El Niño 2023/2024

Wir haben ausklariert und sind losgefahren.

Raus aus der Bahía de La Paz, um die Ecke und Floras Bug nach Süden gerichtet. Geht wirklich gut los, wir fangen den bisher größten Fisch unserer Reise, eine 1,25 m lange Gelbschwanz-Bernsteinmakrele (Yellowtail-Amberjack). Passt nicht in unsere Filetier-Schale auf dem Achterschiff,

aber wir bekommen trotzdem rund 4 kg schönes Filet. Auf dem weiteren Weg dann wieder springende Rochen und auch einige Buckelwale .

Und dann Stop!

Geplant war der Halt in der Bahía de Los Muertos sowieso, aber eigentlich nur als letzte Übernachtung, letztes Ausruhen vor dem großen Schlag. Jetzt werden wir aber wohl doch noch etwas länger bleiben müssen, das Wetter lässt uns kaum eine andere Chance. Laut den neuesten Wetterberichten wird sich in den nächsten Tagen ein ausgeprägtes Schwachwindgebiet südlich der Baja California entwickeln. Dem können wir nicht mehr rechtzeitig entwischen, zumal sich an seiner Südgrenze ein fettes Gewitterband anschließt. Wo zuletzt noch schönster Segelwind aus Nordost herrschte, sorgt jetzt ein kräftiger Trog für wilde Verhältnisse genau auf der Route zwischen unserem Standort und den ohnehin gewitterträchtigen Kalmen nördlich des Äquators. So sieht das auf Windy aus:

Regen und Gewitter
Blau=Flaute

Durch eine kleinere Flaute könnten wir hindurch motoren, aber bei der aktuellen Prognose wären unsere 440 Liter Diesel bereits aufgebraucht, bevor wir den notorisch windarmen Kalmengürtel überhaupt erreicht hätten. Also lieber erstmal hier bleiben und abwarten, Wetterberichte wälzen. Auch an unserem Zielort in Französisch Polynesien spielt das Wetter nicht so recht mit. Die Marquesas kommen noch ganz gut davon, aber die Gambier und auch die Tuamotus bekommen einiges ab. Von den Gesellschaftsinseln rauscht ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen heran, in Papeete auf Tahiti bläst es gerade mit 8 Beaufort. Die Tiefs sorgen dann auch für reichlich Unruhe auf den sonst gegen den Südost-Passat geschützten Ankerplätzen Französisch Polynesiens.

Na klar, es ist Hochsommer auf der Südhalbkugel, aber das Wetter scheint extremer als sonst. Sind das Auswirkungen von „El Niño“? Und was ist El Niño überhaupt für ein Wetterphänomen?

El Niño bezeichnet das Auftreten ungewöhnlicher Temperaturen des Oberflächenwassers (besonders warm vor der peruanischen Küste, aber eben nicht nur dort) im Zusammenhang mit veränderten Meeresströmungen im Südpazifik. Vor allem in besonders intensiven El Niño Jahren kann dadurch das Wetter weltweit beeinflusst werden. Eine sehr gute Erklärung dazu gibt es hier bei NOAA Climate Gov.

Zum Jahreswechsel 2023/2024 (und bis jetzt andauernd) ist ein intensiver El Niño zu beobachten. Besonders gut lassen sich diese Temperaturanomalien hier erkennen (genannte Quelle):

Und unsere geplante Route von der Südspitze der Baja California in Mexiko nach Französisch Polynesien geht halt durch einen besonders ausgeprägten Teil dieser Anomalie mitten hindurch:

Im Extremfall führt El Niño dazu, dass die Passatwinde sich nicht nur abschwächen, sondern sogar (in manchen Regionen) umkehren können, also aus westlichen Richtungen wehen. Das ist allerdings bisher zumeist nur im westlichen Pazifik beobachtet worden. Trotzdem ist bei derartigen Temperaturveränderungen klar, dass in den roten Gebieten mehr Energie in der Luft ist, und damit eben auch das Risiko von Gewittern steigt. Ein Grund mehr, bei der Wettervorhersage für unsere Route besonders auf den CAPE-Wert (CAPE = Convective Available Potential Energy) zu achten und Gebiete mit vorhergesagten Gewittern nach Möglichkeit zu meiden.

Das wird nicht immer klappen, insbesondere in den Kalmen am Äquator. Aber hier oben in Mexiko, da können wir z.B. einfach unsere Abfahrt verschieben. Bleiben wir halt noch ein bisschen länger in der Bahía de Los Muertos.

