Der SCHÖNE Schein und die Biodiversität

Genau hinschauen lohnt oft. Und die Geldscheine in Costa Rica laden dazu ganz besonders ein. Also in dem Fall mal nicht auf den Pfennig oder Cent schauen, sondern auf den Colón. Beziehungsweise auf die Colonnes, den für einen Euro bekommt man derzeit etwa 730 Colonnes, im Alltag sind wir also mit höheren Beträgen unterwegs als in Europa gewohnt. Natürlich würde man so auch schneller Millionär, (mit rund 1.370 Euro) aber ⚠️: wenn auf den Scheinen z.B. „ 2 MIL COLONES“ draufsteht, bedeutet das „nur“ Zweitausend Colones, also umgerechnet etwa 2 Euro 70 Cent.

Der kleinste Schein ist der 1.000er:

Die Vorderseite aller Scheine zeigt jeweils verdiente Persönlichkeiten des Landes und – farbig auf durchsichtigem Grund – einen Scherenschnitt, beim 1.000er den Umriss des Landes; somit auf der Rückseite spiegelverkehrt. Dafür bieten die Rückseiten viele Details. Auf dem 1.000 Colones Schein findet sich ein Weißwedelhirsch (nebst landessprachliche und wissenschaftlicher Bezeichnung), zudem ein Guanacastebaum (seit 1959 Nationalbaum) und eine nachtblühende Kakteenart. Die Landschaft bzw. das Ökosystem ist oben rechts vermerkt: Bosque Seco (Trockenwald) und diese Bezeichnung findet sich auch in den Wellen aus Buchstaben, die oben und unten klein über den Schein laufen.

Der nächst größere Schein ist der 2.000er:

Bullenhai, Kissenseestern und Meerfeder vor Korallen und Riffbarschen zeigen, dass es diesmal um die (Unterwasser-)Landschaft Korallenriff geht.

Ein besonderes Gimmik verbirgt sich in den kleinen, nur als Scherenschnitt gezeigten Schildkröten unter dem Hai: sie zeigen in miniaturkleinen Buchstaben das sich wiederholende Motto „Pura Vida“!

Als Nächstes kommt der 5.000er:

Hier sind es Weißschulterkapuzineraffe, Mangroven-Rennkrabbe und Rote Mangrove, das Ökosystem sind die Mangrovenwälder. Auch hier findet sich im Umriss des Krokodils oder Kaimans: Pura Vida.

Der 10.000er:

Da habe ich einen etwas älteren Schein im Portemonnaie, die durchsichtigen Merkmale der neuen Scheine fehlen. Er fühlt sich auch anders an, die neuen Scheine sind aus schmutz- und wasserabweisenden Kunststoff, sollen dadurch länger halten und besser recyclebar sein.

Das Dreizehenfaultier ist gut zu erkennen. Fun Fact: Alle Faultiere haben drei Zehen – an jedem der Hinterbeine. Die Unterscheidung in Zweizehen- und Dreizehenfaultiere erfolgt nach der Anzahl der sichtbaren „Finger“ an den Vorderbeinen.

Auf dem Schein sind außerdem sind eine Schlauchpilz- und eine Orchideenart (eine von über 1.500 in Costa Rica!) abgebildet. Im Umriss sind Tukane zu erkennen, klar, es geht um den Regenwald (Bosque Lluvioso).

Der größte Schein, den wir in die Finger bekamen, ist der 20.000er:

Groß abgebildet ist der Vulkankolibri, auch Vulkanelfe genannt. Zudem eine (allerdings giftige) Senecio aus der Familie der Gänseblümchen. Das Ökosystem Páramo bezeichnet die baumlosen Hochlandsteppen der Vulkangegenden.

Auf den Umrissen der Kaninchen lesen wir wieder: Pura Vida.

Soooo viel bunte Pflanzen- und Tierwelt. Und doch: nur ein klitzekleiner Ausschnitt, denn Costa Rica ist eines der 20 Länder mit der höchsten Biodiversität weltweit. Die Länder dieser Hotspots biologischer Vielfalt drängeln sich rund um den Äquator. Allein Costa Ricas Tierwelt umfasst in seinen 12 Mikroklimazonen unfassbare mehr als 500.000 Spezies, darunter über 250 Arten von Säugetieren, allerdings auch 300.000 verschiedene Insekten 😉.

