Von Raroia nach Makemo

Wir segeln weiter nach Westen zu unserem nächsten Atoll. 78 Atolle gibt es im Tuamotu-Archipel, wenigstens ein paar davon wollen wir erkunden. Auf der Karte sieht es aus, als wäre dieser Bereich des Pazifiks voller Inseln, als lägen die Atolle dicht an dicht. Aber das täuscht gewaltig. Die Tuamotus sind die Inselgruppe mit der weltweit größten Ausdehnung, das Archipel erstreckt sich über 15 Längengrade und 10 Breitengrade, mithin auf mehr als 2.000 Kilometer. Die Entfernungen zwischen den für Yachten anlaufbaren Atollen sind daher größer als (von uns) erwartet.

Von Raroia bis nach Makemo sind es etwa 80 sm. Für eine solche Distanz würden wir normalerweise sehr früh auslaufen und dann (hoffentlich) kurz vor dem Dunkelwerden ankommen. In vielen Revieren funktioniert das, hier in den Tuamotus aber eher nicht. Die Crux liegt in den Pässen, den Ein- und Ausfahrten zu den Atollen. Ein- und Ausfahrt sollen wegen der starken Tidenströme idealerweise um Stillwasser herum erfolgen. Das gilt jetzt kurz nach Vollmond wegen der damit einher gehenden Springtide um so mehr. Außerdem verbieten sich für uns Fahrten im Atoll während der Dunkelheit, wir möchten mit einigermaßen hoch stehender Sonne eine Chance haben, die Bommies zu erkennen. Allerdings sind die Tage hier in der Nähe des Äquators kurz. Jetzt im Spätherbst der Südhalbkugel liegen zwischen Sonnenaufgang (6.00) und Sonnenuntergang (17.11) nur gut 11 Stunden.

In Raroia schauen wir daher morgens erstmal Fußball-Europameisterschaft auf dem iPad (über Starlink und VPN, durch die 12 Stunden Zeitverschiebung laufen die Spiele bei uns morgens live) und frühstücken ausgiebig. Frische Waffeln im Cockpit; ein kleines Morgen-Fest.

Am Kon-Tiki Ankerplatz brechen wir gegen 11.00 Uhr auf, tasten uns um die Bommies herum durch die Lagune und fahren gegen 13.00 Uhr mit 1,5 kn Gegenstrom durch den Pass hinaus.

Draußen auf dem offenen Pazifik setzen wir bei zunächst sehr leichtem Wind Groß und unseren blauen Genacker, nehmen irgendwann das Groß weg und wechseln zum Sonnenuntergang auf den deutlich kleineren Code0.

Es ist super angenehmes Segeln. Trotzdem rollen wir um Mitternacht den Code0 ein und statt dessen die noch viel kleinere Fock aus, wir sind einfach zu schnell.

Später reffen wir auch noch die Fock und schleichen mit einem Handtuch-kleinen Rest Segel langsam über die zum Glück immer noch sehr ruhige See.

Um 6 Uhr morgens stehen wir 8 Meilen vor dem Pass ins Makemo-Atoll. Gegen 10 Uhr soll Stillwasser sein. Wir sind nicht allein, einige andere Yachten warten auf die Durchfahrt. Die erste probiert es um 7 Uhr. Sie kommt durch, aber wir sehen sie in der Einfahrt mehrmals seitlich “fahren”, das ist uns und den meisten anderen zu heikel. Um 8 hat es sich etwas beruhigt, zwei weitere Yachten fahren durch und berichten über Funk von anspruchsvollen, aber machbaren Strömungen. Wir warten noch, schauen über Starlink und VPN Fußball-Europameisterschaft und gehen erst gegen 9 Uhr durch, bei gut zwei Knoten Gegenstrom und keinem wesentlichen Versatz durch Querströmungen oder Whirlpools. Der Ankerplatz an der Mole vor dem Ort liegt gleich um die Ecke neben dem Pass, das ist bequem. Zumal der Ort recht gute Einkaufsmöglichkeiten bietet (wir ergattern sogar Tomaten, Gurken, Zucchini und Pak Choi).

Am Freitagabend gehen wir zur Fundraising-Veranstaltung auf dem Schulhof, selbstgemalte Plakate dafür hängen überall im Dorf. Die Grundschüler führen hier polynesische Tänze auf, die stolzen Eltern halten das auf ihren Handys fest. Der Eintritt ist frei, die Einnahmen aus den verkauften Getränken und Leckereien kommen der Schule zu Gute.

