Einsiedler

Dieses Bild geistert gemeinsam mit ein paar anderen maritim thematisierten Corona-Verhaltensregeln durch die sozialen Medien. Und in Zeiten von Ausgangssperre mag sich der ein oder andere vielleicht tatsächlich ein bisschen wie ein Einsiedlerkrebs vorkommen. Ganz besonders nahe liegt das Bild, wenn man als Segler sein Heim zwar nicht auf dem Rücken trägt, aber eben doch dauernd dabei hat.

Und ganz ehrlich, das empfinden wir gerade in dieser Zeit als ein riesengroßes Privileg. Gut, die Beweglichkeit ist immer noch eingeschränkt, aber wir dürfen mit unserem Heim den Ankerplatz wechseln und Antigua hat einige sehr schöne zu bieten.

Einsiedler oder Eremiten wollen wir deshalb aber trotzdem nicht werden, asketisch, bewusst ohne Ablenkungen und Reize. Im Gegenteil, soziale Kontakte sind uns wichtig und zum Glück können wir auch aus der Ferne die bestehenden weiter pflegen, durch diesen Blog und Eure Kommentare (über die wir uns riesig freuen) und durch andere soziale Medien; WhatsApp-Telefonie hilft uns ungemein. Auch wichtig für uns: neue soziale Kontakte am Ankerplatz entstehen, die UKW-Funkrunden in Jolly Harbour und ganz besonders auch zuletzt in der Carlisle Bay haben für ein tolles Gemeinschaftsgefühl gesorgt. Um so schöner, wenn wir dann bei Lockerung der Ausgangssperre Gesichter zu den Stimmen an der Funke zuordnen kann, am Strand noch maskiert 😷, von Dinghy zu Dinghy (oder Schiff) dann in voller Schönheit 😁. Wir haben es uns auch zur Gewohnheit gemacht, mit dem Dinghy bei unseren Nachbarn vorbeizufahren und uns vorzustellen, was meist gleich zu einem netten Gespräch führt. Der vor dem Lockdown übliche gemeinsame Sundowner fällt zwar aus, aber wer weiß, wann und wo wir den mal nachholen können, diese gemeinsam erlebte Sondersituation schweißt auch zusammen und bleibt ziemlich sicher in Erinnerung.

Und weil mir die “Trivia – unnützes Wissen” – Rätselrunden auf der Funke so gut gefallen haben: wusstet Ihr, dass wissenschaftlich die Familien der Diogenidae (linkshändige Einsiedlerkrebse) und der Paguridae (rechtshängige Einsiedlerkrebse) unterschieden wird?

Je nachdem, welches das größere Scherenbein ist, mit dem das geborgte Schneckengehäuse verschlossen wird. Den Unterschied kann man ganz gut auf der Zeichnung oben und dem Bild unten erkennen 😉.

Von fliegenden Chill-Kröten, sinnlosen Elektroschlangen und schwebenden Elefanten

Von der Carlisle Bay verabschieden wir uns heute nach nun auch schon wieder 1 1/2 Wochen. Gar nicht so einfach, die Gemeinschaft der vielleicht 15 Boote dort war einfach klasse, die launigen Funkrunden morgens und Abends (gestern Quizz Südafrika), der unfassbare Aufwand, den manche Bootscrews auf sich genommen haben um für alle Gemüse-, Fisch- oder Lobsterlieferungen zu organisieren und zu administrieren und die wunderbare Hilfsbereitschaft, der unfassbar humorvolle Wetterbericht von Rean (Top Secret) heute morgen …

… aber wir fahren ja nicht alleine weg. Gemeinsam mit Mareike (Moana) und Andrea & Ingo (Easy-One) verholen wir das kleine Stück hinüber nach Osten in den Naturhafen von Falmouth Harbour. Das Wasser ist hier nicht mehr ganz so klar, aber dafür gibt’s auch weniger Schwell. Vorgestern Nacht hatte Wiebke sich wegen des Rollens sogar dafür entschieden, ihre Seekoje im Durchgang zum Vorschiff zu reaktivieren und die zweite Nachthälfte dort zu schlafen, weil die Schiffsbewegungen doch ziemlich heftig waren.

