Passage nach Hawai’i, Tag 25

Hochstimmung an Bord. Feinstes Segelwetter heute vormittag, mit strahlend blauem Himmel und um die 15 kn Wind (jetzt etwas auffrischend), die Nacht durch waren allerdings wieder zwei Reffs im Groß, Böen bis 25,6 kn. Also immerhin schnell („Pferdchen riecht den Stall“).

Heute morgen umkreiste der erste Albatros unser Boot. Was für ein majestätischer Anblick.

Gestern haben wir doch tatsächlich gleich wieder eine Goldmakrele gefangen, ein standesmäßiges Abschlussessen für unsere lange Passage ist also gewährleistet. Essen gestern: Orientalisch gewürzter Couscous mit Möhren und Rindfleischstreifen. Wiebke verarbeitet gerade unsere restlichen frischen Lebensmittel (also 2 Möhren, den restlichen Rotkohl und Weißkohl, eine Orange, zwei Kartoffeln, zwei Zwiebeln und noch ein paar Mini-Limetten, war eine gute Planung, der letzte Apfel war gestern im Müsli). Einführen dürfen wir in die USA keine frischen Lebensmittel.
Der superleckere Rotkohl-Walnuss-Salat ist inzwischen bereits verspeist, der erste Teil des Mahi Mahi zu „Poisson Cru“ Flora-Style vorbereitet, also in Limettensaft gegart, mit Chili, Ananas und Kokosmilch.

Wir haben noch ungefähr 60 sm zu segeln, werden also wohl heute am späten Abend unserer Zeit in Hilo auf Hawai’i ankommen.
Wir sind etwa 40 sm vor der südöstlichen Landspitze, gucken uns natürlich fast die Augen aus den Köpfen, aber bisher ist von den hohen Vulkanen noch nichts zu erspähen, nicht einmal eine verräterische Wolkenformation.

Etmal um 12.00: 175 sm, bisher gesegelt insgesamt 4.217 sm, nur noch geschätzte 63 sm nach Hawai’i (Schätzung angepasst auf 4.280 sm).

Passage nach Hawai’i, Tag 24

Wer sagts denn, alles ist gut, so schnell kann das gehen. Die Wellen haben ein bisschen nachgelassen, vor allem die Querwellen sind fast ganz weg. Der Wind ist auf 13 kn zurückgegangen. Wir haben die Reffs aus dem Groß genommen. Die Sonne scheint, blauer Himmel.
Sehr versöhnlich. Sogar die Angeln sind endlich mal wieder draußen, bei den Bedingungen zuvor hätte ich nicht auf dem bockenden Achterschiff einen Fisch filetieren wollen, wäre vermutlich auch nicht ohne Selbstverstümmelung ausgegangen.

Wer hätte das bei dem Ziel Hawai’i gedacht, es ist deutlich „kälter“ geworden, wir spüren das vor allem Nachts. Tagsüber jetzt bis 23 Grad, schon eine deutliche Veränderung gegenüber den ca. 30 Grad auf Galapagos. Aber es geht nun einmal vom Äquator aus nach Norden, wir sind bereits auf 18 Grad nördlicher Breite.

Wir haben auf diesem Törn jetzt schon über 4.000 sm auf der Logge und heute – wieder einmal – eine Zeitzonengrenze passiert. Jetzt sind wir in der Zeitzone von Hawai’i (GMT -10h), also zeitlich genau in Opposition zu Deutschland. Wenn Ihr Mittag habt, beginnt unser Tag (0.00 Uhr), haben wir Mittag, ist in Deutschland bereits wieder Mitternacht.

