Verstecken zu Ostern

Fast drei Wochen sind wir nun schon auf den Gambier und fast die ganze Zeit hatten wir schönes und ruhiges Wetter. Pünktlich zum Osterfest zieht allerdings im Südosten von uns ein Tiefdruckgebiet auf, das auch unser Feiertagswetter beeinflusst. Für die nächsten Tage ist Wind aus Südost mit kräftigen Böen angekündigt.

Der Ankerplatz vor Rikitea auf Mangareva ist zwar durch die vorgelagerten Riffe geschützt, aber aus Südost können Wind und Welle doch einigen Anlauf nehmen. Für die Lagune bei Taravai gilt das Gleiche. Wir beschließen deswegen, uns auf der anderen Seite von Taravai in einer geschützten Nordwestbucht zu verstecken (blauer Punkt).

Die Nordwestseite von Mangareva bietet sich nur scheinbar ebenfalls an, sie ist aber ziemlich dicht an dicht mit Perlfarmen belegt.

Macht aber nichts: hier in der Baie Anganui liegen wir nicht nur wunderbar geschützt, sondern zudem auch ausnehmend schön.

Inzwischen hat sich noch die Adiona zu uns in diese schöne Bucht verholt. So können wir mit unseren kanadischen Segelfreunden Maggie und Scott Ostern feiern. Die beiden haben uns gleich schon mal bei der Kokosnuss-Ernte geholfen und dann zu Erdbeer-Margaritas auf ihren Kat eingeladen.

Für die vorbei gebrachten Bananen-Muffins können wir uns dann heute mit einem Guglhupf Elsässer Art revanchieren. Den hat Wiebke quasi als Testlauf für das Backen bei Tetu und Murielle ausprobiert.

😚

Sowieso schon SEHR lecker, aber mit der selbst gemachten Guaven-Marmelade – einfach ein Gedicht!

Wir wünschen Euch allen ein schönes Osterfest.

Das Versorgungsschiff kommt … und alles ist anders! Diesel tanken und Brotfrucht backen.

Wieder einmal heißt es Abschied nehmen. Jeannette und Jeroen wollen das Wetterfenster nutzen, um von den Gambier nach Tahiti zu segeln. Die Route führt südlich an den Tuamotus entlang. Da sie ja ihren Motor nicht benutzen können, wäre eine Flaute ziemlich gefährlich, durchgehend ausreichend Segelwind ist aber für die nächste Woche angesagt. Verständlich, dass sie sich das nicht entgehen lassen wollen. Aber eben auch schade, weil wir dadurch nur zwei gemeinsame Wochen in den wunderschönen Gambier hatten.

Wir nehmen sie noch einmal in Schlepp und ziehen sie von Taravai aus zum Westpass, dann nehmen sie die Segel hoch und werfen die Schleppleine los.

Tschüss Ihr beiden Lieben, gute und sichere Reise.

Wir bleiben noch in Gambier, Für uns geht’s zurück nach Rikitea. Da hat inzwischen die Nukuhau am Pier festgemacht. Sie ist das ältere der beiden Versorgungsschiffe, die die Insel etwa alle drei Wochen anlaufen. Das andere Versorgungsschiff, die modernere Taporo VIII, sehen wir draußen auf der Reede vor Rikitea ankern. Klar, an der kurzen Pier kann immer nur eins der Schiffe festmachen. Die beiden gehören verschiedenen Gesellschaften und sind auf gegenläufigen Routen durch die Inselwelt Französisch Polynesiens unterwegs, ohne dass sich die beiden Gesellschaften terminlich absprechen. Der „Fahrplan“ ist sowieso eher eine Schätzung. Im Bürgermeisteramt hatte man uns letzte Woche noch gesagt, ein Schiff käme am Mittwoch, das nächste am Samstag. Nun kamen beide kurz hintereinander am Sonntagabend an. Es ist aber selten, dass sich ihre Ankunft überschneidet. In diesem Fall hat die Taporo VIII Pech gehabt und muss zwei Tage warten. So lange dauert es nämlich, bis die Nukuhau mittels ihrer traditionellen Ladebäume ihre überwiegend aus Stückgut bestehende Fracht entladen und die neu aufgenommene Ladung gestaut hat.

Es ist eine kleine Zeitreise in die Vor-Container-Schifffahrt, die wir da beobachten können. Insbesondere das Entladen der vielen Fässer ist faszinierend:

Für uns ist auch Fracht dabei. Es gibt nämlich bisher keine Tankstelle in den Gambier. Der Container am Bauhof auf Mangareva soll dem Vernehmen nach wohl einmal diese Funktion haben, ist aber bisher nicht in Betrieb genommen.

In sofern bietet das Versorgungschiff für uns die einzige Möglichkeit, den Dieselvorrat der Flora wieder aufzufüllen. Das Prozedere dazu ist allerdings ungewöhnlich.

Zunächst einmal: abgegeben wird der Diesel nur in ganzen Fässern zu je 200 Liter. Der Preis ist in Ordnung, 31.000 CFP-Franc (auch XPF abgekürzt), umgerechnet etwa 260 Euro, also 1,30 Euro pro Liter. Die für ausländische Yachten in Tahiti gegebene noch günstigere Möglichkeit des steuerfreien Tankens gibts hier allerdings nicht.

