St. Augustine: da kommt uns Amerika spanisch vor

Die Einfahrt nach St. Augustine hat einen Ruf. Wir werden vorher von anderen Seglern gefragt, ob wir da wirklich rein wollen. Man habe Schlimmes gehört. Und die Navionics-Seekarte zeigt direkt vor der Einfahrt die Zweimeter-Linie an. Hm. Aber auf Sonar-Charts umgestellt wird klar, dass die Tiefe mehr als ausreichend ist. Die Recherche zeigt außerdem, dass der schlechte Ruf von Wind-gegen-Strom-Situationen herrührt. Wir timen es so, dass uns das nicht trifft. Tatsächlich ist es dann völlig unproblematisch und wir finden auch noch einen Platz im gut gefüllten Ankerfeld vor der alten Festung der Stadt.

Schon von dort sieht die Stadt eher südeuropäisch als typisch amerikanisch aus.

An Land setzt sich dieser Eindruck fort. Zunächst bei der Festung „Castillo de San Marcos“, deren Mauern und Türme nicht zufällig an San Juan in Puerto Rico erinnern, die wir uns ob des Besucheransturms aber lieber nur von außen anschauen.

Dann aber vor allem bei den im Stadtzentrum mit Gebäuden, die mit ihren Ornamenten und Holzbalkonen sehr deutlich spanischen Einfluss zeigen. Oder auch in der alten Pflasterung mit Ziegelsteinen.

Tatsächlich ist St. Augustine (kein amerikanischer Ort ohne Superlativ) die älteste noch durchgehend besiedelte existierende Stadt der USA. 1565 von Spanien gegründet, wechselte ihr Besitz mehrfach zwischen den Staaten, die Stadt wurde 1763 britisch, 1784 wieder spanisch und dann 1821 wie ganz Florida durch einen Grenzbereinigungs- und Kaufvertrag Teil der Vereinigten Staaten.

Aber nicht nur die beiden spanischen Phasen führen zu dem südeuropäischen Gepräge, sondern auch eine Besonderheit der Besiedlung während der britischen Phase. Etwa 1.000 vorwiegend aus Menorca stammende Siedler waren nach Neu Smyrna, etwa 100 km weiter südlich in Florida ausgewandert und dort in der Indigoproduktion angeworben worden. Die Arbeitsbedingungen und mangelnde Vertragstreue der Partner führten aber 1777 dazu, dass sie sich zu Fuß auf den Weg nach St. Augustine machten und hier im Stadtteil „Little San Felipe“ ansiedelten. Schöner Nebeneffekt für uns: die Küche in den Restaurants dort verbindet inzwischen mediterranes Erbe mit karibischen Einflüssen, eine tolle Mischung.

Ein Spaziergang führt uns in ein ganz anderes, historisch aber ebenfalls bedeutsames Eckchen der Stadt. Der Stadtteil Lincolnville wurde nach dem amerikanischen Bürgerkrieg 1866 von befreiten Sklaven gegründet und entwickelte sich ausnehmend gut, wie diverse erhaltene viktorianische Häuser bezeugen. Er blieb dabei ein afroamerikanischer Stadtteil. Als solcher machte er knapp 100 Jahre später Schlagzeilen, als 1963/64 Dr. Martin Luther King und andere Aktivisten des Civil Rights Movement wie Dr. Robert Hayling nach mehreren rassistischen Vorfällen friedliche Proteste organisierten, die gewaltsam aufgelöst wurden. Auch Dr. Martin Luther King wurde 1964 hier verhaftet.

Die Hauptstraße durch das bunte Viertel trägt heute seinen Namen.

Ein anderer (ziemlich langer) Spaziergang führt uns am nächsten Tag zum Leuchtturm von St. Augustine auf einer Insel jenseits des ICW. Es ist der erste Advent und nicht nur das Geländer der Aussichtsplattform des charakteristisch spiralförmig schwarz-weiß geringelten Leuchtturm mit seiner roten Haube ist weihnachtlich geschmückt.

Das angeschlossene interessante Museum in den Nebengebäuden des Leuchtturms ist es ebenso, außerdem sehen wir in jedem Raum (und auch vor dem ehemaligen Außen-WC) verzierte Tannenbäume. Alle sind phantasievoll, detailversessen und sehr unterschiedlich (aber immer übervoll und bunt) dekoriert, hier eine kleine Auswahl:

Am Abend sehen wir dann schon vom Ankerplatz aus und erst recht später in der Stadt, warum derzeit so viele Touristen in der Stadt sind.

