Auf der Straße … nach Mendocino

Die California State Route 1 (kurz CA1) wird oft auch Highway 1 genannt, führt über 1.000 Kilometer lang in Nord-Süd-Richtung durch Kalifornien. Auch die Großstädte San Francisco und Los Angeles liegen an der CA1. Vor allem aber führt die Strecke oft dicht am Pazifik entlang und bietet dabei spektakuläre Ausblicke auf den Ozean und die abwechslungsreiche Küstenlinie. Damit hat sie sich die Auszeichnung „National Scenic Byway“ verdient und wird auch immer wieder als eine der „Traumstraßen der Welt“ genannt.

Na, wenn wir schon mal wieder ein Auto haben und in der Nähe sind …

Von Healdsburg aus fahren wir noch ein ganzes Stück durch Weinanbaugebiete, dann aber durch den „Armstrong Redwood State National Reserve“ hinüber an die Küste. Bei Jenner biegen wir auf die CA1 ab und folgen ihrem Verlauf nach Norden. Wie so oft hängt Nebel über der Landschaft, scheint die Farben zu verschlucken.

Spektakulär ist es trotzdem.

Wir halten an und machen eine kleine Wanderung auf dem „Vista Trail“. Schon Albert Hammond verkündete ja: „It Never rains in (Southern) California“, aber ganz ohne Feuchtigkeit gebe es an der Küste nicht die berühmten Redwood Trees. Tatsächlich sind die Coastal Redwoods abhängig von der klimatischen Besonderheit der tiefhängenden, über die Küstengebirge ziehenden Wolken, sie beziehen die Hälfte ihres Feuchtigkeitsbedarfs aus dieser Quelle. Und nicht nur die Bäume, auch Sträucher und Blumen fangen die Tröpfchen aus der Luft und halten sich damit in dieser eigentlich so trockenen Gegend am Leben. Die Tautropfen fangen sich malerisch auf Ferkelkraut, oder besonders auffällig in Spinnennetzen …

Auch die eigentlich aus Südafrika stammende Belladonnalillie scheint sich daran zu laben, sie ist wildwachsend hier an der Küste weit verbreitet.

Schön auch der Kalifornische Mohn (mit Spottet Cucumber Beetle drauf):

Wie so oft beginnt sich auch heute der Nebel langsam aufzulösen,

die schroffen Felsformationen an der Küste werden immer besser sichtbar.

Als wir am Point Arena Leuchtturm ankommen, ist der Nebel weg, dafür aber Dunst in der Luft (neben der Gischt) schon deutlich zu riechen, die Waldbrände Landesinneren machen sich bemerkbar.

Spannend: wenn die Straße wegen einer Flussmündung einen kleinen Knick in ein Tal Richtung Landesinneres macht, ändert sich schlagartig die Vegetation. Mikroklima. Mal sehen wir Redwoods, dann fahren wir durch Kieferwälder oder die Straße ist gesäumt von Zypressen.

Aber was für eine Fahrt, was für eine wunderbare Straße, was für ein Erlebnis.

Mendocino liegt auf einer Halbinsel westlich der CA1. Hier also verlassen wir die Traumstraße und biegen ab in den Ort, der fast vollständig als „National Historic Preservation District“ unter Denkmalschutz steht. Und so hat sich das Ortsbild in den letzten gut hundert Jahren wohl tatsächlich kaum geändert. Eine Besonderheit fällt sofort ins Auge: Wassertürme und Windrad-Fördertürme für Brunnen.

Noch heute gibt es in Mendocino keine zentrale Wasserversorgung. Jedes Haus muss entweder einen Brunnen haben (aus dem das Wasser heute dann aber zumeist mit elektrischen Pumpen gefördert wird) oder Trinkwasser per Tankwagen beziehen.

Beim Frühstück auf der Terrasse im ersten Stock schauen wir denn auch auf Fuchsien, die bis hier hoch gewachsen sind und auf den dahinter stehenden historischen Wasserturm des Nachbarhauses.

Und der Ort Mendocino selbst? Schmuck und reich verziert.

Aber nicht nur die historischen Holzhäuser machen den Charme des Ortes aus, die Lage auf den Klippen der Halbinsel, das besondere Licht durch das umgebene Meer, die hohe Brandung und die in der Steilküste versteckten Sandstrände und Felsenbrücken, all das lockt Besucher auf die schönen und vielfältigen Klippen-Wanderwege und es inspiriert offenbar auch eine Vielzahl von Künstlern.

Malen können wir leider beide nicht, aber ein bisschen in Mendocino verliebt haben wir uns trotzdem.

Jedenfalls kommt „Mendocino“ auf die schon ziemlich lange Spotify-Playlist unserer Reise, allerdings nicht die deutsche Version des namensvergesslichen Michael Holm, der nach dem Liedtext ja die Straße nach Mendocino täglich fährt. Deutsche Schlager sind tatsächlich schon genug darauf, deshalb nehmen wir das (allerdings ebenso Hammond-Orgel-dominierte) Original des Sir Douglas Quintett.

😊

Unter der Golden Gate Bridge hindurch nach San Francisco …

… das ist schon ein Träumchen.

Um das zu verwirklichen, ist der nächste Schritt von Crescent City aus ein etwa zwei Tage (und zwei Nächte) dauernder Törn um Kap Mendocino herum zur Drakes Bay. Wir nehmen in Kauf, dass wir eventuell einen größeren Teil davon unter Motor zurücklegen müssen. Aber wir haben Glück mit dem für seine Starkwinde bekannten Kap Mendocino, doppeltes Glück sogar: zunächst einmal begleiten uns bei spiegelglattem Wasser Pazifische Weißstreifendelfine (mit Kussmund-Zeichnung) um das Kap …

… und dann setzt kurze Zeit später segelbarer Wind ein. Eine Zeitlang fahren wir den Gennaker, die “Joy” unserer Segelfreunde Arianne und Michiel lüftet sogar das Besanstagsegel ihrer Contest 38 und fährt damit gleich vier Segel gleichzeitig:

Der Wind wird uns für den Rest des Törns nicht mehr verlassen, sondern entgegen der ursprünglichen Vorhersage weiter zunehmen, die bunte Pracht weicht also schon bald gerefften weißen Tüchern.

In die Ankerbucht der Drakes Bay laufen wir nach dem rund 40 Stunden dauernden Törn fast zeitgleich ein. Ein paar Stunden später gesellt sich die “Fidelis” von Jeanette und Jeroen dazu. Witzig, alle drei Yachten haben zusammen in Campbell River überwintert.

Der Stop in Drakes Bay gibt uns Gelegenheit auszuschlafen und den nur knapp 30 sm langen verbleibenden Schlag nach San Francisco mit mitlaufender Tide zu gestalten. Jeder kalkuliert ein bisschen anders: als wir Anker auf gehen, ist die Joy schon 6 sm voraus. Die Fidelis wiederum lässt uns einen ähnlichen Vorsprung.