Noch herausragender ist die Vielfalt bei den Pflanzen. Woran liegt diese enorme Biodiversität? Zum einen an der Lage an der Schnittstelle zweier von den Menschen erst spät intensiv besiedelten (und für sie „urbar gemachten“) Kontinenten. Zum anderen an der geographischen Lage in den Tropen, einer Gegend, die die Gletscher auch während der Eiszeiten nicht erreicht haben. Und letztlich auch daran, dass das Land noch bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts nur sehr dünn besiedelt blieb und das späte Bevölkerungswachstum zu einem erheblichen Teil erst erfolgte, als sich das Land schon für eine relativ naturverbundene und naturverträgliche Grundausrichtung entschieden hatte, etwa hinsichtlich der Ausweisung von Schutzgebieten und der weitgehenden Ausrichtung des Tourismus auf eher höherpreisiges „Öko“ statt auf Bettenburgen und Billigurlaub.

Bleibt das so? Wir hoffen es.

Pura Vida!

Chachagua

Das Nebelwaldgebiet um den Monteverde gefällt uns super, aber es zieht uns trotzdem weiter, wir möchten noch mehr von der vielgerühmten Vielfalt Costa Ricas erkunden.

Als „Schweiz Mittelamerikas“ wird Costa Rica häufig bezeichnet. Wohl überwiegend wegen der strikten Neutralität des Landes (Costa Rica hat das Militär abgeschafft und die freigewordenen Mittel in die Bildung gesteckt, demzufolge auch eine extrem geringe Analphabetenquote) und der für zentralamerikanische Verhältnisse stabilen Wirtschaft des Landes, jedenfalls vor COVID. Schon früh und sehr konsequent wurde auf Ökotourismus gesetzt, große Hotelburgen sind in den meisten Landesteilen selten, dafür gibt es viele kleine, oft familiengeführte „Lodges“. Die hatten (und haben) wegen Corona natürlich eine schwere Zeit, wir hören allerdings keine Klagen, sondern nur ein „jetzt gehts endlich wieder los“.

Neben politischer Neutralität und relativ stabiler Wirtschaft erinnert aber auch gelegentlich die Landschaft an die Schweiz. Nicht an die hochalpinen Bereiche, aber auf unserer Fahrt von Monteverde in Richtung des Arenal-Vulkans ist die Gebirgslandschaft durchaus steil und mit vielen Bergwiesen durchsetzt. Milchwirtschaft ist weit verbreitet, wir kommen an einer Käserei vorbei.

Am Ufer der Laguna de Arenal fahren wir sogar an einem komplett im Schweizer Stil erbauten Hotel mit Nebengebäuden vorbei, aber das wirkt hier dann doch etwas deplatziert, sind doch die Berge im Hintergrund bei näherem Hinsehen klar als Vulkane auszumachen. Der Arenal allerdings hüllt sich in ziemlich dichte Wolken, als wir an diesem riesigen und ziemlich modellhaften Vulkankegel vorbeifahren.

1968 gab es einen starken und verheerenden Ausbruch, mehrere Dörfer wurden zerstört. Bis 2011 blieb er einer der aktivsten Vulkane der Erde, seitdem schläft er wieder. Über den zerstörten Dörfern wurde ab 1973 ein 80 Quadratkilometer großer Stausee (eben der „Laguna de Arenal“) angelegt, der seitdem zur Stromerzeugung dient und erheblichen Anteil daran hat, dass Costa Rica inzwischen seinen Strom zu 100 % aus erneuerbaren Energien bezieht.

Aber wenn der Vulkan sich eh vor uns unter Wolken versteckt, fahren wir halt an ihm vorbei.

Die Chachagua-Lodge haben wir uns ausgesucht, sie liegt in einem Regenwaldgebiet einige Kilometer östlich des Vulkans. Regenwaldblick aus dem Zimmer und von der Terrasse unserer Hütte. Die Lodge ist liebevoll angelegt, hat eine Kaskade von heißen Pools zum Entspannen. Selbst beim Duschen haben wir Dschungelblick.

Vor allem aber führen von der Lodge aus eigene nur teilweise befestigte Pfade durch den Dschungel. Wir wählen den Hike, der zu einem kleinen Wasserfall führen soll. Tatsächlich finden wir ihn, allerdings scheinbar unzugänglich in einer kleinen Klamm. Mit ein bisschen Umweg erreichen wir dann aber doch eine Badestelle etwas oberhalb und können uns von dort im Flüsschen zum Wasserfall vorarbeiten.

