Genau zwei Jahre …

… leben wir jetzt auf der Flora. Unfassbar viele Erfahrungen und Begegnungen, bei weitem übertroffene Erwartungen, Überraschungen, Aha-Erlebnisse und Genussmomente.

Insgesamt haben wir in dieser Zeit mit dem Boot 14.471 sm zurückgelegt. 8.846 sm waren es im ersten Jahr, von Griechenland quer durchs Mittelmeer, über Madeira, die Kanaren, die Kapverden, dann die Atlantiküberquerung, der Antillenbogens, die USVI und dann die Ankunft in der Chesapeake Bay in den USA. 🇬🇷 🇮🇹 🇪🇸 🇬🇮🇵🇹 🇮🇨 🇨🇻🇻🇨🇬🇩🇱🇨🇲🇶🇩🇲🇬🇵🇦🇬🇻🇮🇧🇸🇺🇸. Viele neue Länder und Regionen in Floras Kielwasser, viele verschiedene Gastlandsflaggen, die erstmals unter Floras Steuerbordsaling flatterten.

Jetzt in unserem zweiten Langfahrerjahr waren es “nur”5.625 sm und neben bereits besuchten “nur” drei neue Länder: 🇸🇽🇵🇷🇩🇴. Waren wir reisefaul 🙄? Nö, eher nicht 😁. Zum einen entspricht diese Strecke ziemlich genau der Entfernung (Luftlinie) zwischen Deutschland und Singapur, sooo wenig war es dann also auch wieder nicht. Vor allem aber geht es uns ja nicht darum, irgendwelche Rekordweiten zu erzielen oder möglichst viele Stempel in den Pass zu bekommen, sondern um das Erleben, das nähere Kennenlernen. Von Orten, noch viel mehr aber (und noch wichtiger) von Menschen. Und da war auch dieses zweite “Liveaboard”-Jahr ausgesprochen erfüllend. Einige Highlights unter vielen:

Es beginnt schon gleich im Juli, unsere Freunde Greg und Michael aus Washington kommen zu uns an Bord und begleiten uns für die nächsten gut zwei Monate. Gemeinsam erleben wir die Gänsehautmomente, direkt an der Freiheitsstatue in New York zu segeln und zu ankern.

Und viele weitere. Mit den beiden segeln wir durch den Big Apple hindurch in den Long Island Sound und weiter die US-Ostküste hinauf in die Neu-England-Staaten bis nach Maine an der kanadischen Grenze. Treffen zwischendurch mit Annemarie und Volker von der Escape oder Helena und Steve von der Amalia “alte” Freunde, lernen dazu neue kennen, genießen wunderbare Gastfreundschaft und traumhafte Landschaften, urige Orte und Lobster satt (mit dem wir uns für das erfolgreiche Umfahren der vielen Lobsterpots belohnen😜).

Der Sommer in Maine verwöhnt uns auch wettertechnisch, trotzdem beschert uns dieser Ausflug in den Norden ein wenig Frische und das Gefühl von Jahreszeiten. Auch das ein Luxus in den inzwischen zwei Jahren Dauersommer.

Über Cape Cod, Martha’s Vineyard und Nantucket, wo wir wieder einmal großzügige amerikanische Gastfreundschaft genießen dürfen, geht es dann zurück in den fast schon herbstlichen Spätsommer der Chesapeake Bay. Eine unglaublich intensive Zeit.

Auf eine ganz andere Art intensiv ist dann im November die Passage zurück in die Karibik. Hatten wir mit unserer Route in den Norden den in Rekordzahl aufgetretenen Hurrikans und tropischen Stürmen gut aus dem Weg gehen können, verbauen uns jetzt die Ausläufer der letzten (schon lange mit griechischen Buchstaben benannten) Stürme den Weg in die Bahamas. Wir planen kurzfristig um und machen uns mit 35 anderen Booten der “Salty Dawg” auf den Weg nach Antigua. Das alleine ist ein Seestück von über 1.700 sm. Wir benötigen dafür 10 Tage, fast immer hoch am kräftigen Wind segelnd, bei viel Welle. Es ist unsere bisher anstrengendste Passage, deutlich kräftezehrender als die Atlantiküberquerung im Jahr zuvor. Aber es ist angenehm, bei diesen Bedingungen eigentlich immer andere Segler in UKW- und AIS-Reichweite zu haben. Das schweißt zusammen, wie sich dann in English Harbour zeigt, wo die Salty Dawg Boote den Kai zunächst fast exclusiv für sich haben und eine enge Gemeinschaft formen. Nicht mit allen Schiffen, aber eben doch mit einigen. Auch hier haben wir wunderbare Freundschaften geknüpft, die trotz dann wieder getrennter Wege fortbestehen. Tropicool, Helacious, Kalli, Skylark, Fatjax, Landscape und noch einige mehr. Auch Kontakte vom letzten Jahr leben wieder auf, so z.B. mit Andrea und Kai von der Silence in der Nonsuch Bay, der vierköpfigen Crew der Alisara, Luise und Brent von der Knot Safety aus der Carlisle Bay Corona Group oder (später) Karen und Steve von der Second Chance aus der gleichen Gruppe. Neue kommen dazu. So verbringen wir wieder zweieinhalb Monate auf Antigua und Barbuda und wieder ist es wunderbar.

Ein Wohlfühlen-Weihnachten auf Barbuda mit den Crews der Gerty, der Escape, der San Giulio und der Oroboro und den Feiern bei Inoch am Strand, Silvester mit der Escape im kleinen Kreis nicht weniger schön, mit den beiden machen wir auch in der Folge noch vieles gemeinsam.

Als es dann für uns weitergeht, nutzen wir Sint Martin nur als kurze Zwischenstation und segeln schon eine Woche später nach Culebra in den Spanish Virgin Islands. Ein Traum.

Mit Heike und Jürgen von der Valentin erkunden wir Culebra, mit den Salty Dawg Kim und Chuck von der La Rive Nord die kleine Schwesterinsel Culebrita und später auch noch Vieques. Da kommen dann auch Andrea und Ingo von der Easy-One extra aus Curaçao hoch (kein angenehmer Törn), um wie im letzten Jahr mit uns Andreas Geburtstag zu feiern. Wir freuen uns bolle. Mit den beiden werden wir (was wir jetzt noch nicht wissen) die nächsten vier Monate Buddyboating und auch gemeinsame Landausflüge machen, in Puerto Rico z.B. in die faszinierende Hauptstadt San Juan und in den El Yunque Nationalwald.

Und so segeln wir eben auch gemeinsam nach Samaná in der Dominikanischen Republik. Als Törnziel für uns eine der großen Unbekannten, erweist sich unser Aufenthalt dort als ein weiteres Highlight dieser Saison. Keines unserer angelesenen Vorurteile wird bestätigt, statt dessen empfangen uns auf der Anreise Buckelwale und dann freundliche Menschen in dieser pulsierenden, lauten, bunten lebendigen Stadt.