Wir können segeln, aber zunächst löst sich die tief hängende Wolkendecke nur sehr zögerlich auf.

Am Point Bonita Lighthouse vorbei, der erste Blick auf die Golden Gate Bridge. Die Spitzen der Pfeiler sind noch in den tiefhängenden Wolken (oder ist es Hochnebel) verborgen.

Aber dann reißt der Himmel immer mehr auf, Gänsehaut, wir passieren die Golden Gate Bridge:

Nach der ersten vorsichtigen Durchfahrt unter Motor drehen wir gleich wieder um, nehmen die Segel hoch. Bei dem Wetter, das können wir doch jetzt auch unter Segeln genießen. Wir kreuzen wieder zurück. Wiebke hat pünktlich für San Francisco ihren Sommer-Pullover fertig gestrickt (mit Blumenmuster, wenn wir schon keine Blumen im Haar tragen).

Passt doch!

Und jetzt kommt auch die Fidelis an, wie wir zunächst unter Motor. Sie machen Fotos von der ihnen entgegen segelnden Flora …

…, drehen dann um, nehmen die Tücher hoch und lassen sich von uns vor der Golden Gate Bridge fotografieren:

Nach der Fotosession geht’s gemeinsam zum Ankerplatz im Aquatic Parc, ganz nahe am historischen Zentrum von San Francisco gelegen und mit Blick auf die Gefängnisinsel Alcatraz. Eigentlich eine Badebucht mit Sandstrand und mehreren Schwimmclubs, aber nach Online-Reservierung unter http://www.recreation.gov können wir hier für fünf Nächte direkt in der Stadt ankern.

Danke, San Francisco, für den netten Empfang.

Rund Vancouver Island: weitere Eindrücke von der Westküste

Verwöhn-Segeln, Flauten-Motoren, 2. Reff im Nebel. Die Küste mal schroff, mal lieblich, mal mit Sandstrand, mal mit skurriler Felsen-Landschaft. Grün und Grau. Inselwirrwarr, schnuckelige kleine Orte oder jetzt gerade die Großstadt Victoria.

Gemeinsam mit Floras Buddyboat, der SolarCoaster, machen wir die Runde um Vancouver Island komplett. Auf Noforeignland sieht unser (engerer) Track um die große Insel jetzt so aus:

Seit wir Ende April in Campbell River wieder losgefahren sind, haben wir 1.688 weitere Seemeilen in British Columbia geloggt. So langsam naht der Abschied aus Kanada, aber ein paar Wochen sind es noch. In der ersten Augustwoche ist noch ein kurzer Werftaufenthalt geplant. Ein paar Seeventile sollen getauscht und das Unterwasserschiff fit für die Fahrt nach Süden gemacht werden.

Aber noch ist es nicht ganz so weit.

Seit Hot Spring Cove haben wir noch einmal die ganze Vielfalt der wilden Westküste genießen können. Erst einmal zieht es uns wieder tief hinein in die Insel. Wir segeln in das Shelter Inlet. Dieser Fjord führt hinter Flores Island herum und versteckt ganz an seinem Nordende die schmale und erst aus der Nähe überhaupt erkennbare Einfahrt in die Bacchante Bay. Spektakulär mit ihren steilen Gebirgsflanken und den vom Logging verschonten Wälder (Strathcona Provincial Park).

Das ausgedehnte Flach im Scheitel der Bucht ist das Delta des Watta Creek. Wir erkunden ihn ein ganzes Stück mit dem Dinghy, bis das steinige Bachbett einfach zu flach wird.

Am nächsten Morgen gehts mal wieder früh raus. Wir wollen durch die Sulphur Passage östlich an Obstruction Island vorbei, das geht nur um Stillwasser herum. Wie so oft herrscht am frühen Morgen absolute Flaute. Landschaft und Wolken verdoppeln sich im Spiegel des Wassers.

Die Passage selbst ist tief, es macht also nichts aus, dass es Niedrigwasser-Still ist, sondern bietet eher den Vorteil, die sonst überspülten Felsen rechts und links des Fahrwassers erkennen zu können und durch das aufschwimmende Kelp die schmale Rinne gut sichtbar markiert zu finden.

Nachdem die Engstellen passiert sind, geht es 10 Meilen den Millar Channel hinunter, bevor wir uns bei Vargas Island um Flachstellen und Felseninseln herum in den offenen Pazifik manövrieren können. Hier wechseln sich schroffen Steinküste und ausgedehnte Sandstrände ab, während im Hintergrund schneebedeckte Berge das Panorama bilden.

Unter Gennaker segeln wir an der Küste hinunter – traumhaft der Blick auf den Gebirgszug.

Wir lassen Tofino, dass wir ja schon von Land aus besucht hatten, an Backbord liegen. Ebenso den berühmten Ganzjahres-Kaltwasser-Surferstrand Long Beach. Unser Ziel ist das etwas südlicher gelegene und weniger touristische Ucluelet.

Der tägliche Weißkopfseeadler. In Ucluelet einer von ziemlich vielen.

Genau richtig, um im Supermarkt mal wieder die Frisch-Vorräte aufzustocken und am nächsten Tag vor der Abfahrt noch einen schönen Hike auf einem Teil des West Pacific Trail zu unternehmen.

Fischotterweibchen mit Jungtier

Danach dann aber flott los: der Nebel hat sich aufgelöst. Wind ist allerdings fast keiner, unter Motor fahren wir in Richtung der Broken Island Group.

Die Broken Islands bieten reichlich geschützte Ankerplätze, allerdings auch ein Gewirr von einigen passierbaren und vielen nur für Kayaks geeigneten Passagen. Wirklich ein Labyrinth.

Am Ankerplatz treffen wir auf die „New Era“, Freunde von Melanie und Steve, die aus Port Alberni mit ihrem kleinen Motorboot hier her gekommen sind. Gemeinsam verbringen wir den Abend auf der SolarCoaster und verabreden uns für den nächsten Tag im nur wenige Meilen entfernten Bamfield. Sehr gut: bevor wir hineinkommen, angeln wir uns einmal mehr Lachs: zwei (allerdings etwas kleinere) Spring-Salmon gehen an den Haken. In Bamfield macht dann die Crew der New Era den Tourguide, Liz und Darren nehmen uns mit auf den Hike durch den schmucken Ort, weiter zum Brady Beach mit seinen imposanten Felsformationen und dem herrlichen Sandstränden. Danach ist ein Tisch im einzigen Restaurant am Ort reserviert und zum Abschluss gibts Cocktails und „Nanaimo-Bar“ Nachtisch bei Liz und Darren. Wir werden rundum verwöhnt.