Übrigens treffen wir während der ganzen Wanderung keine anderen Menschen. Wohl aber einige Tiere, zum Beispiel diese Blattschneiderameisen (hier als Video).

Und wir finden einen riesigen Ceibo-Baum mit wahrhaft gigantischen Brettwurzeln:

Aber auch auf dem Gelände der Lodge gibt es viel zu sehen, etwa diese Kolibri direkt in der Nähe unseres Zimmers:

Eines der Highlights hier ist für uns die von einem Biologen geführte Nachtwanderung, bei der wir viel erfahren (unter anderem den Trick, wie wir die Augen der Tiere besser erkennen können: die Taschenlampe in der Nähe der eigenen Augen halten, auf einmal leuchten überall Augenpunkte auf!) und natürlich wieder neue Tiere kennenlernen.

Zum Beispiel diesen Glasfrosch:

Von oben eher unscheinbar eben Knallgrün wie das Blatt auf dem er sitzt, zeigt die Beleuchtung des Blattes von unten mit der Taschenlampe fast ein Röntgenbild und erklärt die Namensgebung des kleinen Kerlchens ganz gut.

Oder diese blaue Zikade, die sich gerade aus dem Exoskelett häutet:

Einen schlafenden Gecko:

Wir entdecken sogar ein Faultier, dass sich bei Vollmond vor dem Nachthimmel abzeichnet. In tolles Bild, leider zu dunkel zum Fotografieren. Außerdem Spinnen, eine Schlange, viele große Grashüpfer, Schmetterlinge und neben verschiedenen neuen Fröschen auch einen schon bekannten, aber gern wieder gesehenen Rotaugenlaubfrosch:

Pura Vida.

Jugendtraum, Nebelwald, kleine Große und große Kleine …

Irgendwann als Teenager habe ich mal ein Buch in die Finger gekriegt, in dem ein Motorrad fahrendes Paar die Panamericana (und noch vieles mehr) komplett befahren hat. Seitdem bin ich infiziert. Auf dieser Traumstraße von Alaska bis Feuerland wollte ich eines Tages auch unterwegs sein, wenigstens ein Teilstück am Pazifik entlang! Und: jetzt ist es passiert.

Na klar, wenn sich dieser Highway von Nord nach Süd ganz durch die beiden amerikanischen Kontinente zieht, muss er zwangsläufig auch durch Costa Rica 🇨🇷 verlaufen, schließlich erstreckt sich das Land von der Atlantikseite bis hinüber zur Pazifikküste (wie neben den großen Ländern Kanada 🇨🇦 , USA 🇺🇸, und Mexiko 🇲🇽 auch Guatemala 🇬🇹 sowie Costa Ricas Nachbarländer Nicaragua 🇳🇮 und Panama 🇵🇦, außerdem Kolumbien 🇨🇴 und wohl auch Chile 🇨🇱 zu den zwingenden Transitländern dieser Straße zählen weil sie eben beide Ozeane berühren).

Von unserem Hotel in Alajuela fahren wir auf der in Costa Rica “Carretera Interaméricana” genannten Straße denn auch tatsächlich zum Pazifik und auf der Küstenstraße ein Stück weit an ihm entlang.

Dann biegen wir wieder ins Landesinnere ab und es geht hinauf in die Berge. Unser Tagesziel heißt “Monteverde”, es ist ein privates Naturschutzgebiet hoch oben auf der Wasserscheide zwischen Atlantik und Pazifik. Die von Osten kommenden Passatwinde werden hier bis auf etwa 1.400 m die Berghänge der zentralen Kordilleren hinauf gedrückt. Sie kühlen dabei ab, der in der warmen Luft enthaltene Wasserdampf kondensiert, und so liegen diese Gipfel zumeist in dichten Wolken. Nebelwald. Regenwald.

So die Theorie und so präsentiert sich Monteverde auch bei unserer Ankunft.

Ein weiteres Klischee erfüllt sich dann gleich nach Bezug unseres Zimmers in einem kleinen Extrahäuschen auf dem Gelände der Lodge: Wiebke stößt im Badezimmer einen Schrei aus und ich darf einen unerwünschten Mitbewohner einfangen und an die frische Luft befördern:

Held mit Wasserglas. 😉 Danach bleiben wir hier übrigens von solchen ungebetenen Gästen verschont.