Nights Of Lights. Schon seit 28 Jahren wird in St. Augustine unter diesem Namen in den Wintermonaten eine Illumination privater und öffentlicher Gebäude vorgenommen, bei der die besten Beleuchtungen am Ende prämiert werden. Das ganze hat hat sich zu einem Touristenmagnet entwickelt, kaum einer mag zurückstehen. Auch die Schiffe werden mit Glühbirnen vollgehängt und wir sehen sogar Pferdekutschen mit „Unterboden-Beleuchtung“. American Show, die auf der offiziellen Webseite der Stadt ohne erkennbaren Anflug von Ironie auf den alten spanischen Brauch zurückgeführt wird, zu Weihnachten eine weiße Kerze ins Fenster zu stellen, um in den Häusern und Herzen symbolisch Raum für Jesus zu schaffen.

Pura Vida.

Queen of Halloween

Reedville. Steve und Helena mit der Amalia haben uns hier her gelockt, der Halloween-Umzug soll eine echte Show sein. Wir freuen uns, die beiden wieder zutreffen und so finden wir uns pünktlich am Abend vor Halloween gemeinsam am Ankerplatz ein.

“All hallows eve”, Abend vor Allerheiligen, das soll wohl der ursprünglich aus Irland stammende Hintergrund des Volksfestes mit Kürbisschnitzereien, Gruselfiguren und “trick or treat” sein. Kinder und Jugendliche, manchmal auch Erwachsene ziehen verkleidet von Haus zu Haus um Süßigkeiten abzustauben. Einige Horrorfilme haben das Thema schon aufgenommen, wie in fast jedem Jahr gibt es auch diesmal wieder Aggressionen, Gewalt und Schießereien irgendwo im Land in dieser Nacht, aber das ist nicht das typische Halloween. Klar, wir wären nicht in Amerika, wenn es nicht auch grelle und bunte Formen annehmen würde. Aber dennoch, es ist ein unbestrittener Höhepunkt im Jahr für die Kinder, dem lange Vorbereitung, Basteleien, Kostümierung und Hamsterkäufe an Süßigkeiten vorausgehen. Ein bisschen wie die regionalen Bräuche des Klausens und Martinssingens unserer Kindheit zusammen, noch eben alles eine Spur größer.

Beim Rundgang durchs Dorf treffen wir am frühen Nachmittag Rob, der vor seinem überaus üppig dekorierten Haus nach eigenem Bekunden gerade den dreißigsten Kürbis schnitzt. Ja, er sei schon Halloween-verrückt, schon von Kindesbeinen an, aber seine Frau Susan, die sei die wahre Queen of Halloween! Über 1.000 Süßigkeiten-Riegel würden sie an diesem Abend an die Kinder verteilen. COVID-bedingt waren es im letzten Jahr “nur” 600. Er habe extra eine Drachenrutsche gebaut, über die die “treats” mit Social Distancing zu den Kindern rutschen. Das haben sie für dieses Jahr beibehalten.

So richtig schön werde es erst in der Dämmerung, dann kämen auch Autos und sogar Busse mit Kindern aus dem ganzen County hier nach Reedville. Wir versprechen, nachher wiederzukommen. Bummeln noch ein wenig durch den Ort und lassen die Dekorationen auf uns wirken.

Dann geht die Sonne langsam unter und die Strasse füllt sich.

Kleine Schlangen bilden sich vor einigen Häusern, mit „Happy Halloween“ füllen sich auch die Taschen der Kinder.

Auch Erschrecken gehört dazu, hier wird eine Riesenspinne aus dem Baum per Seil von der Terrasse aus auf die mehr oder weniger überraschten Kinder fallen gelassen. Die nehmen es mal mit Kreischen, mal betont cool auf.

Und die leuchtenden, sich mit Pressluft bewegenden Figuren vor dem Haus von Rob und Susan stechen natürlich besonders heraus. Die beiden freuen sich sichtlich über den Andrang. Queen of Halloween.

Für uns hat Reedville aber noch einen ganz anderen Charme, der sich am nächsten Morgen wieder zeigt. Unser Ankerplatz liegt herrlich im Wirrwarr der Verästelungen des Creeks (wie Lungenkapillaren, hatte ich in einem anderen Beitrag mal geschrieben). Auf der Navionics Seekarte sieht das so aus:

Und in der Realität, noch viel schöner, so:

Pura Vida.

Essential Costa Rica

So wie das dreidimensionale Schild in der Abflughalle des Flughafens von San José es beschreibt ist es wohl tatsächlich: Costa Rica hinterlässt bei uns einen bleibenden Eindruck, wir sind fasziniert von diesem Land, begeistert von der Vielfalt seiner Natur und den freundlichen Menschen.