Es ist eine schöne Atmosphäre und ganz nebenbei ein Seglertreff, fast alle Segler vom Ankerplatz sind gekommen.

Sonntag in der Kirche – wieder mit polynesischen Gesängen, wenn auch für uns nicht ganz so stimmungsvoll wie zuletzt auf Tahuata in den Marquesas – treffen wir von den Seglern nur Judy und Todd von der “Galileo”. Und auch von den beiden verabschieden wir uns kurz danach, denn wir möchten im Makemo-Atoll noch andere Ankerplätze kennenlernen. Da aber ab nächsten Donnerstag sehr kräftige Ostwinde angesagt sind, die wir in einem besser geschützten Atoll abwettern wollen, bleibt uns dafür nicht mehr allzu viel Zeit.

Wir legen auf einem IPad auf dem Navionics-Satellitenbild eine Route um die vielen Korallenköpfe herum fest und kontrollieren sie mehrfach. Im Makemo-Atoll gibt es neben den großen, besser sichtbaren Bommies eine Vielzahl sehr kleiner und unauffälliger Korallenköpfe, die wir nur bei starkem Hereinzoomen erkennen. Die (TZ-)Karte auf dem Furuno-Plotter ist völlig nutzlos. Auf den 17 Meilen durch das Labyrinth zum nächsten Ankerplatz laufen daher auf dem anderen iPad die Satellitenbild-Navigation über SeaIQ und auf dem iPhone wird die Position im Bing-Satellitenbild kontrolliert. Hört sich nach technischem Overkill an, gibt uns aber zusätzliche Sicherheit. Zumal, wenn Wiebke im Ausguck am Bug wegen eines Squalls zwischendurch einfach gar nichts mehr erkennen kann:

Alles geht gut, aber es sind dann doch ein paar durchaus nervenaufreibende Stunden.

Am Ankerplatz angekommen kommt dann auch wieder die Sonne durch.

Wir Schnorcheln noch ein bisschen und genießen dann einen herrlich stillen Abend.

😊

Der erste Ankerplatz in der Sea of Cortez: Bahía Balandra

Kneif mich mal. Die Baja California überrascht uns immer wieder. So auch an unserem ersten Stop in der Sea of Cortez.

Was ist das denn für ein Ankerplatz? Mit diesen Farben und einer Kulisse vom Feinsten. Klares Wasser, traumhafter Sandstrand, eine Lagune mit Mangroven und die Gebirgskette unmittelbar dahinter.

Nur zwei andere Segler sind da, einer davon läuft aber kurz nach unserer Ankunft aus. Wir nutzen das und verholen Flora noch näher zum Strand.

Die innere Bucht ist landseitig per Straße zugänglich und bietet einen Kayak-Verleih. Allzu viel ist um diese Jahreszeit aber offenbar nicht los. Einige Tourboote laufen die Bucht an, bleiben aber meist nicht lange. Wir warten mit unserem Strandausflug bis kurz vor Sonnenuntergang. Da sind alle wieder weg, wir haben die zum Strand gewordene Sandbank zwischen innerer und äußerer Bucht ganz für uns allein.

Am nächsten Morgen ist von dieser Sandbank nichts mehr zu sehen. Hochwasser. Wir blassen unser Kayak auf und erkunden die innere Bucht und auch die Mangroven an der Lagune. Auch dort sind wir erstaunlicherweise wieder allein unterwegs.

Selbst den Platz an der Selfie-Attraktion dieser Bucht, dem pilzförmigen Felsen “El Hongo”, macht uns niemand streitig.

Und da der andere Ankerlieger früher aufbricht als wir, bekommen wir als Abschiedsgeschenk noch die Illusion, das Kleinod der Bahía Balandra ganz exklusiv genießen zu dürfen.

Küstenhüpfen in Kalifornien: über Santa Cruz nach Morro Bay

Wir schaffen es, dem schönen San Francisco auf Wiedersehen zu sagen. Die lauten Nebelhörner der Golden Gate Bridge geben uns ein Abschiedskonzert, aber außerhalb der Bucht verzieht sich die undurchsichtige Suppe. Wir können das Radar wieder auf Stand By schalten und haben eine schönen Segeltag. Auch noch den Großteil der Nacht hindurch bleibt uns der achterliche Wind erhalten, erst um 5 Uhr rollen wir die Segel ein und starten den Motor. Da ist es schon gar nicht mehr weit bis zum Ankerplatz vor Santa Cruz.

