Lieber schnell weiter

Wir sind ausklariert, morgen früh setzen wir die Segel Richtung Puerto Rico. Sint Maarten drückt irgendwie nicht den richtigen Knopf bei uns, bezaubert uns nicht. Andere schon, und das ist ja auch ganz gut so, wenn nicht alle die gleiche Insel favorisieren. Aber auch für uns ist Sint Maarten in mancherlei Hinsicht praktisch. Wir haben einiges an Geld hier gelassen, weil die Einkaufsmöglichkeiten wirklich gut sind. Das betrifft Bootszubehör (DIVERSES) ebenso wie Elektro- und Elektronikartikel (neuer Handmixer und neue GoPro). Es betrifft aber auch Lebensmittel, unser Vorrat ist wieder ordentlich aufgestockt.

Nur der berühmte „Funke“ springt irgendwie nicht über. Die Diskrepanz ist riesig. Einerseits ankert hinter uns die klassische „Christina O“ (-nassis, vielleicht die Yacht mit der prominentenreichsten Gästeliste überhaupt) und vor uns quetscht sich gerade die 77 m lange und über 13 m breite moderne Megayacht „Go“ durch die Brücke.

Andererseits deprimieren uns die vielen Wracks in der Lagune. Vielleicht haben wir irgendwo im Hinterkopf auch den Gedanken, wenn die Insel schon so eng an Europa angebunden ist, könnte sie auch bei der Beseitigung von Autowracks am Straßenrand ebenso wie bei Schiffswracks in der Lagune drei Jahre nach Hurrikan Irma weiter sein.

Auch die Kriminalität gibt zu denken, es gab zuletzt (allerdings nur auf der französischen Seite) häufiger Einbrüche auf Yachten, auch wenn die Besitzer an Bord waren. Keine Gewaltkriminalität, nur Diebstähle. Aber eben keine Einzelfälle, sondern in kurzen Abständen.

Wir mieten ein Auto und fahren über die Insel um etwas mehr zu sehen, vielleicht einen anderen Eindruck zu bekommen. Doch der Zeitpunkt ist schlecht gewählt, ausgerechnet an diesem Tag schüttet es fast durchgängig, was den tristen Eindruck noch mal deutlich verstärkt. Die Vorzeige-Einkaufsstraßen in der Hauptstadt Philipsburg sind auch kein guter Einstand. Offensichtlich auf Kreuzfahrttouristen ausgelegt, reiht sich in der Frontstreet ein Luxusuhrengeschäft an den nächsten Juwelier, wobei auch jeder zweite Laden geschlossen hat. Die Backstreet macht auch keinen besseren Eindruck, die Prospektfotos in den Touristenbroschüren picken einfach nur die wenigen schmucken Gebäude aus dem eher tristen Gesamtensemble.

In der Oyster Pond Marina im Osten kurz vor der französischen Grenze liegen ein paar Yachten zwischen versunkenen und zerstörten Stegen, der Hotelkomplex auf der schützenden Halbinsel hat auch schon deutlich bessere Zeiten gesehen.

Und auf der Weiterfahrt durch Hinterland und Küstengegenden bieten sich zwar viele Ausblicke auf Buchten, so richtig ansprechend ist aber (für uns) keine.

Einzig die Baie de Grand Case erscheint als ein kleiner Lichtblick. Im wahrsten Sinne, denn die Sonne kommt kurz einmal durch, das hebt ja die Stimmung schon mal. Wir machen einen Lunch-Stop in einem der eher einfachen Restaurants mit Blick auf die Bucht und der gegrillte Fisch ist wirklich gut. Ein paar alte Männer sitzen auf der verrotteten Betonpier und angeln, die Brandung rauscht auf die dem Sandstrand vorgelagerten Felsen, die ein Anlanden mit dem Dinghy jedenfalls bei diesen Bedingungen nur am großen Dinghysteg zulassen.

Auf der Weiterfahrt fallen im Westen der Insel diverse „Gated Communities“ auf, die Bessergestellten wohnen dann doch lieber hinter hohen Mauern in mit Toren und Schranken abgeschotteten Bereichen. Auch der Maho Bay im Südosten statten wir einen Besuch ab, sie ist berühmt für den (kurzen) Strand, der nur von einer Straße getrennt fast direkt an der kurzen Landebahn des internationalen Flughafens der Insel liegt. Die Landebahn zieht sich von dort bis zur Lagune, die Flieger müssen früh aufsetzen und kommen entsprechend tief über dem Strand herein oder müssen umgekehrt direkt an der Absperrung die Turbinen aufreißen um beim Start schnell Geschwindigkeit zu gewinnen. Ein Schauspiel, wenn der Jet Blast die Touristen gegen den Zaun drückt, Handtücher und Kleidung aufwirbelt und man gefühlt die Triebwerke anfassen kann und dass auf YouTube Millionenaufrufe hat. Aber bei diesem Wetter verlaufen sich gerade mal vier Leute am Strand, selbst das bekannte Surfbrett, auf dem der Flugplan angeschrieben wird fehlt. Und natürlich sind Covid-bedingt auch weit weniger Flugzeuge unterwegs.

Wir geben den Mietwagen frühzeitig wieder ab. Das war nicht berauschend. Aber wo wir schon beim Fliegen sind: da könnte ich doch das Wetter vielleicht besser an Bord nutzen, um in aller Ruhe den seit Januar (in Europa) verpflichtenden und daher überfälligen Drohnenführerschein zu machen, für den das Luftfahrtbundesamt einen Onlinekurs mit Onlineprüfung anbietet.