Man bezahlt in einer kleinen vorübergehend auf der Pier errichteten Hütte. Dafür durfte ich allerdings bereits 90 Minuten anstehen, denn in der Hütte wird praktisch sämtliche ein- und ausgehende Fracht verwaltet. Die Quittung gibt man Louis, dem Tankwart. Der reicht sie weiter auf das Schiff, woraufhin vom Schiff aus 200 Liter Diesel in eines der vier Fässer auf der Pier umgefüllt werden.

Ist man an der Reihe, wird dann aus dem Fass in die – hoffentlich mitgebrachten – Kanister mittels Schwerkraft-Handpumpe umgefüllt. Das dauert.

Zwischen den Skippern der Boote ist reichlich Absprache gefordert. Wer braucht wieviel Diesel? Also wer ordert wie viele Fässer, kann abgeben oder nimmt dazu? Und in welcher Reihenfolge soll getankt werden, damit die Dieselkanister möglichst oft von verschiedenen Booten genutzt werden können?

Für uns ist es einfach. Unser 400-Liter-Tank ist fast halb leer, wir benötigen 180 l Diesel. Also ein Fass kaufen und jemanden finden, der uns 20 Liter abnimmt sowie möglichst ein paar Kanister leiht (wir haben nur zwei eigene 20l Dieselkanister). Klappt. Die erste Rutsche machen wir mit 3 Kanistern, dann mit 5, dann zum Abschluss 2. An Bord dann durch den Racor-Trichterfilter (mit Wasserabscheider und Sieb) in den Einfüllstutzen und das Additiv gegen Dieselpest nicht vergessen. Da ich mich dazwischen natürlich jedesmal neu hinten anstellen muss, ist es eine Tagesaufgabe. Um 9:30 hatte ich mich in die Schlange zum Bezahlen eingereiht, irgendwann kurz nach 16.00 ist es geschafft und wir sind um eine interessante Betankungserfahrung reicher.

Eigentlich hätten wir einen ganz anderen Termin gehabt, nämlich mit Tetu und diesmal auch seiner Frau Murielle. Als wir zuletzt bei ihm waren hatte er uns angeboten, dass die beiden uns eine andere Zubereitung der Brotfrucht zeigen. Bisher hatten wir sie geschält und zerteilt wie Kartoffeln in Wasser gekocht. Wir überlegen schon, dass Wiebke allein hingeht, aber dann treffe ich Tetu in der Warteschlange auf der Pier. Wenn das Versorgungsschiff kommt, treffen sich hier eben alle. Tetu muss einige Sachen zur Verschiffung aufgeben, unsere Brotfrucht-Verabredung verschieben wir einfach auf den nächsten Tag.

Als wir mit einem selbst gebackenen Kuchen bei Murielle und Tetu aufkreuzen, rufen uns die beiden hoch auf den Hang in ihrem riesigen Garten. Der Blick von dort ist atemberaubend schön:

Und die Brotfrüchte?

Die beiden haben ein Feuer gemacht und die Brotfrüchte komplett mit Schale in die heiße Glut gelegt. Ein paar Mal gedreht und gewendet, bleiben die Uru (wie Tetu die Brotfrucht nennt) etwa 30 bis 40 Minuten in der Feuerstelle. Dann rupft Tetu ein paar große Blätter vom nächsten Baum und mit ihnen als Topflappen holt er die Früchte aus der Glut.

Dann löst er mit einem Messer die gegarte Uru aus ihrer verkohlten Schale.

Den goldgelben Ball wickelt er zum Warmbleiben in Alufolie und gibt ihn uns mit. Lecker. Spannend ist, dass die Brotfrucht bei dieser Garmethode eine andere Konsistenz entwickelt. Faseriger, fast ein bisschen wie zartes Hähnchenfleisch mit (sehr rauchigem) Kartoffelgeschmack.

Und auch mit anderen Früchten werden wir wieder reich beschenkt.

Was wir für die beiden tun können? Tetu fragt, ob wir ihm zeigen können, wie man einen Guglhupf-Kuchen macht. Seine Großmutter aus dem Elsass habe den immer gebacken, es ist eine Kindheitserinnerung. Er besorgt die Zutaten, wir haben immerhin eine Topfkuchenform an Bord.

Na dann bis nächste Woche in Eurer Küche, Murielle und Tetu!

Taravai

“Keinesfalls das sonntägliche BBQ auf Taravai verpassen.” Darin sind sich die meisten Segler einig, wenn sie in den letzten 13 Jahren die Gambier besucht haben. Solange veranstalten nämlich Valerie und Hervé bereits das wöchentliche Grill-Potluck in ihrem Garten direkt am Angonoko-Ankerplatz an der Insel Taravai. Sie sind Ikonen der Gastfreundschaft.

Nur – in diesem Jahr haben die beiden beschlossen eine Pause einzulegen, um sich mehr der Renovierung ihrer Kirche widmen zu können. Gleich bei unserer Ankunft in Rikitea hören wir diese (für uns erst einmal traurige) Neuigkeit.

