Back Home. Zurück auf der Flora.

Und, wie fühlt es sich an, nach gut 20.000 km (!!!, was für ein wunderbarer Roadtrip zweimal quer durch die USA) im Auto wieder auf Flora zu sein?

Gut 😊. Sehr gut 😃 😀.

Über vier Monate haben wir unser Boot allein gelassen. Und das auch noch in Kanada, im Winter, im Wasser. Der relativ warme und salzige Pazifik sorgt aber dafür, dass die Häfen, sofern sie nicht gerade von Frischwasser aus einem Fluss durchflossen werden, praktisch eisfrei bleiben. Na ja, und „allein“ stimmt eigentlich nicht. Zum einen, weil der Sportboothafen hier in Campbell River auch im Winter gut belegt ist. So gut sogar, dass wir keine Box bekommen konnten, sondern längsseits auf der Südseite des F-Steges liegen. Trotz der hohen Molen führt das dazu, dass Flora bei den im Winter häufigen kräftigen Südostwinden kräftig auf den Steg gedrückt wird. Also haben wir sie extra gut abgefendert und – der zweite Grund warum Flora nicht wirklich allein war – Lynn und Wulf gebeten, ein Auge auf unser Boot zu haben. Was heißt gebeten, eigentlich haben die beiden es uns sogar angeboten. (Wie wir die beiden kennengelernt haben und welche Gastfreundschaft sie uns schon im Herbst haben zukommen lassen: hier und hier und hier.)

Der Bewuchs am Unterwasserschiff (Coppercoat) hält sich in sehr engen Grenzen, obwohl Flora ja nicht bewegt wurde. Lediglich ein paar Fussel, keine Seepocken.

Und auch sonst macht Flora von außen einen guten Eindruck. Die dauerhaft aufgebaute Kuchenbude hat an den Spi-Winschen zwei kleine Scheuerstellen, sonst ist augenscheinlich alles in Ordnung. Und drinnen?

Die Winterlieger hier im Hafen (also auch wir) zahlen neben den Hafengebühren einen Pauschalbetrag für Elektrizität und haben dafür in den Booten kleine Elektroheizungen auf Frostwächterstufe laufen. Oder, wenn sie an Bord sind, auch auf höherer Stufe. Wulf hat in unserer Abwesenheit zigmal gecheckt, ob alles in Ordnung ist, sogar eine weitere Heizung ins Boot gestellt und dafür ein dickeres Zuleitungskabel gelegt. Außerdem immer mal wieder den Motor gestartet und einige Zeit laufen lassen. Und so finden wir Flora bei unserer Ankunft in einem richtig guten Zustand vor. Kein Schimmel, kein muffiger Geruch.

Was für eine Riesen-Erleichterung! Danke, Lynn und Wulf.

Unser Zuhause riecht und fühlt sich an, als wären wir gar nicht lange weg gewesen. Und das, obwohl wir auf einen elektrischen Luftentfeuchter verzichtet hatten. Nur mehrere „DampRid“ hatten wir in die Schränke gehängt. Das sind Luftentfeuchter, die über katzenstreu-ähnliche Körner die Feuchtigkeit aufnehmen und in Plastikbeuteln sammeln. Sie waren bei unserer Rückkehr überwiegend etwa zur Hälfte gefüllt. Funktion erfüllt.

Und was machen wir jetzt hier?

Erstmal ankommen, Vorräte aufstocken, neben Lynn und Wulf Freunde auch von der „Pitou“ und der „Fidelis“ treffen. Die mitgebrachten Ersatzteile einbauen.

Also zum Beispiel die am Schaft tropfende Seewasserpumpe des Dieselgenerators ausbauen und dann gemeinsam mit Wulf in dessen umfangreich ausgestatteter Werkstatt komplett auseinander nehmen, ein Lager und zwei Dichtungen tauschen und alles wieder zusammenbauen (den Impeller natürlich auch noch wechseln).

Wulf schenkt mir sogar noch eine Sprengringzange (oops, der Sprengring hat es gar nicht aufs Bild geschafft). Wir sind bisher leichtfertigerweise ohne unterwegs gewesen, aber diese Reparatur ging deutlich besser mit.