Wir erfahren, dass es auf Antigua ab morgen kurzfristig angesetzt wieder einen Lockdown gibt, ein bisschen überraschend. Das bestärkt uns darin, möglichst bald weiterzuziehen und mit Puerto Rico als nächstem Ziel wieder ein größeres Land mit mehr Optionen anzulaufen. Wir wollen das nächste Wetterfenster nutzen.

Heute gilt es daher, mal wieder, einen Covidtest zu organisieren. Nach einiger Lauferei und Absagen („Termin frühestens Mitte Februar“) werden wir dann doch an einen Arzt verwiesen, der ohne Terminreservierung, dafür mit Warteschlange, PCR-Tests durchführt, die dann in dem Labor des Arztes, der uns vertröstet hatte getestet wird. Das „Wartezimmer“ ist übrigens draußen und sieht so aus:

Das versöhnt uns und so nehmen wir es auch kaum übel, dass uns die Tests nach der Entnahme in die Hand gedrückt werden, um sie zum Labor zu bringen. „Sie haben kein Auto? Das ist aber ganz schön weit!“ Tatsächlich, auf der anderen Seite der Bucht (wir kürzen mit dem Dinghy ab) und dann den Berg hoch. Hm.

Zur Erholung und Entspannung gibts dann aber noch ein Abschiedsessen mit Ute und Russ (SY Tairua) im Lagoonies. Superlecker – und genau zwischen den beiden Bootsausrüstern Island Waterworld und Budget Marine …

Carlisle Bay

Kaum zu fassen, wir sind Ostermontag hier angekommen, jetzt also schon wieder fünf Tage hier. Eine ganze Arbeitswoche, nur dass wir das mit der Arbeit (unserem letzten Blogbeitrag entsprechend) laaangsam angegangen sind. Immerhin haben wir die noch fehlenden Winschen jetzt auch auseinandergenommen und gewartet. Am Unterwasserschiff taste ich mich ebenfalls eher gemächlich vorwärts, in kleinen Abschnitten wird es vom Bewuchs befreit, der sich dort eben doch schon wieder ganz schön breit macht. Aber das ist auf Langfahrt tatsächlich eine nicht aufhörende Sisyphusarbeit, selbst wenn unser Coppercoatanstrich das Reinigen bisher vergleichsweise einfach macht.

Ein bisschen „Arbeit“ noch außer der Reihe: Auf der Webseite unseres Vereins Trans-Ocean (TO) ist ein Reisebericht von uns erschienen. Kann man HIER ansehen, wird Euch als Bloglesern aber sowieso bekannt vorkommen. Da haben wir uns schon drüber gefreut, schließlich hat TO als Netzwerk von und für Hochseesegler gut 5.000 Mitglieder, von denen ein großer Teil weit mehr Erfahrung im Hochseesegeln hat als wir.

Und ansonsten: Live Slow Today. Mit Schildkröten schwimmen. Rochen direkt unterm Boot beobachten, Sepien im Schwarm. Das klare Wasser hier in der Carlisle Bay genießen. Schnorcheln.

Z.B. mit einem jungen Franzosen-Kaiserfisch (ausgewachsen hat er keine Streifen mehr) und einem senkrecht im Wasser stehenden Trompetenfisch in der Bildmitte
oder mit einem Flammenhelm aus der Familie der Helmschnecken, so dunkel könnte es auch eine in der Karibik eher ungewöhnliche rote Helmschnecke sein,
oder mit unserem ersten Sanddollar außerhalb der Bahamas (Kalkplatten von sehr flachen Seeigeln),
oder wieder einmal den Kiemen von vielen bunten Tannenbaumwürmern, diesmal auf einer Hirnkoralle.

Aber wir dürfen jetzt ja seit der Lockerung der Ausgangssperre vormittags wieder an Land, das haben wir heute erstmals genutzt. Am Dinghysteg des zur Zeit leeren Hotels dürfen wir anlanden, wenn wir uns über die Hochwasserlinie hinaus auf das nicht als solches gekennzeichnete Privatgelände des Hotels (unter die Palmen an diesem Strandabschnitt) verlaufen werden wir aber recht rüde vertrieben. Macht nichts, ein Stück weiter den Strand hinunter gibt’s auch Palmen und hier sind wir willkommen.

Aus einer kleinen Hütte heraus wird Obst und Gemüse verkauft, Getränke gibt’s auch. Banane und Avocado kaufen wir hier, ein Stück die Straße rauf erstehen wir auch noch ein paar frisch gepflückte Mangos.

Gesichtsmasken sind eigentlich auf der Straße obligatorisch, aber hier ist es etwas abgelegen und es gibt kaum Kontrollen, von den Locals trägt nur etwa die Hälfte eine Maske. Etwas erstaunlich ist auch, wie einfach und zum Teil auch heruntergekommen die Hütten sind, die hier im Dörfchen unmittelbar neben dem Hotel („Leading Hotels of the World!) stehen.

Im Garten einer der verblüffend zahlreichen Kirchen des kleinen Ortes entdecken wir eine riesige, etwa zwölf Zentimeter große Raupe, die doch einiges von unserem Franzosen-Kaiserfisch hat:

Es ist mehr, als nur die gelben Streifen auf schwarzem Grund. Auch bei ihr sieht die nächste Entwicklungsstufe deutlich unauffälliger aus: zwar wird aus ihr einer der größten amerikanischen Schmetterlinge mit bis 17 cm Flügelspannweite. Allerdings ist er braunbeige gemustert und somit gut auf Rinde getarnt. Die meisten würden ihn wohl als riesengroße Motte bezeichnen 😔.

Zurück zum Boot: wir freuen uns weiter, hier zu sein. Ein bisschen eingemottet wären wir wegen Covid-19 überall sonst auch. Aber nicht überall so schön.

