Wrangell Narrows: Stömungsrechnungen

Ein bisschen Bammel haben wir schon. Der Tidenhub in Petersburg beträgt etwa 5 Meter und wir wollen von hier aus nach Süden durch die etwa 21 sm langen Wrangell Narrows fahren. Die natürliche Verbindung zwischen dem Frederick Sound im Norden und der Sumner Strait im Süden ist schon recht schmal, aber an vielen Stellen dazu auch noch flach oder in einigen Buchten und generell entlang der Ufer sogar trocken fallend. Trotzdem ist sie eine der Hauptverbindungsstrecken für den Schiffsverkehr der Inside Passage in Alaska, deshalb ist an besonders flachen Stellen eine 100 m breite Rinne ausgebaggert. Allerdings sind 100 m nicht viel, wenn einem dort Schubverbände oder Kreuzfahrer begegnen. Klar, dass in solchen Engstellen außerdem besonders viel Strömung setzen kann, an unserem geplanten Abfahrtstag sind bis zu 4,9 kn prognostiziert.

Jetzt gilt es also die Abfahrt so zu timen, dass die Strömung mit setzt und nicht gegen uns steht. 6 Stunden mit setzende Tide, das sollte für 21 sm ja wohl locker reichen, oder?

Ganz so einfach ist es leider dann doch nicht. Die Wrangell Narrows liegen eben zwischen zwei größeren Meeresarmen, die sich beide breit und kräftig bis zum offenen Pazifik hinziehen. Das führt dazu, dass die Flut von beiden Seiten der Narrows her aufläuft und die Ebbe eben sowohl zum Frederick Sound als auch zur Sumner Strait hin abläuft.

Es gibt noch zwei weitere Verbindungen zwischen den beiden großen und weit in die Inselwelten Südost-Alaskas hineinragenden Meeresarmen: die superflache und deshalb kaum befahrbare Dry Strait etwas weiter östlich und den westlicher gelegeneren, etwas längeren und deutlich kniffligeren Rocky Pass. Beide machen ihren Namen Ehre. Also dann doch die Wrangell Narrows.

Wenn wir eine gute Stunde bis eineinhalb Stunden vor Hochwasser losfahren, sollte uns die auflaufende Flut also hoffentlich die zehn Seemeilen bis zur Mitte der Wrangell Narrows schieben, die Tide dann kippen und die Ebbe uns auf der anderen Hälfte hinaus in die Sumner Strait beschleunigen. Im letzten Zwölftel der Flut bzw. ersten Zwölftel der Ebbe wird die Tide zwar nicht so stark sein, aber klappen müsste es schon. 🤞

Wir fahren los und wir haben Glück. Ein aufkommender Schubverband einer mit Containern beladener Barge fährt nicht durch, sondern bremst kurz bevor er uns erreicht in der Scow Bay ab um seine Fracht zu entladen. Und erst nach unserer Passage kündigt sich das erste Kreuzfahrtschiff über Funk an. Die Tide schiebt allerdings extrem unterschiedlich, mal fast gar nicht, mal mit 3 kn. Mit der Ebbe verhält es sich „bergab“ genauso, aber wir kommen eben gut durch. Für die eigentlich wunderschöne Landschaft heben wir dabei jedoch kaum ein Auge, die über 50 Seezeichen der gut betonten Passage fordern unsere Aufmerksamkeit.

Kein U-boot, sondern eine der gemauerten Fahrwassertonnen. Wegen der Tide schiebt sie eine Bugwelle.

Am Ende ist es dann zum Glück halb so wild wie erwartet. 😊

Bis nach Wrangell fahren wir allerdings nicht gleich durch, dafür lag das Nachmittagshochwasser dann doch schon zu spät. Statt dessen ankern wir auf der anderen Seite der Sumner Strait im Saint John Harbour, einer durch mehrere westlich gelegene Inseln gut geschützten Bucht auf Zarembo Island.

Die ausgedehnten Mudflats am Ankerplatz sollen einen artesischen Brunnen beherbergen, aber den finden wir bei unserem Landspaziergang am nächsten Morgen leider nicht. Nachdem es die ganze Nacht hindurch kräftig geregnet hat freuen wir uns umso mehr über den sonnigen Tag und die interessanten Muster, die die Moorbäche aus den Mudflats rund um die Flora herum im Meerwasser bilden (wir ankern übrigens jetzt bei Ebbe noch auf 11 m Tiefe):

Und die Sonne bleibt uns noch den ganzen Tag auf der (ganz langsamen, trotzdem diesmal nicht von Angelerfolg gekrönten) Weiterfahrt nach Wrangell treu. Sonnenbrillenwetter.

😎

Norwegen in Alaska: Petersburg

Klein Norwegen. Mitten in Alaska. Das passt ja auch wegen der Fjordlandschaft, der langen Winter, der typischerweise auf Fischerei basierenden Siedlungen am Wasser. Kein großes Wunder also, dass sich norwegische Immigranten hier in Alaska wohl fühlten und niederließen.

Petersburg, gegründet Ende des 19. Jahrhunderts und benannt nach Peter Buschmann, der hier eine Fischverarbeitung gründete, um die herum sich der Ort entwickelte. Bis heute sind die Fischerei und die Fischverarbeitung ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaft, das eigentliche Lebenselexier des Ortes.

Und mehr als anderswo wird das norwegische Erbe stolz zelebriert und hoch gehalten.

Wir warten in Petersburg ein bisschen schlechtes Wetter ab, kaufen mal wieder ein, machen Wäsche in der Laundry.

Aber wir haben auch Tage mit gutem Wetter, können uns die Beine auf Spaziergängen vertreten. So führt zum Beispiel ein angelegter Boardwalk (also an den sehr nassen Stellen mit Bretterwegen ausgestattet) durch die Petersburg umgebende Tundra-Landschaft.

Und auch der kleine Ort selbst erinnert jedenfalls uns an Norwegen:

Das zieht sich bis in den Hafen durch, Schiffsnamen und Logos der Fischverarbeitung schwelgen in der Anlehnung an die alte Heimat der Gründerväter der Stadt.