Bootsarbeit des Tages: mal wieder der Plotter. Dieses Furuno-Menü treibt mich noch in den Wahnsinn (vgl. Tag 21). Heute Nacht der Beweis, dass der Radar-Alarm nach der Neujustierung tatsächlich funktioniert. Da muss man allerdings erst einmal drauf kommen, dass ein Alarmkreis von 8 sm um das Boot keineswegs automatisch den Bereich von dort bis zum Boot umfasst, sondern nur den unmittelbaren 8sm-Bereich (7,8 sm also schon nicht mehr!). Ok, zweite Begrenzung der Zone gesetzt, jetzt geht es. AAAAber: Sobald ein Schiff (oder ein Squall) in den jetzt gesetzten Alarmbereich zwischen 8 sm und 3 sm um die Flora hineingelangt, ertönt nicht nur der gewünschte Alarm, sondern der Plotter setzt auch ab jetzt laufend MOB-Punkte (also Mann-über-Bord-Punkte) und zeigt den Kurs zum letzten MOB-Punkt an, löscht dafür aber unseren Wegepunkt. Total unpraktikabel, und leider habe ich noch keine Möglichkeit gefunden, dies zu ändern. Grrrr. Gelegenheit für Versuche boten ein Squall in der
Nacht und eine Frachter-Begegnung gerade eben. Die „Jericho Beach“ kreuzt unseren Weg, ändert aber sichtbar Ihren Kurs und passiert 2 sm hinter Floras Heck. Zielhafen: „Bell Bay, Australia“. Wow. Pazifik halt.

Essen: Rigatoni mit Tomaten-Chili (gestern noch im Geschüttel).

Etmal: 182 sm in 24 Stunden, zusätzlich weitere 7 sm in der Zeitumstellungsstunde, gesamt gesegelt bisher 4.042 sm, noch geschätzte 258 sm nach Hawai’i.

Passage nach Hawai’i, Tag 23

Sonne-Wolken-Mix, nicht so bedeckt wie gestern. Und gleich sieht die Welt wieder etwas besser aus.
O.k., das permanente Beschleunigen und Abbremsen, das Schaukeln und der plötzliche seitliche Versatz durch eine an der Bordwand explodierende Querwelle sind geblieben. Das Gefühl der Schiffsbewegungen auch, irgendwo zwischen „Polyp“ auf dem Jahrmarkt und Waschmaschine im Schleudergang.

Aber erstens sieht alles eben etwas sonniger aus (auch im Gemüt) und zweitens wird langsam ein Ende absehbar. Noch 3 Tage, dann sollten wir Hilo auf Hawai’i erreichen, wenn weiter alles glatt läuft. Im Moment sieht es allerdings nach einer Ankunft mitten in der Nacht aus, das kann sich aber durch den wohl im Stau vor den hohen Bergen deutlich geringeren Wind noch ändern.
Um keinen falschen Eindruck zu erwecken, die Wellen sind wirklich nicht dramatisch und wie üblich sehen sie auf den Fotos und Videos eher niedlich aus.
Ein Nachmittag oder gar ein Tag lang bei diesen Bedingungen wäre ein wunderschöner sportlicher Törn, schnell und fordernd.
Ein paar Tage lang … da gesellt sich zu dem Spaß dann doch der Aufwand, sich dauernd festhalten und abstützen zu müssen. Wir sind jetzt knapp zwei Wochen in dieser Konstellation unterwegs. Und ja, wir sind schnell. Aber selbst das Schlafen ist da anstrengend, jeder Gang zur Toilette eine Herausforderung, Duschen ein Balanceakt mit etappenweisem Festkrallen. Wie Wiebke im Stemmschritt verkeilt in unserer U-förmigen Pantry vor dem herumschwingnden Herd kochen kann ist mir ohnehin ein Rätsel.

Das Groß ist seit Tagen unverändert im zweiten Reff, dazu steht die 108% Arbeitsfock. Die Schoten haben wir ebenfalls seit Tagen nicht angefasst (das Groß ist ja ohnehin mit dem Bullenstander festgesetzt). In den stärkeren Böen fallen wir falls es notwendig ist einfach 10 oder 15 Grad ab, luven hinterher wieder an (nix mit der Amwind-Regel „jede Bö gibt Höh“, hier gehts nur darum, nicht in die Querwellen hineingedrückt zu werden).

