Fotonachtrag zur Atlantiküberquerung

Erst mal ganz lieben Dank für Eure Anteilnahme, die Aufmunterungen und die Glückwünsche. Es freut uns riesig, dass Ihr uns auf unserer Reise so begleitet.

Ich hatte ja in den Iridium-Posts mehrfach geschrieben, dass wir ganz schön durchgeschaukelt werden und die See nicht einfach nur eine lange Ozeandünung sondern ziemlich kabbelig ist. Hier erst mal ein paar Bilder die versuchen, das in seiner Wildheit und Schönheit zumindest ansatzweise einzufangen:

Es ist schon erstaunlich, wie einerseits unfassbar anstrengend es ist, wenn DAUERND ALLES in Bewegung ist, nichts einfach dort liegen bleibt, wo man es „mal kurz“ ablegen musste, man sich selbst auf dem stillen Örtchen festkeilen muss, man beim Schlafen selbsttätig gewendet wird als sei man ein Grillhähnchen und selbst simpelste Aufgaben wie Kaffeekochen eigentlich eine dritte Hand erfordern würden. Und wie andererseits sich der menschliche Körper (und Magen) dann meistens doch irgendwann daran gewöhnt, man entspannen und sogar lesen kann.

Segel-Schaukel im Passat
Und ja, blaue Flecken von unvermittelt zufallenden Kühlschrankdeckeln gehören auch dazu.

Tierfotos hätte ich Euch gern mehr geboten, aber wir haben (sicher auch den hohen Wellen geschuldet) nicht allzuviel tierische Begegnngen gehabt. Nur die allgegenwärtigen Fliegenden Fische (von denen es einer trotz selbstverständlich geschlossener Fenster sogar in den Salon geschafft hat) und ab und zu ein Vogel (zumeist Weißbauchtölpel, wobei Tölpel sich nur auf das Verhalten an Land bezieht und den eleganten und mit bis zu 1,5 m Flügelspannweite auch großen Segelfliegern auf See und in der Luft nicht gerecht wird).

Na ja, und dann noch mal zu den Squalls. Wir hatten vorher viel darüber gelesen und konnten uns doch nicht recht etwas darunter vorstellen. Es sind kleine Regenzellen (manchmal auch Gewitterzellen, hatten wir aber zum Glück nicht), räumlich meist ziemlich begrenzt, vielleicht ein Kilometer im Durchmesser. Sie bringen oft (aber auch nicht immer) deutliche Veränderungen in der Windstärke und der Windrichtung, was bei der Vormwindbesegelung unangenehm sein kann, weil die Segel ja dann ziemlich in ihrer Position fixiert sind (zu dem Leinenwirrwarr schreibe ich demnächst noch mal was). Man kann die Squalls aber ganz gut auf dem Radarbild erkennen:

Hier auf dem Seekartenoverlay: das Radar zeigt einen Squall links vor uns und einen rechts hinter uns, außerdem ein bisschen Nieselregen knapp links hinter uns.

Meist kommen die Squalls am Abend oder Nachts, aber ein komplettes Band von Squalls hat uns auch einen Tag lang ganz gut beschäftigt 😉.

Ein Squall zieht auf.

Tja, und das Segeln …

Angekommen

Wir sind in Bequia, Admirality Bay. Angekommen 11 Tage und 22 Stunden nach der Abfahrt aus Mindelo. Superschnell. Alles heil, keine Schäden zu verzeichnen.

Wir sind superglücklich. Längerer Post mit Bildern wenn wir etwas unseren Adrenalinspiegel runtergepegelt haben. Kann aber ein paar Rumpunsch dauern.