😎

Und dann auf dem Bauch über dem Motorblock liegend die Seewasserpumpe wieder in den Generator einbauen. Zwei Muttern lassen sich leicht sichern, eine sitzt an einer schwer zugänglichen Stelle, die vierte muss man „blind“ einsetzen und hat etwa einen halben Zentimeter Platz für die Bewegung des Schraubenschlüssels. War natürlich beim Ausbau auch schon so, aber da ging‘s trotzdem leichter. Gibts eigentlich ein Technik-Gesetz, dass das bei Arbeiten im Motorraum so sein muss?

Aber: Erfolgsmeldung. Der Dieselgenerator funktioniert und die Seewasserpumpe tropft nicht mehr.

Die nächste Operation dann am Wassermacher, die Durchflussanzeige muss ersetzt werden. Auch dass ein kleines Spezialteil, dass wir uns nach Deutschland hatten schicken lassen. Hier klappt der Einbau unproblematisch, allerdings wird der Test erst erfolgen, wenn wir wieder unterwegs sind. Hafenwasser mögen die Membranen nicht gern.

Wir räumen unsere Sachen wieder ein, stauen ein bisschen um und schaffen dabei auch Platz für die aus Deutschland mitgebrachte Nähmaschine, kaufen Sunbrella-Stoff für den schon lange geplanten Schutzbezug des Kohlefaser-Spinnakerbaums und für die Flicken auf der Kuchenbude. Und, wo wir schon dabei sind, gleich auch noch Blusenstoff für Wiebke. Mal sehen, ob wir um die Nutzung der Nähmaschine würfeln müssen …

Na ja, der oder die jeweils andere kann ja stricken. Die Wollvorräte aus den diversen auf dem Roadtrip besuchten Yarn Shops dürften noch eine ganze Zeit vorhalten. Und der im Nachbarort soll gerade Ausverkauf haben …

🤣

Santa Fe, Adobe, Cliff Dwellings und große Ohren

Santa Fe ist anders, New Mexico ist anders. Als in der Halbwüste die ersten verstreuten Bauten der Vororte von Santa Fe auftauchen, sehen sie so ganz anders aus als die Häuser, die wir bisher auf dem Roadtrip gesehen haben. Adobe nennt sich der hier deutlich vorherrschende Baustil. Ursprünglich meint diese Bezeichnung luftgetrocknete Lehmziegel, das hat sich zunächst auf die darauf errichten Bauten und weiter auf einen Baustil in Terrakottafarben mit Flachdächern, herausstehenden Holzträgern, oft geschnitzten Holzverzierungen sowie typischerweise abgerundeten Kanten übertragen.

Santa Fe ist mit immerhin rund 90.000 Einwohnern die Hauptstadt von New Mexico, obwohl Albuquerque mit fast einer Million Einwohner deutlich größer ist.

Eigentlich ist Santa Fe nur die Kurzform des Namens der Stadt, allerdings wird die Praktikabilität dieser Abkürzung mehr als deutlich, wenn man den eigentlichen Namen einmal ausspricht: “La Villa Real de la Santa Fe de San Francisco de Asís” (Die königliche Stadt des heiligen Glaubens des heiligen Franziskus von Assisi). Die hier siedelnden Native Americans wurden bereits im 16. Jahrhundert von den Spaniern kolonialisiert. 1848 fiel das Gebiet nach dem Mexikanisch-Amerikanischen Krieg an die Vereinigten Staaten.

Diese Mischung zeigt sich auch heute in der Stadt und auch der Baustil ist eben für die USA schon ein ganz Besonderer:

Von Santa Fe aus machen wir zudem einen Ausflug zum Bandelier National Monument. In der Frijoles-Schlucht dort gibt es sogenannte Cliff-Dwellings. Etwa zwischen 1150 und 1600 unserer Zeitrechnung lebten hier Amerikanische Ureinwohner in Behausungen, die zum Teil in den Tuff-Stein der Canyonwände hineingearbeitet wurden, zum Teil auch mit Gebäuden aus Lehmziegeln außen an den Cliffs ergänzt wurden. Die menschengemachten Höhlen sind zum größeren Teil nur über Leitern erreichbar. Anders als die bekannteren Cliff Dwellings im Mesa Verde Nationalpark können sie auch im Winter (mit deutlich geringerem Andrang) besichtigt werden. Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen, zumal es von Santa Fe aus nur etwa eine Stunde Fahrt durch die Berge bedeutet.