Und auch das Hinterland begeistert, erst recht der in der großen Bucht gegenüberliegende Los Haitises Nationalpark. Hier, wie schon am Ankerplatz in Santa Bárbara de Samaná treffen wir Martina und Daniel mit ihrer Vairea wieder, die wir zuletzt im vorigen Jahr auf den USVI gesehen hatten. Die Freude ist groß.

Ein Schwerpunkt dieser Saison schließt sich an, die Bahamas. Im letzten Jahr konnten wir wegen COVID nur auf „Innocent Passage“ durchreisen, durften zwar ein paar mal ankern, aber nicht an Land gehen. Um so intensiver erkunden wir in diesem Jahr die Bahamas, bleiben dort gut zweieinhalb Monate und können trotzdem nur 30 Inseln und damit nur einen kleinen Teil der vielen Eilande besuchen. Über Great Inagua und das wunderbare Hogsty Reef geht es nach Acklins, wo uns die Südafrikaner Amy und Hylt auf ihrem Katamaran an das Jig-Fischen heranführen.

In den Ragged Islands treffen wir Helena und Steve mit Floras Schwesterschiff Amalia wieder, außerdem Stefan und Dorothee von der Invia. Und wir lernen einige neue Crews und auch neue Beschäftigungen kennen. Etwa das Anlegen von Pfaden auf diesen unwegsamen Inseln oder das Spearfishing. Die Geselligkeit der Cruiser bündelt sich am „Hog Cay Yacht Club“, unerwartet auf einer unbewohnten Insel!

In den Raggeds treffen wir außerdem erstmals auf „Blue Holes“ und das gleich in ganz verschiedenen Größen, Tiefen und Ausprägungen. Mal an Land gelegen und eher grün, mal zum Drübersegeln und dunkelblau aus dem typischen Türkis der Bahamas herausleuchtend, öfters als interessante und gern genommene Schnorchelziele.

Überhaupt, dieses türkisfarben leuchtende kristallklare Wasser.

Dazu reichlich unbewohnte Inseln, auf denen wir manchmal im Team Kokosnüsse ernten und verarbeiten.

Auf Long Island treffen wir die Vairea und die Invia wieder, dazu die Akka (vom letzten Jahr aus Deltaville) und erstmals die Lille Venn, die wir bisher nur über die sozialen Medien kannten und ein paar Mal knapp verpasst haben.

In den Exumas dann erneut die Amalia. Hört sich an, als würden wir nur im eigenen Saft der Cruiser schmoren? Das macht sicher einen großen Teil aus, weil man sich eben oft mehrfach trifft, sich trennt, wieder trifft, Gemeinsames erlebt, es ist aber eben auch nicht alles. Ein schönes Beispiel erleben wir auf Little Farmers Cay, der Nachmittag mit Jasmine und Isryel und die spontane Tanzperformance auf der Terrasse des Restaurants seines Großvaters hauen uns schlicht um.

Überhaupt machen uns die Exumas auch viel Spaß, obwohl sie touristischer und “voller” sind als die abgelegenen Raggeds. Wirklich voll erleben wir es nie, was sicher auch COVID und der dadurch verringerten Zahl von Charterern und dem völligen Fehlen von Kreuzfahrern geschuldet/gedankt ist. Die schwimmenden Schweine werden inzwischen auf anderen Inseln als Attraktion kopiert, es gibt tolle Höhlen und Flugzeugwracks zum Schnorcheln.

Und es gibt eine unfassbar schöne Landschaft mit Farben, an denen wir uns nicht sattsehen können:

Aber auch hier ist es das Miteinander, was dem Ganzen die Krone aufsetzt. In Shroud Cay findet zusammen: mit Natalja und Jochen von der Caroline haben wir schon länger online Kontakt, die schweizer Jollity mit Leonie, Jonas und Jonathan kennen wir aus Samaná, Mareike mit ihrer Moana hat letztes Jahr im Lockdown mit uns vor Jolly Harbour und später in der Carlisle Bay gelegen, Janna und Ilja haben wir auf Rudder Cut Cay kennengelernt und Andrea und Ingo ja schon letztes Jahr in Martinique. Anya und Rob von der etwas abseits ankernden Ronya hatten die Deutsche Tauchschule auf Key Largo, in der Wiebke und ich vor Jahren den AOWD-Tauchschein gemacht haben. Die Welt ist ein Dorf! Und manchmal ist das auch ganz gut so.

Da ist es dann fast schon müßig zu erwähnen, dass wir an unserem ersten Ankerplatz zurück in den USA die Vairea und die Tropicool vorfinden, die Jollity kommt etwas später an. Und die Escape holt uns zu unserer großen Freude auf dem nächsten Ankerplatz am Cape Lookout ein 😁.

Eine Aufzählung von Treffen, o.k.

Aber das Entscheidende ist natürlich nicht die Menge, die Anzahl, sondern der intensive Austausch, das gemeinsame Erleben, die Bereicherung durch die unterschiedlichen Erfahrungen und Perspektiven. Manchmal über das Seglerische, manchmal über ganz Persönliches.

In einem Jahr, in dem COVID an so vielen Stellen Kontaktbeschränkungen mit sich brachte, freuen wir uns darüber ganz besonders. Für uns Segler in den USA und der Karibik war Reisen möglich, nicht überall, vielfach mit zum Teil mehrfachen PCR-Tests und ein paar Formalismen, aber es war möglich. Und die Segler unter sich (jedenfalls auf den einsameren Inseln), zumal wenn frisch getestet oder aus der (seglerischen) Quarantäne, zum Teil bereits durchgeimpft, praktisch immer im Freien, schienen ein relativ geringes Risiko zu sein.

Übrigens, auch wenn sich das in der knappen Zusammenschau eines ganzen Jahres nicht so anhört, Zeit genug für uns allein hatten wir auch.

Und weil ich mit den ganzen tierischen Highlights den Beitrag jetzt echt sprengen würde, hier nur ein einziges Foto als Stellvertreter für die unfassbar vielen wunderbaren Naturerlebnisse:

Segeln durch die Mona-Passage hinüber in die Dominikanische Republik

Der Ankerplatz bei Puerto Real im Westen von Puerto Rico ist hervorragend geschützt, eine schmale, gut betonte Riffdurchfahrt führt in die fast kreisrundere Bucht. Da macht es auch kaum etwas, dass der schlammige Grund dem Anker erst beim zweiten Versuch genug Halt bietet. Was Puerto Real darüber hinaus auszeichnet ist die Marina Pescaderia, genauer gesagt deren Manager José.

Zum einen können wir bei ihm ausklarieren, er faxt und emailt das bekannte Formular CBP 1300 an die zuständigen Stellen und schon eine halbe Stunde später bekommen wir das gestempelte Ausklarierungspapier in die Hand gedrückt. Normalerweise jedenfalls. Heute dauert es etwas länger, die Behörde hat scheinbar Empfangsprobleme. Kein Drama, wir möchten eh noch Besorgungen machen. Die Marina hat vier Mietwagen, aber die sind leider alle bereits gebucht.