Wir fühlen uns wohl hier, es ist auch schön, nach drei Wochen „Wildnis“ mal wieder in einem kleinen Ort zu liegen.

Ins Eis

Nach einem Übernachtungsstop in der Portage Bay, noch völlig geflasht von dem beobachteten Bubble-Net-Feeding der Buckelwale, fahren wir den Frederick Sound weiter bis zu seinem Ende vor der Dry Strait und wählen als nächste Übernachtungsbucht die Ideal Cove.

Für uns liegt sie tatsächlich ideal, denn schräg gegenüber auf der Festlandsseite liegt die Le Conte Bay. Und die wiederum beherbergt Nordamerikas südlichsten „Tidal Glacier“, also in die Tidengewässer hineinreichenden Gletscher. Zwar müssen wir einen ordentlichen Bogen um das große trockenfallende Gebiet machen, dass sich dazwischen erstreckt und als Mudflat einen Teil der Spülsände des flachen aber mächtigen Stikine River aufnimmt. Trotzdem ist es der dem Gletscher am nächsten gelegene gut geschützte Ankerplatz.

Wir verlassen ihn schon am frühen Morgen, denn wir möchten mit auflaufendem Wasser über die flache Barre vor der Le Conte Bay und auch weiter in Richtung des Gletschers, um möglichst wenig entgegen kommendes Eis zu haben, das zudem ja hinter uns auf der nur 6 m flachen Barre des ansonsten tiefen Fjords stranden und die Ausfahrt erschweren könnte.

Schon bei der Anfahrt sehen wir einige große Brocken, aber es ist genug Platz. Wir freuen uns an den je nach Lichteinfall so unterschiedlich schillernden Farben im Eis und den von der Natur modellierten Formen der Eisskulpturen.

Aber größere Growler oder gar Eisberge bereits hier draußen bedeuten, dass der Gletscher eine Phase aktiveren Kalbens hatte und so wird die Fahrrinne zusehends enger, das abgebrochene Gletschereis treibt immer dichter. Als wir vor uns den über 800 m in die Tiefe stürzenden Wasserfall auftauchen sehen, der aus dem hoch gelegenen Gletschersee des Summit Glacier gespeist wird (anders als der Le Conte ein „Hanging Glacier“ oben in den Wolkenverhangenen Bergen) können wir schon aus der Ferne das sich vor ihm stauende Eis erkennen.

Wir arbeiten uns – zunehmend im Slalom fahrend – noch ein ganzes Stück näher in Richtung Le Conte Glacier heran.

Aber irgendwann ist für uns Feierabend. Mit der Drohne sehen wir zwar, dass wir noch weiter durchkämen, wenn wir uns an den äußeren Rand durcharbeiten, aber es ist uns für heute genug Nervenkitzel. Lieber lassen wir uns noch ein ein wenig zwischen den Eisriesen und ihren kleinen Geschwistern treiben und genießen die Lichtspiele.

Ein Video dazu gibt’s hier: Flora im Eis

Der tägliche Weißkopfseeadler hat sich heute wieder auf dem Eis niedergelassen, gleich im Doppelpack und stilbewusst auf einem majestätisch hochaufragenden Aussichtsplatz.

Da muss die Möve dann mit dem kleineren Growler Vorlieb nehmen.😉

Ach ja, frisches Gletschereis für den Drink will auch noch gefischt werden.

Findet sich heute Abend im Gletscher-Aperitif, zu Essen gibt’s den selbstgefangenen Felsenbarsch gedämpft mit gebratenem grünen Spargel und Zitronen-Pastis-Bavette.

😊

Wal, Wal, Wal

Was für eine Show! Wir sehen praktisch jeden Tag Buckelwale und bereitet uns jedes Mal eine große Freude, aber so hatten wir das noch nicht.

Auf unserem Weg durch den Frederick Sound zeigen uns zunächst einzelne Wale einen Blas oder ab und zu mal (bevor sie tief abtauchen) eine Fluke. Dann aber tauchen vor uns die Rückenflossen von mindestens 10 Walen gleichzeitig auf, weitere folgen in kurzem Abstand. Dann die Fluken und sie sind alle weg.

Rechts im Hintergrund der 2.767 m hohe „Devils Thumb“, so steil, dass kein Schnee darauf zu haften scheint

Da wird doch wohl – da könnte doch … Wir lassen Flora mit laufendem Motor treiben und warten ab. Dann beginnt das Spektakel. Ein Stück voraus scheint das Wasser zu kochen, Möven kreisen darüber. Und dann schieẞen die Wale in diesem Kreis mit weit geöffnetem Maul dicht an dicht gedrängt in die Höhe: Bubble-Net-Feeding!

Gleich mehrfach dürfen wir eine Gruppe von 15 bis 20 Buckelwalen bei dieser ganz besonderen, aufwändig koordinierten Jagdtechnik beobachten. Die Wale treiben einen großen Schwarm von Beutefischen zusammen und lassen dann aus ihren Atemlöchern – choreografiert von einem Leittier – einen dichten kreisförmigen Vorhang aus Luftblasen entweichen. Aus dem so gebildeten Kessel können die Beutetiere nicht mehr fliehen und die Walgruppe stößt nun mit aufgerissenen Mäulern gemeinsam nach oben.

Zig Tonnen Wasser kann ein einzelner Buckelwal dabei filtern, spezielle Falten im Unterkiefer sorgen für extra Volumen. Diese Wale haben keine Zähne und können ihre Beute nicht zerkleinern. Durch ihren Schlund passen nur Fische, die maximal einen Durchmesser einer Pampelmuse haben. Mit ihren Barten seihen sie diese Beute aus dem Wasser, größerer Fang wird einfach wieder ausgespuckt.

Fasziniert beobachten wir das Bubble-Net-Feeding, wieder und wieder. Irgendwann löst sich die Gruppe dann auf und die Wale schwimmen in verschiedene Richtungen auseinander. Einige scheinen (zum Glück in einiger Entfernung) Freudensprünge zu vollführen und wuchten ihren massigen Körper mehrfach ganz aus dem Wasser.

Andere schwimmen dicht an uns vorbei und tauchen dann ab, wie um uns Zuschauern zum Abschied noch einmal huldvoll mit der Fluke zuzuwinken.