😁

2132 sm (scheinbare) Unendlichkeit

Ich habe auf der gesamten Atlantiküberquerung bisher KEIN EINZIGES anderes Schiff oder Segelboot gesehen (Jan verbreitet allerdings die Legende, auf einer seiner Nachtwachen habe uns in 4 sm Abstand ein anderes Schiff ohne AIS überholt). Etwa 270 sm haben wir noch zu segeln, wenn nichts wesentliches mehr schief geht werden wir also Heiligabend in Bequia ankommen.
Vor der Überfahrt haben wir noch einmal auf MarineTraffic geschaut, unsere Route sah aus wie eine hochfrequentierte Autobahn für Segler in die Karibik.
Natürlich sind auf der Strecke viel mehr Schiffe, vor allem Segler, unterwegs. Allerdings praktisch alle nur in eine Richtung, nach Westen, und mit recht ähnlicher Geschwindigkeit. Man kann auf See von Deckshöhe aus vielleicht 4-5 Meilen weit sehen, da ist es kein Wunder, wenn man das Geführ bekommt, alleine unterwegs zu sein. Aber wirklich die ganze Zeit?
Leider hatten wir auch wenig Tierbegegnungen. Jan hat einmal zwei Delfine gesehen, Wiebke einen springenden, alles in großer Entfernung. Ab und zu einige wenige Seevögel. Und ansonsten: Wasser, Wolken, Himmel, Sonne, Mond und Sterne. Auf 2.132 sm (rd. 3.950 km). Wird einem da nicht langweilig?
Nö. Auf die Wellen oder in den Himmel zu schauen ist sowieso nicht langweilig, sie sind immer da und verändern sich doch ständig. Außerdem schlafen wir viel (jetzt schon 10 Tage und Nächte auf der Schaukel bzw. in der Achterbahn, die Schaukelei macht ganz schön müde), lesen, hören auf den Nachtwachen oft Podcasts über die wir uns dann tagsüber unterhalten, hören Musik. Jetzt, wo wir unseren Rythmus gefunden haben, gehen die Tage eher ziemlich schnell dahin. Und dann kommt jetzt auch noch die Vorfreude auf das Ankommen dazu.
Und natürlich gibt die scheinbare Unendlichkeit auch viel Raum zum Nachdenken, gerade wenn man sieht wie klein man in dieser Riesenwelt ist.
Zum Beispiel zum Nachdenken über diese wunderschöne Textzeile aus dem Lied „Oh, Sister“, von Bob Dylan: „Time is an ocean but it ends at the shore“.
Was ist schon unendlich?

9. Nacht der Atlantiküberquerung

Es ist eine wunderschöne Nacht (hier ist es noch vier Stunden früher als in Deutschland), so wie ich sie am liebsten mag. Der Mond ist kurz vor meiner zweiten Nachtwache aufgegangen, als schmale Sichel liegt er hier auf dem Rücken und stellt eher eine Schale dar. Er gibt genug Licht um Horizont und Wellen erahnen zu können, überstrahlt dabei aber nicht den herrlichen Sternenhimnmel. Außerdem ist es in den letzten Tagen spürbar wärmer geworden, selbst nachts ist jetzt keine Jacke mehr erforderlich, auch wenn die Regenjacke für eventuelle Squalls trotzdem bereit liegt.
Nächte wie Tage vergehen in angenehmer Ereignislosigkeit und Ruhe, auch die Aufregung des Abenteuers Atlantiküberquerung hat sich gelegt. Die Anspannung lässt nach, das Genießen fällt leichter. Auch an die andauernde Schaukelei habe ich mich endlich besser gewöhnt, Lesen ist nun keine zur Überforderung neigende Herausforderung des Gleichgewichtssinnes mehr. Gestern habe ich mal wieder ein Brot gebacken, das erste auf dieser Überfahrt.
Und doch, da kommt schon eine neue Aufregung um die Ecke: wir sind weiter so flott unterwegs, dass der Landfall in der Karibik mit Riesenschritten naht. Die Gespräche tagsüber driften fast automatisch immer mal wieder dahin. Wenn es normal weiterläuft, werden wir uns am Heiligabend, spätestens am 1. Weihnachtstag mit der Ankunft in der Admirality Bay auf Bequia in SVG (St. Vincent und die Grenadinen) beschenken. Wir wollen also Barbados an Steuerbord liegen lassen und 100 sm weiter die erste Insel südlich der Hauptinsel St. Vincent anlaufen. Ihr könnt unser Fortkommen ja auch über den Noforeignland-Link unter dem Menüreiter „Position“ aktuell verfolgen. Drückt uns die Daumen.

