Inseln des ewigen Frühlings?

Es ist wohl ein ziemlich trockener Frühlung, mit dem jedenfalls die östlichen Kanaren aufwarten, die Bezeichnung passt auf La Graciosa, Lanzarote und Fuerteventura allenfalls hinsichtlich der Temperatur. Frisches Grün dagegen: Fehlanzeige.

Aber jetzt und hier, auf Gran Canaria, da sollte das jahreszeitliche Attribut doch besser passen, oder ist es nur ein Werbelabel der Tourismusbranche? Gran Canaria ist hoch, erhebt sich fast 2.000 m aus dem Atlantik. Anders als auf den flacheren östlichen Inseln reicht das öfter, um die übers Meer ziehenden Wolken zum Abregnen anzuhalten oder zumindest dazu, ihre Feuchtigkeit als Nebelwolken in höheren Nordlagen der Insel zu schenken. So weit die Theorie. In den letzten Jahren hat das allerdings nicht ausreichend stattgefunden. Anfang August hatten die Staubecken einen kritischen Füllstand erreicht, waren zum Teil sogar ganz trockengefallen.

Wasserspeicher bei La Aldea in Gran Canarias Westen; der arme Schmetterling

Die Landwirtschaft ächzt unter Trockenheit, diesen Sommer haben schlimme Waldbrände Gran Canaria heimgesucht.

Wiebkes Mutter Uschi ist zu Gast. Hier im Süden ist es knochentrocken, obwohl wir untypisch diesiges Wetter haben und gelegentlich sogar ein paar Tropfen Regen fallen. Der wäscht aber nicht das Boot, sondern zementiert es nur mit dem in der Luft liegenden Staub. Grrr.

Mit dem Mietwagen fahren wir gemeinsam von Puerto de Mogán aus im Uhrzeigersinn um die Insel. In den Bergen und dann vor allem im Norden müsste es doch besser, will sagen: grüner werden.

Zunächst aber beschränkt sich das Grün weitestgehend auf einige Plantagen beim Ort Mogán und – neben wenigen Bäumen – auf leuchtendes Türkis im Fels beim Pass oberhalb des Dorfes.

Hinunter geht es Richtung La Aldea. Weit die Hänge hinauf ziehen sich die mit Stoffplanen abgedeckten Plantagen. Manchmal kann man einen Blick auf die darunter wachsenden Pflanzen erhaschen, wir erspähen Bananen und meinen auch Tomaten und Papayas zu erkennen.

Aber die Landschaft bleibt karg und die Planen-Wirtschaft erfreut unser Auge nicht wirklich. Wir halten bei einer kleinen, schön renovierten Windmühle (neben der auch das trockene Wasserbecken liegt). Leider ist das angeschlossene Ein-Raum-Mini-Museum geschlossen. Rätsel gibt uns auch auf, dass wir häufiger mitten im trockenen Berghang Schilf und Kakteen direkt beieinander sehen, es ist offenbar nicht immer so trocken wie jetzt.

Leicht macht es uns Gran Canaria weiterhin nicht. Die „30 km Panoramastraße“, laut Reiseführer eine der Top 10 – Sehenswürdigkeiten der Insel, mit mehreren „Miradores“, also Aussichtspunkten lässt bei diesem Wetter nur wenig Aussicht zu:

Ja klar, das ist Wetter, da kann die Insel nix dafür. Blöd aber, wenn auf dem höchsten Punkt der Straße, gleich hinter dem Aussichtsbalkon, plötzlich ein Sackgassenschild steht. Weiterfahrt gesperrt. Wieder ganz zurück und über die Autobahn, nur so kommen wir nach Agaete. 15 km hoch und wieder retour sind ja irgendwie auch 30 km Panoramastraße 😳.

Immerhin können wir neben jetzt trockenem, aber offensichtlich lebenswilligem Strauchwerk auch viele der von der Kanarenregierung zu pflanzlichen Natursymbolen Gran Canarias bestimmten Kanaren-Wolfsmilch sehen.

Strauchwerk
Kanaren-Wolfsmilch: sieht aus wie ein Kaktus, ist aber eine nur auf den Kanaren heimische Euphorbia, eben eine Wolfsmilch-Planze, deren Milchsaft stark giftig ist.

