Cinnamon Bay 2: Wald, Strand, Wasser

Es bleibt dabei, wir haben die Cinnamon Bay fast für uns allein. Der Campingplatz hinter den Palmen am Strand ist gesperrt, das dazugehörige Restaurant wurde ebenso wie das Infogebäude des Nationalparks offenbar beim letzten Hurrikan schwer beschädigt und sind nicht nutzbar.

Aber an beiden vorbei führt ein Weg zu den Ruinen der Cinnamon Sugar Plantantion. Denen statten wir einen Besuch ab und es lohnt sich. Ein kleiner, beschilderter Wanderpfad führt über das inzwischen völlig überwucherte Gelände der ehemaligen Zuckerfabrik und der mühsam von Sklaven in die Berghänge terrassierten Plantagen, deren Begrenzungsmauern längst abgerutscht und kaum mehr zu erkennen sind.

Der Wald hat sich mit ungeheurer Geschwindigkeit zurück geholt, was ihm einst so mühsam abgerungen wurde. Erst vor 50 Jahren wurden die Gebäude hier aufgegeben. Das verbaute Holz haben sich vermutlich spätestens nach dem nächsten Hurrikan schnell die Termiten geholt, deren zum Teil riesige Karton-Nester wir als dunkle Trauben in den Bäumen hängen sehen.

Andererseits, eigentlich gelten vor allem die bodennistenden Termitenarten als gebäudeschädigend. Hier im Wald sind die blinden Insekten (soweit es die Arbeiter betrifft, das Königspaar hat voll ausgebildete Facettenaugen) dagegen Nützlinge, da sie ausschließlich totes Holz fressen und ihre irgendwann herabfallenden verlassenen Nester sehr stickstoffreich und somit natürlicher Dünger für den sonst eher kargen karibischen Boden sind. Raubbau und Recycling liegen manchmal dicht beieinander, das zeigen auch die steinernen Reste der Gebäude.

Überall finden sich darin große Korallenbrocken, man kann nur hoffen dass sie nicht extra für den Bau aus einem Riff gebrochen wurden. Gebaut wurde die Plantage übrigens noch zu der Zeit, als diese Inseln zu DÄNEMARK 🇩🇰 gehörten. Ab 1666 gab es zunächst auf St Thomas und etwas später auch hier “Dänisch-Westindien” als dänische Kolonie von Dänemark-Norwegen. Erst 1917 wurden die Inseln von Dänemark an die USA verkauft, die hier im ersten Weltkrieg einen Flottenstützpunkt benötigten. Für uns als alte Ostseesegler interessant: der Import von Zucker und Roh-Rum (“Killdevil” genannt) von hier in die damals zu Dänemark gehörende Stadt Flensburg, wo er verschnitten und gelagert wurde. Über 200 Rum-Häuser soll es zur Blütezeit im 18. Jahrhundert in Flensburg gegeben haben, zwei gibt es noch heute und so bleibt die heute norddeutsche Stadt dem Rum verbunden (und wir mit ihr 😊).

Dänischer Friedhof im Wald oberhalb der alten Zuckerfabrik

Wir sind nicht allein hier. Weißwedelhirsche beäugen uns aus den Bäumen heraus, scheinen aber über unsere Anwesenheit weniger verdutzt als wir über ihre:

Jetzt beginnt der eigentliche Hike auf dem Cinnamon Bay Trail. Wobei, “Hike” kommt etwas dramatischer daher als es ist. Würde es auf den etwa eineinhalb Kilometern nicht rund 300 m nach oben gehen, es wäre einfach nur ein schöner Waldspaziergang mit tollen Ausblicken. Aber so ist es bei rund 30 Grad doch ganz schön anstrengend für unsere das nicht mehr gewohnten Beine.