Allerdings: der Kettenzähler unserer Ankerwinsch streikt. Er hat schon beim Aufholen in der Horseshoe Bay nicht angezeigt und sich auf der Strecke leider nicht selbst repariert. Ein wenig Recherche ergibt, dass in der ausgetauschten Kettennuss ein Magnet enthalten war, mit dem der Zähler arbeitet. Wir untersuchen die alte Kettennuss, finden den Magneten, aber der lässt sich nicht ausbauen. Egal, um die Länge der ausgebrachten Ankerkette einigermaßen abschätzbar zu machen, müssen wir die Kette im Abstand von 10 Metern markieren. Das wäre auch bei funktionierendem Kettenzähler ein gutes Backup. Am zweiten Tag gehen wir daher in den Hafen von Santa Cruz, tanken, und ziehen dann die Ankerkette auf den Steg.

Hm, zwei nicht so schöne Überraschungen warten.

Zum einen rauscht die Kette komplett aus. Das dürfte eigentlich nicht passieren, denn das Ende (the bitter end) der Kette ist mit einem Stück Leine im Ankerkasten befestigt. (Leine deswegen, damit man sie im Notfall einfacher kappen kann). Nur: der Edelstahlschäkel am Ende ist einfach durchgerostet. Hätten wir bei großer Wassertiefe versehentlich die Kette ganz ausgebracht, hätten wir jetzt Anker und Kette verloren.

😖

Mit etwas Überlegung ist die Ursache schnell klar. Im Ankerkasten steht oft ein Rest Salzwasser und der heizt sich auf. Normaler V4A-Edelstahl bildet in über 25 Grad warmem Salzwasser leicht Lochfraß, rostet also von innen her weg. Das ist ja auch der Grund, warum wir eine Cromox-Ankerkette haben.

Direkt anknoten möchten wir die Leine aber auch nicht, dafür ist der einlaminierte Beschlag im Ankerkasten zu scharfkantig. Bleibt nur, einen verzinkten Schäkel zu wählen oder den Schäkel öfter zu tauschen.

Die zweite unangenehme Überraschung ist das Aussehen des selten benutzten letzten Teils unserer 100 Meter Ankerkette. Zum Glück ist es kein Rost, sondern nur festsitzender brauner Algenschleim, aber das erfordert doch eine größere Aktion mit der Handbürste und viel Süßwasser.

Sehr nett dagegen: in Santa Cruz treffen wir Andreas, den Leiter des Trans-Ocean-Stützpunktes hier. Er versorgt uns mit guten Tips und wir verbringen einen schönen Abend zusammen.

Für uns folgt dann eine weitere Nachtfahrt: gut 120 sm sind es bis nach Morro Bay. Wieder wird es ein angenehmer Törn mit überwiegend gutem Wind, außerdem sehen wir mehrfach Wale und Delfine.

Morro Bay hat eine von Molen geschützte Einfahrt und bietet dann hinter der Nehrung ein großes Mooringfeld, wobei die meisten Anlegebojen privat sind. Es gibt dadurch nur wenig Platz zum Ankern in der Lagune; wo keine Moorings liegen ist es hier außerhalb des freizuhaltenden Fahrwassers meist zu flach.

Wir haben aber Glück und ergattern einen der nur drei bis vier Plätze am Steg des örtlichen Yachtclubs. Der ist – wie seine Mitglieder – ausgesprochen Cruiser-freundlich, wir fühlen uns sehr willkommen. Und wir lernen von den Clubmitgliedern, dass in den USA diverse Nebelhörner so installiert sind, dass wir sie bei Bedarf mit unserem UKW-Funkgerät einschalten können. Das Ganze nennt sich MRASS (Mariner Radio Activated Sound Signal). Drückt man auf dem Boot innerhalb von 10 Sekunden fünfmal auf Kanal 83A die Sendetaste, aktiviert zum Beispiel der nächstgelegene Leuchtturm für die nächsten 45 Minuten das Nebelhorn. Hört sich erst ein bisschen nach verspätetem Aprilscherz an, ist aber wahr. Und was das A hinter dem UKW-Kanal angeht: in den USA muss das Funkgerät auf die amerikanischen Kanäle umgestellt werden, was selbst beim Furuno-Menü ausnahmsweise mal ziemlich einfach geht. Die Küstenwache wickelt nach dem Anruf auf Kanal 16 den Funkverkehr (außer in Notfällen) regelmäßig auf Kanal 22A ab, der in der europäischen Standardeinstellung nicht erreichbar ist.