Essen: Kartoffeln mit Hering in Honig-Senf-Soße (unser letztes Glas „Sild“ von Ikea) mit frisch gemachtem Coldslaw / Krautsalat, verfeinert mit frischen Karotten und (Dosen-)Ananas.

Etmal: 196 sm, gesamt gesegelt bisher 3.853 sm, noch geschätzte 447 sm nach Hawai’i.

Passage nach Hawai’i, Tag 22

Hat sich doch der Titel geändert: Hawai’i statt Hawaii. Warum das? Weils eigentlich richtiger ist. Wir würden ja auch nicht wollen, dass Düsseldorf Dusseldorf geschrieben würde, nur weil es in einer anderen Sprache genau so ausgesprochen wird, oder (die Kölner vielleicht schon, aber die hätten ja selbst mit einem Umlaut zu kämpfen)?
Das Alphabet in Hawai’i hat nicht wie unseres 26 Buchstaben (ohne Umlaute), sondern nur die Hälfte, nämlich 13. Die Vokale A, E, I, O und U sind aber gleich, nur bei den Konsonanten hakts: in der lokalen Sprache werden nur H, K, L, M, N, P und W verwendet.
Kein Wunder, dass die Sprache so weich und melodisch klingt und dass die Worte uns oft so ähnlich erscheinen. Und ebenso logisch ist, dass zum Teil sehr lange Wörter gebildet werden müssen, wenn man halt weniger Buchstaben zur Auswahl hat.
Aber 13? Da fehlt doch ein Buchstabe, und das ist der „Glottal-Laut“ bzw. Glottal-Stop. Das Zeichen zwischen den beiden i von Hawai’i. Es ist quasi eine gesprochene Pause. Hört sich etwas abstrus an, gibts aber im Deutschen aus, nur ohne extra Zeichen. Wenn man zum Beispiel nach Grönland fährt um zu „Verreisen“ und „Vereisen“, hört man den Glottal in Vereisen sehr deutlich. Und in der Sprache der Ureinwohner auf Hawai’i wird er viel verwendet, drei der vier großen Inseln führen ihn im Namen. Maui nicht, aber Kaua’i, O’Ahu und eben Hawai’i Island, das zur besseren Unterscheidung von dem Gesamtarchipel auch oft „Big Island“ genannt wird.
Und da fahren wir als erstes hin, denn Big Island liegt als jüngste Insel der Kette ganz im Südosten des Archipels und ist damit für uns am besten zu erreichen.
Die Inseln sind alle vulkanischen Ursprungs. Wie Galapagos und auch die Kanaren gibt es hier einen „Hotspot“, quasi einen Schneidbrenner unter der Erdkruste, der ein Loch in die über dem Magma liegende feste Erdplatte brennt und einen Vulkan entstehen lässt. Weil sich aber die Platten verschieben, reißt irgendwann die Verbindung ab und über dem Hotspot entsteht der nächste Vulkan. Die Pazifische Platte ist zwar riesig, bewegt sich aber trotzdem recht schnell. Am Mariannengraben z.B. schiebt sie sich mit etwa 11 cm pro Jahr unter die Phillipinische Platte, mit 8 cm pro Jahr bewegt sie sich auf die Kurilen zu. Durch diese Bewegung sind über dem Hotspot nach und nach die zum Hawai’i-Archipel gehörenden Inseln entstanden. Einige im Nordwesten sind in den Millionen Jahren ihrer Geschichte schon wieder versunken, die jüngeren sind die jetzt bevölkerten. Big Island als jüngste mit seinen aktiven Vulkanen, dem über 4.200 m hohen Mauna Kea und dem nur wenige Meter niedriger
en Mauna Loa stellt zugleich die höchsten Berge der Inselgruppe. Wenn man bedenkt, dass die Lava die Berge ja auf dem hier 5.000 m tiefer liegenden Meeresboden formen musste, steigen sie sogar über 9.000 m in die Höhe.
Es wird aber trotzdem noch ein paar Tage dauern, bis wir hoffentlich die Berge Hawai’is vor uns erkennen können.