Gut, der Wald sieht irgendwie anders aus als gewohnt. Fächerpalmen (Coccotrinax Alta) sind hier – wie schon in den Ruinen – weit verbreitet. Es sind die einzigen natürlicherweise hier einheimischen noch vorkommenden Palmen. Ihre breiten Blätter wurden früher zu Dächern der Hütten verarbeitet, sie wurden als Besen benutzt und z.B. zu Fischfallen geflochten.

Und noch eine zweite Pflanze kommt erstaunlich häufig vor. Mitten im Wald, an den unzugänglichsten Steilhängen wachsen Papayas. Wie uns Locals erzählen, hat die Verbreitung nach dem letzten Hurrikan deutlich zugenommen. Das finden vor allem die Vögel klasse, hier tut sich eine Perlaugen-Spottdrossel an der Frucht gütlich:

Wir kommen leider nicht dran (nächstes Mal sollten wir vielleicht einen Apfelpflücker mitbringen 😂). Aber die tollen Ausblicke des Wanderwegs können auch wir genießen:

Unten warten Flora und der Strand auf uns. Wer kann diesem Wasser schon widerstehen 😉. Also den gleichen Weg wieder runter, für heute reicht das auch.

Obwohl, eigentlich auch wieder nicht, denn zwar findet sich am Strand vom einem Leguan nur die verräterische Spur, aber beim Schnorcheln haben wir dann doch eine weitere tierische Begegnung.

Eine Meeresschildkröte (ich tippe auf Echte Karettschildkröte, kann sie aber nicht gut von der Unechten mit etwas dickerem Kopf und fünf statt vier Rippenschilden auseinanderhalten), jedenfalls immer wieder beeindruckend für uns.

Auf Wiedersehen, Martinique.

Wir haben ausklariert, kennen aber inzwischen einige erfahrene Antillen-Cruiser, die sich diese Prozedur regelmäßig sparen, jedenfalls solange sie nicht Saint Lucia oder TT (Trinidad und Tobago) bereisen. Ab und zu wird halt wieder in Martinique oder Guadeloupe ein- und ausklariert und dann kann es wieder weitergehen. Wir dagegen halten uns (jedenfalls bisher) an das formal vorgeschriebene Prozedere. Hier in St. Pierre ist es zudem simpel: in der Touristeninformation im Gebäude der alten Handelskammer direkt am Strand gibt’s einen Computer, man gibt die Daten selbst ein, druckt es aus, bekommt einen Stempel, das war’s.

Die alte Handelskammer, renoviert aber schon wieder mit Patina.

Wir machen noch eine Abschiedswanderung zur Rumdestillerie Depaz. Die Anfänge dieser Habitation reichen bis ins Jahr 1651 zurück. Und ein bisschen zurück versetzt fühlen wir uns auch auf der Wanderung dorthin. In St. Pierre geht es zunächst noch an den weniger oft besuchten Ruinen eder alten Fort-Kirche und der Heilanstalt vorbei.

Und hier, im ursprünglichen Herz des Ortes nahe des Flüsschens La Roxelane, laufen auch heute noch die Hennen mit ihren Küken auf der Straße und lange am Straßenrand abgestellte Schrottautos werden einfach von Blütenpracht überwuchert.

Aus St. Pierre heraus wandern wir über Feldwege weiter Richtung Destillerie. Es riecht wie im Sommer auf den Feldern in Niedersachsen, aber statt Weizen, Roggen und Gerste sehen wir links und rechts des ungeteerten Wirtschaftsweges Zuckerrohr, Zuckerrohr und Zuckerrohr.

Die Habitation Depaz liegt mit ihrem restaurierten Herrenhaus malerisch am Hang des Mont Pelée, dessen Ausbruch sie zwischenzeitlich auch völlig zerstörte.

Hier können wir uns die Produktionsanlagen anschauen (und natürlich probieren und kaufen 😊).

Auf dem Rückweg können wir ein weiteres Mal (wie schon am Herrenhaus Depaz) Kolibris beobachten und diesmal gelingt es mir auch, einen der kleinen hin und her schwirrenden Minivögel abzulichten. Anders als im botanischen Garten ist es ein nur bis zu 4 gr. leichter Antillenhaubenkolibri, dessen Federkleid hier wie paillettenbesetzt im Sonnenlicht leuchtet.