Zusätzlich bekommen wir noch eine Tierbegegnung geschenkt, im Bandelier sind Tiere besonders geschützt. Uns begegnen mehrere Maultier-Hirsche. Die engen Verwandten der Weißwedelhirsche werden auch als Großohrhirsche bezeichnet. Wie kommt es nur zu diesen Namensgebungen?

Badlands und die Kornkammer

Im Schneetreiben geht es weiter. Statt wie ursprünglich gedacht über die Black Hills zu fahren bleiben wir lieber auf der i90, die in einem kleinen Bogen nördlich um die Berge herum führt. Damit verpassen wir auch Mount Rushmore, jenes ikonische Monument der vier der US-Päsidenten Washington, Jefferson, Lincoln und Roosevelt, deren Portraits hier 18 m hoch in den Granit des Berges gemeißelt wurden. Allerdings hätten wir bei der schlechten Sicht wohl ohnehin nur Schemen davon zu Gesicht bekommen.😁

Immerhin, auf der Weiterfahrt hört es langsam auf zu schneien und so können wir den berühmten „Badlands National Park“ in South Dakota besuchen.

Die „Badlands“ sind eine fast unwirklich erscheinende Erosionslandschaft in der Gras-Prärie. Mit Hochebenen, auf denen wiederum Bisons grasen, durchzogen von tiefen Tälern, aber auch mit schroffen und spitzen Felsenlandschaften, die eher an verwitterte Tempelstädte als an den Meeresgrund erinnern, auf dem diese Gebilde tatsächlich vor Urzeiten entstanden.

Ein faszinierender, mystischer Ort.

Von da ab geht es die nächsten anderthalb Tage ungefähr so weiter:

Wir fahren durch die Kornkammer der USA, naja, jedenfalls einen Teil davon. Quer durch South Dakota und dann durch Minnesota auf endlosen geraden Straßen mit Kornfeldern rechts und links.

Ein Tag auf der Straße in Wyoming

Heute gilt es mal wieder, Strecke zu machen. Wir verabschieden uns von unseren Gastgebern in Jackson, starten gegen 8.00 Uhr. Dann fahren wir den ganzen Tag, mit nur kurzen Pausen, bis wir um 17.00 Uhr in einem Motel in Gillette einchecken. 416 Meilen, also 670 km haben wir zurückgelegt, grob gesagt etwa von West nach Ost. Hört sich nicht sonderlich viel an für 9 Stunden.

Und doch – was für Eindrücke!

Zunächst mal: die ganze Fahrt führt über keine einzige Bundesstaatsgrenze, wir sind ausschließlich in Wyoming unterwegs.

Start in Jackson mit Blick auf die Teton Range

Einen kleinen Abstecher von der Route erlauben wir uns gleich am Ortsausgang von Jackson. Wir würden so gerne noch Elche sehen (hier in Nordamerika „Moose“ genannt). Lisa und Are haben dazu einen Tip parat, nur ein paar Meilen Richtung Kelly, dort sollte es morgens klappen. Und, na klar:

Und dann geht es weiter. Mehrere Pässe von rund 10.000 Fuß bzw. knapp 3.000 m Höhe liegen auf unserer Strecke. Hochebenen, wild zerklüftete Landschaft, Flusstäler, Prärie, alles ist dabei auf der Strecke über Dubois, Shoshoni, Thermopolis, Ten Sleep und Buffalo nach Gillette.

Ein paar Eindrücke von der Strecke (in der Reihenfolge wie das Wetter und die Straßenverhältnisse auch wechselten):

Zwischendurch auch ganz schön anstrengend, die letzten zwei Stunden durchweg festgefahrene Schneedecke, aber: ein ziemlich abwechslungsreicher Tag 😊

Tierisches in Jackson, Wyoming

Nach dem Abstecher in den Yellowstone Nationalpark fahren wir ein kleines Stück zurück bis nach Bozeman, verlassen dann Montana und über teils ziemlich festgefahrene Schneedecken auf den Straßen in Idaho geht es unserem nächsten Ziel entgegen.

Die Grand Teton Mountain Range taucht am Horizont auf, da wollen wir hin.