Macht nichts, Chuck (La Rive Nord) bekommt von José die Schlüssel für dessen privaten Pickup. Und so schaffen wir es, für die La Rive Nord und die Flora nochmal die amerikanischen Propangasflaschen zu füllen, Apothekenbesorgungen zu machen und die Easy-One kann Technikkram im WalMart-Superstore (und wir alle auch noch Lebensmittel) ergänzen. Wieder zurück in der Marina sind auch die Ausklarierungspapiere klar. Nach nunmehr 5 Wochen in diesem Land sagen wir: Tschüß Puerto Rico, vielen Dank, Du warst ein toller Gastgeber.

Am nächsten Morgen machen sich bei Sonnenaufgang zuerst Helen und Kirk mit der Landscape auf den Weg, kurz darauf ein französischer Segler und etwas später dann auch die Easy-One, die La Rive Nord und zuletzt wir. Fünf Boote mit dem gleichen Ziel, nach Nordwesten in die Samana Bay in der dominikanischen Republik.

Der Weg führt quer über die Mona-Passage. Sie trennt Puerto Rico von Hispaniola, der Insel auf der Haiti und die Dominikanische Republik liegen. Und obwohl vor uns nur etwa 140 sm liegen, begegnen wir der Mona-Passage doch mit gehörigem Respekt. Nach der in ihrer Mitte liegenden und zu Puerto Rico gehörenden Isla Mona benannt, weist die zum Teil über tausend Meter tiefe Meerenge auf beiden Seiten einige Flachs auf. Insbesondere das “Hourglass-Shoal” vor der DomRep ist berüchtigt. Die Seekarte warnt: “Tide rips and heavy swells may be encountered at any time along the edge of this bank”. Das verwundert ein bisschen, denn sooo flach ist die von der Form an ein liegendes Stundenglas erinnernde unterseeische Verlängerung der Ostküste der DomRep eigentlich gar nicht. Aber sie weist eben auf beiden Seiten große Tiefen auf und außerdem liegt sie genau auf der Grenze zwischen dem karibischen Meer und dem offenen Nordatlantik.

Aber das Windfenster sieht vielversprechend aus und ist auch tatsächlich gut gewählt. Direkt vor Puerto Real geht gleich unser blauer Gennaker hoch und Harry Potter (weil er unter Floras Niedergangstreppe wohnt) begeistert uns mit einer ruhigen schnellen Fahrt bei erst südöstlichen und dann flauer und südlichen werdenden Winden zwischen 6 und 12 kn. Kaum zu fassen, bei halbem Wind schafft Flora mit Großsegel und dem flach geschnittenen Gennaker etwa soviel Fahrt, wie wir scheinbaren Wind haben. Das nennt man wohl Sweetspot 😁 (und die Strömung hilft auch noch).

Erst nach dem Abendessen holen wir Harry Potter herunter und wechseln auf die Fock. Da haben wir die Nordostecke des Hourglass-Shoal bereits (mit einigem Abstand) passiert und können in der Ferne sogar schon das Cabo Engaño liegen sehen. Wir gönnen uns einen alkoholfreien Sundowner und mit den bewährten 3-Std-Wachen geht’s in die Nacht. Herrliches Segeln, sternenklarer Himmel. Wobei – wir sind wieder mal zu schnell. Beim Wachwechsel um 22.00 Uhr binden wir drei Reffs in das Groß, einfach um langsamer zu werden und nicht im Dunkeln anzukommen. Erst gegen 4.00 und damit deutlich später als vorhergesagt kommt dann Flaute, wir holen die Segel ein und motoren den Rest, selbst als wieder Segelwind aufkommt. Zum einen wegen der vielen Flachstellen in der Bahía Samana, vor allem aber wegen der erhofften Begrüßung 😁. Die stellt sich nämlich ein: Wale. Genau genommen Buckelwale (Humpback Whales), von denen sich viele hier regelmäßig zwischen Mitte Januar und Ende März aufhalten, denn hier liegt eine der großen Kinderstuben für Buckelwale.

Erst sehen wir nur ab und zu einen Blas oder einen Rücken mit Finne, aber dann häuft sich das Klatschen aufs Wasser mit den langen Brustflossen, ab und zu sehen wir einen Wal springen und auch das Zeigen der Fluke vor dem Abtauchen. Wir sind völlig begeistert. Was für ein Geschenk, so in der Dominikanischen Republik empfangen zu werden.

Farbklarheit und Milchkante

Das Licht hier in der Karibik ist … schwer zu beschreiben, jedenfalls aber produziert es unfassbar klare Farben.

Heute mal wieder Blau (da haben wir gleich den passenden Gennaker gesetzt😉)

auf dem Weg zum Cabo Rojo (also dem roten Kap!) und Grün am Ankerplatz direkt dahinter.

Ich habe übrigens nicht an den Farbreglern der Bildbearbeitung gespielt!

Witzig ist aber auch, was für einen Einfluß der Blickwinkel in Relation zum Sonnenstand hat. Klar, weiß man, deshalb ja die „Eyeball-Navigation am besten nur mit der hoch stehenden Sonne im Rücken. O.k., aber jetzt mal ehrlich, die nächsten beiden Bilder sind nur ein paar Minuten hintereinander eben aus unterschiedlichem Winkel aufgenommen, und – na logo -, die Boote haben wir zwischendurch nicht bewegt. Nur die Drohne hin und her geflogen:

Was auf beiden Bildern auffällt: die Milchkante. So haben wir jetzt einfach mal das Phänomen genannt, dass relativ abrupt das vergleichsweise klare Wasser fast ansatzweise in eine eher milchige Brühe übergeht (die aber immer noch eine schöne Farbe hat). Woran liegt das?

Hinweise oder Ratetips gern in den Kommentaren 😁!

La Parguera

Den kleinen Hüpfer weiter nach Westen bis in in die Bucht von La Parguera können wir genießen, feinster raumer Segelwind, die Chillkröte der Easy-One wird von der rauschenden Bugwelle umspült.

Bei der Einfahrt in die Bucht allerdings wartet ein kleiner Kulturschock auf uns. Musik dröhnt aus den Boxen der Motorboote, die sich rechts und links gleich hinter den äußeren Mangroven dicht an dicht vor Anker gelegt haben und in gewohnter Wochenendmanier hinter ihren Booten im seichten Wasser stehen.