Dann folgt wieder einmal Nebel-Segeln. Mal licht, mal dichter. Aber immerhin müssen wir auf dem Weg nach Port Renfrew die Maschine ganz überwiegend nicht einsetzen.

Port Renfrew ist hauptsächlich auf kleine Motorboote ausgerichtet, aber für uns Segler findet sich am äußeren Steg auch noch ein Plätzchen. Das Bild des leeren Hafens täuscht, als wir zu unserer Wanderung aufbrechen wollen, sind die Angelboote alle schon ausgelaufen.

Wir haben Glück, Hafenmeister Simon fährt uns mit seinem Auto die 4 km zum Juan de Fuca Park und holt uns sogar wieder ab. So können wir die geologischen Besonderheiten dort in aller Ruhe erwandern. Im Tidenbereich finden sich unzählige Pools, die wie Aquarien in der Felslandschaft wirken. Bei Abfahrt vom Hafen scheint die Sonne, hier aber sorgt Nebel für eine ganz besondere Stimmung.

Als wir gegen Mittag zurück im Hafen ankommen, hat auch hier der Nebel Einzug gehalten. Unter Radar segeln wir aus der Bucht heraus, denn trotz Nebel weht es ordentlich.

Ziel ist die Becher Bay an der Südspitze von Vancouver Island, rund 40 Meilen weiter im Westen, wir können also den Wind ganz gut gebrauchen, denn wegen der Tide in der Streit of Juan de Fuca können wir erst am frühen Nachmittag aufbrechen. Zum Glück lichtet sich der Nebel nach ein paar Stunden, vor dem Wind rauschen wir dahin.

Am Abend erwartet uns am Ankerplatz eine Überraschung: Melanie hat an unseren 24. Hochzeitstag gedacht und verwöhnt uns mit einer Apple Pie.

Bei der Weiterfahrt nach Victoria bleiben wir heute von dem hier so häufigen Nebel sogar ganz verschont. Nur drüben auf der amerikanischen Seite der Strait zeigt sich etwas Hochnebel.

Und jetzt: zur Abwechslung mal Großstadt. Wir sind gespannt auf Victoria.

Blau in Grau.

Nebel. Als wir um 5 Uhr morgens den Anker hochnehmen, bescheint das morgenwarme Licht der Sonne die Spitzen der Berge um die Ikeda Cove. Aber kaum streckt Flora ihre Bugnase aus der Bucht, wird die Sicht auf die Sonne von Nebel fast verschluckt, durch diffuses Licht hindurch ist sie kaum mehr als zu erahnen. Na gut, „patches of fog“ hatte der kanadische Wetterbericht angesagt. Also Radar an und durch. Immerhin ist genügend Wind für den Gennaker und so setzen wir die blaue Blase.

Der Gennaker soll uns helfen, die gut 100 sm über die Hecate Strait einigermaßen flott zu bewältigen, obwohl der Wind zumindest für die erste Hälfte eher schwach vorhergesagt ist.

Zunächst scheint sich die Sonne doch langsam durch das schwammige Grau zu brennen …

… aber: zu früh gefreut. Die Nebelsuppe wird wieder dichter und bleibt uns leider auch den ganzen Tag erhalten. Klamme feuchtkalte Luft auf der ganzen Passage.

Wenigstens stimmt die Windvorhersage. Abgesehen von einer guten Stunde Motorfahrt am Nachmittag reicht es durchgehend zum Segeln, gegen Abend frischt die Brise dann sogar etwas auf. Trotzdem, unseren Ankerplatz erreichen wir erst nach Mitternacht. Dass wir uns im Dunkel hinein tasten spielt eigentlich keine Rolle, der Nebel ist nämlich auch jetzt noch ziemlich dick. Sicht null, das Radar ist gefragt. Aber die Einfahrt in den schmalen Day Island Ankerplatz ist schnurgerade und damit kein großes Problem.

Heute empfängt uns auch nach langem Ausschlafen erst mal gleich wieder dunstiges Grau:

Aber anders als gestern setzt sich die Sonne dann durch. Als wir aus der Ankerbucht fahren, liegen (außer der direkt hinter uns) nur weit voraus auf unserem Weg noch eine Nebelbank, die sich als wir auf sie zu segeln immer weiter zurück zieht und schließlich ganz auflöst.

Blau in Blau.

😊

Cruising Haida Gwaii

Die Haida Nation gilt als kämpferisch. 1985 stellten sie das einmal mehr unter Beweis, wenn auch diesmal auf friedliche Weise. Mit Sitzblockaden erkämpften sie einen Stop des intensiven Holzeinschlags auf Lyell Island und weiteren Teilen von Haida Gwaii durch die großen Logging-Gesellschaften. Die hatten zwar von der kanadischen Regierung ausgestellte Einschlag-Lizenzen, aber die Haida betrachten das gesamte Gebiet als ihr eigenes Territorium. Die Blockierer wurden verhaftet, aber die Aktionen brachten Aufmerksamkeit: der Fokus der Öffentlichkeit richtete sich auf drohende Vernichtung wesentlicher Kulturgüter der Haida sowie des uralten Baumbestandes durch eine nicht wirklich als nachhaltig zu bezeichnende Holzwirtschaft. Letztlich war der friedliche Protest erfolgreich. Fast das gesamte südliche Haida Gwaii wurde 1988 zum „Gwaii Haanas National Park Reserve and Haida Heritage Site“ erklärt. 1.470 Quadratkilometer groß und mit einigen Besonderheiten. So verweist das „Reserve“ auf die Nutzungsrechte der lokalen indigenen Völker, außerdem erfolgt die Verwaltung wegen der noch immer umstrittenen Besitzrechte gemeinsam durch die kanadische Regierung und den „Council of the Haida Nation“. Straßen gibt’s in Gwaii-Haanas übrigens keine. 😊

Mit dem Protest einher oder von diesem jedenfalls verstärkt ging auch eine Wiederbelebung der auch nach außen getragenen indigenen Kultur. Beispielhaft dafür steht das traditionelle Langhaus, das 1985 im Protestcamp errichtet wurde. An seiner Seite wurde zur Würdigung der Proteste und der erfolgreichen Zusammenarbeit 2013 der seit Jahrzehnten erste monumentale, neu geschnitzte „Legacy Pole“ aufgestellt.

Wir melden uns über Funk bei den Haida-Watchman an und besuchen von Murchison Island aus kommend diesen historischen Ort an der Windy Bay / Hlk‘yah GawGa.

Eine andere Besuchergruppe ist gerade dort. Da nur maximal 12 Besucher vor Ort sein sollen werden wir gebeten, zunächst auf der anderen Seite der Bucht die Jahrhunderte alte Spruce (Fichte) zu besichtigen. Das passt gut, denn dort können wir uns einer geführten kleineren Gruppe anschließen, sehr informativ für uns, zumal Guide James spannend und unterhaltsam auch über die Geschichte des Protests berichtet.