Ein weiterer Gebirgspass (eben der Teton Pass) ist dafür zu bewältigen, knapp 2.600 m hoch, dann gehts wieder ein bisschen hinunter nach Jackson, Wyoming. Wunderschön auf einer Hochebene (etwa 1.900 m) umgeben von alpinen Gebirgen gelegen, entsprechend derzeit tief verschneit.

Unsere wunderbaren Gastgeber Lisa und Are sind Verwandte von Chief Jan. Sie nehmen uns nicht nur in ihr Haus auf und bewirten uns aufs Köstlichste, sie geben uns auch den Tip, zum nahegelegenen „National Elk Refuge“ zu fahren. Dieses Schutzgebiet für Wapitihirsche wurde bereits 1912 eingerichtet um den Hirschen sichere Winterweideflächen zu ermöglichen. Die Wapiti ziehen mit beginnendem Winter in großen Wanderungen aus ihren Sommerrevieren hauptsächlich im Yellowstone Nationalpark hierher, wo sie leichter Futter finden können (und gegen Ende des Winters auch umstrittene Zufütterungen erhalten). Nach offiziellen Angaben kommen jährlich über 7.000 Wapiti, auch Zahlen über 10.000 werden genannt.

Lisa und Are machen uns zudem Hoffnung, dort auch „bighorn sheep“, also Dickhornschafe entdecken zu können. Und tatsächlich, kaum einen Kilometer hinter der Einfahrt in das National Elk Refuge treffen wir auf sie. Bei den alten Böcken drehen sich die Hörner ganz im Kreis, bilden manchmal gar den Ansatz zu einer zweiten Drehung. Diese hier sind also noch etwas jünger, manche auch noch ganz klein, aber Dickhornschafe können ausgewachsen bis zu 140 kg wiegen. Das Gehörn ist dennoch auch bei den jüngeren Böcken schon ziemlich imposant (bei den Weibchen sind die Hörner kürzer und gehen kaum gekrümmt nach hinten.

Und ein Stückchen weiter sehen wir unsere erste wirklich große Herde von Wapiti-Hirschen (Elk). Über 100 dieser majestätischen Tiere haben sich in der Ebene gleich hinter Jackson versammelt, bei der Weiterfahrt sehen wir noch mehrere, teils sogar deutlich größere Ansammlungen dieser Tiere.

Schon auf der Fahrt nach Jackson haben wir unzählige Hinweisschilder auf Trails gesehen und natürlich möchten wir auch hier in Jackson mit dieser phantastischen Landschaft gerne eine Wanderung machen. Lisa und Are empfehlen uns den Hike zum Taggart Lake im Teton Park und es ist tatsächlich eine herrliche Wanderung auf einem gut 6 Kilometer langen Rundweg. Tourenski-Geher und Schneeschuh-Wanderer haben in den Tiefschnee bereits eine zwar schmale, aber feste Rinne gedrückt. So lässt es sich gut wandern.

Und danach machen wir noch einen Besuch im Ortskern von Jackson. Eigentlich ein Touristenmagnet, aber durch den frühen Wintereinbruch noch nicht überlaufen, zumal die Skigebiete erst später in diesem Monat öffnen werden.

Was ganz besonders ins Auge fällt, sind die vier Torbögen am zentralen Platz, die alle komplett aus echten Hirschgeweihen errichtet wurden.

Wohlgemerkt: dafür musste keines der Tiere geschossen werden. Die Geweihe können im Frühjahr im National Elk Refuge eingesammelt werden, denn im Winter werfen es die Hirsche ab, bilden im Frühjahr „Noppen“ aus und bis zum Spätsommer wächst dann das neue, noch verzweigtere Geweih. Für Nachschub ist also gesorgt.

Yellowstone Nationalpark im Winter

Mit dem Auto im Winter in den Yellowstone Nationalpark, lohnt das überhaupt? Schließlich ist nur ein Bruchteil des Parks zu erreichen, fast alle Eingänge sind geschlossen, einige der Hauptatraktionen sind unerreichbar (z.B. der Geysir Old Faithful, der Grand Canyon of the Yellowstone, Grand Prismatic Spring, die Lower Yellowstone River Falls, der Yellowstone Lake …).