Wir besuchen den in der Nachbarschaft gelegenen Orchideengarten und werden überrascht. 150 der rund 500 Arten blühen bei unserer Visite, aber so richtig bunt sieht es auf den ersten Blick nicht aus. Nachdem wir den Eintritt bezahlt haben, bekommen wir gleich einmal eine Lupe in die Hand gedrückt. Ach so ist das. Tatsächlich sind 80 % der Orchideenarten weltweit mit wenn nicht unscheinbaren so doch jedenfalls ziemlich kleinen Blüten bestückt. Kein Wunder, dass wir sie bei unseren bisherigen Urwaldwanderungen nicht erkannt haben. Die bei uns verkauften Pflanzen sind zumeist extra gezüchtete Hybride mit großen und langlebigen Blüten.

Aber klein kann auch fein sein, hier zum Beispiel die “Tänzerin”:

Manche Arten muss Alvaro, der Eigner und Begründer des Parks, uns mit einem kleinen Stöckchen zeigen:

Aber die zumeist heimischen Arten bieten auch einige spannende Formen, etwa “Espíritu Santo” (Heiliger Geist mit weißer Taube), “Mariposa” (=Schmetterling) oder “Cara del Mono” (=Affengesicht):

Und da wir schon mal im Ort unterwegs sind, gehen wir erst mal im Baumhaus essen

und dann mit einsetzender Dämmerung zum “Frog Pond”, in dem sowohl tag- als auch nachaktive heimische Froscharten beobachtet werden können.

Und auch hier sind wieder die Kleinen ganz groß. Während uns die viel massigeren Erdkröten nicht wirklich in den Bann schlagen, fasziniert uns der nur knapp fingernagelgroße Erdbeer-Pfeilgift-Frosch, gelegentlich auch „Bluejeans-Frosch“ genannt:

Oder auch der etwas größere Rotaugenlaubfrosch:

Leider bekommen wir bei der ansonsten wunderschönen dreistündigen Regenwaldwanderung am nächsten Tag keinen einzigen Frosch zu sehen, dafür aber einige wenige klitzekleine Orchideen und ein paar andere Exoten.

Diesen Glasflügelschmetterling etwa …

und diese Stabheuschrecke (richtiger: Gespensterschrecke):

Den fazinierenden Regenwald selbst natürlich, mit klitzekleinen wie Perlen funkelnden Tautropfen im Moos, Wasserfällen und Baumriesen wie uralten Maagoniebäumen oder gewaltigen Würgefeigen.

Einen brütenden Kolibri …

Vor allem aber sehen wir zu unserer Freude ein weit größeres Tier, leider nur ganz klein aus großer Entfernung. Die zottelige Fellkugel dort weit oben im Blätterdickicht ist tatsächlich ein Faultier 🦥 :

Pura Vida.

Gefühlt unterwegs !?!

Heute machen wir wieder mal eine kleine Wanderung. Schon komisch, was das in der Wahrnehmung der eigenen Situation für einen Unterschied macht. Nur zwei Wochen mussten wir darauf verzichten, konnten aber ja zum einkaufen trotzdem an Land. Seit fünf Tagen ist die Ausgangssperre gelockert und es fühlt sich gleich anders an, selbst wenn man es gar nicht intensiv nutzt.

Heute nun der zweite größere Spaziergang, ein kleiner Hike auf einem unbefestigten und unbeschilderten Pfad über dem Ostufer der Carlisle Bay. Den eigentlich weiterführenden Pfad die Hügel hinauf finden wir nicht. Wir schlagen uns durchs stachlige Unterholz und drehen einen Kreis um die Stelle, wo laut unserer bisher zuverlässigen WanderApp “Komoot” der Weg sein sollte: Fehlanzeige, nur Hautkratzer sind hier zu finden. Die von uns sonst eher belächelten anknöpfbaren langen Beine an Wanderhosen scheinen uns auf einmal sehr erstrebenswert. 😛

Na gut, also zurück auf den schmalen Küstenpfad der ohnehin schon schwer genug zu erkennen ist. Die Pflanzen kuscheln hier so eng, dass sich sogar auf Kakteen Bromelien finden. Überhaupt, Kakteenliebhaber kommen hier auf ihre Kosten. Wir müssen aufpassen, auf dem schmalen Pfad nicht versehentlich an ihnen Halt zu suchen.