Da fahren wir doch lieber etwas weiter hinein in die Bucht, näher an den Ort. Tja, aber Sonntagmittag sausen da natürlich auch die Motorboote und Jetski herum. So ist das hier nunmal am Wochenende, anders als in den meisten Windward oder Leeward Islands haben nicht nur Fischer sondern auch viele andere Einheimischen hier Boote, gut motorisierte Motorboote zumeist, und die wollen schließlich auch bewegt werden. Außerdem gibt’s auch Leih-Motorboote und Leih-Jetski für die vielen (jedenfalls derzeit zumeist puertoricanischen) Touristen. Von denen wimmelt auch die Stadt, die vielen Restaurants sind gut besucht. Es geht aber diszipliniert zu, auf der Straße werden konsequent Masken getragen, im Restaurant oder Geschäft müssen zuerst die Hände desinfiziert werden, die maximale Zahl der Kunden ist jeweils auf einem Schild am Eingang eingetragen und wird – soweit wir das beurteilen können – eingehalten. Trotzdem, anders als die bunten Stelzenhäuser in den Mangroven spricht uns der innere Teil des geschäftigen La Parguera nicht so recht an.

Also zurück auf die Flora im Wissen: zum Abend wird es wieder ruhig und wir haben die herrliche Landschaft mit den vielen kleinen Mangroveninseln (fast) für uns allein. Und so ist es.

Am Montag morgen bringe ich erst einmal unsere Tauchflaschen zum Füllen in die örtliche Tauchschule, für nur 5 US$ pro Flasche wird das innerhalb einer halben Stunde erledigt. Super.

Und nachdem Ingo dankenswerterweise unseren mal wieder sprotzenden und zudem an falscher Stelle (ins Gehäuse) Wasser verspritzenden Außenborder einem unterwarteten Quick-Fix unterzogen hat dann geht es mit den Dinghys auf Entdeckungstour in die Mangroven. Wie im Osten von Puerto Rico (Monkey Island/Cayo Santiago) gibt es mit der Isla Cueva auch hier eine Affeninsel, etwa 400 (eigentlich nicht heimische) Affen leben dort. Allerdings gut versteckt, zu sehen bekommt man sie selten und nur mit Glück kann man sie gelegentlich hören. Beides ist uns nicht vergönnt, trotz der professionellen Affenimitationsgeräusche seitens der in Surinam entsprechend geschulten Andrea und Ingo.

Aber nach einigem Suchen finden wir immerhin den kleinen Mangrovencreek, der Cueva zu einer Insel macht. Anders als im Guide wohl doch eher nur noch zu einer Halbinsel, denn jedenfalls bei der zur Zeit unserer Tour herrschenden Tide ist der östliche Eingang komplett versandet und trockengefallen. Von Westen her können wir aber hinein und auch ein ganzes Stück unter dem Dach der Mangroven in diesem schmalen Tunnel herumbummeln.

Auf der Rückfahrt finden wir zudem einen Anleger, von dem aus wir auf einen kleinen Hügel steigen können. Trotz der geringen Höhe gibt’s einen schönen Blick über die Bucht mit ihren Mangroveninselchen.

Besser wäre es vielleicht nur aus dem regelmäßig über dem Ufer schwebenden großen aber wohl unbemannten Luftschiff …

… oder mittels der Drohne auf unseren inzwischen gewechselten Ankerplatz an der äußeren Kette von Mangroveninseln 😊, wo wir abends auch die La Rive Nord wieder treffen.

Punta Ballenas

Endlich mal wieder Segeln. Es ist nur ein kurzer 30 sm Schlag von Puerto Salinas bis zur Punta Ballenas, einem weiteren durch vorgelagerte Riffe geschützten Mangrovenankerplatz, aber wir erwarten in den Böen bis zu 30 kn (7 Bft) steifen Wind. Genau von achtern, also riggen wir noch am Ankerplatz den Spibaum zum Ausbaumen der Fock. Draußen setzen wir das zweifach gereffte Groß auf der anderen Seite mit dem Bullenstander fest. Also Schmetterling 😁.

Es wird eine schöne, schnelle Fahrt.

Aber es baut sich doch auch eine ordentliche Welle auf, was uns vor der Riffeinfahrt an der Punta Ballenas reichlich Respekt haben lässt. Tatsächlich aber gestaltet sich die Anfahrt zum Ankerplatz dann doch sehr unproblematisch, der Cut zwischen den Riffen ist breit und gut erkennbar.

Nur noch um das weiter innen liegende zweite Riff hinter Gilligan’s Island herum und wir liegen in der geschützten Mangrovenbucht.

Wer bei Mangroven übrigens automatisch an Mückeninvasion denkt liegt falsch. Vielleicht auch durch den relativ starken Wind bedingt hatten wir bisher hier auf den letzten Ankerplätzen überhaupt keine Probleme mit den Plagegeistern und konnten ohne Mückennetz immer mit offenem Fenster schlafen (es ist direkt am Bett, bei einem beginnenden Regenschauer werde ich wach und mache es zu, aber auch davon gab es die letzten Nächte keine).

Dafür findet sich eine andere Tierart hier überaus reichlich: noch nirgends haben wir so viele Pelikane auf einmal gesehen. Bei unserem Dinghyausflug durch die Mangrovencreeks zum Strand auf der Riffseite kreisen sie über uns und sitzen in großen Gruppen dicht an dicht auf den niedrigen Bäumen.

Trotzdem soll es heute noch ein Stückchen weitergehen, wir nähern uns langsam dem Cabo Rojo an der Südwestecke von Puerto Rico.

Hike “Vereda la Coca” im El Yunque Nationalwald von Puerto Rico

Ein weiteres Mal machen wir regen Gebrauch von unserem Mietwagen, diesmal zieht es uns in den Nordosten von Puerto Rico. Dafür stellen wir sogar den Wecker, denn wir möchten früh los kommen. Per Internet haben wir über die Website des “El Yunque National Forest” ein Ticket reserviert. Muss spätestens am Vortag ab 8.00 Uhr passieren, sonst kommt man mit dem Auto nicht in den Nationalwald hinein.

Nationalwald, nicht Nationalpark! Spannende Unterscheidung, es gibt unter US-amerikanischer Hoheit 154 Nationalwälder und 63 Nationalparks. Der große Unterschied ist, dass die Nationalparks dem Innenministerium zugeordnet sind, die Nationalwälder aber dem Landwirtschaftsministerium. Eigentlich sind Nationalwälder damit auch z.B. forstwirtschaftlich nutzbar, aber für „El Yunque“ trifft das kaum zu. Er ist der einzige tropische Regenwald unter den 154 Nationalwäldern und ist augenscheinlich forstwirtschaftlich nicht genutzter Urwald. Die einzige Landstraße, die ihn von Nord nach Süd durchquert, ist auf einem kleinen Stück unterbrochen und durch Schranken abgesperrt, so dass zwei Sackgassen entstanden sind. Kein Durchgangsverkehr. Aber im Wortsinn ist eben doch Durchgang möglich, es gibt mehrere ausgeschilderte Wanderungen. Wir entscheiden uns für den „Vereda la Coca“, 6 km lang. 3 km hin, 3 zurück auf der gleichen Strecke, zusammen etwa 590 Höhenmeter. Allerdings steht gleich am Eingang ein Warnschild: „Very difficut and rugged trail, know your limits.“

Das geht man besser nicht in Flipflops an, die Wanderschuhe sind geschnürt, Proviant und vor allem Wasser haben wir dabei, Regenjacken auch, schließlich gehts in einen Regenwald. Badesachen haben wir aber auch dabei, denn am Ende des Weges lockt eine Badestelle. Drei kleine Flussdurchquerungen gilt es zu bewältigen, aber die größte Schwierigkeit ist der oft steile und fast immer rutschige Untergrund. Wir müssen auf großen Teilen der Strecke wirklich bei praktisch jedem Schritt sehr genau darauf achten wo wir den Fuß absetzen, wenn er weder abrutschen noch im Matsch versinken soll (in dem schon Sneeker von Vorgängern stecken).