Heute ist die Sicht nicht sehr klar, der Himmel wolkenverhangen, manchmal Regen, nur ab und zu kommt die Sonne durch. Wir hoppeln über eine Wasser gewordene Buckelpiste, zu dem hohen Schwell des starken Passatwindes gesellt sich eine weiter aus nördlicher Richtung kommende Welle eines entfernten Windsystems, die uns ordentlich durchschüttelt. Ungenehm, anstrengend und ermüdend. Heute Nacht hatten wir in der dritten Wache durchziehende Wolkensysteme, die den Wind zwischen 25 kn und 3 kn hin und her springen ließen, danach wieder stetigen Passat.

Bootsarbeit des Tages: „Neustart und Hoffen“. Der Autopilot steigt plötzlich aus, ohne dass ihn gerade eine besonders hohe , Seiten-Welle aus dem Konzept gebracht hätte. Display-Anzeige: „Position Source are changed“. Auf dem Plotter erscheint eine gezackte Kurslinie (die wir nicht gefahren sind) und die Vorauslinie des Schiffes weicht 90 Grad von unserer wahren Vorauslinie ab. Grrr.
Wir starten den Autopilot neu. Keine Änderung. Den Plotter neu. Keine Änderung. Fahren die Geräte noch einmal herunter, schalten die Sicherungen des gesamten NMEA2000 Netzwerks aus und wieder ein, fahren die Geräte wieder hoch. „Neustart und Hoffen“ hat funktioniert, die systemischen Selbstheilungskräfte einmal mehr obsiegt. Aber wir denken verstärkt über ein Backup für die bisher vom Plotter gelieferte System-GPS-Position nach. Kommt auf die Liste.

Essen: Curry-Bratreis mit frischen Möhren und frischem Weißkohl, Ketjap Manis und Steak Strips (luftgetrocknete Rindfleischstreifen). Zum Nachtisch Cheesecake-Pfirsich-Muffins, die Wiebke trotz der Schaukelei gezaubert hat.

Etmal: 187 sm, gesamt gesegelt bisher 3.657 sm, noch geschätzte 643 sm nach Hawai’i.

Passage nach Hawaii, Tag 21

21 Tage. Drei Wochen sind wir jetzt auf See. Es sieht so aus, als würde das Geschaukel (und der kräftige Wind) bis Hawaii anhalten, aber es kommt uns nicht mehr sooo anstrengend vor, wir haben uns wohl ein bisschen daran gewöhnt. Ausnahme: wenn irgend etwas an Bord zu erledigen ist.
Heute zum Beispiel – Bootsarbeit des Tages: Schlüsseldienst. Das Schloss der Tür zwischen Achterkajüte und Badezimmer hat den Geist aufgegeben. Offensichtlich ist eine Feder gebrochen, die die Türklinken hochhält. So öffnet sich die Tür im Seegang selbstständig und knallt in den Magnetbeschlag. Hm. Schloss ausbauen, o.k., aber die Federn sind nicht zugänglich im Inneren des Schlosses. Also auch das Schloss der sowieso immer offenen Tür zwischen Achterkajüte und Salon ausbauen und die Schlösser tauschen. Alles kein großes Ding – außer eben bei diesem Geschaukel! Aber es ist vollbracht.

Was ich gestern vergessen habe zu erwähnen: Beim PredictWind-Wetterbericht fahren am Ende stets 6 Schiffe mit mehr oder weniger unterschiedlichen Kursen vom Ausgangsort dem Zielort entgegen. Eins für jedes angebotene Vorhersagemodell, selbst wenn man die Gribfiles für manche Modelle gar nicht herruntergeladen hat. Unabhängig voneinander stellen Wiebke und ich fest, dass wir dadurch das (natürlich blödsinnige) Gefühl haben, außer uns wären noch mehrere Boote auf unserer Route unterwegs. Als wir das feststellen, lachen wir herzlich darüber, wie wir überhaupt bisher auf diesem Törn viel zusammen lachen. Kein schlechtes Zeichen.