Aber auch Vögel sind hier in größerer Zahl zu hören und zu finden (bisher hatten wir ein bisschen neidisch das Frühlingsgezwitscher bei unseren Telefonaten mit Freunden in Hamburg gehört). Vielleicht eine Erinnerung daran, dass wir uns quasi seit neun Monaten im Dauer-Sommer befinden. Ist ja auch nicht schlecht. 😃 Immerhin bekomme ich heute Zuckervögel (Bananaquit) und Antillen-Haubenkolibri vor die Linse.

Einige schöne Ausblicke haben wir auch, aber mangels Weg auf den Hügel muss für den großen Überblick über unsere Ankerbucht und die Küstenlinie dann doch die Drohne herhalten:

Witzig, dass uns dieser kleine Hike irgendwie das Gefühl gibt, UNTERWEGS zu sein, wieder zu reisen. Neues zu entdecken kann auch vor der „Haustür“ (oder dem Schott des Bootes) passieren. So fühlt es sich heute an.

Zurück bei Flora springen wir erstmal ins Wasser. Beim Schnorcheln hatten wir in den letzten Tage rund ums Boot schon wunderschöne Begegnungen, zum Beispiel jede Menge große Kissenseesterne und diesen herrlichen Stachelrochen:

Das Video dazu (dann auch mit Wiebke und Flora) findet Ihr HIER ALS LINK.

Die Fischversammlung unter unserem Boot ist aber eher ein Zeichen dafür, wie schnell die Tiere sich daran gewöhnt haben, dass ich jeden Tag schnorchelnd ein bisschen am Rumpf herum schabe und ihnen damit wohl bei der Futtersuche helfe. Damit ist jetzt erstmal Schluss, denn den hier noch zu sehenden Bewuchs am unteren Rumpf und den Kiel bin ich heute Nachmittag mit Tauchausrüstung zu Leibe gerückt.

Schade, dass sich damit wohl auch unsere kleinen „Bienenfischchen“ (Baby-Riffbarsche) am Ruderspalt eine neue Bleibe suchen werden.

Ganz sicher schon ein paar Mal hat das dieser Einsiedlerkrebs gemacht, denn er ist inzwischen in einem veritablen Conch-Gehäuse eingezogen. Das dürfte unter Einsiedlerkrebsen schon als Villa gelten (sie ist etwa so groß wie der Flammenhelm aus dem letzten Blogbeitrag).

Wir möchten im Moment nicht umziehen. Wir werden mit Flora wohl noch ein paar Tage in der Carlisle Bay bleiben, aber jetzt sind wir ja gefühlt wieder etwas unterwegs.

Auf Wiedersehen, Martinique.

Wir haben ausklariert, kennen aber inzwischen einige erfahrene Antillen-Cruiser, die sich diese Prozedur regelmäßig sparen, jedenfalls solange sie nicht Saint Lucia oder TT (Trinidad und Tobago) bereisen. Ab und zu wird halt wieder in Martinique oder Guadeloupe ein- und ausklariert und dann kann es wieder weitergehen. Wir dagegen halten uns (jedenfalls bisher) an das formal vorgeschriebene Prozedere. Hier in St. Pierre ist es zudem simpel: in der Touristeninformation im Gebäude der alten Handelskammer direkt am Strand gibt’s einen Computer, man gibt die Daten selbst ein, druckt es aus, bekommt einen Stempel, das war’s.

Die alte Handelskammer, renoviert aber schon wieder mit Patina.

Wir machen noch eine Abschiedswanderung zur Rumdestillerie Depaz. Die Anfänge dieser Habitation reichen bis ins Jahr 1651 zurück. Und ein bisschen zurück versetzt fühlen wir uns auch auf der Wanderung dorthin. In St. Pierre geht es zunächst noch an den weniger oft besuchten Ruinen eder alten Fort-Kirche und der Heilanstalt vorbei.

Und hier, im ursprünglichen Herz des Ortes nahe des Flüsschens La Roxelane, laufen auch heute noch die Hennen mit ihren Küken auf der Straße und lange am Straßenrand abgestellte Schrottautos werden einfach von Blütenpracht überwuchert.