Zwei Wochen sind wir inzwischen in den Gambier. Da erreicht uns die freudige Nachricht: an diesem Sonntag machen die beiden eine Ausnahme. Na dann: fast alle Boote machen sich auf nach Taravai. Auch wir, sogar schon am Freitag. Geplant ist, dass wir die Fidelis in Schlepp nehmen. Wir stellen die Leinenverbindung her, auf der Fidelis wird der Anker eingeholt. Dann kommt plötzlich das Signal “Stop”. Die Kette hängt irgendwo fest, wir müssen abbrechen. Wir manövrieren ein bisschen herum, versuchen Fidelis nach Absprache durch Ziehen in die eine oder andere Richtung frei bekommen. Klappt aber nicht. Also erst mal alles retour, wir lösen die Verbindung und Ankern erneut. Jeroen holt seiner Tauchausrüstung hervor und schafft es tatsächlich, trotz schlechter Sicht in 17 m Tiefe die mehrfach um ein Hindernis gewickelte Ankerkette zu befreien.

Also kann es doch losgehen und wir ziehen die Fidelis die etwa sechs Meilen hinüber zu Mangarevas Nachbarinsel Taravai.

Ein bisschen knifflig ist allerdings die Anfahrt von Taravai, zumal im Schlepp. Der Ankerplatz ist von einem Riff geschützt, dass keinen echten Pass hat. Man muss über das Riff. Wäre doppelt blöd, wenn wir jetzt auflaufen, die geschleppte Fidelis kann schließlich schlecht stoppen. Allein mit der oft geforderten “Eyeball-Navigation” wird das hier übrigens nichts. Eine tiefe Einfahrt zeigt sich dem Auge einfach nicht. Allerdings weisen wohl zumeist drei an Backbord zu lassende Perlfarmbojen den besten Weg über das Riff.

Sicherheitshalber haben wir außerdem Wegepunkte in unseren Plotter eingegeben. Die SY Pitufa hat sie auf ihrer sehr lesenswerten Webseite veröffentlicht. Ganz lieben Dank für diesen Service. Das Wasser auf dem Riff ist so klar, scheinbar müssten wir jeden Moment mit dem Kiel die Korallen rammen und aufsetzen. Aber die Mindesttiefe nach unserem Lot ist 3 m, wir kommen sicher in die Lagune und Ankern auf 17 m Tiefe.

Einmal drin ist es ein weiterer absolut traumhafter Ankerplatz.

Sieben feste Einwohner hat Taravai derzeit, die wenigen Häuser gruppieren sich um die alte, deplatziert groß wirkende Kirche.

Aus der Distanz sieht sie, abgesehen vom Gerüst am Turm, ganz in Ordnung aus. Als wir sie uns näher ansehen wird aber klar, dass Hervé hier auf jeden Fall eine ganze Menge Arbeit vor sich hat.

Am Samstag machen wir einen Strand- und Schnorcheltag. Das Riff direkt am Ankerplatz bietet sich an und wir werden nicht enttäuscht.

Auch der feine Sandstrand auf Taravai eben nördlich des Örtchens gefällt uns richtig gut. Müßig zu erwähnen, dass wir ihn ganz für uns allein haben, wenn man von den im seichten Wasser patrouillierenden Baby-Schwarzspitzenhaien absieht.

Die eigentliche Krönung kommt allerdings am Sonntag. Das BBQ von Valerie und Hervé entpuppt sich als Potluck der Superlative mit sehr entspannten Seglern, einigen Einheimischen aus Rikitea, mit Speisen aus aller Welt und eben mit wunderbaren Gastgebern. Petanque, Volleyball, Schwimmen und Paddeln gibts noch On Top.

Wiebke mit Peter und Hervé

Also, wenn es denn stattfindet: keinesfalls das sonntägliche BBQ bei Valerie und Hervé auf Taravai verpassen.

Glück gehabt. ☺️

Gratwanderung und Früchte

Unser zweiter Hike auf Mangareva geht nicht ganz so hoch hinaus wie der erste. Trotzdem starten wir wieder früh. Gut, denn so können wir uns erstmal beim Bäcker mit frischen Baguettes versorgen.

Ein kleines Stück weiter zeigt uns ein unscheinbares Schild an der Dorfstraße den Eingang zum “Chemin Traversier de Kirimoro”. Der Weg scheint durch einen Privatgarten zu führen. Am Zaun entlang zum hinteren Grundstücksteil und dann geht’s den Berg hinauf in den Wald hinein. Kirimoro ist ein kleines Dörfchen auf der Westseite von Mangareva und der Weg würde quer über den Inselrücken dort hinüber führen. Wir entscheiden uns aber, oben auf dem Bergrücken nach links abzubiegen und auf dem Grat entlang Richtung Süden zu wandern.

Es ist ein herrlicher Trail. In weiten Teilen sehr gut zu gehen und vom Kamm aus mit tollen Blicken zu beiden Seiten hinunter in die Buchten.

Zwei Steilstücke mit Kletterseilen geben dem Ganzen noch ein bisschen zusätzliche Würze, ohne dass es aber allzu anstrengend wird.

Mit alles in allem etwa zwei Stunden ist dieser Trail auch deutlich kürzer als unser Hike auf den Mont Duff (wo wir mit dem Umweg fast 6 Stunden unterwegs waren). Allerdings schließen die Wege aneinander an, wer mag, kann also nach Bedarf verlängern. Für mich ergibt sich die Verlängerung diesmal etwas unfreiwillig. Ich habe unterwegs meine Sonnenbrille verloren, wahrscheinlich ziemlich am Anfang. Als wir zurück in Rikitea sind, hänge ich also noch eine Schleife dran und finde das gute Stück tatsächlich auch wieder.