Wir leihen uns Fahrräder aus, radeln erst einmal an der Lagune entlang nach Süden. Im kleinen Museum of Natural History erfahren wir einiges über die Entstehung und Entwicklung der Lagune und der Nehrung. Wir lernen, dass der an einen Turban erinnernde Felsen namensgebenden für Morro Bay war. Inzwischen hat der Vulkanschlot aber längst nicht mehr seine ursprüngliche Kegelform und Größe, weil er (obwohl Heilge Stätte der First Nation) als Steinbruch für die Molen hier und in Nachbarhäfen benutzt wurde.

Auch über die Besonderheiten der Tierwelt erfahren wir einiges und können glücklicherweise manches davon gleich live erleben. Zwar finden wir in dem uns beschriebenen Eukalyptus-Hain noch nicht die erhofften Trauben von Monarchfaltern auf ihrer Wanderung nach Mexiko. Die Migration dieser Schmetterlinge scheint gerade erst hier anzukommen, nur vereinzelte Exemplare sehen wir hoch in den Bäumen.

Aber auf der Wanderung von der Straße hinauf zu den Eukalyptusbäumen macht uns die Vogelwelt viel Freude:

zuerst hüpft uns mit dem California Thrasher ein besonderer Sichelspötter über den Weg …

dann erspähen wir Schopfwachteln …

und schließlich noch einen Nuttal-Specht.

Allen diesen drei Arten ist gemeinsam, dass sie im Wesentlichen nur in Kalifornien vorkommen. Das gilt auch für die Nuttall Dachs-Ammer, die uns etwas später direkt am Moro Felsen begegnet:

Dachs-Ammer

Bis auf die Antarktis kommt dagegen der Wanderfalke sogar auf allen Kontinenten vor. Trotzdem schätzen wir uns glücklich, das zwischenzeitlich in Kalifornien fast ausgestorbene schnellste Lebewesen der Erde (er erreicht im Sturzflug bis zu 320 km/h) stillsitzend vor seinem Nistplatz hoch im Felsen betrachten zu können.

Hier (wie schon bei der Aufnahme des Monarchfalters) kommt das eingebaute optische 600er Teleobjektiv der in Kanada gebraucht gekauften Sony RX10 zum Einsatz, ich bin echt begeistert von meiner neuen spiegellosen Kamera.

Am langen Surfer-Strand nördlich des Felsens stelzt dann mit dem “Long Billed Curlew” auch noch die nordamerikanische Spielart des Brachvogels am Wellensaum entlang:

Überhaupt, es ist einfach wunderschön hier!

Der Ort Morro Bay ist suuuuper entspannt und entspannend. Und die Tierwelt setzt halt noch i-Tüpfelchen drauf.

Zum Beispiel mit dem Kalifornischen Ziesel, einem tagaktiven Erdhörnchen, näher mit dem Murmeltier verwandt als zum Beispiel mit dem Eichhörnchen.

Oder – für uns immer wieder toll – durch Begegnungen mit Seeottern. Ob einen Krebs mümmelnd direkt neben unserem Boot

oder in der Mutter-Kind-Gruppe im Seetang kurz vor der Dämmerung:

Da geht uns das Herz auf.

Malerisches BC

British Columbia verwöhnt uns weiter mit einigen richtig schönen, sonnigen Spätsommertagen. Fast immer sind wir das einzige Boot in der Ankerbucht. So auch in der Fancy Cove, obwohl sie recht nah an New Bella Bella liegt, der einzigen Ortschaft in diesem Abschnitt der Inside Passage südlich von Klemtu.

Am nächsten Tag ist es dann nur ein kleiner Hüpfer von 5 Meilen durch die Lama Passage und quer über den Fisher Channel bis zur Lagoon Bay. So können wir die Ankunft dort gut timen und darauf kommt es uns an. Wie der Name andeutet liegt hier eine größere Bucht, die nur über eine enge und flache Einfahrt zugänglich ist. Das bedeutet eben auch, dass das Wasser der gesamten Bucht bei Ebbe und Flut durch den Flaschenhals des schmalen Zu- und Abflusses muss und entsprechende Strömung aufweisen kann, also am besten um Stillwasser herum zu passieren ist. Die Codville Lagoon wartet zwar nicht mit dem Türkisblau auf, was man vielleicht mit Lagunen verbindet, wohl aber mit einem wunderschönen Ankerplatz auf für hiesige Verhältnisse flachen 15 Metern Wassertiefe in einer der vielen kleinen Buchten der Lagune. Der Clou: ein ausgeschilderter Wanderweg hier mitten in der Wildnis, der zu einem Süßwassersee oberhalb der Lagune führt. Einmal mehr leistet unser “Anchor Buddy” gute Dienste und zieht unser Dinghy nach dem An-Land-Gehen aus der Tidenzone heraus in das tiefere Wasser.