Und zusätzlich sind wir auch dankbar für das Wetterglück, dass uns bei unserem Aufenthalt hier in der Hauptstadt-Regenzeit beschieden war. Klar, ohne die Covid-Reisebeschränkungen wären wir jetzt sicher nicht hierher geflogen, aber was für ein Geschenk war es, dieses kleine Land so wunderbar erleben zu dürfen. Manchmal verläuft der Glückspfad über Umwege.

Beim Einchecken morgens um 8.00 gibt’s noch einen kurzen Aufreger, denn “das System” berechnet Wiebkes (und nur ihre!) Aufenthaltszeit in Costa Rica fälschlicherweise mit 14 Tagen. Es müssen aber MEHR als 14 Tage seit der Ausreise aus dem Schengen-Raum sein, sonst lassen uns die USA nicht einreisen. Die Prüfung ist offenbar auf die Fluggesellschaften vorverlagert. Auf den Fehler hingewiesen, rechnet man am Schalter mit den Händen nach, kommt auf die korrekte Zahl von 15, ruft die CBP in den Vereinigten Staaten an und bekommt das o.k.

Über die Länder Nicaragua, Honduras, Belize und Mexiko und dann quer über den Golf von Mexiko hinweg fliegen wir nach Houston, Texas in die USA.

Kurzer Aufenthalt und dann leicht verspätet Weiterflug nach Washington DC. Da kommen wir dann am Abend um 21.00 im Dunkeln an, es war dann doch ein langer Reisetag.

Taxi zur Wohnung von Michael und Greg, Taschen fallen lassen, Durchatmen. Wir sind wieder da. Was für ein Luxus, auch hier fühlt es sich schon ein bisschen so an wie nach Hause kommen.

Jetzt warten noch knappe zwei Wochen Bootsarbeit auf uns, dann kommt Flora (hoffentlich) schon wieder ins Wasser.

Pura Vida.

Wird wohl Zeit …

Nach 11 Wochen Bahamas haben wir in Spanish Wells ausklariert und sind jetzt auf dem Weg in die USA. Ziel ist erstmal Beaufort, North Carolina.

Es sind etwa 560 sm, wir werden aber wind- und strömungsbedingt wahrscheinlich einen kleinen Bogen fahren und rechnen mit etwa 4 Tagen Ozeanpassage. Drückt uns die Daumen, unsere Position könnt Ihr auf Noforeignland verfolgen.

Hinterland und Hintergründe in Puerto Rico

Wir haben das Auto für eine Woche gemietet, Kosten 250,- US$ (210,- €), teilbar durch uns vier. Für eine dreiviertel Tankfüllung haben wir gestern übrigens unter 25 US$ gezahlt. 😁

Also nutzen wir den Wagen gleich mal noch für eine Fahrt nach Ponce (gut 40 km westlich gelegen) und zu einer Kaffeeplantage im gebirgigen Hinterland.

Die Strecke nach Ponce überrascht ein bisschen, denn anders als bei unserem Trip nach San Juan kurven wir nicht durch steile Berge, sondern fahren in der hier flachen Küstenregion durch intensiv landwirtschaftlich genutzte Flächen. Zumeist sehen wir große Bananenplantagen, aber auch Gemüsefelder. Repräsentativ ist das aber nicht, denn tatsächlich macht der Zuckerrohranbau noch immer denn größten Anteil an der Landwirtschaft in Puerto Rico. Fast 1,3 Mio Tonnen werden jährlich produziert, Bananen einschließlich der Kochbananen bringen es “nur” auf etwa 1/10 davon, rund 145.000 Tonnen. An Kaffee werden übrigens etwa 15.000 Tonnen produziert, das reicht nicht um weltweit in die TopTen zu kommen. Allein das Hauptanbauland Brasilien, in dem rund 30 Prozent des weltweiten Kaffees geerntet werden, produziert jährlich über eine Million Tonnen Kaffee. Wie überhaupt die Landwirtschaft in Puerto Rico nicht mehr so dominant ist wie in früheren Zeiten. So machte allein der Zuckerrohranbau 1930 noch 50 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeit und 30 Prozent der gesamten ökonomischen Aktivitäten des Landes aus, die Landwirtschaft beschäftigte über 40 % aller Arbeitnehmer. Die Amerikaner hatten diese Entwicklung nach ihrem Sieg im Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898 massiv vorangetrieben. Ab den 40er bzw. 50er Jahren aber erfolgte ein Industrialisierungsprogramm, das mit Steuererleichterungen für Industrieinvestitionen gestützt wurde. Allerdings konnte dies eine massive Abwanderung vor allem junger Puertoricaner in die USA nicht verhindern. Das liefert nicht nur den Hintergrund für Leonard Bernsteins in dieser Zeit entstandene „West Side Story“, in dem Shakespeares „Romeo und Julia“ ins moderne New York verlegt und die verfeindeten Familien durch die rivalisierenden Gangs der amerikanischen „Jets“ und der puertoricanischen „Sharks“ ersetzt werden. Es zeigt sich auch heute noch in der Bevölkerungsstruktur, denn unfassbare zwei Drittel aller Puertoricaner leben heute in den USA, der größte Anteil tatsächlich in den Bundesstaaten New York und New Jersey.