Das gibt mir außerdem Gelegenheit, auf der Dorfstraße auch noch ein kleines Stückchen weiter zu gehen und dem dort aufgestellten Tiki einen Besuch abzustatten. Tikis sind Holz- oder Knochenschnitzereien oder Steinmetzarbeiten, die einen ganz wesentlichen Bestandteil der polynesischen Kultur bilden. Sie zeigen eine stilisierte Menschengestalt, mit der eine spirituelle und kulturelle Kraft verbunden wird. Geschichtlich sollen sie bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen und ursprünglich von den Marquesas ausgegangen sein.

Der Stil dieser in ganz Polynesien (also von Neuseeland bis Hawai’i (Ki’i) und zur Osterinsel mit ihren Moai) verbreiteten Skulpturen ist je nach Region oder sogar Insel inzwischen sehr unterschiedlich.

Ein anderer Spaziergang führt uns in Rikitea zu Tetu. Daniela von der Yelo hatte uns in La Paz eindringlich ans Herz gelegt, auf Mangareva unbedingt Tetu und Murielle zu besuchen und liebe Grüße von ihr auszurichten. Machen wir natürlich gerne. Tetu seinerseits lädt uns sofort ein und führt uns durch seinen riesigen Garten – eigentlich fast schon ein Park – gefüllt mit allen möglichen Nutzpflanzen.

Sei es dieser Anattostrauch für seine Bienen (er ist auch Imker),

Paprika und Chili …

… oder vor allem eben Obstbäume in unfassbarer Zahl, wie hier die Guaven, die er uns gleich im Überfluss abpflückt.

Schwer beladen kehren wir zur Flora zurück, nicht ohne von Tetu auch noch für nächste Woche eingeladen worden zu sein. Dann möchte er uns gemeinsam mit seiner Frau zeigen, wie man am besten mit der uns bisher eher fremd gebliebene Brotfrucht umgeht.

So sieht Flora aus, nachdem wir Tetus Geschenke auf ihrem Heck ausgebreitet haben:

Mangos, Passionsfrucht, Pampelmusen, Zitronen, Chili und jede Menge Guaven. Nur die Gurke haben wir im Geschäft gekauft, Gemüse ist auf den Gambier ungleich weniger verbreitet als Früchte.

Danke, Tetu. Wir werden versuchen, uns nächste Woche irgendwie zu revanchieren. Geschenk und Gegengeschenk, so ist es üblich in Französisch Polynesien. Gar nicht so einfach bei einer solch überwältigenden Großzügigkeit.

Das Kreuz des Südens

Der Ankerplatz hier vor Rikitea ist ruhig. Wunderbar ruhig. Kaum eine Welle kräuselt das Wasser. Der Pazifik-Schwell bricht sich schon am Außenriff der Gambier-Inseln, was dann noch übrig bleibt verliert sich auf dem Weg über die inneren Riffe.

Die “Ilovent” unserer Bootsnachbarn Fabienne und Jean-Charles spiegelt sich jedenfalls auf dem glatten Wasser.

Und weil natürlich auch die Flora fast völlig unbewegt daliegt, fängt das von Bord und ohne Stativ gemachte Foto im nächtlichen Sternenhimmel sogar das “Kreuz des Südens” ein. Dieses kleinste, gleichzeitig aber wohl bekannteste Sternbild des Südhimmels liegt jetzt am frühen Abend noch auf der Seite, an drei Seiten umgeben vom Sternbild Zentaur. Im Laufe der Nacht wird es sich aufrichten und dann zur anderen Seite kippen.

Für uns Nordeuropäische Segler verbindet sich mit diesem Sternbild (dass übrigens schon deutlich vor der Äquatorüberquerung am Nachthimmel auftaucht) die Reise in die Ferne, die Exotik, das Abenteuer. In Seemannsliedern und Schlagermusik besungen, auch literarisch immer wieder als Sinnbild verarbeitet. Kein Wunder, dass diese Sternenkonstellation, obwohl das eigentliche Sternbild mehr als die vier ikonischen Sterne beinhaltet, auch die Flaggen diverser Länder ziert. Bei Australien, Neuseeland, Samoa und Papua Neu-Guinea sehr prominent, aber z.B. bei Brasilien eben auch deutlich sichtbar.

Rechts oberhalb des Mastes erkennt man die beiden “Zeiger-Sterne” Alpha Centauri und Agena (Beta Centauri). Verlängert man deren Achse etwa dreimal, kommt man zu Decrux an der Spitze des Kreuz des Südens.

In der App “Star Walk” sieht das etwa so aus:

Die Besonderheit des Sternbildes Kreuz des Südens liegt in seiner eigenen “Zeiger”-Funktion. Am Nachthimmel der Nordhalbkugel weisen die beiden äußeren Kastensterne im Großen Wagen zum Polarstern und ermöglichen damit eine Nord-Orientierung. Zwar gibt keinen südlichen Polarstern, aber die (etwa 4,5-fache) Verlängerung des längeren Balkens im Kreuz des Südens führt annähernd zu dem Punkt, an dem ein solcher Stern stehen müsste: dem südlichen Himmelspol, um den sich der südliche Sternenhimmel zu drehen scheint.

Auch heute noch bietet es Orientierung bei der nächtlichen Navigation.

