Nabucco in Antigua

Seit heute um 20.00 Uhr gilt hier in Antigua der “24-Hour-curfew”, also die Rund-um-die Uhr-Ausgangssperre, zunächst mal für eine Woche. Vor dem Supermarkt hat das zu extrem langen Schlangen geführt, zumal ja auch nur eine begrenzte Anzahl an Kunden hineingelassen wurde. Mehrere Segelfreunde von uns haben jeweils vier Stunden (!) angestanden, um in den Supermarkt zu kommen. Wobei: er wird auch ab morgen (wenn auch mit eingeschränkten Öffnungszeiten) weiter zur Verfügung stehen. Die Regale sind gut gefüllt, Nachschubcontainer sind reichlich unterwegs, der Premierminister mahnt an die Vernunft jetzt nicht panikartig einzukaufen. Andererseits hat der Tourismusminister dazu aufgefordert, in der nächsten Woche nur absolut notwendige unaufschiebbare Einkäufe zu tätigen und ansonsten zu Hause (auf dem Boot) zu bleiben. Da wollte heute dann doch der ein oder andere noch vorsorgen.

Wir nicht, wir haben vorgestern frisch eingekauft und haben sowieso einiges an Vorräten. Noch etwas Frischware aufstocken wäre o.k. gewesen, aber dafür vier Stunden anstehen? Nö. Dann lieber noch einen schönen langen Spaziergang vor der Ausgangssperre. Wegen der klaren Luft heute können wir vom Berg (na ja, oder Hügel) Pearns Point aus tatsächlich Guadeloupe, Montserrat, Redonda, Nevis und sogar St. Kitts erspähen, auf der anderen Seite wandert der Blick über den mangrovengesäumten Salzsee hinweg auf Jolly Harbor und die den Ort umgebenden grünen Hügel.

Mal sehen, wie wir mit der Ausgangssperre zurechtkommen, dass es bei einer Woche bleibt glauben wir allerdings eher nicht. An Segeln ist wohl erst einmal etwas länger nicht zu denken. Wir sind trotzdem guter Dinge, pendeln mental aber allerdings manchmal zwischen einem fast freudigen “wie eine Atlantiküberquerung, nur mit weniger Geschaukel und nachts ruhig durchschlafen” und dem weniger guten Gefühl, eben doch irgendwie angebunden zu sein. Meist überwiegt die durchaus positive Erwartung der neuen Erfahrung dieser (wenn auch nicht selbstgewählten) “Auszeit in der Auszeit”.

Was Künstler aus einer erzwungenen Vereinzelung machen können, hat bei uns für eine Gänsehaut gesorgt, weshalb ich hier ausnahmsweise mal ein YouTube Video verlinken möchte. Wer keine Aversion gegen klassische Musik hat sollte sich das außergewöhnliche Kunstwerk des International Opera Choir aus Rom ansehen. Jedes Chormitglied hat den eigenen Beitrag mittels Smartphone aufgenommen. Die Aufnahmedateien wurden dann in einer bewunderswerten Montagetechnik zusammengeschnitten und.. das ist das Ergebnis! Und noch ein Hinweis, weil wir unterwegs auf unser Download-Volumen achten und Videos deshalb SEHR selten anklicken: das hier lohnt sich , uns hat es jedenfalls tief berührt.

Es ist ohne Zweifel kein Zufall, das sie dafür ausgerechnet Verdis “Nabuccu” gewählt haben, noch dazu den berühmte Gefangenenchor. Schön, das diese Oper auch noch gut ausgeht 😀. Für diejenigen, die – wie ich – kein italienisch können, hier der Text der ersten Strophe:

Flieg, Gedanke, getragen von Sehnsucht,
lass dich nieder in jenen Gefilden,
wo in Freiheit wir glücklich einst lebten,
wo die Heimat uns’rer Seele ist.

Ja, das ist ziemlich pathetisch, aber eben doch auch wunderschön.

Ein letzter gemeinsamer Sundowner am leeren Strand, noch erlaubt, mit Mareike, Andrea, Ingo und uns. Ein bisschen werden wir das wohl doch vermissen.

2 Gedanken zu „Nabucco in Antigua

  1. Tja, das ist – wie so vieles in der konkreten Ausgestaltung – nicht geregelt. Wir gehen davon aus, dass wir ums Boot herum schwimmen dürfen, solange wir nichts gegenteiliges hören betrachten wir das quasi als unseren kleinen Garten. Sport treiben (z.B. Jogging an Land) dürfte wohl verboten sein (no one on the Street, except for essential business), ob das auch für Standup-Paddling gilt ist unklar. Wir wollen möglichst nicht provozieren. Wird wohl noch dauern, bis klare Regeln für die Ausgangssperre erlassen werden.

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