7. Tag der Atlantiküberquerung: Nachtwache mit Squalls

Wie schnell sich das ändert: gestern Nacht eine Nachtwache wie aus dem Bilderbuch. Traumhafter Sternenhimmel, hinter dem Heck geht Orion auf (wobei der Himmelsjäger dabei faul auf der Seite zu liegen scheint), die Nacht hindurch überholt er uns an Backbord und jagt dabei den hier gut sichtbaren Walfisch vor sich her, bis er gegen morgen vor uns steht und dann verblasst, weil an seinem alten Platz hinter uns dann die Sonne aufgeht. Und gestern Nacht wehte dazu aus fast wolkenlosem Himmel ein stetiger, warmer Wind aus Ostnordost und trieb uns gut voran.
Heute Nacht macht Orion zwar im Prinzip das Gleiche, nur kann ich ihn nicht immer sehen. Wenn die Sterne hinter uns verschwinden, ist das heute ein Alarmsignal. Schnell das Radar aus dem Standby-Modus geweckt und schauen, ob das nur eine normale Wolke oder ein (regenreicher und deshalb auf dem Radarbild sichtbarer) Squall ist, wo er sich befindet und wohin er sich bewegt. Das Fiese an diesen Squalls ist die manchmal starke Windzunahme, gekoppelt mit den oft damit einhergehenden kräftigen Winddrehern.
Wir fahren jetzt in der Nacht ohnehin schon stark eingerefft, bei kleineren Squalls reicht daher eine Kursanpassung an die Dreher. Zeigt das Radar aber einen richtig fetten Squall mit Zugbahn in unsere Richtung, müssen wir die Segel weiter verkleinern. Dann muss einer aus der Freiwache geweckt werden und schnell ins Cockpit, denn wir haben verabredet, solche Manöver nachts nicht allein zu machen. Schnell deshalb, weil die Squalls von hinten mit 15-20 Knoten Geschwindigkeit aufkommen, also doppelt bis dreimal so schnell sind wie wir. Viel Zeit bleibt da nicht. Und warum haben wir nicht die ganze Zeit stärker gerefft? Weil wir dann ohne die stabilisierende Geschwindigkeit in den 2,5-3 m hohen Wellen noch mehr durchgeschaukelt würden.
Heute Nacht sind die Wachen also etwas aktionsreicher. Überhaupt: Nachtwachen. Wir gehen drei-Stunden-Wachen. Ich habe die Wache von 18-21 Uhr und danach werde ich von Jan abgelöst und habe Freiwache bis 3 Uhr, dann löse ich Wiebke ab und habe wieder Wache von 3 bis 6 Uhr. Diese Zeiten behalten wir den Törn über bei. Meine zweite Nachtwache heute ist dann aber ganz anders als die erste. Als ich zu Wiebke ins regennasse Cockpit hochklettere, zieht gerade der letzte Squall ab, ich bleibe in der ganzen zweiten Wache unbehelligt, Jan in seiner nächsten Wache ebenso. Jetzt am Morgen scheint die Sonne wieder und wir segeln unter weißen Passatwölkchen, als wäre nicht gewesen. Nur am Horizont im Süden können wir noch dichtere Wolken erkennen, es dürfte das Band der Squalls sein, das wir jetzt durchsegelt haben. Hoffen wir jedenfalls, sieht aber erst mal ganz gut aus.
Der Wind ist immer noch frisch mit Stärke 6 bis 7 Beaufort und bläst uns zügig der Karibik entgegen. 🙂