Am Ende der oft durch Tunnel verlaufenden Autobahn schrauben wir uns über Serpentinen auf einer schmalen Straße hinunter nach Puerto de Las Nieves bei Agaete, einem kleinen, ziemlich touristischen Fischerort, deren größte Sehenswürdigkeit, die „Dedo Del Dios“ (Finger Gottes) genannte Felsnadel allerdings schon vor einigen Jahren abgebrochen und ins Meer gestürzt ist. Wir essen in dem heute hauptsächlich als Fährort nach Teneriffa bekannten Fischerdörfchen (natürlich Fisch) und fahren dann an Las Palmas vorbei in einem großen Bogen auf der Autobahn Dreiviertel um die Insel herum schneller zurück, als wir für das erste Viertel hierhin über die gebirgige Küstenstraße gebraucht haben.

Das frühlingsfrische Grün hat sich ziemlich erfolgreich vor uns versteckt, aber in die Nordhänge des Inselgebirges haben wir es bei unserer Fahrt bisher auch noch nicht geschafft. 😉 Wir finden es erst in unserer Oase Puerto de Mogán wieder 😊.

Puerto de Mogán

Durch Sönkes Vermittlung hatten wir ja einen Hafenplatz in Puerto de Mogán im Südwesten von Gran Canaria bekommen.

Die Fahrt an Gran Canarias Südküste entlang erinnert, abgesehen von den Dünen bei Maspalomas, doch sehr an die spanische Südküste. Das ist nicht unbedingt ein Kompliment, auch hier finden sich diverse Hotelburgen, so auch noch in Taurito, in der Nachbarbucht direkt vor unserem Zielort.

Der Hafen von Puerto de Mogán dagegen ist kuschelig, in vielerlei Hinsicht. Beim Einlaufen in die uns zugewiesene Gasse fragen wir uns unwillkürlich, ob wir da mit Flora überhaupt hineinpassen. Das Gefühl verstärkt sich, als wir um die Ecke kommen und der Marinero uns in „unseren“ Liegeplatz winkt: die Lücke ist gerade zwei Meter breit, Flora aber gut vier. Das schiebt sich zurecht, signalisiert der Marinero. Na gut, der sollte seinen Hafen kennen. Vorsichtig drücken wir uns hinein, passt tatsächlich. 😊

Der Hafen ist so eng, dass für die äußeren Reihen kein Schwimmsteg vorgesehen ist, wir liegen mit dem Heck direkt am Kai. Das ist spannend, weil die Leinen erst einmal dem Tidenhub von gut 1,5 m angepasst werden müssen und es ja auch so sein sollte, dass wir von unserer Flora aus die an der Pier extra angebrachte Leiter auch einigermaßen erreichen können. Wir spielen ein bisschen mit den Mooringleinen am Bug und den beiden Heckleinen, dann klappt es sowohl bei Hochwasser (Bild oben) wie auch bei Niedrigwasser.

Blick von der Pier hinab bei Niedrigwasser

Die Hafenanlage in Puerto de Mogán wurde in den 80er Jahren um den bestehenden Fischerhafen herum komplett aus einem Guss gebaut und wirkt mit ihren maximal zweistöckigen Gebäuden und den engen Gassen trotz des einheitlichen Stils wie gewachsen. Die manchmal versetzte Bauweise, die verschiedenen Farben der Fenster- und Gebäudesimse und vor allem die üppige Bepflanzung tun ihre Wirkung.

Das umso mehr, als die Gassen oft von Bögen überspannt werden, an denen sich z.B die Bougainvillea (Drillingsblume) zu voller Pracht entfalten kann.

Etwas Nostalgie zeigt sich in einem dreidimensionalen Wandrelief mit dem Namen „El paseo de mis padres“ (der Weg meiner Eltern), der das alte Fischerdorf vor dem touristischen Umbau thematisiert:

(Damals noch 35 Grad, wir haben „nur“ 28 und ein Eisenwarengeschäft (Ferreteria) hat sich zwischen den Restaurants heute auch tatsächlich nicht mehr gefunden)

Aber Fische und Fischer gibt’s auch heute noch im Hafen:

Trotzdem, wenn man die vielstöckigen Hotelburgen der Nachbarschaft anschaut, z.B. das oben angesprochene Taurito …

… fühlt man sich in Puerto de Mogán doch kuschelig aufgehoben. Hyggelig, wie die Dänen sagen, vielleicht sind deshalb so auffallend viele von ihnen hier 😉.