Danach lösen wir uns von der Gruppe und machen einen wunderbaren Spaziergang um die Bucht herum durch den Urwald hin zum von den Protestlern errichteten Langhaus, genannt “Looking Around and Blinking”.

Legacy Pole voller Symbolik, z.B. die untergehakt sitzenden Protestler (in Gummistiefeln) mit einem barfüßigen Ahnen in ihrer Mitte.

Den nur bei gutem Wetter geeigneten Tagesankerplatz der Windy Bay (sic!) verlassen wir dann wieder und segeln – unseren alten Kurs kreuzend – herrlich unter Gennaker bis in die Sac Bay. Hier treffen wir Melanie und Chris mit ihrer “Solar Coaster” wieder. Die beiden Kanadier hatten wir schon im Crescent Inlet und in Murchinson Cove jeweils kurz gesprochen, hier verbringen wir erstmals mehr Zeit miteinander, verstehen uns richtig gut und werden auch die nächsten Tage jeweils die gleichen Ankerplätze wählen (und uns unterwegs gegenseitig fotografieren).

Flora, Foto Courtesy: Melanie & Chris

In der Sac Bay können wir neben den Sitka-Hirschen erstmals auch Kanada-Kraniche am Ufer beobachten (und ihren charakteristischen Schrei hören).

Am nächsten Tag gehts weiter zum Matheson Inlet.

Solar Coaster, eine Bavaria 32
Flora in der Abendsonne im Matheson Inlet

Der Weg um Burnaby Island herum zu unserem nächsten Ankerplatz Bag Harbour hält eine Überraschung bereit: überwiegend segeln wir zwar bei bestem Wetter, aber von See her schiebt sich eine Nebelbank heran.

So dicht, der Blick auf die Solar Coaster wird glatt verschluckt:

Oder eben, aus der Perspektive von Melanie und Chris, die Flora:

Aber zum Glück können wir den Nebel nach Rundung des Kaps hinter uns lassen, das Radar wieder aus machen und zudem von der Fock auf den Code0 wechseln.

Bag Harbour liegt am Südausgang der Dolomite Narrows, die Burnaby Island mit ihrem schmalen Durchfluss zur Insel machen. Oder jedenfalls zur Teilzeit-Insel, den die Narrows fallen bei starker Ebbe trocken. Wir bleiben einen Tag und erkunden die Narrows mit dem Dinghy. Danach sind wir sehr froh, die Durchfahrt nicht mit Flora versucht zu haben. Zwar würde die Wassertiefe bei Hochwasser wohl gerade so eben ausreichen, aber eben nur in der Fahrrinne. Die aber windet sich zwischen scharfkantigen Felsen hindurch und wird nur durch wenige Peilmarken an Land gekennzeichnet.

Bei mittlerem Wasserstand lassen wir uns mit Florecita von der auflaufenden Tide hindurch treiben, wobei wir zwischzeitig den Außenbordmotor schon hoch klappen und mit den Paddeln die Richtung halten müssen. Zurück geht es gegen die Strömung bei etwas mehr Wasser dann schon unter Motor.

Besonders schön ist, dass wir bei der Anfahrt einen kurzen Blick auf zwei große Rundkopfdelfine erhaschen (leider kein Foto) und zudem direkt an der Durchfahrt einen Adlerhorst entdecken.

Eine lange Leichtwindkreuz gegen die auflaufende Tide führt uns heute bei herrlichem Wetter in die Ikeda Cove, unserer vielleicht letzten Station hier auf Haida Gwaii. Wir werden wohl irgendwann in den nächsten Tagen – passenden Wind vorausgesetzt – den Sprung zurück über die Hecate Strait machen.

Wegen der ganzen Ortsbezeichnungen hier nochmal unsere Buchten-Bummel-Route durch Gwaii-Haanas bei Noforeignland:



Re. Oder: Die verflixte Strömung

Der Chatham Channel kann bis zu 8 kn Strömung erreichen. Das hört sich toll an, nach dem Motto: da muss man ja nur auf den richtigen Zeitpunkt warten und dann wird man bei 5 kn Fahrt mit 13 kn seinem Ziel entgegen geschoben. Schön wärs.

Aber so einfach klappt das leider nicht. Technisch gesehen liegt das an einer physikalischen Kennzahl, der Reynolds-Zahl (Formelzeichen Re). Sie ist in der Strömungslehre von besonderer Bedeutung und ermöglicht zum Beispiel Modellversuche im Windkanal, Berechnungen zum Turbulenzverhalten von Flugzeugtragflächen oder von potentiellem Strömungsabrissen, sei es am Flügel von Windkraftanlagen oder am Steuerruder eines Bootes.

Oder eben Aussagen dazu, wann fließendes Wasser nicht mehr (laminar) dahinströmt, sondern chaotisch wird, Eddies und Wirbel, stehende Wellen und Strudel bildet. Das passiert selbst in einem glatten Rohr bei entsprechender Fließgeschwindigkeit, wird aber durch Verengungen, Felsen und Flachstellen deutlich begünstigt, der kritische Re-Zahlenwert wird dann schneller erreicht.

Und dann würde das Wasser unsere Flora eben nicht mehr durch den Chatham Channel schieben, sondern uns steuerlos herumwirbeln. Um das zu vermeiden, stellen wir den Wecker und fahren mit nur langsam schiebenden Strom durch die Enge. Bis zu drei Knoten erreicht die Strömung, das passt gut und wir kommen völlig problemlos durch. Selbst der Nebel hat ein Einsehen, habt sich ein wenig und erlaubt uns etwas Sicht, bevor er kurz nach der Passage wieder pottendick wird. Unter Radar tasten wir uns weiter bis zu unserem Tagesziel, Port Neville.

Wir machen am Schwimmsteg vor der alten Poststation fest. Die ist zwar heute ein Privathaus und nicht mehr ganzjährig bewohnt, der Steg ist aber immer noch kommunal und wird von den Behörden gut in Schuss gehalten. Wir dürfen kostenlos dort anlegen und auch das Gelände betreten. Am Strand finden wir frische Bärenspuren, es lässt sich aber keiner sehen.

Die nächste Tagesetappe führt uns die Johnstone Strait hinunter und wir können hier – bei reichlich Platz – mit den Verwirbelungen der schiebenden Tide weitere Erfahrungen sammeln. An Helmcken Island führt nördlich die “Currant Passage” südlich die “Race Passage” vorbei. Als Verkehrstrennungsgebiet ausgeführt, ist es für uns die Race Passage. Obwohl dem Fahrwasser folgend, müssen wir bei 4 Knoten Schiebeströmung teilweise bis zu 45 Grad vorhalten (also den Bug in die “falsche” Richtung steuern) und werden immer mal wieder 20 Grad nach rechts oder links gedrückt. Beeindruckend.

