbst simpelste Aufgaben wie Kaffeekochen eigentlich eine dritte Hand erfordern würden. Und wie andererseits sich der menschliche Körper (und Magen) dann meistens doch irgendwann daran gewöhnt, man entspannen und sogar lesen kann.

Segel-Schaukel im Passat
Und ja, blaue Flecken von unvermittelt zufallenden Kühlschrankdeckeln gehören auch dazu.

Tierfotos hätte ich Euch gern mehr geboten, aber wir haben (sicher auch den hohen Wellen geschuldet) nicht allzuviel tierische Begegnngen gehabt. Nur die allgegenwärtigen Fliegenden Fische (von denen es einer trotz selbstverständlich geschlossener Fenster sogar in den Salon geschafft hat) und ab und zu ein Vogel (zumeist Weißbauchtölpel, wobei Tölpel sich nur auf das Verhalten an Land bezieht und den eleganten und mit bis zu 1,5 m Flügelspannweite auch großen Segelfliegern auf See und in der Luft nicht gerecht wird).

Na ja, und dann noch mal zu den Squalls. Wir hatten vorher viel darüber gelesen und konnten uns doch nicht recht etwas darunter vorstellen. Es sind kleine Regenzellen (manchmal auch Gewitterzellen, hatten wir aber zum Glück nicht), räumlich meist ziemlich begrenzt, vielleicht ein Kilometer im Durchmesser. Sie bringen oft (aber auch nicht immer) deutliche Veränderungen in der Windstärke und der Windrichtung, was bei der Vormwindbesegelung unangenehm sein kann, weil die Segel ja dann ziemlich in ihrer Position fixiert sind (zu dem Leinenwirrwarr schreibe ich demnächst noch mal was). Man kann die Squalls aber ganz gut auf dem Radarbild erkennen:

Hier auf dem Seekartenoverlay: das Radar zeigt einen Squall links vor uns und einen rechts hinter uns, außerdem ein bisschen Nieselregen knapp links hinter uns.

Meist kommen die Squalls am Abend oder Nachts, aber ein komplettes Band von Squalls hat uns auch einen Tag lang ganz gut beschäftigt 😉.

Ein Squall zieht auf.

Tja, und das Segeln …

Angekommen

Wir sind in Bequia, Admirality Bay. Angekommen 11 Tage und 22 Stunden nach der Abfahrt aus Mindelo. Superschnell. Alles heil, keine Schäden zu verzeichnen.

Wir sind superglücklich. Längerer Post mit Bildern wenn wir etwas unseren Adrenalinspiegel runtergepegelt haben. Kann aber ein paar Rumpunsch dauern.

😁

2132 sm (scheinbare) Unendlichkeit

Ich habe auf der gesamten Atlantiküberquerung bisher KEIN EINZIGES anderes Schiff oder Segelboot gesehen (Jan verbreitet allerdings die Legende, auf einer seiner Nachtwachen habe uns in 4 sm Abstand ein anderes Schiff ohne AIS überholt). Etwa 270 sm haben wir noch zu segeln, wenn nichts wesentliches mehr schief geht werden wir also Heiligabend in Bequia ankommen.
Vor der Überfahrt haben wir noch einmal auf MarineTraffic geschaut, unsere Route sah aus wie eine hochfrequentierte Autobahn für Segler in die Karibik.
Natürlich sind auf der Strecke viel mehr Schiffe, vor allem Segler, unterwegs. Allerdings praktisch alle nur in eine Richtung, nach Westen, und mit recht ähnlicher Geschwindigkeit. Man kann auf See von Deckshöhe aus vielleicht 4-5 Meilen weit sehen, da ist es kein Wunder, wenn man das Geführ bekommt, alleine unterwegs zu sein. Aber wirklich die ganze Zeit?
Leider hatten wir auch wenig Tierbegegnungen. Jan hat einmal zwei Delfine gesehen, Wiebke einen springenden, alles in großer Entfernung. Ab und zu einige wenige Seevögel. Und ansonsten: Wasser, Wolken, Himmel, Sonne, Mond und Sterne. Auf 2.132 sm (rd. 3.950 km). Wird einem da nicht langweilig?
Nö. Auf die Wellen oder in den Himmel zu schauen ist sowieso nicht langweilig, sie sind immer da und verändern sich doch ständig. Außerdem schlafen wir viel (jetzt schon 10 Tage und Nächte auf der Schaukel bzw. in der Achterbahn, die Schaukelei macht ganz schön müde), lesen, hören auf den Nachtwachen oft Podcasts über die wir uns dann tagsüber unterhalten, hören Musik. Jetzt, wo wir unseren Rythmus gefunden haben, gehen die Tage eher ziemlich schnell dahin. Und dann kommt jetzt auch noch die Vorfreude auf das Ankommen dazu.
Und natürlich gibt die scheinbare Unendlichkeit auch viel Raum zum Nachdenken, gerade wenn man sieht wie klein man in dieser Riesenwelt ist.
Zum Beispiel zum Nachdenken über diese wunderschöne Textzeile aus dem Lied „Oh, Sister“, von Bob Dylan: „Time is an ocean but it ends at the shore“.
Was ist schon unendlich?