Segeln und Abschied

Blauwassersegeln ist schön. Heute besonders, bei achterlichem Wind 💨, Schiebewelle, Sonnenschein.

„Fair winds and following seas“. Genau so soll das.

Und Blauwassersegeln bedeutet auch, viele spannende und völlig unterschiedliche Orte zu besuchen (wie zuletzt das blumige Madeira, das sandige Graciosa und das vulkanschwarze Lanzarote und ab morgen hoffentlich das ??? Gran Canaria). Es bedeutet, immer wieder neue Erfahrungen zu machen. Viele Menschen kennenzulernen, manchmal auch neue Freunde zu finden.

Und es bedeutet, immer wieder Abschied zu nehmen. Von Orten, aber mehr noch von Menschen. Das ist der weniger schöne Teil. Wir hatten Besuch: Wiedersehensfreude und – gefühlt nur kurz darauf – wieder Trennen. Und wir haben Segelfreunde wiedergetroffen, eigentlich schon ein paar Mal. Besonders ist es mit Doris und Christian. Kennengelernt haben wir die Crew der Dancing Pearl in Catania auf Sizilien, wiedergetroffen auf Sardinien, San Pietro, Menorca, Ibiza, in Gibraltar und jetzt auf Lanzarote. Haben herzhaft miteinander gelacht, ernste Gespräche geführt, die weit übers Segeln hinausgingen. Und wir haben uns verabschiedet. Schon oft, und jetzt schon wieder. Die beiden haben die schwere Entscheidung getroffen, ihre Reisepläne zu ändern und nicht in dem ihnen zur Verfügung stehenden Jahr über den Atlantik und zurück zu hetzen. Seitdem ist auch klar, dass unsere Reiserouten sich in nächster Zeit nicht mehr so oft kreuzen werden. Vielleicht noch einmal auf Teneriffa, hoffentlich.

Denkansätze zum Abtauchen

Hier auf Lanzarote gibt es ein Unterwassermuseum, das Muséo Atlántico Lanzarote, eigentlich eher ein Unterwasser-Skulpturenpark. Der Künstler Jason deCaires Taylor hat hier (wie auch in Grenada oder in Cancun, Mexico) lebensgroße Statuen gestaltet und am Meeresboden platziert, wobei er mit seiner Kunst auch politische und gesellschaftliche Denkanstöße gibt.

Besonders deutlich wird dies mit dem „Floß von Lampedusa“. Insbesondere im Zusammenspiel mit der daneben gestellten Gruppe, zwei gesichtslosen Menschen, die ein Selfie in Richtung des Bootes machen. Besonders zum Nachdenken anregend, wenn man selbst das Ganze ja auch gerade fotografiert. Aber auch die größte Skulptur, „Cruzando el Rubicón“ ist in ihrer Aussage deutlich. Eine große Gruppe Menschen strebt einem kleinen Tor in einem hohen Zaun zu, auch wir tauchen hindurch. Danach gibt es kein Zurück, der Rubikon ist überschritten, die Statuen auf der anderen Seite des Zauns sind anders gestaltet. Zum Teil Mischwesen etwa aus Kaktus und Mensch (am Ende gewinnt ohnehin stets die Natur, auch hier, die Statuen werden als künstliches Riff schon von Unterwasserpflanzen besiedelt). Zum Teil (in der Skulpturengruppe „Desregulado“) als Manager in Anzügen, deren „Spielzeuge“ oder Insignien sich verändert haben: Wippen aus Ölpumpen zum Beispiel oder Kravatten mit Galgenstrick-Knoten. Keine leichte Kost, wenn man sich gleichzeitig auf die Tarierung beim Tauchen konzentrieren muss 😉.

Auf der „Natur“-Seite des Zauns zeigen sich übrigens auch weitaus mehr Fische. Blöd nur, ausgerechnet auf diesem Tauchgang einen neuen Fotofilter an der GoPro auszuprobieren und die Aufnahmen nur so „na ja“ werden zu lassen. Grrr.