Danke für die Vorführung und den Platz in der ersten Reihe!

😊🙏

Angelerfolge bei Red Bluff Bay und Kuiu Islands

Von Warm Springs sind es nur gut 15 sm bis zum Eingang von Red Bluff Bay. Das nutzen wir, um mit dem von Jeff geschenkten Köder an der einen Angel und unserem „diving device“ an der anderen zu trollen (also die Köder hinter dem Schiff zu ziehen). Für Lachse soll der Köder nicht an der Oberfläche schwimmen, sondern irgendwo zwischen 10 und 40 m Tiefe.

Jeffs Köder besteht aus einem schweren roten Bleigewicht, dann einem sogenannten „Flasher“, der nur Aufmerksamkeit erregen soll, und dem eigentlichen Köder (Tintenfisch-Imitat). Unser „diving device“ ist ein hier in jedem Angelshop zu kaufendes Konstrukt, dass in der Normalstellung die Leine beim Schleppen steil nach unten zieht. Beißt ein Lachs, rutscht die Leinenbefestigung auf dem Bügel nach hinten, das gleichzeitig als Flasher dienende Plastikteil kippt dadurch aus der Sink- in die Auftauchstellung und zieht dem Fisch nach oben. So jedenfalls die Theorie.

Unser Problem beim Trollen für Lachs: wir müssen extrem langsam fahren. Hatten wir für Thunfisch und Mahi Mahi einfach bei normaler Fahrt von sagen wir mal 6 kn geschleppt, verspricht das bei Trollen auf Lachs nur Erfolg, wenn wir zwischen 1,2 und maximal 3 , besser 2,5 Knoten „schnell“ unterwegs sind. Unter Maschine sind wir schon im Standgas flotter. Jeff löst das auf seinem Kutter, indem er die bremsenden Stabilisatoren im Wasser hat und zudem auf jeder Seite einen Treibanker schleppt 🤔. Den Aufwand wollen wir nicht treiben, also heißt es Gang rein bis wir 3 kn erreichen, dann Leerlauf bis wir auf 1 kn runter sind, Gang wieder rein und so weiter 😖.

Aber auf dem Weg nach Red Bluff haben wir so wenig Wind, sodass wir zwischendurch gaaaanz langsam segeln können. Perfekt.

Tatsächlich fangen wir auf Jeffs Köder einen der begehrten Coho-Lachse (auch Silberlachs genannt). Na also! Danach holen wir beide Angeln ein, dass reicht für uns erstmal.

An der Einfahrt in die Red Bluff Bay grüßen die namensgebenden und für diese Gegend eher untypischen roten Felsen, dann schlängeln wir uns zwischen einigen kleinen, dicht mit Tannen bestandenen Inseln hindurch und die bisher so herrlich scheinende Sonne verschwindet. Wir sind im Schatten der steil am Ufer aufragenden Gebirgswand, die das schmale Tal der Bucht so beeindruckend einrahmt. Selbst der sonst nicht übermäßig zu Superlativen neigende über 400 Seiten umfassende Törnführer „Douglas: Southeast Alaska“ schwärmt: „Red Bluff Bay is perhaps the most spectacular combination of mountains, waterfalls and icefields in Southeast Alaska.“ Tatsächlich halten sich an der fast senkrecht aufragenden Wand noch Tannen. Ein dahinter liegender Gebirgssee speist auch hier einen kräftigen Wasserfall. Die bei der Anfahrt noch sichtbaren, an die Dolomiten erinnernden spitzen Grannitzinnen mit ihren Schneefeldern sind hier durch die Steilwände vor unserem Blick verborgen, erst tief in der Bucht kommen sie wieder zum Vorschein.

Zwei Engstellen schirmen den hinteren Teil der Bucht von jeglichem Schwell ab, aber der durch die umgebenden Berge kanalisierte Wind ist selbst bei dem jetzt herrschenden ruhigen Wetter deutlich zu spüren. Auf den „Bear meadows“ am Ende der Bucht erspähen wir zwar keine der erhofften Grizzlys, aber der Ankerplatz gefällt uns trotzdem richtig gut.

Gleichwohl kreuzen wir am nächsten Tag ein weiteres Mal die Chatham Strait und aus dem Hochgebirge geht es hinüber in das Gewirr der flachen Kuiu Islands.

Auf dem Weg bleibt das Trollen diesmal erfolglos, aber am Ankerplatz treffen wir auf unsere Freunde mit der Denali Rose. Flora und Densli Rosé kuscheln, Bill brät auf seinem Bordgrill unsere Lachsfilets, die wir dann bei uns im Cockpit essen. Es wird mal wieder ein schöner Abend. Für den nächsten Tag verabrede ich mich mit Bill zum Heilbutt-Angeln.

Dazu lassen wir uns mit dem Dinghy von der Tide über Plateaus treiben, die im umgebenden tiefen Wasser quasi kleine Berge bilden. Heilbutt soll sich angeblich an solchen Plätzen besonders gern aufhalten, aber damit ist dieser große Plattfisch leider nicht allein. Uns jedenfalls geht zunächst nur Rockfisch (Felsenbarsch) an die Haken. Der ist im Prinzip auch sehr lecker, bloß gibt es von ihm diverse Arten. 15 verschiedene listet allein die „Sport fishing regulatory summary“ auf, die Broschüre, die wir beim Erwerb unserer Angellizenz ausgehändigt bekommen haben. Die Arten werden dabei in drei Gruppen unterschieden: 5 verschiedene Arten sind „Pelagic“, davon darf jeder von uns pro Tag 5 Stück fischen und maximal 10 im Besitz haben. 5 weitere Arten sind „Slope Rockfish“ davon dürfen wir nur einen angeln und behalten. Und dann gibt es noch 5 Arten „Demersal Shelf Rockfish“, die müssen mit einer „Deepwater Release Method“ in der Tiefe freigelassen werden, in der sie gefangen wurden.