Aus St. Pierre heraus wandern wir über Feldwege weiter Richtung Destillerie. Es riecht wie im Sommer auf den Feldern in Niedersachsen, aber statt Weizen, Roggen und Gerste sehen wir links und rechts des ungeteerten Wirtschaftsweges Zuckerrohr, Zuckerrohr und Zuckerrohr.

Die Habitation Depaz liegt mit ihrem restaurierten Herrenhaus malerisch am Hang des Mont Pelée, dessen Ausbruch sie zwischenzeitlich auch völlig zerstörte.

Hier können wir uns die Produktionsanlagen anschauen (und natürlich probieren und kaufen 😊).

Auf dem Rückweg können wir ein weiteres Mal (wie schon am Herrenhaus Depaz) Kolibris beobachten und diesmal gelingt es mir auch, einen der kleinen hin und her schwirrenden Minivögel abzulichten. Anders als im botanischen Garten ist es ein nur bis zu 4 gr. leichter Antillenhaubenkolibri, dessen Federkleid hier wie paillettenbesetzt im Sonnenlicht leuchtet.

Weil wir uns wieder über Feldwege zurück zum Schiff bewegen und dabei naturgemäß etwas planlos unterwegs sind, laufen wir zudem noch beim “Centre de Descouverte des Sciences et de La Terre” vorbei. Trotz des völlig leeren Parkplatzes gehen wir zum Eingang, es ist tatsächlich offen und der (englische) Audioguide gibt uns einen wirklich interessanten Einblick in die Details und Hintergründe der vulkanischen Aktivität insbesondere des Mont Pelée und der Geschehnisse im Mai 1902.

Zum passenden Abschluss des schönen Tages hat Andrea auf der Easy-One am Abend zur Kürbissuppe geladen.

Heute haben wir jetzt aber doch den Haken aus dem Grund vor St. Pierre gezogen und segeln jetzt in Richtung Dominica.

Was ist grün und riecht nach Rum? Martinique!

Unser Ankerplatz in Fort de France liegt ja wunderbar zentral in der mit knapp 100.000 Einwohnern für hiesige Verhältnisse großen Stadt. Der Schwell der nah vorbeirauschenden Fähren ist intensiv, stört uns aber nicht sehr, denn immerhin fahren sie ja nachts nicht und tagsüber sind wir viel unterwegs. Erst haben wir die Stadt erkundet und jetzt – ja jetzt soll’s mal raus ins Grüne gehen.

Wir organisieren ein Auto. Sollte ja hier im wirtschaftlichen Zentrum der Insel nicht so schwer sein, aber: die Autovermieter haben ihre Filialen in der Stadt geschlossen, wir nehmen also den Bus raus zum Flughafen. Aber auch dort gibt’s bei den ersten beiden Vermietern lange Gesichter: kein Auto zu bekommen. Bei Budget werden wir schließlich doch noch fündig und so geht es erst mal los in den Süden. Wir fahren nach Marin, sehen unfassbar viele Ankerlieger in der Bucht und einen großen Hafen und – machen natürlich erst mal die örtlichen Schiffsausrüster unsicher. Irgendwas findet man ja immer, diesmal neben Kleinkram einen Ersatz für unsere völlig zerschlissene Sitztasche im Dinghy.

Dann geht es kurvenreich weiter durch den hügeligen und relativ dicht bebauten Süden Martiniques. Die Straße führt oft oben an den recht steilen Hügeln entlang, die Täler sind dort, wo sie nicht bebaut sind, zumeist intensiv landwirtschaftlich genutzt, ganz überwiegend mit Zuckerrohr- oder Bananenanbau.

Anders als auf den Kanaren finden sich hier keine Planen über den Plantagen, also alles grün von den Bergen bis zum Meeresufer, vor dem man noch hoch aus den Hügeln die Wellen weiß über den Martinique im Osten vorgelagerten Riffen brechen sehen kann.

Unser Ziel ist ist die Habitation Clément, eine der großen Rumdestillerien der Insel. Rum wird auf dem Gut weiter produziert, aber die historischen Gebäude und Maschinen sind nicht mehr in Funktion, sondern wurden restauriert und werden nun museal genutzt, wobei der Rundgang den von Zuckerrohrplantagen umgebenen großen Park mit seinen vielen Skulpturen und Kunstinstallationen einschließt.

Eine Allee mit Königspalmen, früher das Erkennungszeichen einer jeden Habitation.