Übrigens heißt die Marina Rubicón wahrscheinlich nicht nach dem italienischen Fluss, den Cäsar mit seinen Truppen so bedeutungsvoll überschritten hat, sondern nach dem historischen Ort Rubicón, der als erster von den Europäern auf den Kanaren errichtet wurde und (wahrscheinlich) nach den im Abendlicht rötlich (rubicundus) wirkenden Vulkanbergen benannt wurde. Trotzdem hat uns das Wortspiel bezüglich des Unterwasserzaunes und auch die offensichtliche Bezugnahme auf Manriques Kunst (Kaktusgarten und Kunst-Natur/Natur-Kunst) wie das gesamte Muséo Atlántico sehr gefallen.

Und zwei tolle Nachrichten haben uns heute erreicht:

Sönke hat es geschafft, durch persönliche Ansprache im Marinabüro einen Platz für die Flora auf Gran Canaria (Puerto Mogán) zu reservieren, auf unsere Kontaktaufnahmeversuche aus der Ferne hatte man dort schlicht nicht reagiert. Aber da Wiebkes Mutter am Samstag auf Gran Canaria landet, war ein Marinaplatz für uns wichtig.

Aus Hamburg hat uns Bernd Bilder der am Hamburger Wahrzeichen, dem Michel, angebrachten Stiftertafel geschickt, als Abschiedsgeschenk der ADS-Kollegen ist dort für uns eine Widmung angebracht worden.

Ganz lieben Dank!

Ich seh´ schwarz

Neben dem Blau des Himmels und dem Weiß der Häuser ist schwarz hier auf Lanzarote die deutlich vorherrschende Farbe. Der Lavaboden der Insel zeigt sich häufig sehr dunkel. Streckenweise fahren wir mit unserem Mietwagen durch Landschaft, die wie Stein gewordene schorfig verbrannte Riesenhaut oder frisch umgebrochener, dann aber sofort versteinerter Marschboden wirkt.

Aber an anderer Stelle hat der schwarze Boden – jetzt feiner gemahlen – auch sein Gutes. Lanzarote verfügt kaum über nennenswerte Grundwasservorkommen und ist zudem extrem regenarm. Die Trinkwasserversorgung wird heute aufwendig über Meerwasserentsalzungsanlagen sichergestellt, die Landwirtschaft musste sich also früh etwas Besonderes einfallen lassen. Zum Beispiel den Trockenfeldanbau. Und der funktioniert z.B. im Weinbaugebiet La Geria so:

Feiner schwarzer Aschesand, sogenannter Lapili, bildet eine dicke Deckschicht über dem fruchtbaren aber eben trockenen Vulkanboden. Am Lapili kondensiert die Nachtfeuchtigkeit und sinkt nach unten. Der Weinstock wird in einer künstlichen tiefen Mulde des Lapili gepflanzt, die zusätzlich noch von einer halbrunden und ohne Mörtel aufgeschichteten Lavasteinmauer gegen den Wind und die dadurch bedingte Austrocknung geschützt wird. Hektarertrag: nicht der Rede wert. Wahnsinnig viel Handarbeit? Ja! Wird seit Generationen so gemacht.

Meine Cuisine Elke und ihr Freund Uli sind zu Besuch, mit ihnen erkunden wir Lanzarote. Wir besuchen das bekannte Weinbaugebiet, die Feuerberge des Timanfaya-Nationalparks, wo thermische Anomalien in Erdlöchern von wenigen Metern Tiefe schon Temperaturen von einigen hundert Grad Celsius entstehen lassen. Uns Besuchern wird das eindrucksvoll mit sich selbst entzündenden Dornlattichbüschen demonstriert, Moses und der brennende Dornbusch lassen grüßen, aber der Timanfaya-Nationalpark hat für die Montaña del Fuego stattdessen trotzdem ein Teufelchen als Logo gewählt.

Weiter geht es hinunter ans Meer, wo die See mal an steil empor springende schwarze Felsen schlägt, in die für uns extra Besucherbalkone eingelassen sind, mal aber auch Surfern herrliche Brandungswellen vor sandigen Stränden bietet.

Manchmal zaubert es sogar Farbspiele wie den grünen See hinter dem schwarzen Sandstrand bei El Golfo.

Schwarz war auch die Gummidichtung für unser Vorluk (also das Fenster über der Vorschiffskoje). Jedenfalls ursprünglich mal. Inzwischen war sie eher Undichtung und zudem vom eingedrungenen Salz ziemlich grau geworden. Elke und Uli hatten vom Spezialhändler SVB aus Bremen eine neue Dichtung mitgebracht. Zwischen den Ausflügen auf Lanzarote war also mal wieder Handwerken angesagt.