Tagesziel ist der Ankerplatz hinter Turn Island.

Der nämlich liegt nur 13 Seemeilen vor den Seymour Narrows. Und für genau die war das Ganze der Aufgalopp zum Üben. Bis zu 15 Knoten können die Strömungen hier erreichen, es ist DIE berühmt berüchtigte Passage in British Columbia. Selbst Wikipedia fabuliert von einer astronomischen Reynolds-Zahl für diese zentrale Enge. Die offiziellen kanadischen Sailing Directions empfehlen allen kleinen Booten (unter 20 m !!!) nachdrücklich, sie nur um Stillwasser herum zu befahren.

Stillwasser ist in den Seymour Narrows maximal 15 Minuten, oft weniger. Das reicht nicht für die Strecke, also soll die erste leicht mitlaufende Tide helfen.

Und das wollen wir morgen versuchen. Uns also bei Gegenstrom etwa drei Stunden lang heranarbeiten, um dann zum genau richtigen Zeitpunkt (morgen um 11.00 Uhr Ortszeit herum) hindurch zu fahren. Drückt uns die Daumen, dass wir richtig gerechnet haben. Wenn nicht, sollten wir es auf den 13 Meilen schon merken und können dann (Plan B) umdrehen oder (Plan C) in die Brown Marina direkt vor den Narrows einlaufen.

Wetterglück in British Columbia

Es ist eigentlich kaum zu fassen, was für ein Glück wir mit dem Wetter hier in BC haben. Wohlgemerkt: wir. Die Lachse nicht so sehr. Wann immer wir Einheimische ansprechen, hören wir, dass es für die Jahreszeit viel zu trocken ist. Für die Lachse ist das schlecht, sie bleiben in tieferem (Meer-)Wasser und warten auf den großen Regen, damit sie dann die anschwellenden Bäche und Flüsse hinaufwandern können. Lachse im tiefen Wasser sind wiederum auch schlecht für die Fischer, denn dort sind sie wesentlich schwieriger zu erwischen.

Auch wir haben bisher nur wenig Lachs gefangen, sind aber trotzdem sehr froh über das schöne Spätsommerwetter. Zu diesem gehört hier in BC der Morgennebel wohl dazu, navigatorisch manchmal anstrengend, aber auch von magischer Schönheit. Fast jeden Tag führt er dazu, dass wir etwas länger in der Koje bleiben und erst losfahren, wenn sich der Schleier über der Landschaft etwas hebt und zumindest erste Blicke in den blauen Himmel freigibt.

Nebel und Sonnenschein, diese Kombination führt zu dem farbenprächtigen Halo, den die Drohne um Flora herum aufgenommen hat:

Von Port Hardy aus geht es erstmal wieder in die Einsamkeit: die Broughton Islands sind unser erstes Ziel. In dem Inselwirrwarr wählen wir die Waddington Bay als Ziel, ein toller Tip von Tereza und Jakub.

Und wir haben Angelerfolg. Ein großer Grünling geht an den Haken, wieder mal eine neue Art Fisch für uns, sehr lecker.

Die nächste Ankerbucht haben wir auch wieder für uns allein, Shoal Harbor nur etwa 5 sm weiter östlich. Die Einfahrt ist eng mit Flachs gleich neben uns, aber der Bewuchs mit Kelp zeigt die Lage der Unterwasserfelsen gut an und so können wir uns problemlos hindurchschlängeln.

Mit dem Dinghy fahren wir ein Stück zurück zur Echo Bay. Michelle und Tom von der Paraiso hatten uns in Alaska ans Herz gelegt, hier unbedingt das kleine Museum in den grünen Häuschen zu besuchen.

Wir machen Florecita am Steg fest und oben am Hang erhebt sich Billy aus seinem Gartenstuhl und kommt langsam zu uns herunter. William “Billy” Proctor ist 87 Jahre alt. Fast ebenso lange hat er am Strand Fundstücke aufgesammelt und zusammengetragen, Muscheln ebenso wie Gebrauchsgegenstände der Ureinwohner, kleine und medizinballgroße Netzbojen aus Glas, die vom fernen Japan herüber getrieben sind, Flaschen aller Art, Otter-, Wolfs- und Bärenfallen, schön säuberlich handbeschriftet, Angelköder allenthalben, ergänzt mit Haushaltsgegenständen und Werkzeugen, wie sie hier in Gebrauch waren zu einem Einblick in die Zeitgeschichte.

Die eigentliche Attraktion des Museums aber ist Billy selbst. Still, fast schüchtern, weiß er doch (auf unsere Frage) zu jedem Ausstellungsstück eine kleine Geschichte zu erzählen. Die Fallen etwa hat er selbst benutzt, er erklärt uns, in welchen Wintermonaten man die besten Felle erhält und zeigt uns die Werkzeuge, mit denen die Pelze weiter bearbeitet wurden. Erzählt, das über den Fallen ein Werkzeug zum Öffnen in die Bäume gehängt wurde, für den Fall, dass versehentlich ein Mensch hinein trat.

Ungefähr ein Eintrag pro Tag findet sich im Gästebuch. Billy nimmt sich Zeit, wir auch.

😊

Zurück auf Flora sind wir zwar noch immer das einzige Boot am Ankerplatz und sehen auch keinen anderen Menschen, dafür haben es sich aber Robben auf den Holzstämmen vor einer Hütte am Ufer bequem gemacht. Knapp 30 von ihnen zählen wir in der kleinen Bucht.

Wenn sich die Tiere hier so wohl fühlen, sollte dann auch …

Ja, unser Krebskorb ist endlich mal wieder gefüllt. Die beiden Weibchen gehen gleich zurück ins Wasser, aber das große Männchen sorgt für ein Festmahl auf Flora.

Am nächsten Morgen motoren wir bei sich lichtendem Nebel weiter durch den Tribune Channel in die Kwatsi Bay.

Der Törnführer verspricht spektakulär steile Hänge rund um die Bucht und damit hat er recht. Nicht aber mit der erwähnten Marina, der wir wegen des schlechten und steil ansteigenden Ankergrunds eigentlich den Vorzug geben wollten. Die Anlage ist verlassen, die Landverbindung des Schwimmsteg versunken.

Der vordere Teil des Steges allerdings ist noch nutzbar, wir machen für die Nacht fest und erkunden die Umgebung. Die steilen Felsen am Ufer zeigen mit ihrem Farbenspiel, dass hier wohl Eisen und Schwefel am Werk sind. Ein Fender hängt ein Stück entfernt in einem Baum. Als wir mit dem Dinghy dort anlanden, entpuppt er sich als der erhoffte Wegweiser für einen kurzen Trail hinauf zum Wasserfall im Wald. Mangels Regen (!) nur ein Schatten seiner sonstigen Fülle, aber trotzdem ein schöner Anblick und so können wir ein bisschen im Bachbett herumklettern.