Bergfest und Gamechanger

Heute vormittag war es soweit: Bergfest, wir haben die Hälfte der Strecke von Mindelo nach Port Elizabeth auf Bequia hinter uns. Unfassbar, in nur 6 Tagen, wobei wir heute mit einem Etmal von 189,4 sm einen neuen Flora-Rekord aufgestellt haben. Und das, obwohl wir heute nacht um 22:30 von der Passatbesegelung mit ausgebaumtem Code0 an Backbord und ausgebaumter Fock an Steuerbord heruntergegangen sind auf Schmetterlingssegeln mit (per Bullenstander gesichertem und außerdem einmal gerefftem) Groß Backbord und der ausgebaumten Fock an Steuerbord, also deutlich kleinerer Segelfläche.
Der eigentliche Gamechanger kam dann aber am Nachmittag. Der erste Squall erschien hinter uns, eine klar abgegrenzte Regenwolke, die bis hinunter aufs Wasser reichte. Wir rollten schnell die Fock ein. Keinen Moment zu früh, den der Squall kam unglaublich schnell näher, erwischte uns nur mit seinem Rand und brachte trotzdem 30 statt bisher 20 kn, nur um uns nach seinem Durchzug erst einmal in schlappen 15 kn Wind zurück zu lassen.
Das Gute ist, dass wir noch Zeit fanden, die Radareinstellungen zu testen, mit denen wir den Squall am besten erkennen können. Nachts sind sie nämlich nicht so leicht auszumachen, da hilft das Radar dann sehr. Das Schlechte ist, dass uns gerade schon der dritte Squall seine Aufwartung machte. Die Zeiten des konstanten Windes sind wohl leider erstmal vorbei.
Außerdem ist heute das erste Sargassum an uns vorbei gezogen. Dieses Kraut bildet manchmal große Wiesen, in denen man regelrecht steckenbleiben (oder jedenfalls deutlich verlangsamt werden) kann. Letztes Jahr soll es in der Karibik und auf dem Weg dorthin eine regelrechte Flut von Sargassum gegeben haben, für dieses Jahr haben wir derartiges noch nicht gehört. Hoffen wir mal, dass sich das Zeug nicht verdichtet.

5. Tag der Atlantiküberquerung

Fünf Tage (und fast fünf Nächte, hier ist es jetzt gerade 4 Uhr morgens) sind wir jetzt schon unterwegs von den Kapverden in die Karibik. Wir kommen weiter mit Riesenschritten voran, weit besser als wir es uns vorgestellt hatten. Gestern 186 sm, heute werden es wohl jedenfalls wieder über 1 0 sm werden, so haben wir schon über 900 sm zurückgelegt. Fast soviel, wie wir früher auf der Ostsee in einer ganzen Saison gesegelt sind. Und doch, es ist weniger als die Hälfte der Strecke über den Atlantik.
5 Tage – was haben wir gesehen? Zunächst einmal: nicht viel. Kein einziges anderes Schiff oder Segelboot in der ganzen Zeit, nur einmal ein Frachter auf dem AIS (elektronisches Schiffsidentifzierungssystem), aber 11 sm entfernt und damit außerhalb unseres Sichtfeldes. Keine Wale, nur Jan hat einmal zwei Delfine gesichtet. Kaum Vögel.
Und dann andererseits sooo viel. Scheinbar endlose Weite, die ehrfürchtig macht. Wir alle kennen die Ausmaße des Ozeans, sind schon über den Atlantik geflogen. Aber es ist ein anderes Ermessen seiner Dimension, wenn man tagelang Welle um Welle erklimmt, vom Passatwind kraftvoll und schnell geschoben, und doch noch nicht einmal die Mitte des Ozeans erreicht hat. Wenn Flora dabei einerseits die Kraft der Natur auf so wundervolle Weise ausnutzt, andererseits aber auch das Boot von den Wellen dauerhaft und doch ungleichmäßig geschaukelt und überholt, manchmal auch urplötzlich mit Wucht hin und her geworfen wird. Wenn die Weite trotz der Bootsgeschwindigkeit unveränderlich erscheint, wir dem Westhorizont so entgegen sausen und er einfach zurückweicht und ein weiteres Stückchen der weißgekrönten Wellenlandschaft vor uns auftauchen lässt.
Scheinbar unverändert und doch so vielfältig. Unsere Nächte waren bisher wolkig, der abnehmende Mond geht immer später auf und lässt den Beginn der Nacht tiefschwarz erscheinen. Man hört die Wellenberge heranrauschen, spürt wie sie das Boot anheben und zumeist sanft unter ihm hindurchziehen. Dann wird das Boot langsamer, nur um im nächsten Moment von der folgenden Welle wieder beschleunigt zu werden. Manchmal kann man in den brechenden Wellenkämmen Meeresleuchten sehen, wie auch die von Flora selbst aufgeworfenen Wellen von grün leuchtenden Pünktchen und zum Teil regelrechten Lichtflecken durchsetzt sind. Werden die Nächte durch den Mond heller, können wir das nicht mehr beobachten. Es ist fast hypnotisch, vom Cockpit aus in Floras Bugwelle zu schauen und irgendwie darauf zu warten, dass Delfine ihre Lichtspur hinzufügen (haben wir bisher leider noch nicht erlebt). Jetzt, in der helleren zweiten Nachthälfte, kann ich dafür die Wellenberge hinter dem Schiff auf tauchen sehen – mehr Vorwarnzeit zum Abstützen ;-).
Und tagsüber: war es die ersten Tage ziemlich grau, also eher Grauwassersegeln unter grauer Wolkendecke. Gestern dann zum ersten Mal auf dieser Passage Sonne zwischen den Wolken, sofort leuchtet das Wasser blau, wunderschön. Das Tüpfelchen auf dem i: wir fangen auch noch einen Mahi Mahi für unser Abendessen.
Und wir haben das erste Mal auf See (nicht bei Erreichen eines anderen Landes) die Uhr eine Stunde zurück gestellt. Durch unsere Fahrt nach Westen verschieben sich die Zeiten von Sonnenaufgang und Sonnenuntergang täglich so sehr, dass das jetzt nötig wurde.