⚠️ Gäste werden übrigens gnadenlos eingebunden ⚠️.

Der Rahmen des Lewmar-Luks ist geteilt und mit ein paar kleinen technischen Gemeinheiten versehen, aber: wir haben das gemeinsam hingekriegt und das Luk ist wieder dicht! Wasserstrahltest bestanden.

Dann also wieder Inselerkundung. 😊 Und dabei kommt man auf Lanzarote an einem Künstler auf keinen Fall vorbei. Wir besuchen das César Manrique Museum der gleichnamigen Fundación, den von ihm gestalteten Kaktusgarten und den ebenfalls von Manrique umgesetzten Aussichtspunkt Mirador Del Rio ganz im Norden der Insel. Neben vielem anderen ist besonders beeindruckend, wie Manrique immer wieder eine Einheit zwischen Umgebung, Natur und seinem Werk schafft, sei es bei den in Lavablasen eingebetteten Räumen seines Hauses, bei dem zudem die Lavafelsen gleichsam durch das Fenster hineingelassen werden, dem amphitheatrisch anmutenden Kaktusgarten In einem ehemaligen Steinbruch oder dem in die Steilwandkuppe eingelassenen Restaurant und Aussichtspunkt mit Blick hinüber nach La Graciosa. Manrique selbst prägte dafür den Ausdruck „Kunst-Natur/Natur-Kunst“.

Und so schafft es Manrique nebenbei auch, dass Lanzarote künstlerisch bei all dem Schwarz dann manchmal eben doch recht bunt daherkommt.

Karg ist nicht farblos! Montaña Amarilla

Da hatte ich in meinem vorigen Post doch geschrieben, La Graciosa sei karg und habe ihren Anmuts-Namen wohl quasi aus einem spätmittelalterlichen Marketingversuch heraus erhalten. Und dann das:

Der Wetterbericht sagt einen Sonne-Wolken-Mix voraus, es wird nicht so heiß, beste Voraussetzungen für eine Wanderung auf den Montaña Amarilla, den „gelben Berg“. Der liegt in der Südwestecke von La Graciosa, nicht weit von unserem Ankerplatz entfernt, an der Tauchern und Badenden vorbehaltenen Nachbarbucht. Google Earth wird befragt, lässt einen Rundwanderweg erahnen und liefert in der 3D-Ansicht ein beeindruckendes Bild des erloschenen Vulkankraters, dessen Nordwestseite offenbar bei einer Eruption weggesprengt wurde.

Also die Wanderschuhe an und los? Nein, natürlich nicht. Erstmal müssen wir ein ganzes Stück durch den losen Dünensand, das geht besser barfuß.

Aber schon jetzt zeigt sich, warum der gut 170 m hohe Berg nach einer Farbe benannt ist: die vom Meer angeknabberte Südseite präsentiert sich in einem Mix aus gelbem und rotem Tuffgestein und scheint gerade bei diesem Wetter manchmal regelrecht zu leuchten. Und was für ein Kontrast mit dem gelegentlich knalligen Blau des Himmels oder des Meeres, dem hellen Sand von sowohl Strand als auch manchen Dünen und dem Türkis der flacheren Buchten.

Jetzt mit Wanderschuhen geht’s auf einem zwar unbeschilderten aber meist gut erkennbaren Pfad über loses Geröll hinauf zum Grat des Vulkankraters.

Fantastische Ausblicke über den „Rio“ hinüber nach Lanzarote, über die Buchten und die Ankerlieger, hinunter zum Dorf Caleta del Sebo und auch nach Norden über La Graciosa hinweg zu den anderen Inseln des Naturschutzgebietes Archipelago Chinijo.

Und wie den Farben angepasst, hat sich bei unserer Rückkehr zur Flora eine kleine Palmtaube auf dem Heck unseres Bootes niedergelassen. Schön, ganz viele Tiere haben wir auf La Graciosa sonst leider nicht entdecken können und irgendwie kommt das von meinen Eltern und unserem Grundschuldirektor früh mit vogelkundlichen Wanderungen geweckte Naturinteresse offenbar immer wieder durch 😉.

Heute wollen wir trotzdem unseren herrlichen Ankerplatz verlassen und hinüber nach Lanzarote segeln. An die Ostseite zum Hauptort Arrecife. Zur Abwechslung mal wieder Stadt.