Mal ganz abgesehen davon, dass für uns der Eintritt überraschenderweise frei war, weil wir zufällig am nationalen Gedenktag Veterans Day da waren, lohnt es sich auf alle Fälle. Nicht ohne Grund gilt die einmal gelöste Eintrittskarte für eine ganze Woche, der Yellowstone ist so riesig, dass man die Attraktionen ohnehin nicht sinnvoll alle an einem Tag erleben kann. Insofern wäre unserer Tagesbesuch sowieso auf einen kleinen Bereich beschränkt. Ich gebe zu, dass ich insbesondere Old Faithful gern erlebt hätte, aber auch unser kurzer Winterbesuch hat es in sich.

Schon die Anfahrt von Livingston führt am Yellowstone River entlang. Raureif auf den Bäumen, den der Wind gelegentlich herum bläst. Glitzer in der Luft, dazu Dunst vom warmen Fluss in der eisigen Kälte von anfangs -17 Grad Celsius.

Im Park selbst dann noch viel mehr Dampf in der Luft, denn die Mammoth Hot Springs machen ihrem Namen Ehre.

Wir stapfen durch tiefen Schnee zu verschiedenen heißen Quellen, schwefeldunstende Fumarolen und von geothermalen Quellen gespeisten natürlichen Wasser-Terrassen.

Ganz besonderen Eindruck auf uns machen die von Kleinstlebewesen wie Bakterien bunt gefärbten heißen Quellen:

Und was ist mit den großen Tieren? Die bekommen wir auch noch zu sehen. Wapiti (Rot-) Hirsche zunächst, dann aber auch das heimliche Wappentier des Yellowstoneparks, die Amerikanischen Bisons, oft auch als Buffalo bezeichnet. Vor der Ankunft der europäischen Siedler streiften schätzungsweise 30 Millionen dieser Wildrinder durch Nordamerika, insbesondere durch die weiten und offenen Graslandschaften der Prärien. Gegen Ende des 19en Jahrhunderts war er fast ausgerottet, insgesamt gab es wohl nur noch etwa 1.000 dieser Büffel, aber gerade noch rechtzeitig erhielt er ein Rückzugsgebiet, das seiner Art das Überleben sicherte: den 1872 eingerichteten weltweit ersten Nationalpark, eben den Yellowstone Park. Mit einer Fläche von rund 9000 Quadratkilometern ist er fast halb so groß wie das Bundesland Sachsen oder etwa 10 mal so groß wie Berlin. Seinerzeit schien vielen die Idee geradezu absurd, die Natur in einem derart großen Gebiet in ihrem Zustand zu belassen, Bergbau, Bebauung und Landwirtschaft auszuschließen und dem Menschen nur ein beschränktes Zutrittsrecht zu gewähren. Und dennoch: in Anbetracht der Naturwunder des Yellowstone wurde genau dieser Schutz beschlossen und damit zum Vorbild für andere Nationalparks und Naturschutzgebiete.

Über 5.000 Bisons leben heute im Yellowstone Nationalpark, die größte von insgesamt 62 über den Kontinent verteilten Populationen. Das größte Landsäugetier Amerikas hat überlebt, und wir bekommen es auch zu Gesicht. Eine ganze Herde einschließlich einiger Kälber sucht auf dem Rücken eines Hügels Fressbares unter dem Schnee.

Gemächlich drücken sie den Schädel in das fluffige Weiß, schieben den Schnee durch langsames Hin uns Her des Kopfes zur Seite und rupfen die freigelegten Gräser ab. Wie in Zeitlupe, Energie ist kostbar.

Zum Glück ähnlich bedächtig setzt später an einer anderen Stelle des Parks ein Bulle über die Straße, wir können rechtzeitig stoppen und ihn ganz aus der Nähe betrachten. Mit Vorsicht, die Bullen werden bis zu 900 kg schwer und können gut 1,8 m Schulterhöhe erreichen, auch wenn sie so ruhig scheinen können sie doch gefährlich sein.

Vor allem aber sind sie beeindruckend. Wie überhaupt der Yellowstone Nationalpark.

Ein ganz anderes Abenteuer

Ziemlich genau vor einem Jahr sind wir aus der Chesapeake Bay aufgebrochen, die US-Ostküste hinuntergesegelt (die in diesem Jahr aktuell von “Nicole”, einem eher seltenen Novemberhurrikan heimgesucht wurde), über Mexiko, Panama, Galápagos, Hawai’i, Alaska und durch British Columbia bis nach Vancouver Island gesegelt. 12 Monate, gut 13.000 Seemeilen!