Der Trail führt herrlich über buchstäblich Stock und Stein durch den Regenwald. Zum ersten Mal kommen unsere noch in Alaska gekauften Teleskop-Wanderstöcke zum Einsatz (und bewähren sich). Der See überrascht dann mit einem langen hellen Sandstrand, für diese Gegend eigentlich völlig ungewöhnlich.

Unsere Segelfreunde Tereza und Jakub hatten uns berichtet, dass sie in dem See schwimmen waren. Etwas ungläubig haben wir vorsichtshalber unsere Badesachen eingepackt und – tatsächlich – die Temperatur in dem recht klaren, aber durch die Holzteile im Wasser und am Grund rotbraunen Wasser ist nach den sonnigen Tagen annehmbar, wir baden hier wirklich. Windstill und sonnig wie es ist, schließen wir noch einen ausgiebigen Strandspaziergang an. Barfuß im Sand hatten wir zuletzt länger nicht mehr.

Einiges an verwittertem Schwemmholz liegt hoch auf dem Sandstrand, darunter auch der massige Rest einer riesigen Zeder einschließlich Wurzelstumpf. Die Maserungen und Holzverläufe der Wurzel sind ein einziges die Phantasie anregendes Kunstwerk. Nach Wolkentieren im Passat und Eisskulpturen in Alaska finden wir jetzt hier im schon grau gewordenen Holz Figuren oder gar Abbildungen von Wasserstrudeln. Dann wieder scheint es, als könnten sich Edvard Munch oder Vincent van Gogh hier die Anregung für ihre Pinselführung abgeholt haben.

Die nächsten Tage wird wohl mal wieder eine Front durchziehen, das sonnige Wetter macht also dann Pause, aber bisher können wir uns echt nicht beklagen. Und bevor das Grau kommt, legt Mutter Natur mit der Abendsonne noch mal ordentlich Farbe auf:

Sint Maarten / Saint Martin

Haben Frankreich und das Königreich der Niederlande eine gemeinsame Landesgrenze? Ja, aber nicht in Europa, da liegt ja Belgien dazwischen. Hier in der Karibik aber schon, eben auf Saint Martin/Sint Maarten.

Schon die Frage ist ein bisschen fies gestellt, denn die Niederlande 🇳🇱 sind eben nicht gleichzusetzen mit dem Königreich der Niederlande, sondern tatsächlich nur eins der insgesamt vier autonomen Länder des Königreichs, neben Aruba, Curaçao und eben Sint Maarten. Andererseits gehören die Karibikinseln Saba, Sint Eustatius und Bonaire rechtlich zum Gebiet der Niederlande.

Witzigerweise haben wir hier auf der Insel deshalb eine Grenze nicht nur zwischen Frankreich und dem Königreich der Niederlande, sondern auch zwischen Frankreich (EU) und Sint Maarten (nicht EU). Meine deutsche Telefonkarte würde daher hier an unserem Ankerplatz in der Simpson Bay in Sint Maarten horrende Roaminggebühren auslösen (Ländergruppe 3, genau wie z.B. Vanuatu). Der französische Teil der Insel gehört dagegen zur Ländergruppe 1 und löst im EU-Roaming meiner deutschen SIM-Karte keine zusätzlichen Gebühren aus. Die Insel ist aber insgesamt so klein, dass wir hier am Ankerplatz Empfang von Sendemasten aus beiden Ländern haben. Die Lösung ist daher einfach: die automatische Netzauswahl im Handy ausstellen und einen französischen Anbieter manuell auswählen. 😁

Die Ankerbucht ist nicht unsere bisher schönste. Der internationale Flughafen liegt direkt nördlich, außerdem ist das Ufer gesäumt von eher gesichtslosen mehrstöckigen Hotelburgen, erst dahinter erheben sich die grünen Bergrücken. Das Wasser der Bucht ist aber erstaunlich klar und gegen den für die nächsten Tage angekündigten Nordschwell sollten wir hier gut geschützt sein.