Danach haben wir dann den Heckanker wieder ausgebracht, damit das Schiff nicht mehr quer zu den hereinrollenden Wellen liegt. Weil der Wind in der Folge eher von der Seite kam, gab es natürlich einigen Druck auf unsere beiden Anker, aber sie hielten super. Eher zu gut 😊, denn das Aufholen des Heckanker (ein 20 kg Bruce-Anker, der auf der HR 43 schon mit Heckankergeschirr angebracht war) gestaltet sich heute dann eher schwierig. Obwohl mit Tripleine und Ankerboje versehen, lässt er sich zunächst nicht ausbrechen. Dann eben mit dem Dinghy voll rückwärts. Nichts. O.k., rückwärts bringt unser Dinghymotor trotz 20 PS nicht allzu viel Kraft auf, aber bisher hatte das stets gereicht. Heute nicht. Ingo kommt dazu, taucht, dirigiert schnorchelnd, und gaaaanz langsam und mit einigem Hin und Her kriegen wir ihn los. Nächstes Mal würde ich wohl einen Hahnepot riggen um mit dem Dinghy vorwärts ziehen zu können. Zur Not hätten wir ihn sonst mit der Flora ausbrechen müssen. Wieder was gelernt.

Dann motoren wir die weniger als vier sm nach Falmouth. Muss auch nicht länger sein: Wind und Welle vierkant von vorn. Wir hüpfen an der ebenfalls Luftsprünge machenden Easy-One vorbei.

Fliegende Chill-Kröte am Bug

Aber jetzt liegen wir ruhig und super geschützt. Am Wochenende soll etwas kräftigerer Wind sein, danach flaut es ab und dann werden wir wir wohl wieder weiter ziehen zum etwas idyllischer gelegenen Green Island.

Erstmal aber noch etwas Bootsarbeit hier. Wir entfernen die schon länger nicht mehr genutzte “C-Pod”-Station hinter unserem Elektronikpanel. Sie hat uns als das Boot in Griechenland lag per Email oder Internetabruf darüber informiert, ob die Flora noch vor Ort liegt und ob die Batteriespannung unter einen kritischen Wert sinkt. Letzteres funktioniert seit der Umstellung auf Lithium ohnehin nicht mehr. Man könnte auch die Bilgepumpe aus der Ferne über sie schalten, aber so war sie nicht angeschlossen. Das vom Vorbesitzer eingegangene kostenpflichtige Abo hatten wir zuletzt nicht mehr verlängert. Gut, dann kann der Kram auch raus. Und mit ihm einige Kabel, denn der C-Pod hat eine eigene GPS-Antenne zur unabhängigen Positionsermittlung und ist direkt mit der Batterie verbunden. Bei der Gelegenheit (wir wühlen uns durch die Kabelschächte vom Kartentisch zur Batteriebank unter der Achterkoje) entfernen wir gleich auch noch ein übrig gebliebenes Ethernetkabel vom inzwischen ersetzten Solar-Regler. Und ich baue endlich einen Schalter ein, um das AIS bei Bedarf “stumm” schalten zu können, als nur zu empfangen, aber nicht die eigene Position zu senden. Test mit der Easy-One und der Moana: funktioniert.

So sollte das nicht aussehen! Tut es auch nicht mehr.

Die Verkabelung der Hallberg-Rassy-Rassy ist eigentlich vorbildlich, aber die nachträglich eingebauten Teile sind ziemlich gefrickelt. Der C-Pod ist jetzt rausgeflogen, der Fox-Solarladeregler schon bei der Lithium-Umstellung. Das Raymarine-AIS ist offenbar ebenfalls nachträglich eingebaut, da haben wir jetzt etwas Kabelsalat bereinigt und eben den Stumm-Schalter eingebaut. Hatten wir schon lange geplant, und die Covid-Zeit führt eben auch zur Verkürzung der To-Do-Listen 😉.

Und heute Abend: Frischer Thunfisch vom Fischer. Und zwischen Mond und Venus passt immer noch ein Elefant!

Ausgangssperre Tag 3

Es ist ruhig. Sehr ruhig. Angenehm ruhig (traue ich mich kaum zu schreiben, weil der Grund so schlimm und die Dauer so ungewiss und damit auch beunruhigend ist). Trotzdem: praktisch kein Bootsverkehr mehr, keine Flugzeuge über uns, kaum Dinghys, keine Jetskis, keine überfüllten Touristenkatamarane, die mit Vollgas durchs Ankerfeld zum Strand rauschen, kaum Autos auf den Straßen am Ufer.