Read the signs!

Schilder begleiten uns allenthalben. In Deutschland haben wir gefühlt einen Schilderwald von Verkehrszeichen, das ist hier in der Karibik eher nicht so. Dafür sind mal selbstgemachte, mal auch vorgefertigte Sinnsprüche oder „Verhaltensaufforderungen“ durchaus weit verbreitet.

Im Moment gilt es ja wegen der Ausgangssperre, das Boot möglichst wenig zu verlassen. Da fällt es eher leicht, der in Bequia gesehenen Aufforderung „langsam zu leben“ nachzukommen. Obwohl: theoretisch könnten wir hier in Antigua ja noch jeden Tag den Ankerplatz wechseln und ums damit selbst in den Modus hektischer Betriebsamkeit versetzen. Und außerdem bricht ab morgen zwar die dritte Woche der Ausgangssperre an, aber der „Curfew“ wurde etwas gelockert. Vormittags ist jetzt bei Wahrung der Social Distance immerhin Spazierengehen, Hiken, Jogging und sogar Radfahren wieder erlaubt. Wir werden das nutzen und können dann immerhin nachmittags versuchen, aufkommende Unruhe einfach mal auszuhalten und den Tafelspruch ernsthaft umzusetzen. Deutlich vor Corona geschrieben, steht er für karibisches Lebensgefühl. Und hält uns damit auch den Spiegel vor, was außer Sonne, Wind, Strand und warmem Wasser uns ja eigentlich noch so alles hierher gezogen hat.

O.k., Cocktails an der Strandbar waren vielleicht auch dabei, auch wenn es nicht der oberste Punkt auf unserer Liste war 🍹 😊.

Die Bilder stammen übrigens alle noch aus der Zeit vor dem Ausnahmezustand.

Ein geschäftstüchtiges Schildchen, wie auch das nächste, das stellvertretend für die vielen selbstgemalten und unperfekt sympathischen Werbetafeln der kleinen Läden und Betriebe ohne Neonglitzer (hier in Dominica) steht:

Schön auch die Kleiderordnung in einer Strandbar auf Barbuda:

Und manches Schildchen wie dieses von einer lieben Freundin geschenkte schlägt auch eine Brücke in die Heimat.

Übrigens: falls wir uns mal ein paar Tage nicht melden:

Ausgangssperre verlängert, Einkaufen geht.

Es war keine große Überraschung für uns, dass die Regierung von Antigua und Barbuda die seit einer Woche bestehende Ausgangssperre jetzt vor Ostern verlängert hat. Eher schon, dass sie (erstmal) nur eine weitere Woche gilt und es – außer dem nunmehr zur Pflicht gewordenen Tragen einer Schutzmaske – keine Verschärfungen gibt. Zuvor gab es Gerüchte, dass alle Geschäfte (auch Supermärkte) schließen müssten.

Und wie sieht der 24/7-Curfew hier auf Antigua also weiterhin aus? Spazierengehen und Sport (auch alleine) ist nicht gestattet, der Strand ist komplett leer. Wir dürfen aber ums Boot schwimmen und in Bootsnähe Standup-Paddeln, das hat die Coast Guard ausdrücklich bestätigt. Man darf ja auch in seinem Garten Sport treiben. Eine maßvolle Auslegung, für die wir sehr dankbar sind. Von den Geschäften darf nur „essential business“ aufmachen, vor Ort sind das Supermarkt, Pharmacy (eher eine Drogerie als eine Apotheke), die Werft (einschließlich Wäscherei und Gasflaschen-Füllservice auf deren Gelände) und außerdem der Budget-Marine Bootsausrüster (!).

Landgänge bzw. Dinghyfahrten sind dann auch ausschließlich zu diesen Geschäften und zu keinem anderen Anlass gestattet. Verstöße gegen die Ausgangssperre werden hart bestraft. 2.500 oder 5.000 EC$ Geldstrafe oder ein halbes Jahr Gefängnis drohen, wenn man erwischt wird. Sowohl diese Geldstrafen als auch die Gefängnisstrafen sind jetzt schon mehrfach verhängt worden.

Also beschränken wir uns auf das, was zulässig ist. Gestern am Gründonnerstag haben wir zum ersten Mal seit der Ausgangssperre wieder eingekauft und unseren Bestand an frischen Lebensmitteln wieder aufgefüllt. Der einzige Supermarkt hier am Ort ist immer noch gut sortiert und hat auch praktisch keine Regallücken.

(Bild von letzter Woche, noch ohne Maske)

Nur, vor dem Einkauf gilt es eine Hürde zu nehmen: die Zugangsbeschränkung. Zunächst mal sind die Öffnungszeiten (für alle „essential business) eingeschränkt auf die Zeit zwischen 07.00 Uhr und 12.00 Uhr. Außerdem dürfen nur maximal zehn Kunden in den Laden. Beim Supermarkt führt das zu einer ziemlichen Schlange, zwischen zwei und vier Stunden warten ist normal.

Wir haben uns also zur frühestmöglichen Zeit auf den Weg gemacht (vor 07.00 darf man nicht am Dinghydock sein) waren um 07.05 am Supermarkt und hatten rund 80 Leute vor uns. Man zieht eine Nummer und stellt sich an. Die Schlange geht über den Parkplatz (Sonne) und dann am Markt entlang (Schatten), immer schön mit 2 m Abstand. Masken oder sonstige Bedeckung von Mund und Nase sind Pflicht. Übrigens hat ein anderer Ankerlieger in der Funkrunde selbstgenähte Masken zum Verschenken angeboten, ein anderer das Einkaufen für Ältere oder Risikogruppenangehörige. Die Gemeinschaft ist klasse hier.