Wir sind aber tatsächlich nicht ganz allein unterwegs hier. Nach ewiger Zeit taucht heute nacht zum ersten Mal wieder ein AIS-Signal auf dem Plotter auf, ein Frachter auf dem Weg nach Long Beach kreuzt 6 sm vor uns unseren Kurs. Das gibt uns die Gelegenheit, den Radar-Alarm mal in der Praxis zu testen. Leider ernüchternd, ich muss die Einstellungen noch einmal deutlich nachschärfen. Immmerhin gut, dass wir es gemerkt haben. Mal sehen, was der nächste Test ergibt.

Essen: Spätzle mit Pilz-Sahne-Soße und frischem Rotkohlsalat (getrocknete Pilze aus Galapagos, ähnlich Steinpilz, seeehr lecker).

Etmal 187 sm, gesamt gesegelt bisher 3.470 sm, noch geschätzte 830 sm nach Hawaii.

Passage nach Hawaii, Tag 20

Fliegende Fische und Wetterbericht

Der Himmel ist blau, die Sonne scheint. Große Schwärme von Fliegenden Fischen springen vor und neben der Flora aus den Wellen und stieben in alle Richtungen davon. Manche gleiten 100 m weit, andere holen auf den Wellen mit der Schwanzflosse neuen Schwung, wieder andere brechen ihren Gleitflug urplötzlich ab und tauchen vorzeitig wieder ins Wasser. Sturmvögel und Boobies jagen ihnen nach, es ist ein toller Anblick. Stundenlang kann ich dieses Schauspiel genießen (und versuchen, einen kleinen Eindruck davon auch mit der Kamera festzuhalten).

Wir sind allerdings wieder im 2. Reff, zur Nacht war es eher der Vorsicht geschuldet, jetzt ist es schlichte Notwendigkeit. Wind und Wellen haben wieder zugenommen, wir haben jetzt konstant über 20 kn Wind. Unsere Kurslinie weist einmal mehr Knicke auf, statt direkt auf Hilo zuzulaufen. Der Grund dafür liegt in der Wettervorhersage. Wir werden demnach zum Ende hin noch einmal stärkere Böen bekommen. Nichts wirklich dramatisches, aber bis Windstärke 7 könnte es wohl gehen. Um es uns dann etwas „gemütlicher“ zu machen, fahren wir etwas höher am Wind, solange der Wind nicht ganz so stark ist und fallen dann etwas ab, wenn der Wind stärker wird. Für die Nichtsegler: Je nach Boot und sportlichem Ansatz der Skipper ist es natürlich unterschiedlich, aber für uns auf der Flora gilt: bei wenig Wind und Welle ist Segeln am Wind (Wind schräg von vorn) am angenehmsten, bei mehr Wind aber noch akzeptabler Welle darf er gern genau von der Seite kommen, bei viel Welle am besten Wind und Welle schräg von hinten.
Der über Satellit eingeholte Wetterbericht sagt uns, wie der Wind auf der restlichen Strecke vermutlich drehen wird und mit welcher Stärke er dann bläst. Das ist in sofern ganz spannend, als wir ja selbst noch nicht so genau wissen, wo wir in Abhängigkeit von Windstärke und -richtung in der nächsten Zeit genau sein werden, sondern genau dafür ja den Wetterbericht einholen. Aber die (guten) Wetterberichte rechnen das für uns ziemlich zuverlässig aus und zeigen es in der Karte als animiertes Schiff an. Dazu muss der Computer aber natürlich wissen, wie schnell das Schiff bei welchem Wind (Winkel und Stärke) sein wird. Diese Werte sind je nach Schiff unterschiedlich, sie können für die Flora aber in einer Tabelle oder Grafik (Polardiagramm) auf der Webseite von Hallberg-Rassy abgerufen werden. Man kann die Werte sowohl bei PredictWind als auch bei SeamanPro eingeben oder auf dort bereits hinterlegte Polardiagramme von Schiffstypen zurückgreifen. Weil die Polardiagra
mme der Hersteller natürliche von optimalen Bedingungen ausgehen (also z.B.: leeres Schiff, fast leere Tanks, keine Zusatzausrüstung, perfekt aufmerksamer Steuermann, neue Segel, ständiges Nachtrimmen) erreichen wir die Werte des Polardiagramms in der Praxis nicht. Wir haben daher die Voreinstellung für die kleinere aber ähnliche Hallberg-Rassy 40 übernommen und die Werte zusätzlich noch einmal um einen prozentualen Sicherheitsabschlag von 15% reduziert, damit passt es für uns ganz gut. Und so bekommen wir für den überschaubaren und damit auch einigermaßen sicher vorhersagbaren Rest unseres Törns einen guten Eindruck davon, wann wir wo welchen Wind haben werden. Bei PredictWind werden zudem verschiedene Vorhersagemodelle angezeigt, neben dem amerikanischen GFS-Modell das europäische ECMWF sowie die PredictWind eigenen Modelle PWG und PWE. Für den Rest des Törns sind alle ziemlich ähnlich (ein gutes Zeichen). Lediglich die Böen sind bei EMWCF (wie fast immer) stärker vorhergesagt, was nach unserer Erfahrung aber auch zutreffender ist.
Und das erklärt eben hoffentlich, warum wir bewusst einen gewissen Schlingerkurs fahren und nicht einfach den kürzesten Weg wählen.