Alpha Centauri ist der dritthellste Stern überhaupt an unserem Firmament. Manchmal wird er auch Rigil Kentaurus bezeichnet (abgeleitet von “Fuß des Zentauren”). Gemeinsam mit Beta Centauri und den drei leuchtstärksten Sternen aus dem Kreuz des Südens wird die größte Häufung derart heller Sterne am Nachthimmel gebildet, entsprechend leicht sind ihre Sternbilder zu finden. Einzig das “Falsche Kreuz” führt manchmal in die Irre. Es ist etwas größer und eigentlich ein Teil des Sternbildes “Segel des Schiffes” sieht aber dem gar nicht weit entfernten Kreuz des Südens durchaus ähnlich. Allerdings ist es spiegelverkehrt schief, der Mittelbalken des Kreuzes scheint also von links nach rechts zu fallen anstatt zu steigen. Und natürlich bietet es eben auch keine Süd-Orientierung.

Auch wenn wir nicht wirklich danach navigieren: wann immer wir das Kreuz des Südens im Nachthimmel sehen, freuen wir uns jedenfalls jedesmal aufs Neue. Und wie so vieles, was vielleicht anderen (zu Recht) abstrus oder zusammenhanglos erscheint, uns aber musikalisch an unsere Reise erinnert:

“Southern Cross“ von Crosby, Stills & Nash hat es auf die ständig wachsende SY Flora-Playlist geschafft. 😊

Lummerland oder Mangareva?

Vorab eine Entschuldigung an alle, die sich nicht als Kinder gebannt vor dem Fernseher von der “Augsburger Puppenkiste” verzaubern lassen haben: es tut mir ein bisschen leid für Euch. Ignoriert am besten in diesem Beitrag einfach den kindischen Text und schaut Euch nur die Bilder an!

Für die anderen, Freunde der Augsburger Puppenkiste oder für Fans des Autors Michael Ende muss es LUMMERLAND sein (🎵 Eine Insel mit zwei Bergen und dem tiefen weiten Meer 🎶), auch wenn es ja in dieser Geschichte nur die noch aus dem Meer ragende Spitze des untergegangenen, viel größeren Königreichs Jamballa ist.

Ähnlichkeiten mit Mangareva und dem Gambier-Archipel und dessen Entstehung sind zufällig und bestimmt nicht beabsichtigt … 😚

Der ein oder andere wird sich vielleicht auch noch daran erinnern, das Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer die Dampflok Emma für ihre Reise von (und zurück nach) nach Lummerland zum Schiff umbauen mussten. Ein Segelboot ist da doch ungleich praktischer.

🎵 Eine Insel mit zwei Bergen und dem Fotoatelier, in dem zweiten macht man Bilder, auf den ersten Holldrijöh 🎶. Nachdem wir ja im letzten Blogbeitrag auf den Bergen waren, hier also einfach mehr (Drohnen-)Fotos. So sieht es hier aus:

Und ja, die Einfahrt zum Ankerplatz hinter den vielen Riffen sieht etwas kniffelig aus …

… aber sie ist gut betonnt und insofern wirklich nicht schwer zu meistern …

… erst mal drin, liegt man umso geschützter:

Und deshalb:

🎵 … jeder sollte einmal reisen in das schöne Lummerland 🎶

Ganz oben in Mangareva

Eine der Besonderheiten in den Gambier ist ja, das sich fast alle Inseln des Archipels innerhalb eines einzigen Atolls befinden, trotzdem aber recht hohe Berge aufweisen. Zwei Spitzen ragen besonders heraus, beide liegen auf Mangareva und sind jeweils ein Teil des Kraterrandes des inzwischen überwiegend versunkenen Vulkans. 423 m hoch ist der Mokoto, der Mont Duff ragt sogar 441 m über den Meeresspiegel.

Mit Jon von der GoBabyGo, Christina und Simon von der Tawaki und Suz von Purrr treffen wir uns frühmorgens um 7:30 an der Pier. Gemeinsam ergattern wir eine Mitfahrgelegenheit auf der Ladefläche eines Pickups bis zum Einstieg in den Hike.

Unser Hike führt fast die ganze Zeit unter dem dichten Blätterdach des Waldes entlang. Das ist fein bei den hier herrschenden Temperaturen, trotz unseres frühen Starts.

Um so mehr, als es die meiste Zeit über rutschigem Grund steil bergauf geht. Nach einiger Zeit teilt sich der Pfad. Die anderen wollen heute zum Mokoto, Wiebke und ich schlagen den Weg zum Mont Duff ein. Es ist faszinierend, selbst hier mitten im Wald und weit ab vom Dorf finden sich Pampelmusenbäume mit kindskopfgroßen Früchten.

Als wir etwas höher kommen, wechselt das Bild des Waldes, er wird mehr und mehr aus zumeist stark bemoosten Kiefern gebildet.

An manchen Stellen sind als Kletterhilfe Seile angebracht, sehr hilfreich bei dem Teppich aus losen Kiefernnadeln, der am Hang immer wieder unter uns wegrutscht.

Dann wieder geht es durch dichte Farnfelder, in denen wir kaum sehen können, wohin wir die Füße setzen.

Auf nur etwa 2 km Strecke steigen wir bis auf die 441 m Höhe auf. Für unsere nicht mehr ans Wandern gewöhnten Beine fühlt sich die Strecke aber viel länger an. Wahrscheinlich ist es ganz gut, dass die anderen nicht dauernd auf uns warten müssen.