Weil wir uns wieder über Feldwege zurück zum Schiff bewegen und dabei naturgemäß etwas planlos unterwegs sind, laufen wir zudem noch beim “Centre de Descouverte des Sciences et de La Terre” vorbei. Trotz des völlig leeren Parkplatzes gehen wir zum Eingang, es ist tatsächlich offen und der (englische) Audioguide gibt uns einen wirklich interessanten Einblick in die Details und Hintergründe der vulkanischen Aktivität insbesondere des Mont Pelée und der Geschehnisse im Mai 1902.

Zum passenden Abschluss des schönen Tages hat Andrea auf der Easy-One am Abend zur Kürbissuppe geladen.

Heute haben wir jetzt aber doch den Haken aus dem Grund vor St. Pierre gezogen und segeln jetzt in Richtung Dominica.

Was ist grün und riecht nach Rum? Martinique!

Unser Ankerplatz in Fort de France liegt ja wunderbar zentral in der mit knapp 100.000 Einwohnern für hiesige Verhältnisse großen Stadt. Der Schwell der nah vorbeirauschenden Fähren ist intensiv, stört uns aber nicht sehr, denn immerhin fahren sie ja nachts nicht und tagsüber sind wir viel unterwegs. Erst haben wir die Stadt erkundet und jetzt – ja jetzt soll’s mal raus ins Grüne gehen.

Wir organisieren ein Auto. Sollte ja hier im wirtschaftlichen Zentrum der Insel nicht so schwer sein, aber: die Autovermieter haben ihre Filialen in der Stadt geschlossen, wir nehmen also den Bus raus zum Flughafen. Aber auch dort gibt’s bei den ersten beiden Vermietern lange Gesichter: kein Auto zu bekommen. Bei Budget werden wir schließlich doch noch fündig und so geht es erst mal los in den Süden. Wir fahren nach Marin, sehen unfassbar viele Ankerlieger in der Bucht und einen großen Hafen und – machen natürlich erst mal die örtlichen Schiffsausrüster unsicher. Irgendwas findet man ja immer, diesmal neben Kleinkram einen Ersatz für unsere völlig zerschlissene Sitztasche im Dinghy.

Dann geht es kurvenreich weiter durch den hügeligen und relativ dicht bebauten Süden Martiniques. Die Straße führt oft oben an den recht steilen Hügeln entlang, die Täler sind dort, wo sie nicht bebaut sind, zumeist intensiv landwirtschaftlich genutzt, ganz überwiegend mit Zuckerrohr- oder Bananenanbau.

Anders als auf den Kanaren finden sich hier keine Planen über den Plantagen, also alles grün von den Bergen bis zum Meeresufer, vor dem man noch hoch aus den Hügeln die Wellen weiß über den Martinique im Osten vorgelagerten Riffen brechen sehen kann.

Unser Ziel ist ist die Habitation Clément, eine der großen Rumdestillerien der Insel. Rum wird auf dem Gut weiter produziert, aber die historischen Gebäude und Maschinen sind nicht mehr in Funktion, sondern wurden restauriert und werden nun museal genutzt, wobei der Rundgang den von Zuckerrohrplantagen umgebenen großen Park mit seinen vielen Skulpturen und Kunstinstallationen einschließt.

Eine Allee mit Königspalmen, früher das Erkennungszeichen einer jeden Habitation.

Das Gutshaus und die Nebengebäude sind restauriert und exemplarisch für die Kreolische Gutsarchitektur.

Gelagert und gereift wird der Rum in einer modernen Halle noch immer auf dem Gutsgelände, was uns Besuchern nicht nur ein wunderschöner Anblick, sondern auch einen intensiven Rum-Geruch bietet.