Essen: Indisch, Matras-Linsen mit Hühnchen aus der Dose und Reis

Etmal 171 sm, bisher gesegelt gesamt 3.283, noch geschätzte 1.017 nach Hawaii

Passage nach Hawaii, Tag 19

Meilensteine

Heute nacht haben wir die 3.000 sm – Marke geknackt. Na klar, das längste, was wir bisher am Stück gesegelt haben, und der Törn ist ja noch lange nicht zu Ende.
Und wieder sind wir 15 Längengrade weiter nach Westen gekommen, schon zum dritten Mal auf dieser Passage stellen wir die Bordzeit um eine Stunde zurück. Ab jetzt sind wir 11 Stunden hinter der deutschen Zeit, wenn wir um 9.00 frühstücken, könnt Ihr in Deutschland die 20.00-Tagesschau sehen.
Last not least, schon zum dritten Mal seit Galapagos (und überhaupt erst zum dritten Mal mit der Flora) schaffen wir ein Etmal von 200 sm oder mehr, auch dieses Mal mit unterstützendem Strom, der allerdings deutlich schwächer ist als bei den beiden Malen zuvor.

Was aber das Schönste ist: die Sonne lässt sich wieder blicken und gleich sieht die Welt ganz anders aus. Der Wind kommt ein kleines bisschen achterlicher und lässt auch etwas nach. Wir sind wieder im ersten Reff statt im zweiten wie heute Nacht. Die Wellen schaukeln uns zwar immer noch ordentlich durch, aber wir haben uns wohl ein bisschen daran gewöhnt und können die Fahrt heute ganz gut genießen.

In den letzten stark bewölkten Tagen hat sich einmal mehr herauskristalliesiert, dass Floras Energie-Mix ganz gut gewählt ist. Unser Silentwind-Windgenerator gleicht bei diesen Bedingungen von um die 20 kn Wind den Energiehaushalt der Flora aus. Klar, die Solarpanele schwächeln, bringen aber auch bei diesem bewölkten Himmel noch einiges. Trotzdem: ohne den Windgenerator hätten wir den Dieselgenerator anwerfen müssen, so aber geht die Energiebilanz trotz der beiden Kühlschränke und dem bei den Wellen notwendigerweise sehr ordentlich beschäftigten elektrischen Autopiloten gut auf.