Eine letzte Kraftanstrengung noch am Gipfel: die Spitze des Mont Duff lässt sich nur durch das Klettern über Felsen erreichen. Das braucht ein bisschen Überwindung, denn es geht auf ein schmales Plateau, das auf beiden Seiten fast senkrecht abfällt.

Zur Belohnung gibt’s allerdings dann zwischen Vorhängen von schnell treibenden Wolken traumhafte Ausblicke über das Archipel.

Weit unter uns können wir Flora am Ankerplatz vor dem Ort Rikitea erkennen, beim Selfie haben die Wolken schon wieder das eben noch klar erkennbare Außenriff verborgen:

Der Mokoto zeigt uns seine auch schon sehr steile Schrägflanke und fällt dann in Richtung der Inseln Taravai und Agakauitai hin fast senkrecht zum Meer ab:

Wie unser Mont Duff ebenso:

Und auch der Blick hinunter auf die Perlfarmbuchten im Westen von Mangareva fasziniert.

Was für ein Panorama.

Für den Abstieg wählen wir die alternative Route.

Dafür geht es zunächst die Füße gegen den Berg gestemmt steil am Berg herunter. Aber das “zunächst” zieht sich. Hinter der nächsten Biegung geht es genauso weiter und selbst die Schräghangstücke führen zumeist sicherheitshalber an einem Seil entlang. Untertrainiert wie wir sind schlaucht uns das ziemlich. Und als dann der Weg hinunter zur Straße gesperrt ist und wir einen ziemlichen Umweg zurück zu unserem Einstieg in den Trail machen müssen, werden die Knie doch langsam schwach. Zum Glück haben wir mehr als 4 Liter Wasser und einige Müsliriegel mitgenommen, ebenso wie die langen (inzwischen klettenverzierten) Hosen und die dicken Wanderstiefel eine gute Entscheidung.

Nach sechs Stunden sind wir zurück am Ankerplatz und genießen erst mal ein herrliches Bad.

Anstrengend war’s – und wunderschön 🤩!

Perle der Südsee

Mit dem Boot zu reisen bedeutet langsam zu reisen. Über drei Wochen von Mexiko nach Französisch Polynesien, fast fünf Jahre von Korfu bis Gambier. Es heißt, einer der Vorteile dieses gemäßigten Tempos sei, dass die Seele mithalten kann.

Und trotzdem: gerade hier in der Südsee brauchen wir Zeit, um wirklich anzukommen. Wir lassen die Seele baumeln, basteln ein bisschen am Boot, besuchen die Nachbarn, gewöhnen uns an die Temperaturen, springen ins Wasser, machen kurze Spaziergänge durch den Ort. Schwupp, schon wieder ein Tag rum.

Hauptstraße in Rikitea, mitten im Ort

Andere sind aktiver. Jeannette und Jeroen haben schon früh am Morgen einen Besuch bei “der Obst- und Schmuckfrau” Taina gemacht. Sie bringen uns frische Bananen und riesige Avocados mit.

Jeanette hat außerdem unsere Wäsche in ihrer Bordwaschmaschine gewaschen, wir können sie jetzt auf Floras Vorschiff trocken flattern lassen.

De und John von der GoBabyGo laden zum Sundowner ein:

Und Judy und Todd von der Galileo haben für den nächsten Tag eine Tour zu einer Perlfarm organisiert, an der wir gerne teilnehmen.

Mit dem Pickup holt uns Mohaire ab, die seit acht Jahren mit ihrem Mann eine Perlfarm in der Bucht auf der anderen Seite von Mangareva betreibt. Drüben steigen wir in das flachgehende Aluboot ihres Mannes.

Zwischen unzähligen Perlfarm-Bojen hindurch geht es dann hinaus zur Farm, einer auf Stelzen mitten auf dem Wasser gebauten Arbeitshütte.

Etwa 100 dieser in privater (lokaler) Hand befindlichen Perlfarmen gibt es in den Gambier. Sie produzieren in aufwendiger Handarbeit die berühmten schwarzen (jedenfalls dunklen) “Tahitiperlen”. Und auf unserer Tour bekommen einen Einblick in den gesamten Ablauf, von dem Einfangen der wilden Austernlarven über die Aufzucht, Hege und Pflege der Muscheln, das Einpflanzen des Nukleus in die präparierte Tasche der Auster und auch die Ernte und das Sortieren der Perlen.

Und die Tour ist durchaus handfest: wir dürfen anpacken und zum Beispiel die Auster für das Einsetzen des Nukleus ein Stück weit öffnen. Gar nicht so leicht.

Wesentlich schwieriger allerdings ist das Einpflanzen des Nukleus (um den die Auster dann hoffentlich das Perlmutt bildet) und eines kleinen Stückchens “Black Lipp” von einer bereits geernteten Auster (welches zusammen mit dem Standort und der Wasserqualität maßgeblich die Farbe der Perle beeinflusst). Diese filigrane Arbeit wird von zumeist chinesischen Zeitarbeitern im Accord verrichtet, mehrere Hundert dieser Operationen am lebenden Objekt führt eine Arbeiterin am Tag durch:

Und – mindestens 18 Monate später – zeigt sich dann erst, ob die Arbeit erfolgreich war. In etwa 65 Prozent der Austern ist eine Perle herangereift. Ist es eine Perle guter Qualität, wird dieselbe Auster erneut “geimpft” und darf weiter produzieren, bis zu drei mal.