Auch keine Besuche von oder bei anderen Booten. Wir sind auf uns selbst zurückgeworfen. Entschleunigung. Werden wir das ertragen oder können wir das sogar genießen? Wäre einfach, wenn es wirklich nur die bisher angesetzte Woche wäre, aber davon gehen wir nicht aus. Gleichwohl: ändern können wir es eh nicht, also lassen wir uns darauf ein. Wir haben Zeit (und wieder beunruhigt im Hinterkopf ein fernes „aber nur bis zum Beginn der Hurrikansaison“).

Ganz überwiegend schaffen wir es ganz gut, uns auf das Genießen einzulassen. Es gibt keinen Druck, kein „dass muss ich eben noch schnell erledigen, weil dann ja gleich …“. Selbst unsere Bootsprojekte gehen wir sutje (*1) an. Das Dinghy haben wir gesäubert und endlich (neben Logo und Florecita) auch mit dem offiziellen T/T SY Flora (*2) beschriftet, die verbogene Halterung für die umklappbaren Beibooträder gerichtet.

Ansonsten Brot gebacken, erstmals selbst an Bord Joghurt gemacht und …

… gepuzzelt. Ja, tatsächlich. Eike hatte uns bei seinem Besuch in Spanien ein 1.000-Teile-Puzzle mitgebracht. Innerlich hab ich den Kopf geschüttelt, obwohl er wohlweislich den sperrigen Karton zu Hause gelassen hatte. Wann und wo soll man auf einem schaukelnden Schiff ein 1.000-Teile-Puzzle machen? Landratte! Pah. Ich leiste Abbitte. Jetzt wissen wir, wann und wo. Der Salontisch ist belegt, begeistert puzzeln Wiebke und ich gemeinsam vor uns hin. Hatte fast vergessen, wie herrlich es als Kind war. Tausend Erfolserlebnisse und dazwischen …

Danke Eike!

Ein paar Details zur Ausgangssperre haben sich inzwischen geklärt. Wichtig für uns: wir dürfen schwimmen und sogar das SUP (*3) benutzen, nur eben nicht an den Strand fahren. Unser aufblasbares SUP sorgt für ein bisschen zusätzliche Bewegung neben dem Schwimmen und Schnorcheln am Boot, strengt beim Paddeln erstaunlich viele Muskeln an und erst recht beim Yoga, dass aber nur Wiebke auf dem schwankenden Ding mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad jetzt während der Ausgangssperre bisher täglich praktiziert.

Die Segler hier begegnen der Vereinzelung außerdem mit einigen Funkrunden auf UKW (*4), morgens um 9.00 gibts dort Wetterbericht, aktuelle Meldungen zum Covid-Stand auf Antigua und allem, was Segler hier betrifft, der eigentlich stets damit verbundene Flohmarkt ist allerdings derzeit mangels Kontaktmöglichkeiten einigermaßen mau. Zu um 9.30 haben wir dann (seit dem Lockdown) eine deutsche Funkrunde in Leben gerufen. Sie war heute morgen mit mindestens acht Booten ebenfalls gut besucht, zum Quatschen und wiederum Informationsaustausch. Nachmittags um 17.30 hat dann Merrill seine Show, er hat uns zum (funklichen) Sundowner geladen. Von ihm launig und humorvoll moderiert, berichten alle Teilnehmer (heute sicher 15+) über den von ihnen gerade verzehrten Sundowner und ihr heutiges Bootsprojekt (das kann z.B. die Suche nach dem fiesen Elektrowurm in der Bordelektronik oder auch nach dem besten Platz für die Hängematte sein). Anschließend hält Merrill noch ein kurzweiliges Quizz bereit und schwupp hat man das Gefühl, die isolierten Segler seien eben doch in einer Gemeinschaft vereint.

Und danach? Gibt noch einen weiteren Sundowner:

(*1) norddeutsch, etwa: langsam, bedächtig, ruhig

(*2) T/T steht für Tender to, also insgesamt international übliche Kennzeichnung für: Beiboot der Segelyacht Flora

(*3) SUP = Stand Up Paddelboard

(*4) UKW = Ultrakurzwelle, der Frequenzbereich in dem das Bordfunkgerät (selbst als Handfunke) sendet und empfängt.