Per Iridium-Satellit gesendet, also ohne Bilder. Wir freuen uns immer riesig über Eure Kommentare, auch wenn wir sie erst lesen und beantworten können, sobald wir wieder Internet haben.

4. Tag der Atlantiküberquerung

Allen an Bord geht es gut. Wir sind immer noch ziemlich schnell, alle drei bisherigen Etmale lagen über 170 sm, insgesamt hatten wir heute mittag bereits 524 sm im Kielwasser.
Das ist mehr als wir erwartetet haben. Und wir haben auch mehr Wolken als wir erwartet haben. Keine weißen Passatwölkchen, sondern eine meist geschlossene Wolkendecke. Keine Sonnenuntergänge, keine Sternenhimmel. Immerhin gibt der Mond auch durch die dünne Wolkendecke Licht.
Ansonsten versuchen wir, unsere Routinen zu finden, werden ordentlich durchgeschaukelt und haben wieder mal einen Köder an einen viel zu großen Fisch verloren: die Angel biegt sich, die Leine surrt kurz und – pling – ist die Schnur schon gerissen, wir sind froh, dass wir das zurückschnellende Ende nicht in den Windgenerator bekommen. Aber wir sind auch einfach zu schnell 😉 Zum Schleppangeln ideal wären nicht mehr als 5 kn, wir sind aber meist mit 7 kn unterwegs. Luxusproblem. Wünschen Euch allen einen schönen dritten Advent.

1. Tag der Atlantiküberquerunge

Wir sind gut losgekommen, gestern um 11.30 haben wir die Leinen in der Marina Mindelo gelöst. Die Düse zwischen Sao Nicolau und Santo Antao hat uns ein paar Kopfzerbrechen beschert, insbesondere weil sie begleitet wird von einer rund 50 sm langen Schwachwindzone hinter der hohen Insel Santo Antao. Durch beides mussten wir irgendwie durch. In der Düse hatten wir dann auch bis zu 37,7 kn Wind, aber eben von hinten und bei mitsetzender Tide. Nur mit ausgebaumter Fock sind wir dort gut hindurch gerauscht. Der Plan, der Schwachwindzone durch einen recht weiten Schlag nach Südwesten auszuweichen ist fast aufgegangen, in der Nacht hatten wir dann doch ziemlich wechselnde Winde (in Stärke und Richtung), unser schwächstes „Stundenetmal“ lag denn auch unter 4 sm. Aber das hat insgesamt nicht viel ausgemacht, das wirkliche Etmal (also die in den ersten 24 Stunden zurückgelegte Strecke) waren 171 sm und das trotz der vielen Segelmanöver heute nacht.
Und auch jetzt kommen wir ganz gut voran. An die hohe Atlantikwelle müssen wir uns erst wieder gewöhnen, ich durfte heute nacht mal wieder die Fische füttern, aber das ist ja auch nicht ungewöhnlich bei mir am Anfang einer längeren Tour. Jetzt wirds langsam besser, außerdem kommt auch die Sonne raus 😉

Per Iridium-Satellit gesendet, also ohne Bilder. Kommentare können wir erst wieder lesen und beantworten, wenn wir wieder in Landnähe sind und Internet haben.