Und es ist ja auch nicht immer alles so, wie es auf den ersten Blick scheint. Die „Bucht der toten Männer“, das hört ja ziemlich morbide an. Vielleicht sogar geschäftsschädigend, ein Hotel am Strand hat deshalb versucht, die Bucht in „Ensenada de Los Sueños“ (Bucht der Träume) umzubenennen, aber das hat sich nicht durchgesetzt. Der Ursprung des Namens hat eigentlich auch gar nichts mit Todesfällen zu tun. Vielmehr hat eine (inzwischen längst aufgegebene) Mine für den Abtransport der Erze Haltemöglichkeiten gebraucht. Deshalb wurden Moorings mit sogenannten „Totmann-Ankern“ befestigt und die gaben der Bucht ihren Namen. Eigentlich erstaunlich, dass die Namen dieser Anker im Spanischen, Deutschen und auch im Englischen jeweils ganz entsprechend ist.

Jedenfalls ist es schön hier:

Ruhige Tage in der Bahía de La Paz

Die Zeit vergeht. Nicht ereignislos, aber doch sehr unaufgeregt. Wir wechseln je nach Wind die Ankerplätze, sind in uns zumeist schon vertrauten schönen Buchten. Bauen auf dem Vorschiff die Hängematte auf und lassen die Seele baumeln. Schnorcheln ausgiebig, angeln, fahren mit unserem Kayak, machen Spaziergänge am Strand, genießen die spektakulären Sonnenuntergänge. Kurz, wir trödeln wunderbar herum.

Und ganz nebenbei umrunden wir die Isla Espiritu Santo und die Isla Partida erneut, dieses Mal im Uhrzeigersinn, sehen dabei wieder springende Rochen und dieses Mal auch viele Delfine.

Am Ende der Woche geht’s dann doch wieder Richtung La Paz, damit wir das eingetroffene Ersatzteil für die Windmessanlage im Masttop schon mal abholen können. Außerdem wollen wir gerne Jeanette und Jeroen (Fidelis) noch treffen, bevor sie zu den Marquesas aufbrechen.

Auf dem Weg durch das schmale betonnte Fahrwasser erleben wir an der Öl-Verladestation der PEMEX eine Überraschung. Ausnahmsweise liegt kein Öltanker an der Pier, stattdessen aber kommt uns im Tonnenstrich ein Buckelwal entgegen:

Eine zweite nette Überraschung: Die Fidelis-Crew will mit dem Aufbruch noch etwas warten. So können wir noch Zeit miteinander verbringen und vielleicht sogar gemeinsam den ersten Abschnitt Richtung Französisch Polynesien in Angriff nehmen, uns jedenfalls aber auch über die Wetterfenster und die beste Route intensiv austauschen.

Stadt bedeutet natürlich auch wieder Einkaufen, Trinkwasser kannisterweise vom Dinghysteg holen, aber auch einen schönen Restaurantbesuch und Spieleabende mit Jeanette und Jeroen.

Und sonst: beschäftigen wir uns zum Beispiel mit Nähen oder Bootsarbeiten wie der Kontrolle der elektrischen Verbindungen unserer Kühlkompressoren, die in den Tiefen unter den Bodenbrettern des Stauraums im Küchenblock eingebaut sind.

Manchmal kommen Nähen und Bootsarbeit auch gleich zusammen, wie bei der (klettbaren) Fensterabdeckung, die dafür sorgen soll, dass die flexibel einsetzbaren zusätzlichen Solarpanele auch bei einem Regenschauer hängen bleiben können.

Hier in Mexiko wäre das eigentlich nicht erforderlich, wir haben in der Sea of Cortez noch keinen einzigen kräftigen Regenschauer erlebt.

In Französisch Polynesien wird das aber ganz anders sein, da kann etwas Vorbereitung nicht schaden.

😊

Weiterhüpfen an Kaliforniens Küste

Von Morro Bay gehen wir nur einmal kurz um die Ecke. Aber trotzdem begleiten uns bei diesem kleinen Hüpfer Delfine, wenn auch in einiger Entfernung. Der Ankerplatz hinter Point San Luis am Avila Beach liegt zwischen zwei weit ins Meer hinaus gebauten Piers. Eine dritte Pier etwas weiter westlich hinter dem riesigen Mooringfeld ist die einzige, die derzeit betreten werden darf.

Landgang muss aber für uns hier gar nicht sein. Erstens ist nur ein Stop für die Nacht geplant, vor allem aber wird uns direkt am Ankerplatz eine Wal-Show geboten. Einige Buckelwale jagen unweit der östlichen Pier nach Nahrung und versetzen damit auch die örtliche Vogelwelt in Aufruhr.