Bootsarbeit des Tages: Ausführliche Entsalzung des Cockpits einschließlich Cockpitpolster mit Süßwasser, immerhin kann die Sonne die Polster jetzt auch wieder trocknen. Schön, nicht mehr auf salzklammen Kissen zu liegen!

Essen: Bei den Wellen gerne noch mal Eintopf, dieses Mal: vietnamesische Reisnudel-Kokossuppe mit frischen Möhren und Weißkohl. Das Hantieren mit Messer und Gabel am Cockpittisch würde bei diesen Bedingungen wohl mindestens zwei Arme mehr erfordern.

Etmal: 200 sm in den letzten 24 Stunden plus 8 sm in der geschenkten Stunde durch die Zeitumstellung, 208 sm, gesamt gesegelt bisher 3112 sm, noch geschätzte 1.188 sm nach Hawaii.

Passage nach Hawaii, Tag 18

Dunkelgrau mit weißen Schaumkronen. So präsentiert sich die Südsee heute. Südsee? Wieso eigentlich Südsee? Wir sind doch inzwischen auf über 10 Grad nördlicher Breite, Hawaii liegt sogar am Wendekreis des Krebses, also dem nördlichen Ende der Tropen. Trotzdem wird es zur Südsee gezählt. Dafür gibt es zwei Gründe.
Zum einen wird „Südsee“ oft synonym verwendet mit Polynesien. Die Polynesier waren seefahrerisch aber ziemlich aktiv, das polynesische Dreieck spannt sich von Neuseeland (Aotearoa) hinüber zu der Osterinsel (Rapa Nui) und hinauf bis eben Hawaii, mit dem Zentrum Raiatea etwa 2.600 sm von allen diesen Eckpunkten entfernt. Es waren die Polynesier, die Hawaii besiedelten und so ist die ursprüngliche Hawaiianische Kultur eng mit der des übrigen Polynesien verknüpft. Südseekultur! Da freuen wir uns drauf. Die navigatorische Leistung mit den polynesischen Segel-Kanus derart ausgreifende Reisen gezielt durchführen zu können und zwischen diesen weit auseinanderliegenden Polen zu navigieren löst bis heute Erstaunen aus.
Der zweite Namensgrund ist profaner: der erste Europäer, der den heute Pazifik genannten Ozean erblickte (aber nicht befuhr) war der Spanier Vasco Nunez de Balboa. Auf der Suche nach Gold überquerte er den Istmus von Panama. Einmal mehr muss man sich vor Augen führen, dass Panama eher in Ost-West- als in Nord-Süd-Richtung verläuft. Balboas Blick in den weiten pazifischen Golf von Panama war nach Süden gerichtet, der weitere Verlauf der begrenzenden westlichen Küstenlinien der amerikanischen Kontinente für ihn noch nicht bekannt. Konsequenterweise benannte er den neuen Ozean „Mar del Sur“, also Südmeer oder eben „Südsee“.

Wie auch immer, Südseeidylle stellt sich heute bei uns nicht ein. Still und friedlich ist der Ozean auch nicht. Die See ist rau, es bläst im Moment mit ziemlich konstant über 20 kn (heute nacht war es zum Glück wenigstens etwas ruhiger) und es liegt eine dichte, konturlose Wolkendecke über uns. Die Wellen kommen weiterhin seitlich und decken die Flora immer wieder mit Gischt und Salznebel ein, ab und zu rauscht auch eine Wand festen Wassers über das Deck. Das zweite Reff ist wieder im Groß.

Essen: Tomaten-Nudel-Eintopf mit Paprika und Chorizo.

Etmal: 178 sm, gesamt gesegelt 2904, noch geschätzte 1.396 sm nach Hawaii.