Tschüß Kapverden

Auf Deinem Shirt stehen die Dinge, die Du gerne wärst, nicht die Du bist”
Textzeile aus dem Lied “Stockhausen und Bill Gates und ich” von Kettcar

Die Kapverden haben uns richtig gut gefallen. Das Landesmotto lautet “No Stress” und meistens haben wir es hier auch genau so erlebt. Wir sind vor allem sehr froh, mehrere Inseln der Gruppe besucht zu haben, Stadt und Land, Hinterland und Küstenorte, Bergregionen und flache Halbwüste. So sehr unterschiedlich, nicht nur landschaftlich. Vor allem aber haben uns auch die Menschen, die wir hier treffen durften jeweils ganz andere Aspekte der Kapverden aufgezeigt.

Gestern hat uns Uli noch einmal eine andere Facette vor Augen geführt. Uli ist ein Bekannter aus Wiebkes Studienzeit, der seit gut drei Jahren für die EU in deren Büro in der Hauptstadt Praia auf der Ilha de Santiago tätig ist. Ganz spannend z.B. die politische Einordnung etwa des (auch finanziellen) Engagements Chinas auf den Inseln, die auch in den Gesprächen mit Lauri und seiner Familie schon Thema war. Erwartete und eingeforderte Gegenleistungen für die Entwicklungshilfe der verschiedenen Weltmächte. Oder auch hinsichtlich der immer noch bestehenden Auswanderungswünsche der Jugend, trotz allen Nationalstolzes. Nochmal einen externen Blick auf Drogen- und Gewaltproblematik vor allem der großen Insel Santiago, die wir genau aus diesem Grunde für uns von Anfang an aus unserem Törnplan ausgeschlossen hatten. Wir haben uns auf allen von uns besuchten Inseln hier immer sehr sicher gefühlt, aber man sollte die Augen nicht verschließen vor dem besonders hier in Mindelo doch deutlich sichtbaren Armutsgefälle nicht nur zu (uns) Besuchern sondern auch innerhalb der Inselbevölkerung. Villen mit Swimmingpool und halb verfallene oder halbfertige Bauten liegen oft nur einen Steinwurf voneinander entfernt. Lauri hat mehrfach betont, dass auch er vorsichtig ist mit dem, was andere sehen können und was Begehrlichkeiten wecken könnte.

Und immer im Hinterkopf: wie verändern sich die Kapverden? Was bringt die Zukunft diesem Inselstaat ohne große Rohstoffe, der derzeit deshalb vor allem den Tourismus zu entwickeln versucht? Ein Kreuzfahrtterminal hier in Mindelo ist in der Planung, soll im nächsten Jahr (mit holländischer Hilfe) gebaut werden. Bleibt etwas für die normale Bevölkerung hängen?

Fischer reparieren ihr Boot am Strand vorm Hafen von Mindelo mit Ankerliegern und einer AIDA im Hintergrund
Straßenszenen in Mindelo

Wir haben heute unsere Abfahrt um einen Tag verschoben, wollen die morgen nicht mehr ganz so starken Winde abwarten und statt dessen noch etwas Kultur hier in Mindelo tanken. Zuerst besuchen wir das kleine Museu do Mar im Nachbau des bekannten Lissabonner Wahrzeichens Torre de Belém, hier direkt am Hafen. Vor allem die Ausstellung über den Walfang im dritten Stock und die Dachterrasse mit ihrem Blick sind die zwei Euro Eintritt locker wert. Darüber kann man bei den fünf Euro Eintritt in die Césaria Évora- Ausstellung in der Casa do Colleccionador eher streiten, dass neben Kleidern der Diva hauptsächlich bunt zusammengewürfelte Fotos (und Fotoalben) der berühmtesten Sängerin der Kapverden zeigt.

Nachbau des Torre de Belém, in portugiesischer Zeit erbaut (und mit portugiesischem Geld restauriert)

Und jetzt am Nachmittag runden wir unsere Vorbereitungen noch etwas ab. Schäkel und Splinte an Bord werden nochmal kontrolliert und durch das Boot (in dem inzwischen überall Obst und Gemüse herumhängen) zieht der Duft von frisch gebackenem Brot.

Die Möhren haben zum Glück später noch einen besseren Platz gefunden 😉
Die Zitrusfrüchte hängen in einer mit Gummiseilen abgespannten Drahtampel unter der Duschstange im vorderen Bad, ein großer Bunsch Bananen (aber keine ganze Staude) draußen am Achterstag.

Jetzt kann’s wirklich losgehen mit der Atlantiküberquerung.