Kurz vor dem Dunkelwerden tuckert dann doch noch ein zweites Boot in die Bucht, George und Ben aus Washington (State), wie Tereza und Jakub mit einer Hans Christian 38 unterwegs. Wir haben zusammen einen schönen Abend auf der Flora und werden am nächsten Morgen zu Pancakes auf die “Island Time” eingeladen.

Wie üblich, danach hat sich der Nebel gelichtet, es kann weitergehen. Strategisch günstig nah am Eingang des etwas kniffligen Chatham Channel gelegen, haben wir uns als Tagesziel die Lagoon Cove Marina ausgesucht (wieder eine Empfehlung von Michelle). Marina ist dabei vielleicht etwas irreführend: ein Schwimmsteg mit zwei Querstegen, von denen einer das Fueldock ist. Familiengeführt und liebevoll ausgestattet. Wir sind die einzigen Gäste und es ist ziemlich günstig: jetzt in Nachsaison 45 kanadische Dollar, umgerechnet gut 33 Euro pro Nacht. Mit perfektem leistungsstarken WiFi über Starlink, mit dem wir endlich einige benötigte Updates laden können. Und mal wieder einen Blogbeitrag posten 😉.

Darum Hafen: Port Hardy

Vom Miles Inlet hinüber nach Port Hardy im Nordosten von Vancouver Island ist es eine reine Nebelfahrt, das zähe Zeug will sich einfach nicht auflösen. Einmal mehr sind wir sehr dankbar für das Radar und die elektronische Navigation. Und trotzdem froh, als sich endlich das Leuchtfeuer in der Hardy Bay aus dem Dunst schält.

Ein Stückchen weiter sollte eigentlich das Public Dock liegen. Wir sehen nur eine Nebelwand, tasten uns heran, aber … außer gelben Bojen erspähen wir nichts. Dann tauchen die Umrisse der Port Hardy Government Warf auf und ein Angler ruft uns zu, dass es dieses Public Dock nicht mehr gibt.

O.k., also weiter um das Flach und den nächsten kleinen Leuchtturm herum zur Port Hardy Fisherman‘s Warf, die hat ebenfalls ein Public Dock. Es gibt auch noch eine Marina, in der wir ebenfalls festmachen könnten, aber dort liegen fast nur kleine Angelboote. Da gefällt uns das Miteinander mit den mittelgroßen und kleineren Fischerbooten in Fisherman‘s Warf besser. Es ist belebter und darüber hinaus ein Miteinander, wie es hier in Pacific Northwest noch häufig vorkommt. Früher – vor unserer Seglerzeit – muss es so auch in den Häfen etwa der Ostsee und des Mittelmeeres ausgesehen haben. Aber mit der immer größer werdenden Flotte der Sportboote (Motor- und Segel-) und der sich dafür entwickelnden Vereinshäfen und Marinas bei gleichzeitigem Niedergang der regionalen Fischerei ist es dort viel seltener geworden. Hier im Norden von BC, ebenso wie in Alaska aber sind diese gemischten Häfen mit deutlich mehr Fischern als Sportbooten noch der Normalfall. Weiter im Süden, näher an den großen Städten wie Vancouver und Seattle, finden sich dann auch deutlich mehr Marinas.

Warum sind wir überhaupt im Hafen und nicht vor Anker? Zum einen wollen mal wieder einkaufen. Und außerdem steht ein Ölwechsel beim Volvo an und den mache ich aus mehreren Gründen lieber im Hafen. Ich kann dann das Altöl und die alten Filter gleich vorschriftsmäßig entsorgen und muss es nicht mitschleppen, könnte im Zweifel neues Öl kaufen (wir haben aber noch genug dabei) und habe bessere Möglichkeiten, falls sich irgendwas Unerwartetes zeigt.

Und das tut es natürlich! Der Ölwechsel klappt zwar wunderbar (wie geschmiert), aber beim ebenfalls fälligen Wechsel des Impellers der Seewasserpumpe (bei unserem Boot bäuchlings auf dem Motorblock liegend kopfüber zu erledigen) gibts eine unangenehme Überraschung. drei von vier Schrauben des Deckels sehen normal aus, bei der vierten fehlt der Schraubenkopf. Grrr. Daran bin ich komplett unschuldig, den letzten Impellerwechsel hat der Volvo-Mechaniker bei der großen Inspektion in Herrington im letzten Herbst durchgeführt. 😇 Die Schraube selbst ist noch drin, aber Salzspuren zeigen, dass sich einzelne Tropfen Seewasser ihren Weg gesucht haben. Ausbohren kann ich die Schraube dort so nicht ohne weiteres. Eventuell würde ich den Deckel abbekommen, aber die Pumpe und ihre Dichtungsflächen dort zu reinigen wird wohl nichts. Also die Seewasserpumpe ausbauen, was ziemlich problemlos gelingt. Nur die Schläuche wollen nach jetzt 2.300 Stunden an ihrem Platz mit etwas Nachdruck überredet werden, die Pumpe jetzt mal loszulassen.

Die Pumpe selbst tut es noch, ist aber ein Teil, das auf Langfahrt typischerweise häufiger mal Probleme bereitet. Wir haben deshalb eine Ersatzpumpe dabei und da sie jetzt ohnehin ausgebaut ist entscheide ich, lieber gleich die Ersatzpumpe einzubauen und das Original dann als künftigen Notersatz aufzuarbeiten.

Dafür muss allerdings das Mitnehmerrad des Originals auf die Ersatzpumpe umgebaut werden. Versucht man die Mutter zu lösen, dreht das Rad mit. Einspannen möchte ich es nicht, um es nicht zu beschädigen. Aber mit dem Ölfilterschlüssel festgehalten funktioniert es.

Nur: das Rad ist auf einen konischen Zapfen aufgepresst und lässt sich trotzdem nicht lösen. Man bräuchte einen Abzieher. Unsere Segelfreunde Tereza und Jakub auf der Kate Marie leihen uns ihren, den sie für den Impellerwechsel benutzen, aber er ist etwas zu klein. Gut, das wir im Hafen in einem Ort sind, ich kann einen passenden Abzieher kaufen und der Job ist damit dann schnell erledigt.