Der nächste Tagestörn ist dann etwas länger, es soll an der Küste entlang weiter nach Süden und um das Cape Conception herum gehen.

Wie so viele Kaps genießt auch Conception einen eher zweifelhaften Ruf. insofern sind wir nicht böse, dass wenig Wind angesagt ist. Zunächst müssen wir auch tatsächlich motoren und haben bei dem glatten Wasser das Glück, abermals Delfine zu sichten. Wir schalten in den Leerlauf und beobachten, wie sie offenbar einen Fischschwarm zusammentreiben. Es folgt eine Festmal für sie und für die scheinbar aus dem Nichts herbei geeilten Vögel.

Und danach spritzen die Delfine mit Freudensprüngen weiter:

Kurz darauf setzt dann Wind ein, erstaunlicherweise aus Südwest, aber wir können segeln. Ein paar Kreuzschläge sind erforderlich, o.k.

Aber dass wir zwischenzeitlich weit vor dem Kap ins zweite Reff wechseln müssen, lässt dunkle Vorahnungen aufkommen. Unberechtigt, denn kurz nachdem wir die Rakentenabschussrampen der Vandenberg Space Force Base am etwas nördlicher gelegenen Point Arguello erreichen, flaut der Wind so weit ab, dass wir wieder Vollzeug setzen. Übrigens finden auch hier SpaceX-Starts statt, wir hatten ja in Cape Canaveral einen solchen Start beobachtet und nutzen jetzt mit unserem Starlink wahrscheinlich die damals in die Umlaufbahn gebrachten Satelliten.

Als die Ölbohrinseln vor dem Kap näher kommen, nimmt der Wind weiter ab und so ziehen wir an dem weiterhin gerefft parallel segelnden Kanadier flott vorbei.

Am Leuchtturm Point Conception ist der Wind dann ganz eingeschlafen, unter Motor runden wir das Kap. Ziemlich abwechslungsreiche Bedingungen heute.

Der Ankerplatz in der Cojo Bay ist relativ offen, das ruhigere Wetter kommt uns also sehr entgegen.

Licht und Wolken geben dann zum Sonnenuntergang noch einmal alles:

😊

Buddyboating und der springende Buckelwal

Die Begegnungen, der Austausch mit anderen, das ist etwas, was wir am Langfahrtsegeln ganz besonders schätzen. Mit ganz viel Glück, wenn die Chemie stimmt und die Reiseroute auch, tun sich zwei Boote für eine Zeit zusammen: Buddyboating.

Es gibt viele nette Aspekte beim Buddyboating. Die gemeinsamen Sundowner, die Gespräche, na klar. Gemeinsam planen.

Gemeinsam lachen, gemeinsam genießen.

Gemeinsame Wanderungen.

Und durch das parallele Segeln eben auch gegenseitige Fotos, damit also auch Bilder von uns auf der Flora …

… , von der Flora unterwegs …

… und zwar auch in Situationen, die wir sonst nie und nimmer hätten einfangen können. Etwa im Morgennebel mit Seeotter am Schiff …

… oder bei der Fahrt von Sea Otter Cove nach Winter Harbour mit einem Buckelwal, der sich ganz in Floras Nähe hoch aus dem Wasser wuchtet und klatschend auf seinen Rücken fallen lässt:

Alle Bilder: Foto Courtesy Melanie und Chris, S/V SolarCoaster.

Ein riesengroßes Dankeschön an Euch beide. Und das nicht nur für die wunderbaren Fotos. Ihr seid klasse!

Um Cape Scott zur Westküste von Vancouver Island

Die Westküste von Vancouver hat den Ruf, besonders schön und wild zu sein. Die von uns bereits besegelten anderen Küstenstreifen von BC haben ja bereits mit diesen Reizen nicht gerade gegeizt. Wenn es also stimmt, dass insbesondere der Norden von Vancouver Islands Westküste dem noch ein i-Tüpfelchen aufsetzen kann, dann müssen wir da wohl hin.

Allerdings gilt hier – mehr noch als ohnehin sonst in BC – der Vorbehalt: wenn das Wetter es zulässt! Den der Weg führt um die Nordwestspitze von Vancouver Island, das berüchtigte Cape Scott.

Zunächst einmal gilt es, überhaupt in dessen Nähe zu kommen. Ruhiges Wetter ist angesagt, das ist gut. Wir tasten uns heran, indem wir vom Maze Inlet aus über das breite Rivers Inlet und Kelp Head herum erst einmal nach Millbrook Cove im Smith Sound segeln. Und trotz der Vorhersage können wir tatsächlich segeln – wenn auch zwischenzeitlich sehr gemächlich. Aber in dem sich nur langsam auflösenden Nebel ist das nicht das Schlechteste.