9. Nacht der Atlantiküberquerung

Es ist eine wunderschöne Nacht (hier ist es noch vier Stunden früher als in Deutschland), so wie ich sie am liebsten mag. Der Mond ist kurz vor meiner zweiten Nachtwache aufgegangen, als schmale Sichel liegt er hier auf dem Rücken und stellt eher eine Schale dar. Er gibt genug Licht um Horizont und Wellen erahnen zu können, überstrahlt dabei aber nicht den herrlichen Sternenhimnmel. Außerdem ist es in den letzten Tagen spürbar wärmer geworden, selbst nachts ist jetzt keine Jacke mehr erforderlich, auch wenn die Regenjacke für eventuelle Squalls trotzdem bereit liegt.
Nächte wie Tage vergehen in angenehmer Ereignislosigkeit und Ruhe, auch die Aufregung des Abenteuers Atlantiküberquerung hat sich gelegt. Die Anspannung lässt nach, das Genießen fällt leichter. Auch an die andauernde Schaukelei habe ich mich endlich besser gewöhnt, Lesen ist nun keine zur Überforderung neigende Herausforderung des Gleichgewichtssinnes mehr. Gestern habe ich mal wieder ein Brot gebacken, das erste auf dieser Überfahrt.
Und doch, da kommt schon eine neue Aufregung um die Ecke: wir sind weiter so flott unterwegs, dass der Landfall in der Karibik mit Riesenschritten naht. Die Gespräche tagsüber driften fast automatisch immer mal wieder dahin. Wenn es normal weiterläuft, werden wir uns am Heiligabend, spätestens am 1. Weihnachtstag mit der Ankunft in der Admirality Bay auf Bequia in SVG (St. Vincent und die Grenadinen) beschenken. Wir wollen also Barbados an Steuerbord liegen lassen und 100 sm weiter die erste Insel südlich der Hauptinsel St. Vincent anlaufen. Ihr könnt unser Fortkommen ja auch über den Noforeignland-Link unter dem Menüreiter „Position“ aktuell verfolgen. Drückt uns die Daumen.

7. Tag der Atlantiküberquerung: Nachtwache mit Squalls

Wie schnell sich das ändert: gestern Nacht eine Nachtwache wie aus dem Bilderbuch. Traumhafter Sternenhimmel, hinter dem Heck geht Orion auf (wobei der Himmelsjäger dabei faul auf der Seite zu liegen scheint), die Nacht hindurch überholt er uns an Backbord und jagt dabei den hier gut sichtbaren Walfisch vor sich her, bis er gegen morgen vor uns steht und dann verblasst, weil an seinem alten Platz hinter uns dann die Sonne aufgeht. Und gestern Nacht wehte dazu aus fast wolkenlosem Himmel ein stetiger, warmer Wind aus Ostnordost und trieb uns gut voran.
Heute Nacht macht Orion zwar im Prinzip das Gleiche, nur kann ich ihn nicht immer sehen. Wenn die Sterne hinter uns verschwinden, ist das heute ein Alarmsignal. Schnell das Radar aus dem Standby-Modus geweckt und schauen, ob das nur eine normale Wolke oder ein (regenreicher und deshalb auf dem Radarbild sichtbarer) Squall ist, wo er sich befindet und wohin er sich bewegt. Das Fiese an diesen Squalls ist die manchmal starke Windzunahme, gekoppelt mit den oft damit einhergehenden kräftigen Winddrehern.
Wir fahren jetzt in der Nacht ohnehin schon stark eingerefft, bei kleineren Squalls reicht daher eine Kursanpassung an die Dreher. Zeigt das Radar aber einen richtig fetten Squall mit Zugbahn in unsere Richtung, müssen wir die Segel weiter verkleinern. Dann muss einer aus der Freiwache geweckt werden und schnell ins Cockpit, denn wir haben verabredet, solche Manöver nachts nicht allein zu machen. Schnell deshalb, weil die Squalls von hinten mit 15-20 Knoten Geschwindigkeit aufkommen, also doppelt bis dreimal so schnell sind wie wir. Viel Zeit bleibt da nicht. Und warum haben wir nicht die ganze Zeit stärker gerefft? Weil wir dann ohne die stabilisierende Geschwindigkeit in den 2,5-3 m hohen Wellen noch mehr durchgeschaukelt würden.
Heute Nacht sind die Wachen also etwas aktionsreicher. Überhaupt: Nachtwachen. Wir gehen drei-Stunden-Wachen. Ich habe die Wache von 18-21 Uhr und danach werde ich von Jan abgelöst und habe Freiwache bis 3 Uhr, dann löse ich Wiebke ab und habe wieder Wache von 3 bis 6 Uhr. Diese Zeiten behalten wir den Törn über bei. Meine zweite Nachtwache heute ist dann aber ganz anders als die erste. Als ich zu Wiebke ins regennasse Cockpit hochklettere, zieht gerade der letzte Squall ab, ich bleibe in der ganzen zweiten Wache unbehelligt, Jan in seiner nächsten Wache ebenso. Jetzt am Morgen scheint die Sonne wieder und wir segeln unter weißen Passatwölkchen, als wäre nicht gewesen. Nur am Horizont im Süden können wir noch dichtere Wolken erkennen, es dürfte das Band der Squalls sein, das wir jetzt durchsegelt haben. Hoffen wir jedenfalls, sieht aber erst mal ganz gut aus.
Der Wind ist immer noch frisch mit Stärke 6 bis 7 Beaufort und bläst uns zügig der Karibik entgegen. 🙂