Ups, das klingt kompliziert. Ist aber nicht so schwer. Ein großer Haken (ohne Widerhaken) mit einem starken Bleigewicht dran wird durchs Maul des Fisches gehakt und zieht ihn in die Tiefe. Durch einen Ruck an der abgelassenen Leine löst sich der Haken und der Fisch kommt frei. Hintergrund ist, dass diese Rockfish-Arten beim schnellen Aufholen der Angel ihre Schwimmblase so sehr ausdehnen, dass sie danach nicht ohne Hilfe abtauchen können sondern hilflos an der Oberfläche treiben. Nicht schön.

Aber jedenfalls angeln wir außer den wieder freigelassenen auch drei schöne Pelagic Rockfish und – als wir gerade zurück fahren wollen – zwar keinen Heilbutt aber immerhin auch noch einen Lingcod (Kabeljau). Fisch für die nächsten Tage ist also gesichert und wir müssen erstmal nicht langsam durch die Gegend trollen.

Da können wir es uns leisten, erst nach Mittag loszufahren. Gut so, denn am Morgen sieht’s so aus:

Mit der Drohne aufgestiegen, präsentiert sich über dem Nebel aber ein strahlend blauer Himmel.

Wie von Bill vorhergesagt, verzieht sich der Nebel aber mit steigender Flut und der kräftiger werdenden Sonne.

☀️

Wale, heiße Quellen und nette Menschen. Über Cannery Cove nach Warm Springs

Es ist ein langes Stück die Stephens Passage hinunter, etwas über 50 Seemeilen bis zu unserer nächsten Ankerbucht in der Cannery Cove. Zur Unterscheidung kein sonderlich glücklich gewählter Name bei der Unzahl von Konservenfabriken, die noch zu Beginn des letzten Jahrhunderts in Alaska existierten und gefühlt jede zweite Bucht zu einer Cannery Cove machten. Inzwischen sind die Gebäude nach dem Niedergang der lokalen Eindosung von Lachs ganz überwiegend verfallen und verschwunden, so auch hier. Ziemlich neu scheint ein Luxusressort am Eingang der Bucht mit Anleger für Wasserflugzeuge und diversen Booten für Angelausflüge. Mit seinen einzeln stehenden Holzhäusern passt es sich gut in die Landschaft ein und wir bekommen sonst nicht viel von ihm mit, abgesehen vom gelegentlichen Landen eines Wasserflugzeuges und zwei Booten, die mit Gästen vorbeikommen und diese die Krebskörbe einholen lassen.

Der Hit der Cannery Cove ist die Landschaft. Der steil ansteigende Talkessel rahmt das Ende der Bucht mit schneebedeckten Bergen, während vor der Einfahrt eine Vielzahl kleinerer, dicht mit Tannen bestandener Inseln pittoreske dunkelgrüne Tupfer in das Blau des Wassers setzt. Oder – wie am nächsten Morgen – in das Weiß des sich schnell auflösenden Morgennebels.

Als wir aufwachen, sehen wir aus Floras Fenstern nur wabernde Schwaden in für unsere Blicke undurchdringlicher Suppe, nach dem Morgenkaffee ziehen sich eine halbe Stunde später bereits nur noch einzelne Nebelstreifen an den Hängen der Berge entlang.

Bei herrlichem Wetter lichten wir Anker und fahren den Frederic Sound um die Südspitze von Admirality Island herum, queren die Chatham Strait und laufen in die Warm Springs Bay ein. Den ganzen Tag über sehen wir immer wieder Wale. Mal noch weit entfernt vor dem Hintergrund der hohen weißen Spitzen von Baranof Island, mal zeigen die Buckelwale ihre Fluken dicht an der Flora. Haben wir doch schon gesehen? Ja, aber es fasziniert uns jedesmal aus Neue.

Warm Springs Bay weist gleich mehrere Besonderheiten auf. Zum einen rauscht ein Wasserfall weiß und schäumend gleich neben der Handvoll Häuser in den Scheitel der Bucht. Gespeist wird er von einem höher liegenden Bergsee. Zum Zweiten gibt es einen Anlegesteg. Der ist praktisch, muss aber wegen der von der Tide und den Wassermassen der nahen Kaskade verursachten Strömung vorsichtig angefahren werden, zumal auch noch ein Unterwasserfelsen vor seinem Ostende verborgen ist. Von Donna und Bill haben wir den Tip, den Steg mit einigem Abstand parallel anzufahren und uns von der Strömung heran drücken zu lassen. Klappt auf Anhieb wunderbar. Später können wir dann beobachten, wie Booten bei „normaler“ Anfahrt der Bug weggedrückt wird und sie das Manöver abbrechen müssen.
Die dritte Besonderheit dieses Ortes sind – na klar – die warmen Quellen. Direkt am Hafen gibt es ein kostenlos zu nutzendes Badehäuschen. In drei Kabinen findet sich jeweils eine King-Size-Badewanne mit Platz für eine vierköpfige Familie. Ein Schlauch führt (nur leicht schwefeliges) Heißwasser aus den Bergen heran, einer frisches Kaltwasser vom Wasserfall. Zum Wasserfall hin sind die Kabinen offen, wer mag, kann einen Vorhang zuziehen.
Wir lassen uns ordentlich einweichen. 😊

Der eigentliche Kracher aber erfordert eine kleine Wanderung den Berg hinauf und durch den Wald. Der Pfad ist teilweise ein bisschen schlammig, Holzbohlen machen ihn aber auch in den sumpfigen Abschnitten gangbar.

Der Trail führt hinauf bis zum Bergsee und mit einer Kletterpartie an den Felsen entlang auch auf ein kleines Plateau mit tollem Blick.

Eine Abzweigung mitten im Wald leitet uns zu den Stromschnellen zwischen Bergsee und Wasserfall. Hier, direkt am Ufer des reißenden Flusses, finden sich die eigentlichen Namensgeber der Bucht, die warm Springs. Eher heiße als warme Quellen, ergießen sie sich in drei gestaffelte Natursteinbecken nacheinander, wobei die Temperatur langsam abnimmt. Das erste ist einfach zu heiß, im dritten Becken finden wir immer noch gesteigerte Badewannentemperatur. Derart aufgeheizt, können wir in ein Kaltwasserbecken der Stromschnellen als Sauna-Tauchbecken nutzen und uns gleich danach wieder wohlig durchwärmen lassen.