Beim nächsten Schlag gilt es dann, die Queen Charlotte Strait zu queren und unseren Absprungort auf Hope Island zu erreichen. Dort – in Bull Harbour – können wir das Timing für die Passage der Nahwitti Bar anpassen. Wieder können wir einen größeren Teil der Strecke segeln, weil erneut etwas mehr Wind ist als vorhergesagt.

Steintroll in der Einfahrt zum Naturhafen Bull Harbour
Strand mit reichlich Treibholz und von der Brandung rund geschliffenen Steinen. Das klackernde Geräusch der rollenden zumeist mindestens Hühnerei-großen Kiesel in den zurück weichenden Wellen bleibt uns im Ohr, es ist bis zum Ankerplatz zu hören.
Strand und Wellen von oben

Seekarten und Törnführer sparen nicht mit Warnhinweisen für diese flache Barre, über die das Wasser mit bis zu 5 kn strömt. Da man den nach Westen setzenden Ebbstrom in Richtung Cape Scott benötigt, allerdings praktisch immer von Westen her die Pazifikdünung anrollt, sollte die Nahwitti Bar bei Slack Tide / Stillschweigen überquert werden.

Für uns und unser Buddyboat SolarCoaster heißt das: früh um 5:30 Anker auf. Dankenswerterweise ist diesmal wirklich kein Wind. So kommen wir gut über die Barre und können im spiegelglatten Wasser trotz morgendlichem Dunst neben vielen Wasservögeln (darunter Nashornalke) und Seeottern auch zahlreiche Buckelwale beobachten.

Nashornalke / Rhinoceros Auklets
BuckelwalFluke
Buckelwale um SolarCoaster herum

Haida Gwaii

Eines unserer Ziele für diesen Sommer in British Columbia ist Haida Gwaii. An der Grenze zu Alaska liegen eng bei einander zwei große Hauptinseln und rund 150 kleinere Eilande. Sie erstrecken sich über rund 300 km und sind durch die breite Hecate Strait geografisch klar vom übrigen British Columbia abgetrennt.

Und die Hecate Strait hat es in sich. Sie stellt ein im Schnitt etwa 50 Seemeilen breites Stück offenen Pazifik dar, das aber durch seine Ausrichtung von Nordwest nach Südost die vorherrschenden Winde deutlich kanalisiert. Weil sie außerdem vergleichsweise flache Wassertiefen aufweist, baut sich hier notorisch eine fiese steile Welle auf. Gegen den vorherrschenden Nordwest ist da nichts zu machen. Es ist also gar nicht so sicher, dass wir dort wirklich hin kommen. Und da ist es wieder, das typische Seglerwort: WETTERFENSTER!

Genau ein Tag Südwind taucht in der Vorhersage auf. Grund genug, ordentlich Gas zu geben, um einen möglichst guten Absprungplatz zu erreichen. Das war schon der Grund für den weiten Schlag nach Larkin Point. Und von dort machen wir nochmal Strecke, dieses Mal nach Norden bis in die Harwood Bay auf Campania Island. Eine gute, geschützte Ankerbucht, sozusagen in der zweiten Reihe.

Allerdings: mit 50 sm ist es auch von diesem guten Startort aus nicht getan. Gut das Doppelte wird es werden, denn wir müssen schräg hinauf nach Nordwesten bis Queen Charlotte City und dann hinter dem vorgelagerten Flach noch einmal wieder 13 sm nach Süden bis zum Zielort. Also fahren wir morgens um 5 Uhr los, motoren bei Flaute hinaus zwischen Banks Island und Truch Island in die Hecate Strait.

In der Hecate Street können wir zunächst den Gennaker setzen. Als der Wind auffrischt und südlicher dreht, kommt das Großsegel dazu.

Später wechseln wir bei stärkerem Wind vom Gennaker auf den Code0. Die ganze Segelgarderobe wird durchgelüftet, denn bei weiter zunehmendem Wind müssen wir erst auf die Fock wechseln und später das Groß auch noch ins zweite Reff nehmen. Auch die Welle nimmt deutlich zu.

Aber neben der Arbeit an den Segeln gibts auch unsere Lieblingsabwechslung: Tierbesuch!

Dall-Schweinswale spielen ausgiebig um Flora herum. Trotzdem, es wird ein langer Segeltag. Um 20:30 machen wir die Leinen in Queen Charlotte City / Daajing Giids fest.

Geschafft.