Um 09.45 werden keine weiteren Nummern mehr ausgegeben, wer jetzt noch kommt würde nicht mehr reinkommen. Zwanzig Minuten später sind wir dann dran, nach drei Stunden Wartezeit. Immerhin dürfen wir beide in den Markt, obwohl wir nur eine Nummer haben. Einem anderen deutschen Paar war das eine Stunde früher noch verwehrt worden.

Mit zwei vollen Rucksäcken und zwei Taschen plus einem Beutel voller Eiswürfel geht’s zurück zur Flora. Das Ausladen soll schnell gehen, damit das Eis nicht schmilzt, aber das ist keine so gute Idee. Wiebke ist schon an Bord, aber als ich übersteige ruckt eine Welle das Dinghy in die Leine, ich schlage mir das Schienbein am Bootsheck auf und lande im Wasser. Sowohl Eiswürfel als auch Handy gehen mit mir baden (aber wir überleben alle 😉).

Ein Gutes hat das Ganze auch: bei der Versorgung der Platzwunde finden wir in unserer umfangreichen Medizinkiste unverhofft noch etwas ganz anderes:

Uns geht’s gut hier, wir sind wirklich froh auf Antigua zu sein. Eventuell gönnen wir uns zu Ostern noch einen kleinen Tapetenwechsel und verholen in eine andere Bucht. Aber nicht vor Ostersonntag, denn am Samstag sind wir dran mit dem Funkrundenquizz. Canada, Spanien, Kroatien und die Schweiz wurden von Seglern aus diesen Ländern schon mit jeweils 10 selbstausgedachten „wahr oder falsch“-Fragen vorgestellt, heute sind die USA dran und morgen dann wir. Bisher war’s immer witzig und lehrreich, also müssen wir wohl noch etwas an unseren Fragen und Erläuterungen feilen 😳.

Und zu ein bisschen Bootsarbeit haben wir es auch gebracht. Der Generator hat seinen Öl- und Ölfilterwechsel bekommen, der unbeliebte Ausbau und die Reinigung der Toilettenventile ist ebenfalls vollbracht und das Handmikrophon der UKW-Funke ist vom Kartentisch an den Niedergang gewechselt, wofür die sieben Meter Kabel durch die Kabelschächte und unter der dafür abgenommenen Deckenverkleidung entlang neu verlegt werden mussten. Dafür können wir jetzt endlich auch vom Cockpit aus die große Funke benutzen und müssen uns nicht mit der kleinen und schwächeren Handfunke behelfen.

Die darf aber trotzdem zum Beispiel auf dem Vorschiff beim Genießen der Sundowner-Funkrunde weiter zum Einsatz kommen 😉

Thanks to SY Hope for this pic!

Stationäre Ozeanpassage, Tag 5

Als wir letztes Jahr die Atlantiküberquerung geplant haben war das aufregend. Wir wussten nicht, was uns erwartet, wir waren unsicher über die Dauer, über unsere Proviantierung, über unser Fähigkeit, wirklich mehrere Wochen ohne „Auslauf“ auf engem Raum zusammen zu leben. Wir waren unsicher, aber wir waren auch zuversichtlich.

Na klar, wir hatten viel darüber gelesen, uns vorbereitet, herangetastet, das Boot ausgerüstet um uns weitgehend autark zu machen, alles sicherheitsrelevate an Flora nochmal getestet, Proviant gebunkert.

Das Boot auf eine Passage vorzubereiten war nicht schwer. Aber waren wir vorbereitet, unsere eigene Psyche? Das war schwerer zu beurteilen. Natürlich waren wir nervös und mindestens im ersten Teil der Passage war auch die Last der Verantwortung deutlich spürbar. Erst im Laufe der Zeit stellte sich mehr Leichtigkeit ein, mit jedem Tag ein bisschen mehr Routine und weniger Besorgnis, bis ab etwa Mitte der Reise der Genuss deutlich überwog.

Mit Beginn der Ausgangssperre hier in Antigua hatte ich im Blog geschrieben, wir seien trotzdem guter Dinge, pendelten mental aber allerdings manchmal zwischen einem fast freudigen “wie eine Atlantiküberquerung, nur mit weniger Geschaukel und nachts ruhig durchschlafen” und dem weniger guten Gefühl, eben doch irgendwie angebunden zu sein. Unbekannt war’s und deswegen auch wieder aufregend.

Und heute, am 5. Tag der Ausgangssperre? Wir könnten vormittags zum Lebensmitteleinkauf an Land fahren, uns ein bisschen die Füße vertreten und uns in die Schlange des Supermarktes einreihen (derzeit etwa zwei Stunden). Haben wir aber bisher nicht gemacht, weil weder für die zusätzliche Bewegung (dank schwimmen und Paddelboard) noch für das Nachkaufen von Lebensmitteln eine Notwendigkeit besteht. Tatsächlich nehmen wir es wie eine Passage, die Parallelen liegen ja auch auf der Hand, die Unsicherheiten sind im Vorfeld auch sehr ähnlich. Aber wir genießen das „zur-Ruhe-Kommen“, diesmal auch von Anfang an.