Das i-Tüpfelchen auf diese wundervollen Highlights setzen einmal mehr die Menschen, deren Bekanntschaft wir hier machen dürfen.
Auf einem Dinghyausflug in eine Nebenbucht sehen wir neben einem Grizzly am Ufer auch viele Lachse im flachen Wasser. Ich hole meine Angel und kann tatsächlich erstmals einen Pink Salmon an den Haken bekommen. Zurück am Steg bietet mir der Fischer Jeff von seinem Kutter aus an, mir das korrekte Filetieren des Lachses zu zeigen. Nehme ich natürlich gerne in Anspruch und seine Technik unterscheidet sich auch deutlich von der, die ich bisher bei Thunfisch und Mahi Mahi erfolgreich angewendet habe. Gut zu wissen.

Auf der Flora klönen wir danach ausgiebig mit Jeff. Der Profi, der seine Fischerei-Leidenschaft allerdings erst vor einigen Jahren auch zu seinem Beruf machte, findet unsere Angelausrüstung allerdings nicht optimal. Kurzerhand finden wir nach einem späteren Ausflug „ordentliche“ Köder auf unserem Deck!

Auch der Stegschnack mit Jim, dem einzigen anderen Segler an unserem Ponton, entwickelt sich zu einem weiteren Beispiel amerikanischer Gastfreundschaft. Jim war deutlich erfolgreicher als wir beim Lachsangeln, kurzerhand bringt er uns selbst geräucherten Fisch vorbei. Seinen Bordgrill hat er zum Räuchern umgebaut. Nicht so gut wie zu Hause, wo er einen großen Räucherofen hat, findet er. Eine echte Delikatesse, finden wir! Jim erklärt uns, wie lange und bei welcher Temperatur die einzelnen Räucherabschnitte erfolgen sollten. Und er erläutert auch, wie wir aus den Lachsrogen am besten leckeren Lachs-Kaviar machen können. Nicht nur theoretisch natürlich, selbstgemachten Kaviar dürfen wir auch gleich probiere. Außerdem hat er viele Tips für unsere weitere Strecke parat, 22 mal ist er bereits von Seattle nach Alaska gesegelt, 13 mal hat er dabei Flottillen von Booten geführt, die die Eigner vorher bei ihm als Vertreter unter anderem von Janeaux, Nauticat und Nordic Tug gekauft hatten.

Ein kleines bisschen können wir uns revanchieren: mit selbst gebackenem Blaubeerkuchen, von uns in Rum eingelegte getrockneten Beeren im Teig und frisch gepflückte wilde Blaubeeren in einem leckeren Topping.

Nachtrag: Jeff, Dein Köder hat sofort gefangen. Ein Coho-Salmon an Bord und schon gemäß Deiner Anleitung filetiert. 😋

Ganz lieben Dank.

Fotonachträge “Taku Harbor” bis “Bär, Bär, Bär”

Wir verlassen die schöne Windfall Bay. Sie hat uns bei ein paar Tagen mit angekündigten “Schietwetter” guten Schutz geboten, tatsächlich haben wir von dem Starkwind der durchziehenden Front an unserem Ankerplatz nichts mitbekommen.

Regen gab’s allerdings schon. Aber auch der ist jetzt erstmal durch und so sieht es in der Windfall Bay mit Morgensonne aus:

Heute Mittag haben wir im Vorbeifahren mal Internet, wohl von den Stationen Kake oder Petersburg, also schnell die Bilder der vorangegangen Beiträge hochladen. Weil sich doch ziemlich viele angesammelt haben, ordne ich sie direkt den jeweiligen Blogbeiträgen zu. Ich habe sie hier noch einmal verlinkt:

Taku Harbor

Tracy Arm

Pleasant Bay

Bär, Bär, Bär

Und der tägliche Weißkopfseeadler hat sich angesichts des Wetters der letzten Tage ein bisschen aufgeplustert:

Bär, Bär, Bär

Paris hat den Eiffelturm, London die Tower-Bridge, Berlin das Brandenburger Tor. Alle diese Wahrzeichen stehen für die Stadt, die Region, vielleicht sogar das ganze Land. Und Alaska? Es ist eigentlich ziemlich konsequent, dass kein Bauwerk ikonisch für den nördlichsten Staat der USA steht. „The Last Frontier“ – so der offizielle Untertitel Alaskas – meint nicht so sehr die politische Grenze, sondern vor allem das Grenzgängertum zur Wildnis, zum Ungezähmten, manchmal auch Unberechenbaren. Urbane Kultur hat hier nur einen Außenposten in der archaischen Natur. Selbst das Auto, scheinbar unverzichtbarer Bestandteil amerikanischer Kultur, wechselt die Rolle vom glänzendenden Statussymbol zum vorwiegend technisch statt optisch gepflegten Arbeitsgerät.

Rostend, aber robust. Trotzig auf den wenigen, überwiegend nicht einmal verbundenen Straßen eingesetzt, die der Mensch in den Rand der hier dominanten Natur hineingenarbt hat.

Die Kraft der Natur: ein Bild hat sich wie kein anderes als Wahrzeichen für dieses Alaska eingeprägt: der im wilden Gebirgsbach nach Lachsen fischende Grizzlybär.

Nur: bisher haben wir lediglich einen einzigen Grizzly zu sehen bekommen, das war in Glacier Bay. Würden wir gern ändern. Donna und Bill empfehlen uns Windfall Harbor auf Admirality Island, dort sollte jetzt zur Zeit der Lachswanderung eine gute Chance bestehen, Grizzlybären zu entdecken. Ideal wäre es, wenn wir einen Platz im Pack Creek Nature Observatory im Norden von Windfall Harbor ergattern könnten. In diesem von Rangern kontrollierten Schutzgebiet können die großen Braunbären in ihrem natürlichen Jagdgebiet beobachtet werden. Dafür bedarf es allerdings einer vorherigen Terminreservierung im Internet, nur 24 Besucher täglich sind in der Saison zugelassen. Das scheitert für uns aber schlicht an fehlendem Mobilfunknetz und damit mangelndem Internetzugang.