Passage nach Hawaii, Tag 17

Am Nachmittag zeigt sich der Himmel grau in grau, kaum eine Kontur. Die See läuft weiterhin ziemlich durcheinander, wobei die größeren Wellen (mittlere Wellenhöhe ungefähr 2,5 m) die Flora alle 7 Sekunden hin und her rollen und die Dwarslöper immer wieder Fontänen an der Bordwand hochschießen lassen. Alles was man anfasst, auch im ansonsten trockenen vorderen Teil des Cockpits, zeigt die körnigen Spuren des getrockneten Salznebels.
Bewegungen an Bord sind anstrengend, die meiste Zeit sitzen oder liegen wir. Nur der morgendliche Rundgang (mehr ein Rund-Hangeln) an Deck zur Beseitigung der fliegenden Fische und der Kalmare ist eine Ausnahme. Wenn das so weitergeht wird es spannend sein zu sehen, ob wir uns auf Hawaii überhaupt noch aufrecht gehend fortbewegen können 😉
In der Nacht bricht die Wolkendecke etwas auf, ab und zu lassen sich sogar ein paar Sterne sehen. Und auch der Morgen zeigt sich freundlicher, ab 9.00 kommt sogar die Sonne durch, Wind und Welle kommen eine Spur achterlicher. Die Wellenhöhe bleibt gleich, aber die Wellen werden etwas weniger steil. Das Rollen des Bootes wird etwas gleichmäßiger, weniger abrupt. Kleine Dinge, die uns sehr freuen.
Um die Flora herum jagen Sturmvögel durch die Wellen, jedenfalls vermute ich, dass sie zu den Sturmvögeln gehören. Optisch irgendwo zwischen Möven und Albatrossen, nach meinem amerikanischer Vogelführer „Field guide to th Birds of North America“ scheint es sich um „Hawaiian Petrels“ zu handeln, die er unter den „Shearwaters“ abhandelt. Pelagische Vögel, die ihr Leben auf dem offenen Ozean verbringen und nur zur Brut an Land kommen. Aber auch Sturmtaucher und Boobies lassen sich ab und zu sehen.

Zwischendurch binden wir das zweite Reff ein, inzwischen haben wir wieder aufs erste Reff zurück gewechselt.

Essen: Rigatoni mit Artichokenherzen und rotem Pesto.

Etmal: 182 sm, gesamt gesegelt bisher 2.726 sm, noch geschätzte 1.574 sm nach Hawaii.

Passage nach Hawaii, Tag 16

Wellen-Tanz in den Mai

Im Laufe des Abends wird das Segeln zunehmend rau. Wolkentürme bauen sich auf, Wind und Wellen nehmen kräftig zu. Bevor es ganz dunkel wird reffen wir das Großsegel. Eine gute Entscheidung, auf unserem Halbwindkurs haben wir in der Nacht Böen bis zu 25 kn. Flora rauscht durch die Finsternis, es ist Neumond und die Sterne sind von den Wolken verdeckt. Dabei bockt sie in den chaotisch laufenden Wellen immer wieder kräftig, die Schiffsbewegungen sind schwer vorherzusagen, es wird anstrengend, sich unter Deck zu bewegen.
Wie um diesen Gegenpol zu dem zuletzt so ruhigen Segeln komplett zu machen, setzt in der zweiten Nachthälfte noch heftiges Wetterleuchten ein.
Das kommt nicht ganz überraschend, die Wettervorhersagen hatten für die nächsten beiden Tage einen sprunghaft auf einen deutlich über 1.000 J/kg erhöhten Cape-Wert ausgewiesen. Zum Glück bleibt es aber bei Blitzen in und zwischen den Wolken.
Die chaotische See hat sich am Morgen leider noch nicht beruhigt, auch jetzt gerade schaufelt der Bug Weißwasser an Deck und immer wieder explodieren querlaufende Wellen an der Bordwand und schießen senkrecht in die Höhe, wir sind froh über Floras gut geschütztes Mittelcockpit.

Essen: Pizzadilla Flora. Eins unserer Lieblingsgerichte, wenn es einfach und schnell sein soll. Tortillafladen, wie Pizza belegt, zusammengeklappt und in der Pfanne gebraten.

Etmal: 188 sm, gesamt gesegelt 2.544 sm, noch geschätzte 1.756 sm nach Hawaii.