Nur anders als bei einer Ozeanüberquerung rückt das Ziel nicht näher, kein Positionskreuzchen auf dem Übersegler tastet sich ganz langsam immer näher an die Wunschinsel heran. Wir schneiden keine Tagesschnipsel von irgendeinem Maßband ab oder fiebern dem Öffnen des letzten Türchens eines Adventkalenders entgegen. Das Ziel – die Zeit – ist unklar. Bei einer Woche Ausgangssperre wird es kaum bleiben, angesichts des Verlaufes von COVID-19 würde das wohl auch wenig Sinn machen. Aktuell gibt es auf Antigua 15 bestätigte Fälle – bei 40 (!) Tests. Heute wurde bekanntgegeben, dass erstmals Tests im eigenen Land ausgewertet werden können. Bisher ging das nur auf der Nachbarinsel Guadeloupe. Hm. Wie hoch mag da die Dunkelziffer sein?

Ein Grund mehr, sich auf dem Boot wohl zu fühlen. Das Wetter ist traumhaft. Langweilig ist uns noch nicht geworden, tatsächlich müssen selbst die restlichen drei Winschen noch auf ihre Wartung warten (sorry, konnte mir das Wortspiel mal wieder nicht verkneifen). Wir lassen uns Zeit. Nur für das„weniger Geschaukel“ mussten wir doch noch mal tätig werden. Der wenige Ostwind hat dem Nordschwell von rund 1,5 m nicht allzu viel entgegenzusetzen und obwohl die Bucht nach Norden geschützt ist läuft der Schwell ums Kap herum von Südwesten her auf den Ankerplatz und rollt das Boot hin und her von einer Seite auf die andere. Wir bringen zusätzlich einen Heckanker aus und drehen die Flora mit dem Bug in den Schwell. Bei dem wenigen Wind stört die zusätzliche Belastung auf dem Hauptanker kaum und das Rollen lässt merklich nach. Jetzt klappt’s auch mit dem „nachts ruhig durchschlafen“ besser.

Ausgangssperre Tag 3

Es ist ruhig. Sehr ruhig. Angenehm ruhig (traue ich mich kaum zu schreiben, weil der Grund so schlimm und die Dauer so ungewiss und damit auch beunruhigend ist). Trotzdem: praktisch kein Bootsverkehr mehr, keine Flugzeuge über uns, kaum Dinghys, keine Jetskis, keine überfüllten Touristenkatamarane, die mit Vollgas durchs Ankerfeld zum Strand rauschen, kaum Autos auf den Straßen am Ufer.

Auch keine Besuche von oder bei anderen Booten. Wir sind auf uns selbst zurückgeworfen. Entschleunigung. Werden wir das ertragen oder können wir das sogar genießen? Wäre einfach, wenn es wirklich nur die bisher angesetzte Woche wäre, aber davon gehen wir nicht aus. Gleichwohl: ändern können wir es eh nicht, also lassen wir uns darauf ein. Wir haben Zeit (und wieder beunruhigt im Hinterkopf ein fernes „aber nur bis zum Beginn der Hurrikansaison“).

Ganz überwiegend schaffen wir es ganz gut, uns auf das Genießen einzulassen. Es gibt keinen Druck, kein „dass muss ich eben noch schnell erledigen, weil dann ja gleich …“. Selbst unsere Bootsprojekte gehen wir sutje (*1) an. Das Dinghy haben wir gesäubert und endlich (neben Logo und Florecita) auch mit dem offiziellen T/T SY Flora (*2) beschriftet, die verbogene Halterung für die umklappbaren Beibooträder gerichtet.

Ansonsten Brot gebacken, erstmals selbst an Bord Joghurt gemacht und …

… gepuzzelt. Ja, tatsächlich. Eike hatte uns bei seinem Besuch in Spanien ein 1.000-Teile-Puzzle mitgebracht. Innerlich hab ich den Kopf geschüttelt, obwohl er wohlweislich den sperrigen Karton zu Hause gelassen hatte. Wann und wo soll man auf einem schaukelnden Schiff ein 1.000-Teile-Puzzle machen? Landratte! Pah. Ich leiste Abbitte. Jetzt wissen wir, wann und wo. Der Salontisch ist belegt, begeistert puzzeln Wiebke und ich gemeinsam vor uns hin. Hatte fast vergessen, wie herrlich es als Kind war. Tausend Erfolserlebnisse und dazwischen …

Danke Eike!

Ein paar Details zur Ausgangssperre haben sich inzwischen geklärt. Wichtig für uns: wir dürfen schwimmen und sogar das SUP (*3) benutzen, nur eben nicht an den Strand fahren. Unser aufblasbares SUP sorgt für ein bisschen zusätzliche Bewegung neben dem Schwimmen und Schnorcheln am Boot, strengt beim Paddeln erstaunlich viele Muskeln an und erst recht beim Yoga, dass aber nur Wiebke auf dem schwankenden Ding mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad jetzt während der Ausgangssperre bisher täglich praktiziert.

Die Segler hier begegnen der Vereinzelung außerdem mit einigen Funkrunden auf UKW (*4), morgens um 9.00 gibts dort Wetterbericht, aktuelle Meldungen zum Covid-Stand auf Antigua und allem, was Segler hier betrifft, der eigentlich stets damit verbundene Flohmarkt ist allerdings derzeit mangels Kontaktmöglichkeiten einigermaßen mau. Zu um 9.30 haben wir dann (seit dem Lockdown) eine deutsche Funkrunde in Leben gerufen. Sie war heute morgen mit mindestens acht Booten ebenfalls gut besucht, zum Quatschen und wiederum Informationsaustausch. Nachmittags um 17.30 hat dann Merrill seine Show, er hat uns zum (funklichen) Sundowner geladen. Von ihm launig und humorvoll moderiert, berichten alle Teilnehmer (heute sicher 15+) über den von ihnen gerade verzehrten Sundowner und ihr heutiges Bootsprojekt (das kann z.B. die Suche nach dem fiesen Elektrowurm in der Bordelektronik oder auch nach dem besten Platz für die Hängematte sein). Anschließend hält Merrill noch ein kurzweiliges Quizz bereit und schwupp hat man das Gefühl, die isolierten Segler seien eben doch in einer Gemeinschaft vereint.