Macht nichts, wir fahren trotzdem gemeinsam mit der Denali Rose den Seymour Canal weiter hinauf zum Windfall Harbor, und dass, obwohl wir an unserem alten Ankerplatz in der Pleasant Bay erstmals Erfolg mit unserem Krebskorb hatten und ein leckeres Festmal auf der Flora mit frisch gebackenen Brioche-Brötchen, selbst gemachtem Krautsalat und eben (im Regen im Cockpit) gekochter Dungeness-Crab genießen durften. Eine Wiederholung könnte in Windfall Harbor schwierig werden, denn bei der Einfahrt in die weite naturbelassene Bucht ohne menschliche Bebauung sehen wir am Ufer unter den Bäumen eine große Zahl von Profi-Krebskörben aufgestapelt. Ein deutliches Zeichen dafür, dass die Berufsfischer diese Bucht wohl ziemlich intensiv beackert haben und unser unverdrossen ausgebrachter Krebskorb hier wohl keine ausreichen großen Krebse („Keepers“) fangen wird.

Neben der Hoffnung auf Bären-Sichtung spricht auch die Wetterlage für den Wechsel nach Windfall Harbor. Die Vorhersage kündigt für die nächsten Tage kräftigen Wind bis 35 kn aus Südost an, da ist dieser Naturhafen besser geschützt.

Tatsächlich bleibt das Wasser in unserer Bucht erst einmal so ruhig, dass Wiebke und ich eine ausgedehnte Erkundungsfahrt mit dem Dinghy machen. Dabei entdecke ich einen Grizzly, der sich allerdings in den Wald verzieht bevor Wiebke das Fernglas auf ihn richten kann. Wir funken über UKW die Ranger an und erklären unsere Situation, aber für diese Woche sind sie ausgebucht. Wir kommen immerhin als zweites Boot auf die Warteliste.

Nach einem ruhigen Vormittag (an dem ich erfolglos versuche, Lachs zum Anbeißen am Angelköder zu überreden und dabei ebenso erfolglos das Ufer nach Bären absuche) meldet sich Mittags der Ranger auf der Funke und ruft das andere Boot auf der Warteliste. Es gab eine Absage, sie könnten kommen. Scheint aber ein Missverständnis zu sein, sie benötigen den Slot gar nicht mehr. Unsere Chance! Wir springen in die Lücke, sagen zu und brausen gleich im Dinghy dreieinhalb Meilen die Bucht hinauf zu der Beobachtungsstation. Auf dem Weg entdecken wir Grizzlybären in einem Bachbett, aber das wird ja hoffentlich nur ein Vorgeschmack sein, oder? Nach dem Anlanden wird Florecita an Leinen wieder hinaus gezogen. Auf einem Stein sitzend erklärt uns die Mitarbeiterin der Station die Regeln und den Weg. Es gibt keinerlei Hütte oder Ähnliches, nur ein aus auf dem Boden liegenden Baumstämmen als Sitzen gebildetes Viereck nahe des Flusses, in dem ein anderer Ranger uns Fragen beantwortet und ein Beobachtungsfernrohr aufgebaut ist. Als sich nach einer guten Stunde aber immer noch keine Bären blicken lassen, schickt er uns zwischenzeitlich (bis die Tide kippt und die Bären – hoffentlich – wiederkommen) zu einem Beobachtungsturm ein gutes Stück (etwa 2 1/2 Kilometer) weiter den Pack Creek hinauf. Der Pfad dorthin führt zunächst am Strand entlang zurück und dann durch den Urwald am Berg. Wir bekommen noch den Tip, an unübersichtlichen Stellen zu singen oder laut: „Hello bear, I‘m coming around the corner“ oder Ähnliches zu sagen. Unser mitgeführtes Bärenspray sei normalerweise nicht nötig, die Bären hier würden Menschen üblicherweise nicht als Bedrohung empfinden und ihnen einfach aus dem Weg gehen. Nur Überraschungen könnten sie halt nicht gut leiden.

Also tapsen wir durch den Wald und geben an jeder unübersichtlich Stelle ein lautes „Bär, Bär, Bär“ von uns. Klappt jedenfalls insoweit, als wir im Wald keinem Grizzly begegnen 😉

Der Aussichtsturm steht oberhalb einer Biegung des Pack Creek und wir sehen hunderte von Lachsen in dem flachen, steinigen Flussbett. Ein perfektes Jagdrevier für die Braunbären, nur: wir sind offenbar zwischen den Mahlzeiten angekommen. Kein Bär lässt sich blicken. Einige Raben und Möven bedienen sich an den Überbleibseln der letzten Jagd, denn jetzt in der Hauptwanderzeit der Lachse fressen die Bären nur die Delikatessen wie die Haut und die Innereien und lassen den Rest liegen. Oft nehmen auch Adler die angefressenen Lachse mit in die Bäume, auf dem dem Weg durch den Wald konnten wir das zwischendurch auch deutlich riechen.

Nachdem wir sehr ausgiebig die Lachse, Raben, Möven und Adler beobachtet und vergeblich auf Bären gewartet haben, wandern wir wieder zurück zum Beobachtungsplatz an der Mündung des Creeks. Dort angekommen heißt es erneut: Geduld. Sean, der anwesende Ranger, verkürzt uns die Zeit und gibt sein umfassendes Wissen über die heimische Tierwelt weiter, fragt uns umgekehrt zu unserer Reise und insbesondere zu den Erlebnissen auf Galápagos. Und dann trottet jenseits des Flusses der erste Bär aus dem Wald. Er watet durch einen Nebenarm, verschwindet wieder.

Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Ein weiterer Grizzly kommt aus dem Schatten der Bäume, geht zum Fischen in den Creek, dann taucht ein Dritter auf.

Mein Fotoapparat klickt im Stakato, als mich Sean antippt und zur anderen Seite zeigt. Direkt an unserem Baumstamm-Viereck kommt eine Bärin aus dem hohen Gras, gefolgt von zwei Jungtieren. Ohne uns zu beachten gehen sie vorbei und die Böschung hinunter zu einem Flussarm.