Shoal Bay

Die drei kurz aufeinander folgenden Rapids bringen wir ganz gut hinter uns. Entsprechend der Angaben im Revierführer sind wir eine Stunde vor Stillwasser an den Yuculta Rapids. Es strömt uns ordentlich entgegen, aber als wir uns ab Harbott Point eng am Ufer von Stuart Island halten, können wir vom dortigen Neerstrom profitieren, der uns bis Kellsey Point schiebt. Hier wechseln wir hinüber auf die andere Seite und versuchen dabei die uns fast 40 Grad hin und her drehenden Whirlpools einfach zu ignorieren. Dicht am anderen Ufer gibt’s wieder eine Zeit lang nordsetzenden Neerstrom, dann müssen wir wegen der Felsen ins Fahrwasser wechseln und uns noch eine Dreiviertel Meile mit zwei bis drei Knoten Gegenstrom in die Big Bay kämpfen. Auch in der kurzen Gillard Passage haben wir noch Gegenstrom, aber danach ist Stillwasser und das gilt auch noch, als wir 2 Meilen weiter die Dent Rapids passieren. Alles in allem ganz gut getimt, 10 Minuten später wäre vielleicht noch besser gewesen, aber: wer weiß? Wir sind jedenfalls problemlos durchgekommen.

Kurz nach den Dent Rapids springt genau zwischen der Flora und dem ein Stück vor ihr fahrenden Segelboot mehrfach ein Buckelwal. Immer wieder ein tolles Erlebnis, wenn sich diese riesigen Meeressäuger aus dem Wasser wuchten und zurück in das Meer klatschen.

6 Seemeilen weiter biegen wir dann schon ab zu unserem Ziel, dem Public Dock in der Shoal Bay.

Hier liegen wir sehr geschützt (die nächsten Tage soll es nämlich ordentlich aus Nordwest blasen) und haben zugleich ein wunderbaren Ausblick in den gegenüber liegenden Phillips Arm und die dahinter aufragenden hohen Berge.

Bei dem vorhergesagten Nordwest von 25 bis 35 kn macht es keinen Sinn, weiter in Richtung Johnstone Strait zu fahren. Statt dessen genießen wir die ruhige Shoal Bay, fahren wieder Paddelboard und wandern den Trail in Richtung der stillgelegten Goldmine oben in den Bergen hinter der Bucht. Den Pfad müssen wir mehrfach suchen, entdecken dabei aber zum Beispiel auch eine Wild-Kamera und Reste einer eisenummantelten hölzernen Wasserleitung aus den Zeiten der Goldmine.

Cynthia und Mark betreiben ein kleines Airbnb mit drei liebevoll eingerichteten Hütten an der Shoal Bay und ihre Gastfreundschaft schließt die Boater vom Public Dock mit ein. So treffen sich die Gäste des Airbnb und die im Laufe der windigen Tage zahlreicher werdenden Besatzungen der Boote zum Sundowner auf der Terrasse, am Samstag werfen die beiden dort sogar ihren holzbefeuerten Pizza-Ofen an und stellen den selbstgemachten Teig, wir bringen nur den jeweils gewünschten Belag mit. Es wird ein wunderschöner Abend, wie überhaupt die Stimmung hier einfach wunderbar entspannt ist.

Wir dürfen sogar im Gemüsegarten von Cynthia und Mark Salat und Rhabarber ernten 😁.

Auch die Bootsarbeit kommt nicht zu kurz. Wo wir mal wieder am Steg liegen, nehmen wir uns den blauen Streifen auf der Steuerbordseite vor (Backbord hatten wir ja in Campbell River schon bearbeitet). Mit der Poliermaschine und per Hand wird das ausgekreidete Blau wieder auf Hochglanz gebracht – war auch mal wieder Zeit.

Außerdem wird gebacken. Lecker. Und was zu schauen gibts auch: mehrfach fahren riesige Logging-Flöße an der Shoal Bay vorbei in Richtung der Rapids. Jeweils gleich zwei Schlepper mühen sich mit ihnen ab, einer zieht, einer ist hinten wohl eher für das sichere Manövrieren in den engen Stromschnellen zusätzlich dabei. Das Floß selber (ohne Schlepper und Schleppleine) ist alleine schon gut 250 m lang. Wir sind froh, dem nicht in den Rapids begegnet zu sein.

Ein beeindruckender Anblick ist es aber trotzdem.