Etwa 2 1/2 Stunden brauchen wir für den Hinweg. Aber statt Bad gibt es erst einmal eine Dusche. Ein Wolkenbruch kommt pünktlich zu unsere Ankunft. Erst suchen wir (ziemlich vergeblich) Schutz unter dem Blätterdach, dann machen wir aus der Not eine Tugend, verstauen die Klamotten im wasserdichten Rucksack und – ab ins Wasser. 10 Minuten später reißt der Himmel wieder auf und wir können das Bad richtig genießen.

Ganz alleine übrigens, nur ein einziger Power-Wanderer hat uns auf dem Hinweg überholt und kommt uns schon vor der Badestelle wieder entgegen. Ein Pärchen, dass wir auf dem Parkplatz getroffen haben kommt erst am Badeplatz an, als wir uns nach einer Stärkung wieder zum Aufbruch rüsten.

Der Rückweg ist durch den starken Regenschauer noch etwas rutschiger als der Hinweg, aber dafür geht es diesmal zumeist bergauf, das macht es zwar etwas anstrengender, aber auch etwas leichter trittsicher zu gehen. So kommen wir diesmal mit rund zwei Stunden für die Strecke aus. Vögel hören wir übrigens deutlich mehr als auf unseren letzten Hikes, aber durch das dichte Blätterdach bleiben sie fast immer unseren Blicken verborgen. Nur einmal bekomme ich mit der Kamera doch einen vor die Linse:

Ganz besonderes Glück: es ist ein Puerto Rico – Todi, ein nur hier auf der Insel vorkommender Rackenvogel. Die eher kleinen (11 cm) und eher stämmigen Todis graben mit ihrem Schnabel einen etwa 30 cm langen Bau in die gerne lehmigen steilen Erdhänge und Uferböschungen, davon dürfte er hier genug finden.

Statt anderer Vögel kann ich aber immerhin einige tropische Schmetterlinge ablichten (von links nach rechts: Vanillefalter, Zebrafalter und Dryas iulia, auch als Fackel oder Julia bezeichnet).

Und dann sind wir auch schon wieder am Coca-Wasserfall, der den namensgebenden Fluss nahe des Eingangs zum Nationalwald in die Tiefe stürzen lässt. Was für eine herrliche Wanderung! Morgen ist dann aber wohl eher Ausruhen angesagt.

Für den Rückweg wählen wir die Küstenstraße über Fajardo, nur ein wenig länger als der Hinweg auf der direkteren Strecke über den Gebirgsrücken, aber so bekommen wir noch etwas mehr von dieser wunderschönen und abwechslungsreichen Insel Puerto Rico zu sehen.

Hinterland und Hintergründe in Puerto Rico

Wir haben das Auto für eine Woche gemietet, Kosten 250,- US$ (210,- €), teilbar durch uns vier. Für eine dreiviertel Tankfüllung haben wir gestern übrigens unter 25 US$ gezahlt. 😁

Also nutzen wir den Wagen gleich mal noch für eine Fahrt nach Ponce (gut 40 km westlich gelegen) und zu einer Kaffeeplantage im gebirgigen Hinterland.

Die Strecke nach Ponce überrascht ein bisschen, denn anders als bei unserem Trip nach San Juan kurven wir nicht durch steile Berge, sondern fahren in der hier flachen Küstenregion durch intensiv landwirtschaftlich genutzte Flächen. Zumeist sehen wir große Bananenplantagen, aber auch Gemüsefelder. Repräsentativ ist das aber nicht, denn tatsächlich macht der Zuckerrohranbau noch immer denn größten Anteil an der Landwirtschaft in Puerto Rico. Fast 1,3 Mio Tonnen werden jährlich produziert, Bananen einschließlich der Kochbananen bringen es “nur” auf etwa 1/10 davon, rund 145.000 Tonnen. An Kaffee werden übrigens etwa 15.000 Tonnen produziert, das reicht nicht um weltweit in die TopTen zu kommen. Allein das Hauptanbauland Brasilien, in dem rund 30 Prozent des weltweiten Kaffees geerntet werden, produziert jährlich über eine Million Tonnen Kaffee. Wie überhaupt die Landwirtschaft in Puerto Rico nicht mehr so dominant ist wie in früheren Zeiten. So machte allein der Zuckerrohranbau 1930 noch 50 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeit und 30 Prozent der gesamten ökonomischen Aktivitäten des Landes aus, die Landwirtschaft beschäftigte über 40 % aller Arbeitnehmer. Die Amerikaner hatten diese Entwicklung nach ihrem Sieg im Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898 massiv vorangetrieben. Ab den 40er bzw. 50er Jahren aber erfolgte ein Industrialisierungsprogramm, das mit Steuererleichterungen für Industrieinvestitionen gestützt wurde. Allerdings konnte dies eine massive Abwanderung vor allem junger Puertoricaner in die USA nicht verhindern. Das liefert nicht nur den Hintergrund für Leonard Bernsteins in dieser Zeit entstandene „West Side Story“, in dem Shakespeares „Romeo und Julia“ ins moderne New York verlegt und die verfeindeten Familien durch die rivalisierenden Gangs der amerikanischen „Jets“ und der puertoricanischen „Sharks“ ersetzt werden. Es zeigt sich auch heute noch in der Bevölkerungsstruktur, denn unfassbare zwei Drittel aller Puertoricaner leben heute in den USA, der größte Anteil tatsächlich in den Bundesstaaten New York und New Jersey.

Ab 1976 galt gar eine Freistellung für in Puerto Rico erzielte Gewinne amerikanischer Unternehmen von Bundessteuern. Das führte zu einem enormen industriellen Aufschwung in Puerto Rico, zumal der Export diverser Produkte von hier in die USA zollfrei war. Ab 1993 wurden diese Vergünstigungen dann schrittweise bis 2006 wieder abgebaut, insbesondere pharmazeutische und Hightech-Unternehmen konnten aber längere Zeit weiter profitieren. Trotzdem brach der Arbeitsmarkt im produzierenden Gewerbe ein, es folgte eine weitere Auswanderungswelle ins Kernland USA. Heute ist die Arbeitslosigkeit in Puerto Rico etwa doppelt so hoch wie in den USA, auch die Verschuldung ist höher als in allen US-Bundesstaaten. Gleichwohl: puertoricanischen Arbeitern steht grundsätzlich der US-Mindestlohn von 7.25 US$ (in Trinkgeld-Berufen allerdings nur 2,13 US$!) zu, der Lebensstandard ist insgesamt höher als in den anderen Karibikländern. Und natürlich fließen auch erhebliche Mittel zurück auf die Insel, z.B. von den Exilpuertoricanern, zurückkehrenden Rentnern oder solchen, die hier einen Zweitwohnsitz eingerichtet haben. Viele Gebäude auf der Insel wirken entsprechend doch ziemlich schmuck.