Das Muttertier watet hindurch, fängt wie nebenbei einen Lachs, wartet dann auf der anderen Flusseite auf die Halbwüchsigen. Die müssen das erste Stückchen schwimmen. Kaum haben sie wieder Boden unter den Tatzen, fangen sie an, sich mitten im Fluss zu balgen und miteinander zu ringen. Unfassbar, dass wir das so aus der Nähe beobachten dürfen.

Irgendwann lockt der von der Mutter gefangene Lachs doch zu sehr und die beiden bequemen sich hinüber zur Bärin. Für uns gut sichtbar, trotten die drei durch die niedrige Feuchtwiese Richtung Wald, fangen zwischendurch noch einmal Lachse, kuscheln und tollen dann noch länger im Gras herum.


Inzwischen haben sich auch im Flussbett mehrere Grizzlybären eingefunden. Die jetzt schnell fallende Tide macht es den Lachsen schwerer, den flacher werdenden Wasserlauf hinaufziehen, sie sind eine leichte Beute. Bis zu vier Grizzlys gleichzeitig sehen wir fischen.

Mit den drei immer noch in der Wiese tollenenden Bären haben wir gleich sieben dieser Kraftpakete im Blickfeld, wenden den Kopf mal hierhin, mal dorthin. Was für ein Erlebnis!

Und der tägliche Weißkopfseeadler? Der hält sich heute mal oben auf dem hohen Flussufer im Hintergrund und lässt andere für sich jagen.


Wie passend, denn auch wir werden zurück am Boot bewirtet. Donna und Bill wissen, dass wir zum Pack Creek keine Lebensmittel mitnehmen durften, wir sind zu leckeren Hamburgern auf die Denali Rose eingeladen. Zwischen den Bissen sprudeln wir unsere Begeisterung über das nachmittägliche Erlebnis heraus und die beiden, die uns ja überhaupt erst hierher gebracht haben, freuen sich sichtlich mit uns.

Dieser Beitrag ist mangels Mobiltelefonnetz wieder mal per IridiumGo übermittelt und daher NOCH ohne Fotos. Es gibt aber welche 😉

(Bilder nachgereicht)

Ankerprobleme und Minustide in Pleasant Bay

Gemeinsam mit der Denali Rose brechen wir auf. Diesmal macht uns die Barre etwas zu schaffen. Obwohl wir auf dem kurzen Weg von der No-Name-Cove zum Ausgang von Tracy Arm noch Schiebestrom haben, empfangen uns an der Barre heftige Verwirbelungen. Whirlpool. Flora wird hin und her gedreht. Also Vollgas, mit 2 kn über Grund kämpfen wir uns ganz langsam an der roten Tonne vorbei. Die grüne – auf der Hinfahrt noch deutlich sichtbar – fehlt entweder ganz oder ist von den Strudeln unter Wasser gedrückt. Aber nach einer Viertelstunde sind wir durch, die Geschwindigkeit über Grund steigt wieder deutlich an und wir können wieder mit normaler Marschfahrt unterwegs sein.
Wir fahren ein Stück die Stephens Passage hinunter, runden Hugh Point am Südende der Glass Peninsula und dann geht es im Seymour Canal wieder etwas gen Norden. Einige Buckelwale machen mit ihrem Blas auf sich aufmerksam, sie sollen sich hier in der 35 sm langen maritimen Sackgasse des Seymour Canals sehr häufig aufhalten.
Unser heutiges Ziel ist Pleasant Bay, eine kleine Bucht auf der großen, rund 100 km langen aber fast durchgängig naturbelassenen Admiralitätsinsel.
Entgegen der Namensgebung unserer Bucht erwartet uns am Ankerplatz zunächst eine unangenehme Überraschung: unsere Ankerwinsch verweigert den Dienst. Wir hören das Klicken des Schaltrelais, aber der Motor der Winsch setzt nicht ein, die Kette bewegt sich keinen Millimeter. Hm.
Wir versuchen, die Kette über die Freifall-Funktion fallen zu lassen und lösen die Kettenbremse. Erst ein bisschen, dann komplett, aber noch immer bewegt sich die Kette kein Stück. Die Kontrolle im Ankerkasten ergibt aber, dass sich die Kette selbst nicht etwa verkantet hat. Bill bietet an, bei der Denali Rose längsseits zu gehen. Das tun wir gerne, es ist deutlich einfacher als jetzt unseren Zweitanker mit Leine klar zumachen.


Die als Stauraum genutzte Vorschiffskabine wird leer geräumt und dann geht es an die Fehlersuche. Wir vermuten zunächst ein Problem mit dem Relais, aber nach den Messungen scheint es den Elektromotor der Winsch korrekt zu schalten. Mist, für das Relais hätte ich Ersatz dabei, für den Motor allerdings nicht. Andererseits: wieso lässt sich die Kette überhaupt nicht bewegen?
Bill berichtet, dass sich bei seiner Ankerwinsch öfter die Kupplung/Kettenbremse festfrisst. Vielleicht hilft rohe Gewalt. Ich trete auf die Kette. Nichts. Springe mit beiden Füßen darauf und … die Kette rauscht aus. Nur einen halben Meter, ich hatte den Anker vorher gesichert. Ok. Test der Ankerwinsch: funktioniert einwandfrei. Wenn doch alle Reparaturen so einfach wären.

Zum Sundowner („Dirty Martini“) und Abend-Snack sind wir auf der Denali Rose eingeladen.

Am nächsten Morgen zeigt sich, wie bei Vollmond die Minustide das Bild der Bucht verändert. Die Seekarte zeigt zwei kleine Inselchen, die die Ankerbucht nach Osten schützen. Der Törnführer macht allerdings deutlich, dass die Einfahrt nur mittig zwischen der nördlichen Insel und dem Land erfolgen kann.

Dass wird jetzt bei 1,2 m Niedrigwasser unter Normalnull, also heute deutlich über 6 m Tidenhub, sehr offensichtlich, ebenso der große „Mudflat“-Flachwasserbereich innen in der Bucht. Die doch recht große Wasserfläche um unseren gut gewählten Ankerplatz herum hat sich in eine mehr oder weniger kleine Pfütze verwandelt, in der wir aber immer noch 4 Meter Wasser unter dem Kiel haben.