Anan Wildlife

Nach den Erfahrungen mit Pack Creek wollen wir uns das Anan Wildlife Observatory nicht entgehen lassen. Wie in Pack Creek bietet sich hier die Gelegenheit, wilde Bären in ihren natürlichen Habitat zu beobachten. Hier ist sogar eine der wenigen Gelegenheiten, gleichzeitig Grizzlybären und Schwarzbären im selben Fluss fischen zu sehen. Auch im Anan Wildlife Observatory sind Ranger stationiert, allerdings nur bis zum 25. August. Danach (also jetzt) ist man auf sich allein gestellt. Die Chance auf Bären ist trotzdem noch gut, zumal die Lachse in diesem Jahr später ziehen und deshalb noch unterwegs sind. Entsprechend werden auch immer noch Speedboat-Touren von Wrangell nach Anan angeboten.

Wir entscheiden uns allerdings dafür, mit Flora vor dem Anan Creek zu ankern. Nicht ganz trivial, weil der Ankergrund dort steil abfällt, aber das Wetter ist ruhig angesagt und wir können den Ankerplatz (mit Ankeralarm und zusätzlichem Tiefenalarm) am Abend und in der Nacht ausgiebig testen, bevor wir Flora am nächsten Morgen für die Wanderung zum Beobachtungspunkt allein lassen.

Ruhiges Wetter heißt nicht zwingend schönes Wetter: es regnet mal wieder im Regenwald 😉

Die Wanderung ist trotzdem schön, aber: Bären lassen sich leider nicht blicken. Weder Grizzlybären noch Schwarzbären. Wir warten lange, aber vergeblich. Vielleicht wissen die Bären mehr als wir, etwa, dass der durch den Regen stark angeschwollene Fluss jetzt für die Lachse zu reißend ist oder dass sie sich dadurch heute nicht so leicht fangen lassen.

Was wir allerdings in großer Zahl zu sehen bekommen sind Adler. Nicht nur DER tägliche Weißkopfseeadler, In dieser Häufung hatten wir sie noch nie. Die Bäume, die Felsen am Ufer, der Strand: Alles voller Weißkopfseeadler. Nicht alle sind leicht als solche zu erkennen, denn erst mit 5 Jahren hat ihr Federkleid die schlicht dunkle Farbe mit weißem Kopf und Schwanz. Bei den ganz jungen Vögeln weisen noch nicht einmal der Schnabel und die Füße die später so markant gelbe Farbe auf.

Groß sind die Vögel trotzdem schon. Auf den Bildern geht das leicht unter, weil die Dimension zum Vergleich fehlt. Deshalb hier ein Bild noch aus der Adlerpflegestation in Sitka: Wiebke steht vor der originalgroßen Abbildung eines Osprey (Fischadler), darüber der Golden Eagle und darüber der Bald Eagle (Weißkopfseeadler)!

Zurück zum Anan Creek: Mindestens 13 von ihnen verstecken sich auf diesem Bild:

Für die nächsten Tage sieht es nach ziemlich viel Wind aus, da müssen wir uns einen geschützteren Platz wählen. Wir entscheiden uns für Meyer‘s Chuck, das bringt uns auch ein Stück weiter nach Süden, schließlich sollten wir uns so langsam mal auf den Abschied von Alaska vorbereiten.

Auf dem Weg zum Naturhafen von Meyer‘s Chuck bekommt Wiebke gleich mehrere Geburtstagsgeschenke (nach hiesiger Zeit vorgezogen, nach deutscher Zeit aber pünktlich). Zunächst sehen wir diverse Regenbögen, darunter wieder einen ganz flachen (wie entstehen die eigentlich?) und einen extrem farbintensiven.

Dann gibts zur Abwechslung mal guten Segelwind (in Alaska bisher eine Rarität).

Und last not least: als wir gerade einen Angelstop auf einem Untersee-Plateau machen wollen, tauchen nur zwei Bootslängen entfernt Buckelwale auf und veranstalteten ihre „hier fischen wir“-Show.

So nah, dass wir in ihrem weit aufgerissenen Maul nicht nur die Barten und Zunge oder Gaumen erkennen können, sondern in der Gischt daneben sogar die wenigen kleinen Fische, die ihrem Keschereinsatz noch gerade entkommen sind und auf die sich deshalb gleich die schon über den Walen kreisenden Möven stürzen.

🎁 😊

Wal, Wal, Wal

Was für eine Show! Wir sehen praktisch jeden Tag Buckelwale und bereitet uns jedes Mal eine große Freude, aber so hatten wir das noch nicht.

Auf unserem Weg durch den Frederick Sound zeigen uns zunächst einzelne Wale einen Blas oder ab und zu mal (bevor sie tief abtauchen) eine Fluke. Dann aber tauchen vor uns die Rückenflossen von mindestens 10 Walen gleichzeitig auf, weitere folgen in kurzem Abstand. Dann die Fluken und sie sind alle weg.