Jeder von uns darf eine Auster wählen und die darin befindliche Perle behalten.

Mohaire operiert sie heraus:

Und am Ende dürfen wir auch noch die Klassifizierung unserer Perlen vornehmen und schauen, ob wir aus dem Fundus der vor Ort produzierten Perlen noch Erinnerungsstücke kaufen wollen.

Hm.

Eine Südseeperle aus Gambier, unzweifelhaft einer Perle der Südsee?

Nach der Passage

Es ist ganz putzig. Nimmt man die Eingewöhnungsphase der ersten drei Tage mal raus, hatten während der gut drei Wochen unserer Überfahrt nicht das Gefühl, zu wenig Schlaf zu bekommen. Und doch: nach der ersten Euphorie des Ankommens sacken wir ein bisschen durch. Schlafen geschlagene 12 Stunden in der ersten Nacht und wachen trotzdem wie gerädert und mit leichten Kopfschmerzen auf klitschnass geschwitzten Laken auf.

Allzuviel bekommen wir am Tag dann auch nicht mehr erledigt. Immerhin das Nötigste, das Einklarieren. Das geht flott in der Gendarmerie. Vor unserer Abfahrt in Mexiko hatten wir das Internet-Formular für die Einreise in Französisch Polynesien ausgefüllt. Man kann es ausdrucken, aber wir nehmen nur die Vorgangsnummer aus der Bestätigungs-Email mit, das reicht aus. Der freundliche Beamte der Gendarmerie Nationale, Brigade de Rikitea, fragt uns noch, ob wir einen Stempel in den Pass haben möchten, sozusagen als Souvenir. Na klar. Und dann gibt er sich auch ganz besondere Mühe mit den Stempeln.

Wir sind drin. Polynésie francaise.

Als wir die Pässe wieder in der Hand haben fragen wir noch mal nach. Wie lange dürfen wir jetzt bleiben? Der Bürochef antwortet: Das Boot zwei Jahre, danach müsste es importiert werden. Und wir? Als EU-Europäer so lange wir mögen. „No Limit.“ Das ist sehr nett zu wissen, aber eigentlich nicht unser Plan.

😉

Die nächsten Gänge führen zum Geldautomaten an der Post und dann zum Bürgermeisteramt, wo wir die Gebühren für die Müllentsorgung (am Bauhof) bezahlen sollen.

Wir spazieren noch ein bisschen weiter durch das schmucke kleine Dorf und kommen an diesem Schild vorbei:

Der Stützpunkt unseres Segelvereins Trans Ocean aus Cuxhaven! Wir hatten zuvor von anderen Seglern gehört, dass wir einen Besuch hier am Besten am frühen Vormittag machen sollten. Dafür ist es jetzt etwas spät, aber wir gehen trotzdem hinein. Fritz begrüßt uns freudig und auf Deutsch. Er teilt uns auch gleich mit, dass er seit seinem letzten Schlaganfall keinen Alkohol mehr trinkt und auch nicht mehr raucht. Und dann geht ein echter Tropenguss auf das Blechdach der Hütte nieder, währen der 83jährige Fritz uns ganz wunderbar mit seiner wirklich außergewöhnlichen Lebensgeschichte unterhält.

Bis vor kurzem war Fritz auch zugleich die Anlaufstation für Segler, die in den Gambier Wäsche waschen wollten. Einen Waschsalon gibt’s nämlich nicht. Aber leider, seine Waschmaschine gibt den Geist auf und ist so laut geworden, dass er diesen Service inzwischen nicht mehr anbietet. Und da auch Rikitea Yacht Service seinen Betrieb eingestellt hat, bleibt nur die Handwäsche oder – was für ein Luxus – wir nehmen das Angebot unserer Freunde Jeannette und Jeroen an, die Waschmaschine auf Fidelis zu benutzen. Damit nicht genug, bewirten die beiden uns auch noch mit einem fürstlichen Dankesessen. Wir danken Euch, Ihr Lieben.

Die zweite Nacht bringt uns immerhin noch mal 10 Stunden Durchschlafen und dann erleben wir den ganzen Vormittag tropische Regengüsse aus dem Bilderbuch.

Wir gehen es langsam an. Die sintflutartigen Regenfluten nutzen wir allerdings gleich für eine natur-unterstützte Dusche und um das Schiff von der intensiven Salzkruste zu befreien, die es während der Passage aufgebaut hatte.

Und schließlich:

Wiebke backt gerade einen Kuchen. Ein erster Eindruck von unserem wunderschönen und ruhigen Ankerplatz hier zwischen den Riffen vor Rikitea:

Mangareva: eine Insel mit zwei Bergen …

Abschlepp-Aktion vor der Ankunft: Tag 24 der Passage von Mexiko nach Französisch Polynesien

Landfall mit Hindernissen

Die letzte Nacht vor der Ankunft beginnt mit einem Schock. Allerdings für Jeanette und Jeroen sicher mehr als für uns. Mit Beginn der Dämmerung erhalten wir einen Anruf von unserem Buddyboat. Die etwas hinter uns liegende Fidelis hat einen Getriebeschaden, der Motor ist nicht einsetzbar.