Und danach? Gibt noch einen weiteren Sundowner:

(*1) norddeutsch, etwa: langsam, bedächtig, ruhig

(*2) T/T steht für Tender to, also insgesamt international übliche Kennzeichnung für: Beiboot der Segelyacht Flora

(*3) SUP = Stand Up Paddelboard

(*4) UKW = Ultrakurzwelle, der Frequenzbereich in dem das Bordfunkgerät (selbst als Handfunke) sendet und empfängt.

Nabucco in Antigua

Seit heute um 20.00 Uhr gilt hier in Antigua der “24-Hour-curfew”, also die Rund-um-die Uhr-Ausgangssperre, zunächst mal für eine Woche. Vor dem Supermarkt hat das zu extrem langen Schlangen geführt, zumal ja auch nur eine begrenzte Anzahl an Kunden hineingelassen wurde. Mehrere Segelfreunde von uns haben jeweils vier Stunden (!) angestanden, um in den Supermarkt zu kommen. Wobei: er wird auch ab morgen (wenn auch mit eingeschränkten Öffnungszeiten) weiter zur Verfügung stehen. Die Regale sind gut gefüllt, Nachschubcontainer sind reichlich unterwegs, der Premierminister mahnt an die Vernunft jetzt nicht panikartig einzukaufen. Andererseits hat der Tourismusminister dazu aufgefordert, in der nächsten Woche nur absolut notwendige unaufschiebbare Einkäufe zu tätigen und ansonsten zu Hause (auf dem Boot) zu bleiben. Da wollte heute dann doch der ein oder andere noch vorsorgen.

Wir nicht, wir haben vorgestern frisch eingekauft und haben sowieso einiges an Vorräten. Noch etwas Frischware aufstocken wäre o.k. gewesen, aber dafür vier Stunden anstehen? Nö. Dann lieber noch einen schönen langen Spaziergang vor der Ausgangssperre. Wegen der klaren Luft heute können wir vom Berg (na ja, oder Hügel) Pearns Point aus tatsächlich Guadeloupe, Montserrat, Redonda, Nevis und sogar St. Kitts erspähen, auf der anderen Seite wandert der Blick über den mangrovengesäumten Salzsee hinweg auf Jolly Harbor und die den Ort umgebenden grünen Hügel.

Mal sehen, wie wir mit der Ausgangssperre zurechtkommen, dass es bei einer Woche bleibt glauben wir allerdings eher nicht. An Segeln ist wohl erst einmal etwas länger nicht zu denken. Wir sind trotzdem guter Dinge, pendeln mental aber allerdings manchmal zwischen einem fast freudigen “wie eine Atlantiküberquerung, nur mit weniger Geschaukel und nachts ruhig durchschlafen” und dem weniger guten Gefühl, eben doch irgendwie angebunden zu sein. Meist überwiegt die durchaus positive Erwartung der neuen Erfahrung dieser (wenn auch nicht selbstgewählten) “Auszeit in der Auszeit”.

Was Künstler aus einer erzwungenen Vereinzelung machen können, hat bei uns für eine Gänsehaut gesorgt, weshalb ich hier ausnahmsweise mal ein YouTube Video verlinken möchte. Wer keine Aversion gegen klassische Musik hat sollte sich das außergewöhnliche Kunstwerk des International Opera Choir aus Rom ansehen. Jedes Chormitglied hat den eigenen Beitrag mittels Smartphone aufgenommen. Die Aufnahmedateien wurden dann in einer bewunderswerten Montagetechnik zusammengeschnitten und.. das ist das Ergebnis! Und noch ein Hinweis, weil wir unterwegs auf unser Download-Volumen achten und Videos deshalb SEHR selten anklicken: das hier lohnt sich , uns hat es jedenfalls tief berührt.

Es ist ohne Zweifel kein Zufall, das sie dafür ausgerechnet Verdis “Nabuccu” gewählt haben, noch dazu den berühmte Gefangenenchor. Schön, das diese Oper auch noch gut ausgeht 😀. Für diejenigen, die – wie ich – kein italienisch können, hier der Text der ersten Strophe:

Flieg, Gedanke, getragen von Sehnsucht,
lass dich nieder in jenen Gefilden,
wo in Freiheit wir glücklich einst lebten,
wo die Heimat uns’rer Seele ist.

Ja, das ist ziemlich pathetisch, aber eben doch auch wunderschön.

Ein letzter gemeinsamer Sundowner am leeren Strand, noch erlaubt, mit Mareike, Andrea, Ingo und uns. Ein bisschen werden wir das wohl doch vermissen.

Der Plan ist, keinen Plan zu haben.

Eine Planung ist ja die gedankliche Vorwegnahme von Handlungsschritten in Bezug auf ein Ziel. Man wägt Handlungsalternativen gegeneinander ab und fragt sich, wie man am besten das dem eigenen Gestaltungswunsch entsprechende Ziel erreicht. Oder simpler: was möchte man, was geht, wie geht’s?

Corona hat weltweit dafür gesorgt hat, dass bisherige Planungen (Reisepläne allemal, aber auch wesentlich wichtigere, manchmal gar existenzielle Dinge) durch den gedanklichen Schredder liefen. Gefühlt vor langer Zeit, tatsächlich aber ist die Bedrohung durch die Covid-19-Erkrankung überwiegend erst ab Anfang diesen Monats langsam in das Bewusstsein der meisten Menschen der westlichen Welt gesickert.