Und jetzt wollen wir von Seattle aus mit dem Auto quer durch die Vereinigten Staaten zurück zur Chesapeake Bay fahren (direkte Strecke ca. 4.370 km,) und spätestens an Thanksgiving am 24.11. in Washington sein. Von heute aus also in zwei Wochen.

Das wird ein weiteres, ganz anderes Abenteuer. Zumal wir ein paar Abstecher eingeplant haben und uns ziemlich nördlich bewegen. Mit Bedacht haben wir uns ein Allradauto ausgesucht und zusätzlich Schneeketten gekauft. Es ist schon winterlich in den Rocky Mountains, und da wollen und müssen wir nun mal rüber.

Einen ersten Vorgeschmack bekommen wir gleich nachdem wir Seattle in Richtung Osten auf der Interstate 90 verlassen haben. Gleich hinter der Stadt beginnen die Berge. Noch nicht die hohen Rocky Mountains, erstmal “nur” die Issaquah Alps und die Cascade Range. Und trotzdem, gerade noch die Segelboote auf dem Puget Sound und jetzt:

Noch vor dem 919 m hohen Snoqualmie Pass biegen wir von der Interstate ab und wandern zu den Franklin Falls.

Winter-Wunderland. Aber die Weiterfahrt beschert uns nochmal eine Pause vor dem weiteren Winter, denn östlich der Cascade Range zeigt sich Washington State ganz anders: extrem trocken. Selbst auf Google Earth im großen Maßstab lässt sich das leicht nachvollziehen, die Farbe wechselt von Grün nach Braun. Die Cascade Range hält die Niederschläge ab, erst die deutlich höheren Rocky Mountains werden wieder bedacht.

Für uns verheißt das bei unserem Besuch der Segelfreunde in Ellensburg schönes Wetter und blauen Himmel.

George und seinen Sohn Ben mit ihrer “Island Time” hatten wir in der Kwatsi Bay kennengelernt und in Campbell River nochmals getroffen. Die Gastfreundschaft von ihnen und Georges Frau Lucy ist umwerfend. Weil ihre Mieter gerade ausgezogen sind, sollen wir doch gerne ihr sonst vermietetes Haus in der Nachbarschaft beziehen.

Sprachlos.

Auch sonst werden wir rundum verwöhnt, bekommen die Universität und die Stadt gezeigt, klönen und diskutieren viel (die US-Midterm-Elections sorgen nochmal für zusätzlichen Gesprächsstoff). Haben einen tollen Abend mit Freunden und Verwandten der drei. Aber auch Zeit für uns, um uns einen ruhigen Tag nach der in Ellensburg vorgenommenem Booster-Impfung mit dem neuesten Covid-19-Impfstoff zu gönnen.

Zum Abschied begleitet uns der passionierte Felsenkletterer Ben noch ein ganzes Stück mit dem Auto und zeigt uns die Frenchman Coulee, einen tollen Ort zum Hiken und Klettern in der wüstenähnlichen Landschaft eines tiefen Canyon.

Für uns geht es danach weiter gen Osten auf der i90, dem mit über 3.000 Meilen längsten US Interstate Highway. Hinter Spokane beginnt der Anstieg in die Rocky Mountains, wir fahren durch den Panhandle von Idaho, dann weiter nach Montana. Von dort soll es in den Yellowstone Nationalpark gehen. Die meisten Straßen dort sind zwar gesperrt und werden erst im Dezember wieder geöffnet – dann aber auch nur für Snowmobile! Der nördliche Eingang und ein kleiner Teil der Straßen ist derzeit noch offen, das werden wir morgen ausprobieren.