Mit dem Dinghy fahren wir durch einen kleinen Kanal in die Lagune (Grand Etang/Simpsonbaylagune). Eine holländisch anmutende Klappbrücke überspannt die Einfahrt und erstaunlich große Superyachten können sie passieren.

Der Schein täuscht sogar noch. Etwa eineinhalb mal so breite Superyachten passen hindurch. Dann allerdings wird es wirklich eng, die seitlichen Begrenzungen weisen einige (sicher teure) Scharten auf und das Brückenwärterhäuschen wurde auch bereits wegrasiert. YouTube hat mehrere toll gemachte Videos über das Hineinfahren von Superyachten und auch spektakuläre Szenen zu bieten. Die Lagune bietet eine große Auswahl an Marinas, dazu Bojenplätze und auch freies Ankern. Allerdings war es während des letzten Lockdowns für einige Boote schwer, herauszukommen. Das lässt unseren Ankerplatz vor der Brücke dann doch wieder um einiges attraktiver erscheinen. 😉

Die Verschiedenartigkeit der beiden Länder auf der Insel stellen wir auf unserem Dinghyausflug auch in der Bebauung rund um die Lagune fest. Hohe Bebauung sehen wir nur auf der „holländischen“ Seite, dafür allerdings auch weniger Wracks. Die finden sich in erschütternder Anzahl (nicht nur, aber doch deutlich überwiegend) auf der französischen Seite. Und nicht alle stammen vom letzten Hurrikan, einzelne sind offensichtlich älter. Manches, was wie ein Wrack aussieht, ist dann tatsächlich doch noch bewohnt. Und ein Sprayer beweist schrägen Humor.

Auch die Häuser scheinen auf der französischen Seite nicht mit gleicher Kraftanstrengung (bis zu 95 % wurden durch Hurrikan Irma schwer beschädigt) wieder auf Vordermann gebracht zu werden. Selbst an der Marigot Bay sieht es direkt westlich des französischen Kananleingangs so aus:

Das gleiche Ufer nur wenig weiter östlich am Yachthafen allerdings so:

Wie sich überhaupt karibische Farbenfreude und Streetart, teuere Markengeschäfte, charmante Cafés und restaurierte Geschäftszeilen und verfallende Fassaden stetig im Straßenbild abwechseln.

Und natürlich nicht zu vergessen: Die Leguane finden sich ebenfalls direkt in der Stadt und an der Uferpromenade und wollen zum Teil (in jungen Jahren) in der Farbenpracht auch nicht zurückstecken.

Einsamer Strand

So sieht’s aus. Low Bay, an der Westseite von Barbuda. Zumindest in Corona-Zeiten kann es Mitte Dezember passieren, dass sich kein anderes Schiff hierher an den wunderbaren, steil aus dem türkisfarbenen Wasser aufsteigenden feinsandigen Strand südlich der Lagunenpassage verirrt. Im Frühjahr hatten wir hier nördlich des Durchbruchs geankert, aber die halbverfallene und langsam ins Wasser abrutschende Hotelruine dort schlägt doch ein bisschen auf die Stimmung.

Am 6. September 2017 zog der Kategorie-5-Hurrikan “Irma” mit etwa 300 km/h genau über Barbuda, zerstörte 95 Prozent der Gebäude. Zudem riss er hier ein Loch in die schmale Nehrung, die die Codrington Lagune bis dahin nach Westen hin abschloss. Sämtliche Einwohner der Insel wurden damals nach Antigua evakuiert, viele kamen erst Monate später zurück auf die Insel (wenn überhaupt, noch nach einem halben Jahr war es weniger als ein Drittel der ursprünglichen Bewohner).

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Hurrikan der flachen Lagune einen zusätzlichen Meerwasserzugang verschafft. Und wie bisher immer, wird sich wohl auch diese Lücke irgendwann wieder auf natürliche Weise schließen. Derzeit ist aber die Passage mit flach gehenden Fischerbooten oder Dinghys möglich. Allerdings steht häufig eine konfuse Welle über dem größten Teil des Eingangs, es sieht in der Enge trotz sonst eher ruhigem Wetter auch heute durchaus beeindruckend aus:

Wir beschränken uns da lieber darauf, mit den Paddelboards auf die sogar mit ein paar Palmen bestandene Landzunge zu fahren und den Strand der Halbinsel zu erkunden, die karibischen Farben und die Blicke hinüber zu unserer Flora auszukosten.

Am Abend kommt dann die Escape an den Ankerplatz, mit Annemarie und Volker verbringen wir wieder mal einen schönen Abend, diesmal auf der Flora.