Unser erstes Ziel Ponce punktet mit einem netten Stadtzentrum mit zum Teil kolonialer Architektur rund um zwei zentrale Parks, zwischen denen die Kathedrale und weiter am Rand das in den Stadtfarben schwarz-rot gestrichene “Parque de Bombas” als kleines Feuerwehrmuseum steht.

Der Besuch im Industriegebiet zwecks Einkauf bei IKEA erweist sich dagegen als Flop: im IKEA hier kann man nur bestellen, nicht mitnehmen. Die Lebensmittelabteilung und damit Knäckebrot und eingelegte Heringe fehlen gleich ganz. 😢

O.k., dann also auf zur Kaffeeplantage. Von der Crew der Valentin hatten wir schon gehört, dass covidbedingt die meisten Plantagen derzeit nicht zu besichtigen sind. Wiebke ertrüffelt im Internet aber doch noch eine geöffnete, sogar mit Restaurant. Ab in die Berge.

Die “Cordillera Central” zieht sich als Gebirgskette mit diversen Spitzen über 1.000 m (höchster Berg ist der Cerro La Punta mit 1.338 m) einmal längs von West nach Ost über die ganze Insel, über 60 % des Staates sind zumeist dünn besiedelte Berge. Und durch die kurven wir jetzt. Auf kleinen und kleinsten Straßen, die Herzen der Motorradfahrers in mir und in Ingo lachen (die Schlaglöcher werden von diesen Herzen dabei erstaunlicherweise ignoriert). Bis auf etwa 800 m schrauben wir uns hoch, der seltene Gegenverkehr bedeutet mit unserem Auto meist Vollbremsung und Herantasten an die Asphaltkante. Aber es ist wirklich eine Wonne, durch diese Landschaft, dieses satte und doch abwechslungsreiche Grün zu cruisen.

Erst gegen 16.00 Uhr erreichen wir die Kaffee-Hacienda. Ein “Open”-Schild hängt im Fenster, aber: sie ist für Besucher geschlossen, das Internet hat uns angelogen. Oder unser Glaube an die Wahrheit der Info dort war schlicht zu groß 😚. Macht aber nix, wir haben die Fahrt durch die Berge sehr genossen und viel von dem Hinterland in Puerto Rico gesehen. Und uns in einer Bäckerei, die als Notersatz für das Restaurant der Hacienda herhalten musste, dann auch ausreichend für den Heimweg gestärkt. Sogar ein Päckchen Kaffee „unserer“ Plantage konnten wir dort ergattern.

San Juan, Puerto Rico

Der Ankerplatz vor Puerto Salinas ist so gut geschützt, dass wir beschließen, von hier aus ein paar Landausflüge zu machen. Es ist ja für uns doch eine Überwindung, die Flora am Anker mehrere Tage alleine zu lassen. Aber: Gemeinsam mit der Crew der Easy-One mieten wir ein Auto und los gehts. Erst einmal nach San Juan, in die Hauptstadt von Puerto Rico.

Wobei, schon das ist eigentlich eine erstaunliche Geschichte. Als Kolumbus die Insel auf seiner zweiten Reise 1493 (aus europäischer Sicht) „entdeckte“, benannte er die Insel nach Johannes dem Täufer „San Juan Bautista“. Einige Jahre später wurde 1509 auf dem Gebiet der heutigen Hauptstadt am dortigen großen Naturhafen eine Stadt mit dem Namen „Puerto Rico“ gegründet. Insel und Hafen gewannen in der Geschichte wegen der strategischen Bedeutung eines derart guten Hafens mit zugleich ausreichenden Ressourcen der großen Insel als (erst spanisches und dann amerikanisches) Tor zur Karibik zunehmend an Bedeutung. Allerdings wurde irgendwann dabei die Bezeichnung für den Hafen mit der des Landes wohl zunächst gleichgesetzt und dann vertauscht 😳.

Wie auch immer, wir suchen uns ein Airbnb in Old San Juan, dem historischen Stadtteil im Nordwesten der Insel, die den Naturhafen nach Norden hin fast vollständig abschließt. Old San Juan ist UNESCO Weltkulturerbe, entsprechend gibt es viele zum Teil koloniale Altbauten an den engen, mit bläulichen Backsteinen gepflasterten Straßen. Oft mit sehr hohen Räumen in Erdgeschoss und erstem Stock, so auch in unserem Airbnb. Die Möblierung ist modern, die Ausstattung z.B. mit Geschirr aber eher dürftig (wir finden dann aber doch immerhin drei heile Tassen) und die Übergabe etwas desorganisiert (die Vermieterin hat uns einen falschen Schlüsselcode geschickt und ist zum Übernahmezeitpunkt telefonisch länger nicht erreichbar). Aber am Ende klappt dann es mit Verzögerung dann doch und wir genießen unsere Unterkunft mitten in der Altstadt mit ihren Geschäften, Bars, Cafés und Restaurants.

Zunächst mal aber fahren wir in den Stadtteil Santurce, eher ein Vorort, in Teilen etwas heruntergekommen, in anderen hip, vor allem aber bekannt für seine umfangreiche Street Art und Graffiti.

Und dann geht es eben weiter in das ganz andere, nicht minder bunte und lebendige Old San Juan. Normalerweise sehr touristisch, wofür die in den unteren Straßen (näher am Kreuzfahrtterminal) auch überaus häufigen Souvenirshops bürgen. Nur – Kreuzfahrtschiffe sind covidbedingt eben nicht da. Die Stadt gehört den Boricua, wie sich die Puertoricaner selbst nennen. Und den vergleichsweise wenigen Touristen, die trotzdem da sind. So wie wir.