Es sind noch gut 40 sm bis zur Ansteuerung der Riffdurchfahrt, derzeit ist – wenn auch nur leichter – Segelwind. Also vereinbaren wir, dass wir zunächst ein Reff einbinden, damit sie weiter zu uns aufschließen können. Falls möglich, wollen wir die Boote bis kurz dem Pass segeln. Dann soll Flora die Fidelis in Schlepp nehmen. Allerdings ist weiter abnehmender Wind vorhergesagt. Für den Abend unseres Ankunftstages allerdings kündigen sich kräftige Gewitter an, allzu spät sollten wir nicht dort sein.

Bis 4.00 Uhr segeln wir, dann ist völlige Flaute. Noch gut 20 sm bis zum Pass. Fidelis ist jetzt aber nur noch 2 Meilen von uns entfernt. Über Funk vereinbaren wir den Versuch, doch bereits in der Dunkelheit eine Schleppverbindung herzustellen. Eigentlich möchte ich die Zugkraft mit einem Hahnepot auf unsere beiden Heckklampen verteilen, aber von dieser Vorstellung muss ich wieder Abstand nehmen. An Steuerbord würde unmittelbar am Propeller des Außenborders entlanglaufen, zu gefährlich. Und selbst wenn wir den Außenborder hochklappen oder gar (unterwegs im Dunkeln aufwändig) abnehmen, würde die Hahnepot auf Höhe der Unterkante unseres Dinghies verlaufen. Nicht gut. Die See ist ruhig, da sollte die massive durchgebolzte Backbord-Heckklampe unserer Hallberg-Rassy 43 auch mit den Zugkräften der 54 ft Amel klarkommen (hoffen wir).

Wiebke manövriert uns dicht an die Fidelis heran und ich werfe eine dünne Leine hinüber, an deren Ende ich unsere 50 m lange Heckankertrosse geknotet habe. Letztere befestigt Jeroen am Bug der Fidelis und dann beginnt die Schleppfahrt.

Angenehmer ist es natürlich, als es zwei Stunden später langsam hell wird und sich vor uns auch die Gambier-Inseln abzuzeichnen beginnen.

Es ist unmöglich, die Schleppleine permanent unter Last zu halten. Auch wenn die Wellen niedrig sind, zwei Dünungen laufen hier aus verschiedenen Richtungen um die Nordspitze des Gambier-Riffs herum. Laut Windy sind die derzeit zwar nur 1,6 und 1,2 m hoch. Manchmal heben sie sich fast auf, manchmal addieren sich die Höhen. Aber jedenfalls sorgen sie eben doch dafür, dass die Schlepptrosse unregelmäßig Lose bekommt oder sich strafft. Wir müssen aufpassen, dass Fidelis leicht nach Steuerbord versetzt hinter uns bleibt, damit die Trosse beim Hochschnellen nicht unter unsere Rettungsinsel knallt.

Insbesondere beim Einlenken in den Pass und den folgenden scharfen „Linkskurven“ bei der Durchfahrt der inneren Riffe zum Ankerplatz vor Rikitea auf Mangareva ist das wichtig.

Das Fahrwasser ist gut betonnt. Aber Achtung: die Betonnung folgt hier in Französisch Polynesien wieder dem zu Hause in Europa verbreiteten System A (einlaufend rot an Backbord) und nicht wie zuletzt System B (Red Right Return).

Es ist anstrengend, keine Frage. Das Abschleppen reibt an den so kurz vor dem Ende der Passage ohnehin überstrapazierten Nerven, aber es ist eben auch Teil der gelebten Seemannschaft und des Abenteuers, das mit einer solchen Ozeanpassage einher geht. Und: alles klappt gut, wir kommen sicher am Ankerplatz vor Rikitea an.

Das dann unsere Ankerwinsch mitten im Manöver in Streik geht und die Sicherung durchbrennen lässt hätte jetzt eigentlich nicht sein müssen, aber wir finden einen Workaround und bringen das Manöver zu Ende, ersetzen dann die Sicherung und werden uns vielleicht morgen um den Fußschalter kümmern, den wir als eigentliche Ursache verdächtigen.

Strecke bis zur Ankunft: 86 sm, damit gesamt auf dieser Passage: 3.048 sm, unsere zweitlängste Passage bisher auf der gesamten Reise.

Ankunft war um 13.00 Gambierzeit (wir sind jetzt 10 Stunden hinter der deutschen Zeit). Einschließlich der durch die beiden Zeitzonen gewonnenen zwei Stunden waren wir also 24 Tage und 4 Stunden (=580 Stunden) unterwegs. Das macht 5,25 kn Durchschnittsgeschwindig-keit. Wohl der niedrigste Wert unserer bisherigen Hochseepassagen, und doch sind wir damit sehr zufrieden. Denn zum einen haben wir es damit geschafft, praktisch die kompletten Tropen von Nord nach Süd mit nur 43,4 Motorstunden zu durchfahren, wovon ja auch noch gut 8 Stunden auf das Schleppen entfallen. Vor allem aber haben wir es mit dem teilweise bewusst langsamen Segeln geschafft, alle Gewittergebiete auf dem Weg zu umschiffen.

Ankommenschluck mit der Crew der Fidelis

Wir sind ein bisschen erschöpft, glücklich und wir freuen uns darauf, mal wieder eine ganz Nacht durchzuschlafen.

🥱😴💤

Na ja, mal schauen ob das inzwischen für den frühen Morgen vorhergesagte Gewitter das zulässt, aber deutlich lieber hier als unterwegs.