Seattle: quirlig und bunt

Wir verlassen Vancouver in strömendem Regen. Das Wetter wird sich den ganzen Tag nicht ändern und so verzichten wir darauf, noch ein längeres Stück den Fraser River entlang zu fahren, obwohl die Anbaugebiete für Wein und viele andere landwirtschaftliche Produkte an seinen Ufern bei schönem Wetter tolle Herbstbilder abgegeben hätten. So aber macht es keinen Sinn, länger als nötig durch die Gegend zu kutschieren. Wir biegen ab Richtung US-Grenze und können sie ziemlich problemlos passieren, werden lediglich gefragt, ob wir die Eigentümer dieses Autos (mit kanadischen Kennzeichen) sind. Und wenn wir das Formular i94 zuvor online ausgefüllt hätten, hätten wir vielleicht nicht einmal mehr ins Grenzgebäude gemusst, aber egal, es ging auch so schnell und problemlos.

Auch auf der weiteren Fahrt bleibt es regnerisch, aber kurz vor Seattle hört der Niederschlag auf und wir können unsere Sachen trocken in unsere nächste Airbnb-Unterkunft bringen. Statt Hochhaus Downtown wie in Vancouver haben wir diesmal eine gemütliche kleine Altbauwohnung im Stadtteil Capitol Hill ausgesucht.

Der Name des Viertels deutet es schon an, Seattle ist ziemlich hügelig. Die Stadt zieht sich vom Pazifikwasser des Puget Sound über einen Gebirgsrücken bis hinüber zum von Gletschern geformten 20 km langen Lake Washington, ist also quasi von Wasser eingerahmt. Als wäre das nicht genug, gibt es im Stadtgebiet auch noch mehrere Seen. Allen voran den zentralen Lake Union, etwas größer als die Alster in Hamburg und wie diese nur über Schleusen zu erreichen, aber auch von größeren Yachten und sogar Frachtern befahrbar. Trotzdem, die Parallele ist beim Blick von der “Space Needle”, dem Wahrzeichen Seattles, schon frappierend.

Was uns an Seattle sofort begeistert ist, dass wir zwar auf ein gutes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgreifen könnten, dies jedoch nicht brauchen. Die Stadt ist fußgängerfreundlich und die Entfernungen sind machbar. Und so laufen wir dann auch am nächsten Tag hinunter Richtung Downtown, wechseln zwischen den quirlig urbanen Pike und Pine Street hin und her und lassen uns auch in die Nachbarstrassen treiben, etwa um dem von außen unscheinbaren, innen aber zum Stöbern einladenden Elliot Bay Buchladen einen Besuch abzustatten…

… bei “Salt & Straw” ein (richtig leckeres) Eis zu kaufen (hier Roasted Peach & Sage Cornbread aus der Limited Thanksgiving Edition)

… die Statue des in Seattle geborenen Jimi Hendrix anzusehen

… und auch auch die stylische “Starbucks Reserve Roastery and Tasting Room” schauen wir uns an, schließlich wurde die Kaffee-Kette in Seattle gegründet.

Durch Downtown hindurch …

… kommen wir unten am Public Market Center am Ufer des Puget Sound an, lassen uns mit anderen Touristen und Einheimischen durch die Markthallen und vorbei an der (hoffnungslos überfüllten) ersten Starbucks-Filiale treiben.

Das bunte Gemisch wird vielleicht auf diesem Bild etwas deutlicher, die Menschen stehen vor der Hochhauskulisse an einem kleinen Laden an, der vor Ort (und durch die Schaufensters heilen sichtbar) handwerklich Käse produziert:

Unser ausgedehnter Spaziergang führt uns dann weiter zur Space Needle. Wir beißen in den sauren Apfel des ziemlich teueren Eintrittspreises und sausen mit dem gläsernen Außenfahrstuhl hoch zur Aussichtsplattform in 150 m Höhe. Allerdings: die Aussicht ist wirklich beeindruckend, sowohl seitlich

als auch durch den gläsernen, langsam um die Achse des Turms rotierenden Glasfußboden nach unten.

Und der happige Eintrittspreis von über 50 $ erklärt sich auch durch ein Kombiticket: inbegriffen ist nämlich auch die Ausstellung „Chihuly Garden and Glass“ gleich neben der Space Needle.

Und diese Ausstellung begeistert uns. Das Werk des Glaskünstlers Dale Chihuly wird hier sowohl in den Innenräumen als auch im Garten umfangreich präsentiert, zudem zeigen Filme im Multimediaraum beieindruckende Perfomances etwa in Finnland, in Venedig und in Jerusalem sowie den Prozess zur Herstellung der zum Teil riesigen Glas-Skulpturen.