Wir genießen den Blick vom Balkon unserer Wohnung und machen uns dann auf, das (frühe) Nachtleben, eigentlich eher das Abendleben des Viertels zu erkunden. Es gefällt uns richtig gut, vielleicht besonders weil die Zeit in der Stadt und die Zeit auf dem Boot doch einige interessante Gegenpole bieten. Wir bummeln durch die Gassen, vorbei am Brunnen mit den allegorischen Figuren den vier Jahreszeiten, in denen uns der Winter mit Maske entgegenbibbert und wo ein Künstler als lebende fünfte Statue wirklich beeindruckt. Entdecken nette kleine Parks, entscheiden uns für eine Bar. Es ist die Factoría (Los Hijos de Boriguen). Sieht ein bisschen aus wie eine Sofa-Bar auf St. Pauli in Hamburg, deshalb hat sie uns wohl angesprochen. Nicht steril durchgestylt, ein bisschen dunkel, ein crazy aussehende Barkeeperin. Witzig, wir haben eine der Top50-Bars der Welt ausgewählt und merken es erst nicht einmal. Die Drinks sind schon mal super. Dann aber fällt auf, dass deutlich mehr Besucher in der Toilette verschwinden, als wieder herauskommen. Oops. Mal nachschauen. Nichts auffälliges außer einer Tür mit Vorhängeschloss. Tja, und da geht es in den „Secret Second Floor“, den wir nach Aufklärung durch einen Barkeeper dann auch erkunden. Klar, covidbedingt werden nur begrenzt Leute eingelassen, also ist die Bar alles andere als voll. Originell ist es aber trotzdem und so ergattern wir auch hier wieder einen Balkonplatz mit Blick auf das Treiben unten auf der Straße

Am nächsten Tag wandern wir erst einmal zu „El Morro“, der berühmten Festungsanlage auf der Nordspitze von Old San Juan. Die große Freifläche vor der Festungsanlage wird zumindest am Wochenende gern von Familien genutzt, um mit den Kindern Drachen steigen zu lassen. Offenbar so intensiv, dass schon Schilder zum Beseitigen der Reste an Drachenschnur und Plastikdrachen mahnen. Die massive Festungsanlage bietet museale Ausstellungen in ihrem Inneren, vor allem aber einen tollen Blick auf den Atlantik und die die bunten Würfelhäuser unterhalb der zur zweiten Festung Castillo de San Christobal hinüber führenden Mauer, weiter bis zu den Strand-Hochhäusern von Ocean Park und auch auf die Einfahrt in den Naturhafen.

Und außerdem tummeln sich auf El Morro wieder diverse Leguane, posieren selbstbewusst auf Grasflächen und Klippen und klettern problemlos die steilen Festungsmauern hinauf, um in die Regenwasserabläufe zu kommen.

Auf dem Rückweg erkunden wir dann das bunte Old San Juan noch einmal bei Tageslicht. Ein bisschen kreuz und quer, hügelauf und hügelab. Was allerdings auch den Vorteil hat, immer mal wieder Blicke hinüber in den Hochhausstadtteile des modernen San Juan, über den Hafen mit seinen Containerbrücken und Yachten, oder über den blauen Atlantik geboten zu bekommen.

Manatee-Watching in Puerto Rico

Manatee (englisch) oder Manatí (spanisch-karibisch) hört sich irgendwie schöner an als die deutsche prosaische Bezeichnung Rundschwanz-Seekuh. Aber Bezeichnung hin oder her, die friedlichen Pflanzenfresser haben Wiebke und ich erst ein einziges Mal (in Florida) in freier Natur sehen können. Hier in Puerto Rico kommen sie ebenfalls vor und an unserem Ankerplatz vor Puerto Salinas weisen Bojen auf die Manatees und die ihretwegen eingerichtete Geschwindigkeitsbegrenzung von 5 mph hin.

Also blasen wir die SUP auf und erkunden auf diesen Paddelboards erstmal den Ankerplatz und die angerenzenden Mangrovenkanäle.

Wir genießen den ruhigen morgendlichen Ausflug, ein Manatee lässt sich dabei leider nicht blicken (Mücken übrigens anders als befürchtet auch nicht). Die Windstille in den Mangroven täuscht, draußen am Ankerplatz weht es durchaus.

Gemeinsam mit Andrea und Ingo marschieren wir danach durch die Stadt zum gut sortierten, aber weit entfernten Supermarkt. Am Ende kommen 12 km Fußweg zusammen, da sind die beiden Pausen im „The Sweet Spot“ und auf dem Rückweg im Restaurant mit Meerblick doch gut verdient. Die Stadt Salinas hat einen kleinen kolonialen Stadtkern mit in Schuss gehaltenem Rathaus, Bibliothek, Kirche, zentralem Platz, dahinter liegendem Mercado und ein paar noch nicht renovierten Altbauten. Auffällig ist, das die (von uns durchwanderten) Wohnviertel fast durchgängig mit einstöckigen Flachdach-Massivhäusern bebaut sind, alle etwa gleich groß und doch unterschiedlich, oft nicht nur in den farbigen Friesen sondern auch in den verspielten Säulen und den Grundstückseinfassungen, Fenster- und Terrassengittern. Und es gibt irre viele Hunde, natürlich auf den Straßen, aber auch kaum ein Haus scheint ohne (und wenn doch, sorgt der Nachbar vor 😉).

Aber natürlich haben wir die Hoffnung auf Manatees noch nicht aufgegeben. ln der Ferne, zwischen den anderen Ankerliegern und den Mangroven, sehen wir sie immer mal wieder kurz. Wirklich scheu scheinen sie nicht, von vorbeifahrenden Dinghys lassen sie sich kaum beeindrucken, wenn etwas Abstand gewahrt bleibt. Und so fahren wir hinüber und lassen uns von der Luvseite her durch die Gegend driften. Jetzt passt es, bis zu fünf Manatees sehen wir gleichzeitig, drei auf der einen und zwei auf der anderen Seite. Sie grasen in den Seegraswiesen des trüben seichten Wassers, verraten sich gelegentlich durch Wolken aufgewirbelten Sandes oder einen dunklen Fleck, der dicht unter der Wasseroberfläche dahinzugleiten scheint. Aber sie sind nicht ganz leicht zu fotografieren, denn selbst wenn sie Luft holen ist meist nur ein kleiner Teil ihres massigen Körpers zu sehen.

Vom Kopf sieht man oft nur den kurzen Rüssel auftauchen (ja, ihre nächsten Verwandten sind die Elefanten), mit den beiden Nasenlöchern obendrauf. Dann geht der Kopf schon wieder unter, die Seekuh macht einen Buckel und zeigt ihren Rücken, gleitet langsam hinab und zeigt manchmal die runde Schwanzflosse.

Zwei Rundschwänze über Wasser
Und im trüben Wasser noch schlechter erkennbar: einer unter Wasser

Weit besser zu erkennen ist das alles auf unserem Manatee-Video, und das gibt’s HIER. Es sind faszinierende Tiere, die bis zu 4,5 m lang und bis zu 500 kg schwer werden. Obwohl derart kolossal, gelten sie als Vorbilder der legendären Meerjungfrauen, auch Kolumbus hat sie als solche beschrieben. Das gängige Schönheitsideal hat sich wohl in der Zwischenzeit etwas gewandelt. (Na ja, eventuell ist das auch eher ein überkommener europäischer oder ein 1989er Disney-Arielle Ansatz, nicht zwingend ein karibischer 😉.)

Die Südküste von Puerto Rico

Mit dem Palmenflash von Vieques verabschieden wir uns von den Spanish Virgin Islands. Etwa 28 Seemeilen sind es nach Puerto Patillas im Südosten der Hauptinsel Puerto Rico. Schon am Ankerplatz riggen wir den Spibaum zum Ausbaumen der Fock und den Bullenstander, um das einmal gereffte Großsegel auf der anderen Seite zu sichern. Schmetterling vor dem recht kräftigen achterlichen Wind ist angesagt. Es werden für uns 28 sm traumhaftes Segeln bei bestem Wetter.