Rechts im Hintergrund der 2.767 m hohe „Devils Thumb“, so steil, dass kein Schnee darauf zu haften scheint

Da wird doch wohl – da könnte doch … Wir lassen Flora mit laufendem Motor treiben und warten ab. Dann beginnt das Spektakel. Ein Stück voraus scheint das Wasser zu kochen, Möven kreisen darüber. Und dann schieẞen die Wale in diesem Kreis mit weit geöffnetem Maul dicht an dicht gedrängt in die Höhe: Bubble-Net-Feeding!

Gleich mehrfach dürfen wir eine Gruppe von 15 bis 20 Buckelwalen bei dieser ganz besonderen, aufwändig koordinierten Jagdtechnik beobachten. Die Wale treiben einen großen Schwarm von Beutefischen zusammen und lassen dann aus ihren Atemlöchern – choreografiert von einem Leittier – einen dichten kreisförmigen Vorhang aus Luftblasen entweichen. Aus dem so gebildeten Kessel können die Beutetiere nicht mehr fliehen und die Walgruppe stößt nun mit aufgerissenen Mäulern gemeinsam nach oben.

Zig Tonnen Wasser kann ein einzelner Buckelwal dabei filtern, spezielle Falten im Unterkiefer sorgen für extra Volumen. Diese Wale haben keine Zähne und können ihre Beute nicht zerkleinern. Durch ihren Schlund passen nur Fische, die maximal einen Durchmesser einer Pampelmuse haben. Mit ihren Barten seihen sie diese Beute aus dem Wasser, größerer Fang wird einfach wieder ausgespuckt.

Fasziniert beobachten wir das Bubble-Net-Feeding, wieder und wieder. Irgendwann löst sich die Gruppe dann auf und die Wale schwimmen in verschiedene Richtungen auseinander. Einige scheinen (zum Glück in einiger Entfernung) Freudensprünge zu vollführen und wuchten ihren massigen Körper mehrfach ganz aus dem Wasser.

Andere schwimmen dicht an uns vorbei und tauchen dann ab, wie um uns Zuschauern zum Abschied noch einmal huldvoll mit der Fluke zuzuwinken.

Danke für die Vorführung und den Platz in der ersten Reihe!

😊🙏

Nantucket

Nantucket. Oder: Weißer Wal statt Weißer Hai.

Etwa 27 sm sind es von Edgartown auf Martha´s Vineyard nach Nantucket, dem einzigen Ort in den USA, bei dem Stadt, County (Landkreis) und Insel gleich heißen. 27 sm zwischen der Insel, auf der “Der Weiße Hai” gedreht wurde und der, wo der Autor Beter Benchley lebte und seinen zugrunde liegenden Roman schrieb. Für uns wird die Strecke etwas weiter, denn wir müssen gegen den Wind aufkreuzen. Da ist bei dem herrschenden herrlichen Segelwetter allerdings ein Vergnügen, trotz der zahlreichen Flachs, auf die wir bei unseren Schläge aufpassen müssen.

Was erwartet uns auf/in Nantucket? Ein alter Walfangort, das haben wir aufgeschnappt. Ein anderer, bekannterer Autor namens Herman Melville wird präsent sein, schließlich heuerte er hier erstmals auf einem Walfangschiff an und ließ hier auch den Ich-Erzähler Ismael an Bord der Pequod von Kapitän Ahab gehen als er in seinem großen Roman Moby Dick (Der weiße Wal) sowohl eigene Erlebnisse als auch das tragische Schicksal des Walfangschiffes Essex verarbeitete. Und sonst? Wir stellen es uns beschaulicher, kleiner, weniger exclusiv als das schicke Martha`s Vineyard vor. Das letztere erweist sich als nicht richtig 😉.

Zunächst mal, die Ansteuerung und der Naturhafen selbst weisen einige Ähnlichkeit auf. Dann aber kommt Nantucket grauer daher, statt der weißen Kapitänshäuser in Edgartown säumen fast nur mit edel ergrauten Holzschindeln verkleidete Häuser die Hafenfront.

Wir lernen aber schnell, dass das der Exklusivität keinen Abbruch tut. Nicht nur sind die Bojenpreise mit 95 Dollar pro Nacht doppelt so hoch wie noch in Edgartown, auch mehrere Superyachten an der Pier geben einen gar nicht mal so dezenten Hinweis.