Noch etwas schneller wäre es gegangen, wenn ich beim (Überkopf-)Einbau nicht erst mal die O-Ring-Dichtung eingeklemmt hätte. 😞 Aber immerhin, auch dafür findet sich noch passender Ersatz. 😅

Heute bleiben wir noch hier liegen, erledigen den Rest Wäsche (die 6. Maschine!) in der Laundry (Münzwäscherei) gleich am Hafen, backen leckeren Hefe-Pflaumenkuchen mit Walnuss-Streuseln. Sehr lecker! Und heute Abend gibt’s Nudeln mit Brokkoli und Hähnchen-Pilz-Sahnesoße. So ein Frische-Einkauf hat seine Vorteile, jetzt sind wir wieder fürs Ankern in der Wildnis gerüstet.

😁😋

Nebel, Narrows, Fury und die Ottershow

Der Regen ist erst mal durch, die Wolken haben sich verzogen. Die Nächte sind wieder sternenklar – in der ersten Nachthälfte. Ab Mitternacht bildet sich dann aber meist Nebel über dem warmen Pazifikwasser. Am späten Vormittag löst er sich wieder auf.

Macht nichts, von der Pruth Bay sind es nur etwa 20 Meilen bis zu unserem nächsten Ankerplatz. Wir haben die Fury Cove ausgewählt, weil sie strategisch günstig für den Absprung zur Passage um das Cape Caution liegt.

Die Fury Cove liegt noch eben östlich von Calvert Island. Südlich davon ist die geschützte Inside Passage insoweit unterbrochen, als eben das Stück bis Vancouver Island keinen Inselschutz gegen den Pazifikschwell und die entsprechenden Windsysteme bietet, dafür aber starke Tidenströme und eine Vielzahl von Untiefen: Cape Caution (wörtlich übersetzt: Kap Vorsicht/Warnung/Achtung) trägt seinen Namen zu Recht.

Fury Cove hat eine etwas verwinkelte, schmale Einfahrt durch ein Inselgewirr. „Entering … for the first time can be a hair-raising experience“ schreibt der Douglas (Törnführer). Aber bei dem ruhigen Wetter ist es wenig dramatisch. Und obwohl die Bucht zwei (nicht befahrbare) Öffnungen nach Westen hat, bleibt der Schwell wunderbarerweise draußen, der Ankerplatz ist ruhig wie ein Ententeich, obwohl sich draußen die Wellen krachend an den Felsen brechen.

Überhaupt ist Fury ein toller Ankerplatz. Mit dem Dinghy setzen wir zu einem der in die Felsen eingebetteten Sandstrände über und können die größere Insel Fury Island auf einem Trampelpfad durchs Inselinnere erkunden. Auch hier ist die Hochwasserlinie der Küste wieder voller Treibholz.

Und der Abendblick aus dem „Küchenfenster“:

Am nächsten Morgen das gleiche Spiel: Nebel. Gegen 10.00 Uhr fahren wir los und scheinen ihn hinter uns zu lassen. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht, immer wieder machen sich Nebelbänke breit, wir sind froh über das Radar. Auch Cape Caution schaut nur zum Teil aus dem Nebel.

Wir entscheiden uns, heute nicht bis Port Hardy durchzugehen, sondern noch einen Ankerstop im Miles Inlet einzulegen. Prompt reißt der Nebel komplett auf und wir können die schmale Gasse zum Ankerplatz bei strahlendem Sonnenschein durchfahren. Die Skizze im Törnführen warnt vor einer Flachstelle in der Durchfahrt mit nur einem Faden Tiefe (die amerikanischen und kanadischen Papier-Seekarten und auch der Törnführer verwenden hier wie auch in Alaska durchgängig die für uns sonst eher ungewohnte Maßeinheit Faden). Das wären nur rund 1,8 Meter, aber wir haben fast Hochwasser bei rund drei Metern Tidenhub. Die Navionics-Karte gibt an der flachsten Stelle 4,6 m an (plus Tide). Tatsächlich haben wir mindestens 7,6 m, das passt also mit Navionics und wir könnten mit Floras 2 m Tiefgang zur Not auch bei Niedrigwasser auslaufen.

Das schmale Miles Inlet bietet ein paar Besonderheiten. So ankern wir praktisch mitten auf einer Kreuzung. Ein kleines Stück in die beiden Seitenarme hinein wäre Ankern auch noch möglich, aber der Schwoiraum ist dann doch sehr begrenzt.

Die zweite Besonderheit: auch wenn es zunächst aussieht, als würde es noch ein Stückchen weiter gehen, sollte man Erkundungstouren nur mit dem Dinghy oder Kanu unternehmen und zeitlich gut planen.

Was sich nämlich bei Hochwasser noch so präsentiert…

… sieht bei ablaufendem Wasser noch vor Niedrigwasser schon so aus:

Wir können den kleinen Wasserfall jetzt von unserem Ankerplatz aus sehen und hören, unsere Dinghy-Erkundungstour im südlichen Arm des Miles Inlet endet nach einem 90 Grad Knick ebenfalls vor einem beeindruckenden Tiden-Wasserfall. Und doch sind die Rapids hier im Miles Inlet nur eine kleine Fingerübung der Natur (*). Knapp dreieinhalb Meile nordöstlich liegen die Nakwakto Rapids, in der Seekarte mit einem „⚠️“ versehen, sie gehören zu den kräftigsten Tidenstromschnellen der Welt. Bis zu 14 kn Geschwindigkeit erreichen die Wassermassen dort bei Flut, bei Ebbe werden es sogar bis zu 16 kn. Die Tuburlenzen und Eddies werden als „extremly hazardous“ beschrieben. Und doch: bei Stillwasser, egal ob hoch oder niedrig, sollen sie problemlos von Yachten passiert werden können, die beiden möglichen Routen sind selbst bei Niedrigwasser noch 10 bzw. 16 m tief.. Dann ist der Weg frei in die beiden großen, hinter der kurzen Schmalstelle der Nakwakto Rapids liegenden Fjorde Seymour Inlet und Belize Inlet. Aber das heben wir uns auf für ein andermal, vielleicht.

Zwar ankern wir auch im Miles Inlet (wie an den letzten Ankerplätzen auch) als einziges Boot, allein sind wir aber trotzdem nicht. Ein großer Seeotter dreht den ganzen Nachmittag völlig entspannt rückenschwimmend seine Runden um die Flora, döst treibend in unserer Nähe und verschwindet nur kurzfristig mal, um sich einen Krebs als Snack zu holen. Was für eine wunderbare Show:

(*) … oder des Planetendesigners Slartibartfaß. Wer statt unseres Douglass-Törnführers lieber Douglas Adams „Per Anhalter durch die Galaxis“ oder die anderen vier Bände von dessen „fünfbändiger Triologie“, insbesondere den dritten Band „Das Leben, das Universum und der ganze Rest“ liest, kennt ihn sicherlich. Ich musste jedenfalls sowohl in Alaska als auch hier in BC öfter an ihn und seine Liebe zu den von ihm designten Fjorden („die einem Kontinent ein schönes barockes Flair verleihen“) denken.