In den halboffenen alten Maschinenhallen sind neben den teils restaurierten Gerätschaften auch Austellungen untergebracht, wechselnde zeitgenössische Kunst wird ebenso präsentiert wie großformatige Fotografien ehemaliger Arbeiter und Arbeiterinnen, bei denen auch Funktion und Tätigkeitszeitraum dazu angegeben sind.

So ergibt sich ein längerer und doch kurzweiliger Rundgang, der dann natürlich im Verkostungs- und Verkaufsraum endet 🤪. Wir halten uns bei beidem zurück – nur ein bisschen. Schließlich wollen wir, wo wir schon mal ein Auto haben, unsere Vorräte nicht nur mit Rum wieder aufstocken, auf der Rückfahrt zum Boot füllen wir im großen Carrefour unseren Kofferraum.

Nur um dann heute morgen gleich wieder mit dem Auto loszufahren, diesmal Richtung Norden. Erstes Ziel ist der botanische Garten „Jardin de Balata“. Neben insbesondere vielen Palmen- und Bromelienarten wartet der Garten noch mit ein paar weiteren Highlights auf.

„Botanisch betrachtet sind Palmen (z.B. wegen mangelnder Äste) keine Bäume sondern eher gigantisches Gras“ (Schild im Jardin de Balata)

Schon gleich am Eingang fallen viele wunderbar bunte frei im Garten herumfliegende Kolibris ins Auge, die sowohl an den Blüten als auch an aufgehängten Futterstellen naschen.

Es sind karibische Purpurkehlkolibris, hier noch mal im Gegenlicht weil ich die Flügelstruktur so herrlich finde:

Auf einer Bromelie entdeckt Wiebke zudem ein kleine grüne Echse, es könnte eine endemische Martinique-Anolis sein:

Wir sind begeistert, auch wenn wir für die als eigentliches Highlight angekündete Baumwipfelwanderung über Hängebrücken doch einige Zeit anstehen müssen. Aber das lohnt sich:

Danach bringt uns unser Mietwagen sogar noch höher hinauf und noch weiter ins Grün, denn wir umfahren die Pitons de Carbet (ja, nicht nur Saint Lucia hat Pitons 😉) östlich auf Gebirgsstraßen, die nun immer seltener an Siedlungen vorbeiführen, Regen- und Nebelwald macht sich breit. Kaum ein anderes Auto ist zu sehen.

Aber in einer Kurve steht plötzlich ein barfüßiger dunkel gekleideter Rasta neben einem halboffenen Kastenwagen und räumt Kokosnüsse herum. Wir halten an und sehen dann erst, dass neben seinem Parkplatz ein Pfad an einem Flüsschen entlang zu führen scheint. Es geht ein paar Stufen hinauf und in den Wald hinein. Zwar mit einigen etwas schlammigen Abschnitten aber die Baumwurzeln helfen meist darüber hinweg.

Auf eine Urwaldexpedition sind wir eigentlich nicht eingestellt, aber wir brauchen auch nicht ganz weit zu klettern, dann kommen wir am Flüsschen an einer tollen Badestelle an. Lassen wir uns natürlich nicht entgehen, obwohl mein T-Shirt hinterher als Handtuch herhalten muss, es ist einfach zu verlockend.

Als zusätzliche Belohnung gönnen wir uns nach der Rückkehr unten an der Straße beim Rasta eine frisch mit der Machete geöffnete Trinknuss.

Wenn man dann über die halbe Insel zurück zum Boot fährt, kommt man fast unweigerlich an einer weiteren Habitation vorbei, diesmal ist es die Rumdestillerie HSE, der wir einen Besuch abstatten. Sie ist weniger touristisch orientiert, hat aber einen schönen Probier- und Verkaufsraum mit supernetten Mitarbeitern und ein wenn auch auf andere Weise nicht minder malerisches Rumlager.

Bei den vielen örtlichen Destillen nimmt es nicht Wunder, dass die (jawohl, extra!) Rumabteilung im hiesigen (großen) Supermarkt zu beiden Seiten des Ganges so aussieht:

😁