Das Gutshaus und die Nebengebäude sind restauriert und exemplarisch für die Kreolische Gutsarchitektur.

Gelagert und gereift wird der Rum in einer modernen Halle noch immer auf dem Gutsgelände, was uns Besuchern nicht nur ein wunderschöner Anblick, sondern auch einen intensiven Rum-Geruch bietet.

In den halboffenen alten Maschinenhallen sind neben den teils restaurierten Gerätschaften auch Austellungen untergebracht, wechselnde zeitgenössische Kunst wird ebenso präsentiert wie großformatige Fotografien ehemaliger Arbeiter und Arbeiterinnen, bei denen auch Funktion und Tätigkeitszeitraum dazu angegeben sind.

So ergibt sich ein längerer und doch kurzweiliger Rundgang, der dann natürlich im Verkostungs- und Verkaufsraum endet 🤪. Wir halten uns bei beidem zurück – nur ein bisschen. Schließlich wollen wir, wo wir schon mal ein Auto haben, unsere Vorräte nicht nur mit Rum wieder aufstocken, auf der Rückfahrt zum Boot füllen wir im großen Carrefour unseren Kofferraum.

Nur um dann heute morgen gleich wieder mit dem Auto loszufahren, diesmal Richtung Norden. Erstes Ziel ist der botanische Garten „Jardin de Balata“. Neben insbesondere vielen Palmen- und Bromelienarten wartet der Garten noch mit ein paar weiteren Highlights auf.

„Botanisch betrachtet sind Palmen (z.B. wegen mangelnder Äste) keine Bäume sondern eher gigantisches Gras“ (Schild im Jardin de Balata)

Schon gleich am Eingang fallen viele wunderbar bunte frei im Garten herumfliegende Kolibris ins Auge, die sowohl an den Blüten als auch an aufgehängten Futterstellen naschen.

Es sind karibische Purpurkehlkolibris, hier noch mal im Gegenlicht weil ich die Flügelstruktur so herrlich finde:

Auf einer Bromelie entdeckt Wiebke zudem ein kleine grüne Echse, es könnte eine endemische Martinique-Anolis sein:

Wir sind begeistert, auch wenn wir für die als eigentliches Highlight angekündete Baumwipfelwanderung über Hängebrücken doch einige Zeit anstehen müssen. Aber das lohnt sich:

Danach bringt uns unser Mietwagen sogar noch höher hinauf und noch weiter ins Grün, denn wir umfahren die Pitons de Carbet (ja, nicht nur Saint Lucia hat Pitons 😉) östlich auf Gebirgsstraßen, die nun immer seltener an Siedlungen vorbeiführen, Regen- und Nebelwald macht sich breit. Kaum ein anderes Auto ist zu sehen.

Aber in einer Kurve steht plötzlich ein barfüßiger dunkel gekleideter Rasta neben einem halboffenen Kastenwagen und räumt Kokosnüsse herum. Wir halten an und sehen dann erst, dass neben seinem Parkplatz ein Pfad an einem Flüsschen entlang zu führen scheint. Es geht ein paar Stufen hinauf und in den Wald hinein. Zwar mit einigen etwas schlammigen Abschnitten aber die Baumwurzeln helfen meist darüber hinweg.

Auf eine Urwaldexpedition sind wir eigentlich nicht eingestellt, aber wir brauchen auch nicht ganz weit zu klettern, dann kommen wir am Flüsschen an einer tollen Badestelle an. Lassen wir uns natürlich nicht entgehen, obwohl mein T-Shirt hinterher als Handtuch herhalten muss, es ist einfach zu verlockend.

Als zusätzliche Belohnung gönnen wir uns nach der Rückkehr unten an der Straße beim Rasta eine frisch mit der Machete geöffnete Trinknuss.

Wenn man dann über die halbe Insel zurück zum Boot fährt, kommt man fast unweigerlich an einer weiteren Habitation vorbei, diesmal ist es die Rumdestillerie HSE, der wir einen Besuch abstatten. Sie ist weniger touristisch orientiert, hat aber einen schönen Probier- und Verkaufsraum mit supernetten Mitarbeitern und ein wenn auch auf andere Weise nicht minder malerisches Rumlager.

Bei den vielen örtlichen Destillen nimmt es nicht Wunder, dass die (jawohl, extra!) Rumabteilung im hiesigen (großen) Supermarkt zu beiden Seiten des Ganges so aussieht:

😁