Die täglichen Weißkopfseeadler sind dann heute mal auf dem Mudflat.

Internet (bzw. Empfang für das Mobiltelefon) gibt es hier weiterhin nicht. Also ein weiterer Textbeitrag mit nachzureichenden Bildern.

(Jetzt: nachgereichte Bilder)

Tracy Arm

Nach ein paar Tagen in Taku Harbor machen wir die Leinen vom Floating Dock los und fahren weiter nach Süden. Ziel ist Tracy Arm, einer der beiden Fjorde von Holkham Bay. Der eigentlich fast zwei Seemeilen breiten Eingang weist eine Barre auf, die unsichtbar unter dem Wasserspiegel die Einfahrt auf nur ein Zehntel davon mit für uns nutzbarer Tiefe verkleinert und selbst dort die Tiefe von mehreren Hundert Metern auf nur etwa 20 m verringert. Das führt bei dem herrschenden Tidenhub von normalerweise etwa 5 m zu extremen Strömungen, Verwirbelungen und sogar Strudeln. Und schon vor der Einfahrt kommt uns das erste Eis entgegen, dass die beiden in den Fjord kalbenden Gletscher Sawyer Nord und Sawyer Süd auf die Reise geschickt haben.
Aber wir timen unsere Anreise gut, was immer auch ein bisschen Glückssache ist. Weder die Büchlein der Tidentabellen noch die Strömungsanzeigen der elektronischen Seekarten sind hier sonderlich akkurat, insbesondere starke Niederschläge in den Bergen können die Strömung stark verändern und dafür sorgen, dass selbst bei steigender Tide das Oberflächenwasser den Fjord hinunter drückt.
Wir ankern in der No-Name-Cove, der ersten Bucht nach der Einfahrt und zugleich dem einzigen vernünftigen Ankerplatz im ganzen, etwa 25 sm langen Fjord. Nur wenig Eis verirrt sich in diese Bucht, aber ein größerer und mehrere kleinere Eisblöcke sind trotzdem an ihrem Ufer gestrandet. Gletschereis für unsere Drinks ist also gesichert und malerisch sehen sie ohnehin aus.
Als wir ankommen ist die Crew des einzigen anderen Ankerliegers in der Bucht schon mit dem Beiboot auf Erkundungstour, kurz darauf picken sie mit ihrem Dinghyanker auch schon handhabbare Stücke aus den aufgelaufenen Eisblöcken. Vermutlich tausende Jahre altes Eis im Getränk, die Chance möchte sich kaum jemand entgehen lassen.

Am Abend steigt der „Blutmond“ über die Berge, der Vollmond im August. Dass heißt allerdings auch, dass wir Springtide haben, also eine besonders starke Ausprägung von Ebbe und Flut. Bei Ebbe sinkt das Wasser an unserem Ankerplatz mehr als einen Meter unter Normal-Null, mit der 5 m Flut kommen wir also auf gut 6 m Tidenhub. Da wollen Ankerplatz und gesteckte Kettenlänge besonders wohl überlegt sein.

Am nächsten Tag steht für uns die lange Fahrt in die Sackgasse zum Gletscher und zurück an. Und die wird ein unvergessliches Erlebnis, zumal uns das Wetter mit Sonnenschein und blauem Himmel ein zusätzliches Geschenk macht.

Der Fjord wird bald deutlich schmaler und windet sich mit seinem hunderte Meter tiefen Wasser durch steil an seinen Ufern aufragende, teils senkrecht abfallende Granitwände. Die Gipfel der umliegenden Berge sind deutlich über 1.000 m hoch, Schneefelder und „hanging glaciers“, also in den Bergen hängende, nicht bis zum Wasser herunter reichende Gletscher blitzen immer wieder an den Flanken auf. Unzählige Wasserfälle schießen in die Täler hinunter, mal als breite Kaskade, mal heben sie sich wie dünne weißgraue Haare von den Schultern der graugrünen Bergen ab.


Laut Tidenkalender sollten wir auflaufendes Wasser haben, tatsächlich aber verlangsamt uns eine leichte Gegenströmung. Trotzdem kommt uns immerhin nur wenig Eis entgegen und wir können bis kurz vor die Sawyer Insel fahren. Erst dort, am Treffpunkt der beiden kleinerem Arme hin zu den Gletschern, wird das Eis dichter. Große Brocken bleiben aber selten. Durch das von kleinen weißen Eisstückchen gespenkelte milchig mintgrüne Gletscherwasser schlängeln wir uns noch ein Stückchen weiter. Ab und zu schieben wir etwas größere Schollen mit dem Bootshaken zur Seite.

Wir sind früh aufgebrochen und hatten Tracy Arm die meiste Zeit für uns allein, aber jetzt gegen Mittag flitzen die schnellen Tourboote aus Juneau heran. Sie schenken den Eisstücken wenig Aufmerksamkeit und brausen einfach durch. Wir könnten uns in die dadurch gebildete Gasse einreihen, aber nachdem auch zwei Kreuzfahrtschiffe ankommen, treten wir doch lieber den Rückweg an. Praktisch, denn so haben wir das
Vergnügen auch auf der Rückfahrt durch den Fjord fast keinen Verkehr um uns herum zu sehen.


Zurück in der No-Name-Cove finden wir wiederum nur ein einziges anderes Boot vor, diesmal allerdings die Denali Rose unserer Freunde Donna und Bill. Sehr schön, so gibt es Tapas auf der Flora und dazu passend Vermouth mit Gletschereis. Schmeckt in Gesellschaft ja immer noch besser als sowieso schon.

Nachdem heute wieder ein richtig guter Alaska-Tag ist – wir also gar kein Fitzelchen Internet haben und das die nächsten Tage wohl auch so bleibt – wird dieser Beitrag per Iridium-Satellit übermittelt. Bilder gibts also erst einmal nur in Eurer Vorstellung, Kopfkino halt. Mal schauen, ob sie mit den von mir dann nachträglich einzustellenden Fotos in Einklang zu bringen sind.

Und??? Sind sie?