😊

Morgennebel

Es wird etwas kälter, die Nachttemperaturen sinken jetzt bei klarem Nachthimmel in den einstelligen Bereich. Weil das Pazifikwasser aber immer noch 12 Grad warm ist, haben wir morgens jetzt häufiger Nebel.

Bleiben wir halt ein bisschen länger in der Koje und fahren etwas später los, wenn die Sonne den Nebel aufgelöst hat. So funktioniert das an unserem ersten Ankerplatz in BC, Kelp Passage Cove:

Drei Krebse sind am Morgen in unserem Krebskorb, allerdings: einer zu klein, die beiden anderen sind Weibchen. Also kein Krebsschmaus diesmal. Von Kelp Passage Cove aus haben wir dafür dann aber einen wunderherrlichen Segeltag, können bei achterlichem Wind sogar den Gennaker wieder setzen.

Unser Ziel am nächsten Tag ist das Kumealon Inlet, am nördlichen Ende des Grenville Channels. Im hinteren Teil dieses Inlets, abgeschirmt durch kleine Inselchen, findet sich ein wunderbar geschützter Ankerplatz. Mit dem Dinghy oder einem Kajak könnte man von hier aus auch durch die Narrows in die Kumealon Lagune fahren. Allerdings müsste man die Zeit genau abpassen, denn die Narrows sind nur um Stillwasser herum passierbar. Dieses kleine Abenteuer hatten wir in Warm Springs in Alaska schon einmal (erfolgreich) ausprobiert, wo der Zugang zur Lagune sich bei Niedrigwasser sogar in einen Wasserfall verwandelt. Hier in Kumealon sind aber die Entfernungen um einiges größer und so bleiben wir diesmal auf der Flora und erkunden die Umgebung nur mit der Drohne, genießen den sonnigen Tag an Bord. Wiebke backt leckere Erdnusskekse 😋, ich versuche mich erfolglos beim Angeln.

In der Abenddämmerung können wir mit dem Fernglas am Waldrand unseren ersten Schwarzbären beobachten, der ein paar mal zwischen den Bäumen und dem felsigen Tidenbereich hin und her pendelt.

Am nächsten Morgen ist die Welt wieder in weiße Watte gepackt, okay. Was aber dann beim verschlafenen Blick aus dem Fenster doch irritiert: schwimmen da etwa Eisbrocken um uns herum?

Kann doch nicht sein, hier gibt’s keine Tiden-Gletscher. Ein paar Mal geblinzelt, die Gedanken sortiert. Das muss Schaum sein, oder? Ein deutliches Zeichen, wie kräftig das Wasser aus der höher gelegenen Lagune durch die Narrows sprudelt.

Ganz langsam kommt die Sonne durch, verzaubert mit dem sich lichtenden Nebel die ohnehin schon beeindruckende Szenerie und beleuchtet die Doppelbilder auf dem von keinem Windhauch berührten spiegelglatten Wasser.

Diesmal warten wir nicht, bis sich der Nebel ganz auflöst. Der Tidenstrom im hier mit teilweise nur 350 m sehr engen Grenville Channel kann bis zu 6 kn erreichen, da müssen wir die richtige Strömungsrichtung abpassen. Insofern tasten wir uns unter Radar auf unserem alten Track aus der Bucht, müssen aber feststellen, dass sich der Nebel im Kanal noch etwas dichter gehalten hat. Nur auf Radar und AIS sehen wir, dass uns zwei Boote mit bis zu 26 kn entgegenkommen. Zu Augen bekommen werden wir sie nicht, nur hören. Diese Geschwindigkeit bei weniger als 50 m Sicht finden wir um so erstaunlicher, als hier im Kanal doch erschreckend viel großes Treibholz unterwegs ist, zum Teil auch bei guter Sicht nicht ganz einfach zu erkennen. Selbst als sich der Nebel endlich verzogen hat, müssen wir dem mehrfach ausweichen und die felsige Uferböschung sieht am Rande der Tidenzone teilweise aus wie ein Lagerplatz für Baumstämme.

Kurz vor unserem Tagesziel überholt uns ein Kreuzfahrer und biegt ebenfalls in das Lowe-Inlet ab.

Die “National Geographic Venture” ist allerdings eines der kleineren Kreuzfahrtschiffe und ankert zudem im vorderen Teil der Bucht, während wir noch um Pike Point herumgehen und im inneren Nettle Basin in der Nähe des Wasserfalls ankern. Bei Hochwasser arbeiten sich Lachse die etwa 5 m hohen Stromschnellen an seiner Seite hinauf, bei Niedrigwasser haben sie keine Chance, denn die Fallhöhe hat sich verdoppelt.

Zum zweiten Mal hintereinander bringen wir fast unsere gesamte Kettenlänge aus (wir fahren 100 m Kette), denn wie schon in Kumealon ankern wir auch hier bei etwa 25 m Wassertiefe (und zusätzlich 6 m Tide). Es gibt genug Schwoiraum zum Herumschwingen, aber durch die starke Strömung vom Wasserfall bewegen wir uns ohnehin kaum. Es soll einen Trail entlang der Wasserfälle hoch zum See geben, aber trotz intensiver Suche finden wir weder den Einstieg noch eine (bei der herrschenden Tide) geeignete Stelle zum an Land gehen. Dann eben Kaffee und frisch gebackener Blaubeerkuchen im Cockpit.

Als ich morgens den ausgebrachten Krebskorb einhole, taucht dicht neben dem Dinghy mehrfach ein Seehund auf und scheint mich mitleidig interessiert zu beobachten. Tatsächlich ist außer Seegras nichts drin, sicherlich am falschen Platz ausgebracht. Was die Robbe vielleicht weiß, für mich aber in dem undurchsichtig dunklen Wasser nicht zu erkennen war. Na gut.

Für uns geht es heute morgen (diesmal ohne Nebel, die Nacht war bewölkt) weiter durch das Labyrinth der fjordähnlichen Wasserstraßen von British Columbia. Die Navionics-Seekarte zeigt, dass sich hinter den mit Regenwald bestandenen und von Bächen und Flüssen durchzogenen Bergen auch noch unzählige Seen verbergen was für eine Landschaft!

Erst noch den fast geraden Grenville Channel hinunter und dann soll es mit einigen Windungen hinüber nach Bishop Bay gehen. Rund 40 sm motoren, denn es ist fast kein Wind. Eventuell halten wir zwischendurch in Hartley Bay zum Tanken und können dort mit Mobilfunknetz diesen Beitrag bebildert rausschicken.

😊

P.S: For the English speaking readers: Google translate usually does a great job. Still, the headline should be Morning mist or Morning fog, not Morning crab.

Crabby mist, misty crab. 😂