Ab 1976 galt gar eine Freistellung für in Puerto Rico erzielte Gewinne amerikanischer Unternehmen von Bundessteuern. Das führte zu einem enormen industriellen Aufschwung in Puerto Rico, zumal der Export diverser Produkte von hier in die USA zollfrei war. Ab 1993 wurden diese Vergünstigungen dann schrittweise bis 2006 wieder abgebaut, insbesondere pharmazeutische und Hightech-Unternehmen konnten aber längere Zeit weiter profitieren. Trotzdem brach der Arbeitsmarkt im produzierenden Gewerbe ein, es folgte eine weitere Auswanderungswelle ins Kernland USA. Heute ist die Arbeitslosigkeit in Puerto Rico etwa doppelt so hoch wie in den USA, auch die Verschuldung ist höher als in allen US-Bundesstaaten. Gleichwohl: puertoricanischen Arbeitern steht grundsätzlich der US-Mindestlohn von 7.25 US$ (in Trinkgeld-Berufen allerdings nur 2,13 US$!) zu, der Lebensstandard ist insgesamt höher als in den anderen Karibikländern. Und natürlich fließen auch erhebliche Mittel zurück auf die Insel, z.B. von den Exilpuertoricanern, zurückkehrenden Rentnern oder solchen, die hier einen Zweitwohnsitz eingerichtet haben. Viele Gebäude auf der Insel wirken entsprechend doch ziemlich schmuck.

Unser erstes Ziel Ponce punktet mit einem netten Stadtzentrum mit zum Teil kolonialer Architektur rund um zwei zentrale Parks, zwischen denen die Kathedrale und weiter am Rand das in den Stadtfarben schwarz-rot gestrichene “Parque de Bombas” als kleines Feuerwehrmuseum steht.

Der Besuch im Industriegebiet zwecks Einkauf bei IKEA erweist sich dagegen als Flop: im IKEA hier kann man nur bestellen, nicht mitnehmen. Die Lebensmittelabteilung und damit Knäckebrot und eingelegte Heringe fehlen gleich ganz. 😢

O.k., dann also auf zur Kaffeeplantage. Von der Crew der Valentin hatten wir schon gehört, dass covidbedingt die meisten Plantagen derzeit nicht zu besichtigen sind. Wiebke ertrüffelt im Internet aber doch noch eine geöffnete, sogar mit Restaurant. Ab in die Berge.

Die “Cordillera Central” zieht sich als Gebirgskette mit diversen Spitzen über 1.000 m (höchster Berg ist der Cerro La Punta mit 1.338 m) einmal längs von West nach Ost über die ganze Insel, über 60 % des Staates sind zumeist dünn besiedelte Berge. Und durch die kurven wir jetzt. Auf kleinen und kleinsten Straßen, die Herzen der Motorradfahrers in mir und in Ingo lachen (die Schlaglöcher werden von diesen Herzen dabei erstaunlicherweise ignoriert). Bis auf etwa 800 m schrauben wir uns hoch, der seltene Gegenverkehr bedeutet mit unserem Auto meist Vollbremsung und Herantasten an die Asphaltkante. Aber es ist wirklich eine Wonne, durch diese Landschaft, dieses satte und doch abwechslungsreiche Grün zu cruisen.

Erst gegen 16.00 Uhr erreichen wir die Kaffee-Hacienda. Ein “Open”-Schild hängt im Fenster, aber: sie ist für Besucher geschlossen, das Internet hat uns angelogen. Oder unser Glaube an die Wahrheit der Info dort war schlicht zu groß 😚. Macht aber nix, wir haben die Fahrt durch die Berge sehr genossen und viel von dem Hinterland in Puerto Rico gesehen. Und uns in einer Bäckerei, die als Notersatz für das Restaurant der Hacienda herhalten musste, dann auch ausreichend für den Heimweg gestärkt. Sogar ein Päckchen Kaffee „unserer“ Plantage konnten wir dort ergattern.