Die Anmutige

La Graciosa, also die Anmutige, die Liebreizende. So hat der normannische Seefahrer Jean IV. de Béthencourt die Insel 1402 benannt, als er Anfang des 14. Jahrhunderts die Kanaren unter der Krone Kastiliens kolonialisierte und christianisierte.

Man darf wohl davon ausgehen, dass nicht seine poetische Ader diese Namensgebung für die nördlichste heute bewohnte Kanareninsel beeinflusste, sondern vielmehr sein Bestreben, die karge Insel ohne Süsswasserquellen für die von ihm gewünschten nachfolgenden Siedler attraktiv erscheinen zu lassen.

Und doch, wenn man in den „Rio“, die nur rund einen Kilometer breite Meerenge zwischen dem hier dunklen und bis zu 400 m steil aufragenden Lanzarote im Süden und der hügeligen, hellsandigen Dünenlandschaft La Graciosas im Norden einbiegt, scheint die Namensgebung nicht mehr so abwegig. Zumal die Trinkwasserversorgung inzwischen durch eine Pipeline von Lanzarote hinüber auch gesichert ist 😉.

Angekommen am Ankerplatz in der Playa Francesca auf La Graciosa

Es gibt keine befestigten Straßen auf der fast 9 km langen und bis zu 4 km breiten Insel, nur einige wenige Sandpisten. Wir ziehen Florecita hoch auf den Strand, es gibt etwa zwei Meter Tidenhub und wir wollen vermeiden, die frisch reparierte Heckspiegel/Boden-Verbindung des Dinghys bei auflaufender Flut durch Hin und her schubbern in den Wellen wieder aufzuscheuern. Dafür haben wir jetzt endlich die Räder aus dem Vorschiff geholt und ans Beiboot geschraubt, sie lassen sich herunterschwenken. „Klappt“ ganz gut 😊. Hätten wir früher ausprobieren sollen.

Und dann geht’s durch die Dünenlandschaft hinüber zum „Hauptort“ der Insel, dem 700-Einwohner-Örtchen Caleta del Sebo. Tatsächlich gibt es im Norden noch Pedro Barba mit 15 Häusern als zweiten Ort.

Caleta Del Sebo, im Hintergrund die dunklen Berge Lanzarotes

Wir trinken eine Caña (kleines Bier) in einem der erstaunlich vielen Cafés/Bars/Restaurants des Örtchens, decken uns in einem speisekammergroßen Supermarkt mit frischem Obst und Gemüse ein und wandern am Strand zurück zu unserer Ankerbucht.

Seidenreiher am Strand
und sind rechtzeitig vor Sonnenuntergang zurück.

Cádiz und ein unwahrscheinlicher Zufall

Da hatten wir gerade geschrieben, wir wären ein wenig stadtmüde, und dann fahren wir direkt von Gibraltar nach Cádiz. Warum denn das eigentlich? Ja, gute Frage!

Cádiz hat uns gereizt und ist auch tatsächlich sehr schön 😍, außerdem ist der Winkel hinüber nach Madeira bei den vorherrschenden Winden etwas besser. Vor allem aber können wir dadurch auch die „Aufregung“ ein bisschen teilen und das Passieren der Straße von Gibraltar mit ihren Strömen und Tiden und dem vielen Schiffsverkehr vom langen Schlag abkoppeln. Und letztlich auch: wir können mit unserem neuen Crewmitglied Maria erst mal einen kleinen Schlag segeln und nicht gleich 5 Tage und Nächte am Stück.

Die Begrüßung in Cádiz ist für einen Hamburger klasse: schon von weitem scheint die große Schwester der Köhlbrandbrücke zu grüßen. Die „Puente de la Constitutión“ ist eine ganz ähnlich konstruierte Schrägseilbrücke und führt ebenfalls durch sich öffnende Tragstützen. Etwas höher als in Hamburg, dafür ein tickchen kürzer, können wir sie schon aus großer Entfernung sehen und ihr Anblick bietet sich auch noch von unserem Liegeplatz in der Marina Puerto América. Und – wie in HH – sind auch hier die Kreuzfahrtschiffe reichlich vertreten. Gleich vier haben im Stadthafen festgemacht, darunter eine AIDA und die „Mein Schiff 2“. Wir hören viel Deutsch in der wunderschönen Altstadt 😉.

Ganz besonders beeindrucken uns die zumeist gekachelten Eingänge in Hausflure und Innenhöfe, in die man beim Gang durch die engen Gassen immer wieder einmal hineinsehen kann:

Aber auch die Markthalle, der Mercado Público, hat es uns wieder einmal angetan, hier in Cádiz präsentiert sie sich mit säulengestützten Arkaden im äußeren Rechteck und einer moderneren Fisch- und Gemüsehalle innen.

Wir besuchen sie an beiden Tagen und kaufen dort günstig und mit viel Freude ein. Nicht ganz so glücklich sind wir bei der abendlichen Suche nach einer Tapas-Bar: weil Krischan am nächsten morgen früh los muss, möchten wir zeitig essen und kollidieren einmal mehr mit der hiesigen Gestaltung der Öffnungszeiten 🥺. Es klappt dann aber doch noch, nur haben wir uns zuvor ordentlich hungrig gelaufen.

Heute Nachmittag sind wir dann von Cádiz weiter gesegelt, eine schöne Kreuz hoch nach Chipiona. Im dortigen Hafen sehen wir ein über die Toppen geflaggtes Schiff mit ziemlich ungewöhnlicher Kombination von Gastlandsflaggen:

Nicht alle erkennen wir. Während wir versuchen sie zuzuordnen dämmert uns langsam, dass es einen Zusammenhang mit Magellans Weltumsegelung (bzw. der eines Teils seiner Crew) geben könnte. So ist es auch. Von unserem Standort aus, der Mündung des Flusses Guadalquivir, ist Magellan am 20.09.1519, also morgen vor GENAU FÜNFHUNDERT JAHREN aufgebrochen, hier wurde die allererste Weltumsegelung auch wieder beendet. Unseren Hafen gab es damals noch nicht, als Start- und Zielort gilt Sanlúcar, der Nachbarort von Chipiona, dort gibt’s allerdings noch heute keinen Hafen.

Morgen soll hier vor der Stadt die Ansteuerungstonne #1, bisher „El Perro“ genannt, offiziell umgetauft werden und den Namen von Juan Sebástian Elcano tragen, der als Kommandant der Victoria das letzte verbleibende Schiff von Magellans Flotte zurück an den Ausgangsort dieser ersten Weltumsegelung führte.

Und morgen fahren wir dann von hier wieder los. Mal sehen, wohin und wie weit wir am Ende kommen. 😊

HOCH UND HINAUS

Am Samstag spät in der Nacht treffen unsere Freunde Christian und Maria ein. Maria plant, bis zu den Kanaren auf Flora mitszusegeln. Die beiden kommen direkt vom Charterurlaub in den Kykladen, haben also eine kleine Europa-Odyssee hinter sich. Der Sonntag gestaltet sich eher ruhig, außer dass wir das Großsegel tauschen und das neue Groß aus Hydranet einziehen.

Montag nutzen wir erstmal den Mietwagen, mit dem die beiden von Málaga hergekommen sind und widmen uns noch einmal unserer fast leeren griechischen Gasflasche. Tatsächlich bekommen wir sie auch hier nicht befüllt, ABER die verrostete Stahlflasche wird kostenfrei gegen eine Aluflasche gleicher Größe mit Butangas getauscht. Aus dem Baumarkt besorgen wir noch den passenden „Clip-on“-Regulatoraufsatz, schließen alles auf Flora an und: es funktioniert! Außerdem erledigen wir mit dem Auto auch gleich noch einen größerer Verproviantierungseinkauf.

Am Nachmittag erkunden wir dann „the upper rock“, also den Felsen von Gibraltar, der steil bis auf 426 m ansteigt. Er ist durchlöchert wie ein Schweizer Käse, mit militärisch motivierten Höhlensystemen aus verschiedenen Kriegen, aber auch mit imposanten Tropfsteinhöhlen.

Aber noch viel mehr ist „The Rock“ natürlich bekannt für die einzige in Europa frei lebende Affenpopulation. Die Berberaffen (Macaca Silvanus) sind zutraulich bis dreist. Sofern man etwas dabei hat, was sie als Futter erkennen, wird von ihnen auch überfallartig der Rucksackreisverschluss geöffnet oder das Auto angesprungen, ansonsten aber sind sie friedlich.

Vom Kamm aus können wir den Blick in fast alle Richtungen genießen, auf dem Rückweg dann auch über die Landebahn des Flughafens hinüber bis zu unserem Boot im Hafen von La Línea.

Im modernen Teil Gibraltars im Vordergrund beschließen wir den Abend im Ocean Village, einem Kneipen-, Restaurant- und Kasinodorf am Hafen.

Und heute morgen ging’s dann früh los:

(Foto Credit: Christian) erst einmal günstig volltanken im zollfreien Gibraltar und dann drei Stunden nach Hochwasser Gibraltar hinaus. Eine große Schule Delphine empfängt uns in der Bucht und mit bis zu zweieinhalb Knoten mitsetzendem Strom werden wir quasi durch die Meerenge und vorbei an Europas südwestlichstem Festlandspunkt Tarifa gespült.

Wir sind auf dem ATLANTIK!

Bis zum Cabo Roche (Conil) können wir vor dem Wind (zumeist Schmetterling) segeln, zum Teil müssen wir das Groß dabei allerdings bis ins zweite Reff nehmen. Der Wind hat seit Gibraltar mit uns mitgedreht. Jetzt ist er leider eingeschlafen aber wir haben es auch nicht mehr allzu weit bis zu unserem Tagesziel Cádiz.

The Rock

Es ist ein 50 sm Törn. Trotzdem, kaum sind wir aus Fuengirola los und um das Kap Punta de Calaburras herum, meinen wir unser Ziel am Horizont schon im Dunst erahnen zu können. Sicher sind wir zuerst nicht, aber dann schälen sich zwei markante Berge immer mehr heraus. Zwischen ihnen ist … Wasser. Ja, da geht’s raus. Raus aus dem Mittelmeer. Backbord (links) liegt Afrika, steuerbord (rechts) Europa.

Sieht eigentlich ganz unspektakulär aus und lässt doch unsere Herzen höher schlagen.

Wir haben Gibraltar 🇬🇮 erreicht, den Kalksteinmonolith, den sie hier nur „The Rock“ nennen. Ein Stein, der für uns tatsächlich ein MEILENSTEIN ist. Das erste Etappenziel ist erreicht, wir sind am westlichen Ende des Mittelmeeres angekommen. 1883 Seemeilen (fast 3500 km) haben wir von Korfu aus zurückgelegt.

Ohne größere Probleme, und die kleineren technischen mit Windgenerator und Lichtmaschine haben wir ganz gut bewältigt. Dafür aber mit vielen tollen Eindrücken und Begegnungen. Wir schauen zurück und freuen uns. Wir schauen nach vorn, sind gespannt und freuen uns noch mehr!

Unser Liegeplatz in der Marina Alcaidesa in La Línea de la Conception liegt in Spanien, einen Steinwurf von der Grenze zu Gibraltar entfernt. Um in den Ort Gibraltar zu gelangen, muss man die beiderseitigen Grenzkontrollen hinter sich bringen (Personalausweis reicht) und dann die Landebahn des Flughafens überqueren. Kommt ein Flieger, werden Straße, Rad- und Fußweg mit Schranken und Ampel kurz gesperrt.

Und danach könnte man manchmal meinen, auf der britischen Insel zu sein, zumal zumindest heute das Wetter den Eindruck verstärkt: wolkig und eher kühl.

Das Schild links unten auf dem letzten Bild ist dann aber doch sehr verräterisch 😉.

Und bei einem anderen Schild konnte ich es mir nicht verkneifen, es in dem „richtigen“ Ausschnitt neben den Telefonzellen zu fotografieren 😁 😛

Genug gealbert, zurück aus der Stadt durfte ich im Hafenbüro zwei Pakete abholen (die Marineros haben mir die unhandlichen und zusammen rund 40 kg schweren Kartons aber dann dankenswerterweise mit dem Golfcart um den weitläufigen Hafen herum zum Steg gebracht):

Floras neues Großsegel ist damit auf den Tag genau pünktlich von Dänemark aus hier angekommen. Im zweiten Paket im Hintergrund sind die Segellatten aufgerollt. Das 8 Jahre alte Laminatgroßsegel zeigte leichte Auflösungserscheinungen mit Laminatbrüchen entlang der Achterlieksnaht, das neue haben wir für die Langfahrt jetzt aus dem weniger sportlichen aber robusteren Material Hydranet radial fertigen lassen.