Endlich sehen wir auch wieder einmal Delfine. Eine größere Schule von vielleicht 30 Tieren kommt uns in den Wellen springend entgegen, passiert kurz vor unserem Bug. Einige der Meeressäuger spielen ganz kurz vor unserem Schiff und dann – schwupp – sind sie schon wieder verschwunden. Hat nur eine Minute gedauert und zaubert uns doch für Stunden ein Lächeln ins Gesicht. Zumal wir rein zufällig die Kamera laufen haben:

O.k, die Bilder sind nicht perfekt, sie sind aber auch nur herauskopiert aus unserem Video (Ton anschalten).

Wie man an dem Blau des Wassers unschwer erkennt, ist das Karibische Meer hier richtig tief. Obwohl wir ja küstennah segeln, fällt der Grund auf unserer Route bis auf etwa 900 m ab, 35 Meilen südlich von Puerto Rico ist es über 5.000 m tief. Und das ist nur die eine Seite. Nördlich von Puerto Rico geht es in der Tiefseerinne des Puerto Rico Graben jedenfalls bis über 8.300 m hinab, die genaue Tiefe ist noch strittig. So gesehen ist Puerto Rico praktisch der über Wasser befindliche Gipfelgrat eines unterseeischen Gebirgsrückens.

Wir könnten auch noch küstennäher segeln, es gibt nur wenige gefährliche Flachstellen. Aber weiter draußen im tieferen Wasser hoffen wir auf mehr Angelglück und tatsächlich, querab der Punta Tuna (jaaaa!) rauscht die Steuerbordleine das erste Mal aus. Noch während ich den mittelgroßen Schwarzflossenthunfisch herankurbele, sirrt auch die Rolle der Backbordangel. Allerdings sind wir dort nicht schnell genug, der Fisch geht vom Haken. Kein Problem, denn noch ein zweiter Schwarzflossenthun beißt, wieder an Steuerbord. Diese Thunfischart wird maximal nur etwa einen Meter groß (unsere sind beide kleiner), ist aber sehr lecker. Und noch ein dritter Fisch geht an die selbe Angel, diesmal eine Fregattmakrele (unechter Bonito). Dann stellen wir das Angeln erstmal ein.

Mein neuer Lieblingsköder war wieder reichlich erfolgreich. Waren bisher die roten und vor allem die neongrünen Tintenfisch-Imitate am besten, läuft ihnen jetzt der Zedernholzköder (cedar plug lure) den Rang ab. Nur etwa 10 cm lang, mit Bleispitze und ansonsten ziemlich simpel und unverwüstlich. Auch nur mit einem Einfachhaken, kein Drilling, weshalb gefühlt weniger Sargassum an ihm hängen bleibt, obwohl das gelegentlich trotzdem noch passiert.

Die Beißspuren sprechen für sich

Heute Abend gibt es jedenfalls Fisch auf der Flora, die Crew der Easy One ist eingeladen, aber Andrea lässt es sich nicht nehmen, die Beilagen beizusteuern. Das Eis für die Piña Colada muss Ingo auch von drüben holen, ts, ts.

Anders als befürchtet müssen wir aber auf die Palmen noch nicht verzichten, auch hier an der Südküste säumen sie überaus üppig das Ufer, selbst an unserem Ankerplatz im Städtchen Puerto Patillas. Der Ankerplatz ist durch ein ausgreifendes Korallenriff relativ gut geschützt, allerdings machen ein paar Korallenköpfe einen Bogen bei der Anfahrt erforderlich und das Wasser ist etwas trüb und ziemlich flach. Gute Bedingungen für Manatees, auf die mit Geschwindigkeitsbegrenzungen und Warnbaaken hingewiesen wird. Wir bekommen hier allerdings keine zu Gesicht, hoffen aber auf Sichtungen der Rundschwanz-Seekühe bei unserer weiteren Reise an der Südküste von Puerto Rico. Aber einen (weiteren) traumhaften Sonnenuntergang gibts.

Am nächsten Tag holen wir nach einem Regenschauer den Anker auf und gemeinsam mit der Easy-One geht es weiter nach Westen. Wieder segeln wir vor dem Wind, wieder baumen wir die Fock aus. Aber das Groß hat heute Pause, in Böen messen wir knapp 8 Beaufort, da reicht die Fock alleine dicke.

Wind genau von achtern, Flora und Easy-One fahren das Vorsegel auf der jeweils anderen Seite

Und die Regenschauer bleiben uns erst einmal treu, während wir an der hier im Südosten noch sehr grünen Küste entlangsegeln. Etwa auf der Hälfte der heutigen Strecke von nur 20 Seemeilen wandelt sich aber das Bild, die Hänge der Berge werden zunehmend brauner und karger. Das lässt auch für unsere Regengüsse jedenfalls statistisch hoffen, erstmal bleiben die Wolken, aber tatsächlich wird es gegen Nachmittag schöner, der Himmel reißt auf.

Grün, Blau, Grau. Der letzte größere Schauer bei der Riff-Einfahrt „Boca del Infierno“

Wir machen einen Ankerstop hinter den Cayos de Barca. Durch vorgelagerte Riffe und ein Labyrinth von Mangroveninselchen sind wir hier gut gegen den hohen Ozeanschwell geschützt, aber die immer noch heftigen Windböen sprechen doch für einen geschützteren Platz für die Nacht. Schade, es ist so wunderschön hier:

Aber so fahren wir nach einer ausgiebigen Kaffeepause das kleine Stückchen weiter nach Salinas, in ein von den vorgelagerten Cayos zusätzlich geschütztes schmales Inlet. Im Ort am Ende der von mangrovenumstandenden Salzwassertümpeln gesäumten schmalen und tief einschneidenden Bucht liegt sogar eine kleine Marina, diverse Motorboote ankern davor. Für uns bietet es sich eher an, das zunächst flacher werdende Fahrwasser nicht bis dorthin durchzufahren, sondern zeitig einen Ankerplatz vor dem Ostufer anzusteuern. Ganz dicht kommen wir nicht an die Mangroven heran, es wird schnell seicht. Auf 2,80 m fällt der Anker, direkt neben der Easy-One.

Andrea und Ingo haben hier schon ein Manatee direkt hinter ihrem Boot erspäht, wir warten noch darauf und begnügen uns vorerst mit den rund um uns herum jagenden Pelikanen. Es ist immer wieder faszinierend zu beobachten, wie sie oft ohne Flügelschlag in Kompaktform dicht über das Wasser gleiten als hätten sie Pate für die Entwicklung der behäbig eleganten Flugboote gestanden. Und dann wieder unvermutet wendige Manöver fliegen und ins Wasser stoßen, wenn sie Beutefische entdecken.