Nun gehört es ja zum Wesen jeder Planung, dass es eben auch anders kommen kann. Dann muss man die Planung überarbeiten, einen geänderten Plan machen. Handlungsalternativen neu bewerten. Allerdings: welche Handlungsalternativen? Die mittlere der simplen Fragen, “Was geht?” ist in Corona-Zeiten jedenfalls für die nähere Zukunft nicht einfach zu beantworten.

Für die Crew der Flora und für die meisten Segler hier in der Karibik ist die Begrenzung “nähere Zukunft” verknüpft mit dem Beginn der Hurrikansaison. Die ursprüngliche Planung sah dafür fast durchgehend vor, aus dem Hurrikangebiet herausgesegelt zu sein. Nach Norden an die US-Ostküste (unser Plan), nach Süden (je nach Versicherungsbedingungen Grenada, Trinidad, Kolumbien oder gar Surinam), nach Osten über den Atlantik zurück Richtung Europa oder nach Westen durch den Panamakanal in den Pazifik, letzteres dann idealerweise schon ein paar Monate früher.

Offiziell beginnt die Hurrikansaison am 01. Juni und endet am 30. November. Unsere Versicherung hat eine Ausschlussklausel für Sturmschäden im Hurrikangebiet in der Zeit vom 01. Juli bis 15. November. Und tatsächlich treten Hurrikans in der Karibik typischerweise erst ab Juli auf. Blöderweise zeigen sie keine allzu große Neigung, sich an Regeln zu halten, 2016 etwa hat sich Hurrikan Alex Mitte Januar (!) über die Bermudas und die Azoren hergemacht. Davon abgesehen waren die jeweils ersten Hurrikans der letzten fünf Saisons: Danny ab 18.08.2015, Earl ab 02.08.2016, Franklin ab 07.08.2017, Beryl ab 05.07.2018 und Berry ab 11.07.2019. Statistisch hätten wir also noch etwa drei Monate Zeit. Etwas komplizierter wird es noch dadurch, dass 2020 ein “El Niño”-Jahr erwartet wird, was das Wettergeschehen nochmals durcheinander bringt, im Nordatlantik allerdings eher etwas geringere Sturmneigung erhoffen lässt. Nebenbei bemerkt: die Namen beginnen in jedem Jahr mit A und arbeiten sich dann im Alphabet weiter, die Anfangsbuchstaben der ersten Hurrikans der Jahre zeigen also, dass jeweils vorher schon benannte tropische Stürme auftraten. Die haben aber eben nicht Hurrikanstärke erreicht, wir möchten ihnen aber trotzdem mit dem Boot nicht begegnen.

Gleichwohl: schauen wir bei uns selbst zurück, beschäftigt uns Corona etwa seit einem Monat und hat in dieser Zeit Veränderungen mit sich gebracht, die wir nicht für möglich gehalten hätten. Wie sollen wir jetzt die Veränderungen der nächsten drei Monate abschätzen?

Bei einem Treffen von Blauwasserseglern wird typischerweise zunächst nach dem gegenseitigen “woher” und “wohin” gefragt. Man kann Erfahrungen austauschen, vielleicht gemeinsame Pläne schmieden. Manchmal bekamen wir auf unsere Fragen auch wunderschöne offene Antworten wie “Wohin der Wind uns treibt, wir sind ja Zeitmillionär.” Oder fast philosophische wie “Unser Plan ist, keinen Plan zu haben.”

Derzeit bewirkt die Corona-Krise, dass von allen Reiseplänen nur der Plan keinen Plan zu haben ziemlich gut aufgeht. 😉

Das lässt sich in der Praxis aber nur schwer aushalten, wenn es nicht mehr darum geht, aus den vielen Optionen spontan die günstigste zu wählen sondern wirklich PLANLOS darauf zu warten, dass sich (bis zum Beginn der Hurrikansaison) irgendeine Option auftut.

Vielleicht ist so auch zu erklären, dass aus der Zurückseglergruppe Wünsche geäußert wurden, die ein großes Presseecho in Deutschland ausgelöst haben und deshalb auch zu besorgten Rückfragen bei uns geführt hat, bei den Adressaten, bei uns und auch bei vielen anderen Seglern aber Befremden auslösen. Der überzogene Wunsch einer Begleitfregatte der Bundesmarine für den Rückweg über den Atlantik nach Europa erweist den seemännisch sehr viel einsichtigeren Forderungen nach dem Einsatz für Planungssicherheit ermöglichende offene Nothäfen und Quarantänestege bzw. Quarantäne-Ankerbuchten aus unserer Sicht einen Bärendienst. In der Gruppe befinden sich neben geplanten Atlantikrunde-Seglern auch Crews von Booten, für die ursprünglich andere Pläne galten, die sich selbst nicht optimal aufgestellt sehen und die damit verständlicherweise ein höheres Maß an Planbarkeit für nötig erachten.

Für uns auf der Flora ist die Rückreise im Convoy über den Atlantik derzeit keine Option. Mindestens mal für die nächsten zwei Monate versuchen wir die Nichtplanbarkeit zu akzeptieren und hinsichtlich der Weiterfahrt planlos zu sein.

Solange es uns möglich ist, wollen wir hier auf Antigua genießen, was bei diesen Umständen genossen werden darf und relativ sicher genossen werden kann. Unser Boot, unseren Ankerplatz, die Strände, auch gelegentliche abstandswahrende Treffen mit anderen Seglern im kleinen Kreis. Wir sind froh, dass das hier bisher noch erlaubt ist. Allerdings ist gerade verkündet worden, dass ab Donnerstag Mitternacht (erst mal für eine Woche) eine komplette Ausgangssperre erfolgen soll. Details (z.B. darf man einkaufen gehen?) sind noch unklar.

Uns hat es jedenfalls vorgestern ermöglicht, mit Steve und Helena von der Amalia einen schönen Spaziergang um Pearns Point herum und über die leeren Nordstrände zum dortigen “Blowhole” zu machen, durch das die Brandung meterhohe Fontänen presst.

Und wenn wir jetzt verstärkt auf uns und unser Boot zurückgeworfen sind, lässt sich das trotzdem vergleichsweise gut aushalten (glauben wir zumindest). So sieht’s aus:

Wir wünschen allen die mit Covid-19 infiziert oder sonst krank sind einen milden Verlauf und allen anderen: bleibt gesund!

Nächtliche Ausgangssperre und Versammlungsverbot

Antigua hat die Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 verschärft. Der Notstand wurde ausgerufen, ab sofort gilt für die nächsten zwei Wochen ein Versammlungsverbot und eine nächtliche Ausgangssperre (von 20.00 bis 06.00 Uhr).

Außerdem dürfen Boote von “französischen” Inseln nicht mehr in Antigua und Barbuda einklarieren, zu diesen Inseln kann von hier aus auch nicht ausklariert werden. Nicht ganz einfach zu verstehen, schließlich dürften wir aus EU-Bürger gerade dort noch einklarieren.

Die nicht mehr vorhandene Möglichkeit des Einklarierens etwa von St. Martin aus trifft viele Crews hart. Wir kennen ein deutsches Boot mit kleinen Kindern an Bord, dem das heute nach 26 Stunden gegen den Wind überraschend verweigert wurde. Nur ausnahmsweise wurde ihnen eine Nacht vor Anker genehmigt, dann müssen sie weiter, sofern nicht über Nacht die nächste Änderung in der Handhabung beschlossen wird. Kaum zu fassen, vor allem weil die Regierung einen Shutdown erst für das Wochenende (also einen Tag nach der Ankunft des Bootes) angekündigt hatte.

Und was machen wir so? Wir bleiben erst mal, wo wir sind. Kümmern uns um die To-do-Liste der Flora. Bei Langfahrt bleibt diese Liste ja angeblich immer mindestens gleich lang, nur die Prioritäten sollen sich verschieben. Mal sehen. Ich vermute stark, dass die mehr oder weniger intensive Quarantänesituation vieler Yachten hier und anderswo auf Blauwasserfahrt zu einem erheblichen Wartungsschub führt.

Heute Vormittag habe ich mich schnorchelnderweise um das Unterwasserschiff gekümmert. Nur die Steuerbordseite und dabei den Kiel erstmal ausgespart. Trotzdem war ich danach erstmal platt und brauchte eine Pause.

Frühstücksgestärkt haben Wiebke und ich uns dann der Wartung unserer Winschen gewidmet.

Genau genommen haben wir auch hier abgeschichtet. Die Steuerbord-Mastwinsch und die Steuerbord-Spiwinsch (auch für den Ausholer des Großsegels genutzt und daher ziemlich belastet) nehmen wir uns heute vor. Das alte Fett in den Zahnrädern ist hart geworden und hat auch einigen Schmutz und Sand aufgenommen. Wurde dringend Zeit, das mal wieder gründlich zu reinigen und dann neu mit seewasserfestem Fett für Getriebe und Lager sowie Öl für die Sperrklinken und Federn zu versorgen. Hersteller Lewmar sieht eigentlich vor, dies jedes Jahr zwei- bis dreimal zu machen. Zugegebenermaßen waren wir da bisher etwas im Rückstand. Schäm. Immerhin: die minikleine Feder kommt auf ihrer versuchten Flucht nicht weit, wird schnell wieder eingefangen und wir bekommen das Puzzle auch wieder zusammen.

Ein kurzer Dinghyausflug in den Hafen von Jolly Harbor zum Erwerb einer Datenkarte für Wiebkes iPad bleibt erfolglos: der Telefonladen hatte seine Öffnungszeiten auf 15-17 Uhr verkürzt, jetzt ist er bis auf Weiteres geschlossen, “Sorry for the inconvenience”. Im Supermarkt kann man nur aufladen, aber das kriegen wir für unsere schon gekauften Karten auch online hin. Muss Wiebkes iPad halt weiter über den Hotspot ihres Handys versorgt werden. Keine so schwerwiegende Unannehmlichkeit.

Wieder zurück auf der Flora ist die Backbordseite des Unterwasserschiffes dran (auch hier erstmal ohne Kiel, ist schnorchelnd schon anstrengend genug so). Vor etwa einem Monat hatte ich (mit Tauchflasche) alles wirklich gründlich sauber gemacht. Trotzdem weist das Coppercoat schon wieder einen grünen Flaum auf. Der lässt sich zwar leicht abwischen, aber einige rötliche Puschel und kleine weiße Ablagerungen erfordern dann doch mehr Druck. Diesmal habe ich bei der Arbeit Gesellschaft. Zwei Fische (vielleicht junge Yellowtail-Snapper) genießen die erleichterte Nahrungsbeschaffung und wuseln am liebsten direkt neben dem Schwamm herum:

Video dazu durch Klick HIER. Da sieht man auch ganz schön den “Pelz” am Rumpf und die beim Putzen aufgewirbelten Wolken. Andererseits: Flora ist jetzt ununterbrochen seit rund einem Jahr in ziemlich warmem Wasser und immerhin lässt sich der Kram recht leicht vom Coppercoat abwischen. Muscheln / Seepocken sind kaum vorhanden, diesmal hab ich drei von ihnen gefunden.