Trotzdem: Nantucket zieht auch uns sofort in seinen Bann. „Das weit entfernte Land“, so die Bedeutung des Namens in der Sprache der Wampanoag-Indianer, hat aus seiner relativen Abgelegenheit früh eine Tugend gemacht und sich ab etwa dem Jahr 1700 auf den Walfang konzentriert, sich bis in das 19. Jahrhundert hinein zur Walfanghauptstadt der Welt entwickelt und damit großen Wohlstand auf die kleine Insel gebracht. Heute ist Nantucket Seebad und Erholungsort, die Immobilienpreise übersteigen die von Martha´s Vineyard nochmal deutlich (wir haben kaum ein Haus unter 3 Mio. Dollar gesehen!) und wirkt trotzdem zumeist eher historisch schmuck als stylisch aufgehübscht.

Das setzt sich in den Details fort. Viele der Dachrinnen der alten holzverkleideten Gebäude sind ebenfalls aus Holz, wenn auch meist weiß lackiert und daher nicht so gut zu erkennen wie hier:

Diverse Straßen in der Stadt weisen altes Kopfsteinpflaster auf, wobei zumeist die Steine als Ballaststeine auf den Segelschiffen hierher gelangt sein sollen. Jedenfalls wird auch das Pflaster originalgetreu und aufwändig instand gehalten.

Ein weiteres Detail: die alte Apotheke kommt nicht nur optisch historisch daher, sondern hat in ihrem Inneren auch heute noch einen „Soda Fountain Food Counter“, bietet also Frühstück und Lunch an, früher gerne auch mit Kokain und Koffein erstellte Getränke gegen Kopfschmerzen (so entstand ursprünglich Coca Cola beim Apotheker John Pemberton in Atlanta). Eigentlich wird am Tresen verzehrt, wie es ehedem eben in (amerikanischen) Apotheken üblich war, nur jetzt in Covid-Zeiten lediglich To-go.

Schade auch, dass Corona selbst unser Frühstück in dem kleinen netten „Corner Table“-Café in ein Selbstbedienungs-Plastikorgien-Bagelbasteln auf der schönen Gartenterrasse des Cafés verwandelt (lecker ist es trotzdem).

Verwöhnt werden wir dafür mit herrlich altmodischen Shops wie dem Schiffsausrüster „Brant Point Marine“ (von außen und zum Hindurchschauen)

sowie in der liebenswerten kleinen Buchhandlung an der Main Street, wer würde hier nicht ein bisschen stöbern wollen:

Natürlich darf in der (zum Glück ehemaligen) Welthauptstadt des Walfangs ein Walfangmuseum nicht fehlen und anders als so viele andere Museen ist das kleine aber gut gemachte Whaling Museum sogar trotz Covid geöffnet.

Neben dem eigentlichen Walfang (Schwerpunkt: Pottwalfang von Nantucket aus) setzt es sich auch mit den damit zusammenhängenden Themen wie der Scrimshaw-Gravur auf Pottwahlzähnen sowie sozialen Aspekten auseinander, etwa dass die Verdingung auf Walfangschiffen eine der wenigen Möglichkeiten für Nicht-Weiße war, ungefähr die gleiche Bezahlung wie Weiße zu erhalten. Nicht nur auf der beispielhaft angeführten fiktiven Pequod in Moby Dick waren Walfangcrews oft ausgesprochen divers zusammengesetzt.

Außerdem punktet das Museum mit einer Dachterrasse, von der man den Ort und Teile der Bucht überblicken kann, selbst die Flora können wir genau in der Lücke zwischen zwei Dächern erspähen.

Hoch über dem Museum weht als gut zwei Meter große Windfahne – na klar – ein Pottwal.

“Thar she blows!”

Überhaupt findet sich der Leviathan überall im Ort, mal als Allegorie auf sehr einseitiges besessenes Streben, als Meditation über Amerika (auch so kann “Moby Dick / or, The Whale” gelesen werden, wohl nicht zufällig hat Melville auf der ersten Seite seines Romans ein von Kommerz umgebenes Manhattan beschrieben), mal groß, mal ganz klein als Türklopfer, mal deutlich erkennbar, mal monsterhaft verfremdet.

Die Spiegelungen auf den Türen kommen übrigens von den hier in Neuengland häufig vor den eigentlichen Haustüren angebrachten (oft zumindest teilweise gläserernen) „Stormdoors“ bzw. „Screendoors“.

Aber nicht nur die Vergangenheit des Ortes wird künstlerisch kreativ aufgearbeitet, auch die Gegenwart als entspanntes Seebad findet sich motivisch wieder. Zum Beispiel so: