Downwind zu den Harmony Islands und Fußballfelder auf dem Wasser

Irgendwann reißen wir uns doch von dem wunderschönen Prideaux Haven im Desolation Sound los. Wie so oft gibt die Wettervorhersage den Ausschlag: ein bewölkter Tag ohne Wind und dann Nordwestwind. Passt super, um uns Richtung Princess Luisa Inlet aufzumachen.

Erster Zwischenstopp ist der Ankerplatz bei den Copeland Islands. Vor der Malaspina-Halbinsel gelegen, bieten sie sozusagen das Sprungbrett für das Eintauchen in das Inselwirrwarr des Desolation Sounds. Oder in unserem Fall eben für die (hoffentlich nur vorläufige) Ausfahrt.

Am nächsten Tag ist die Sonne wieder da und mit ihr der angesagte Nordwestwind. So laufen wir vor dem durchaus frischen Wind die breite Malaspina Strait hinunter nach Südosten.

Vor uns erscheint auf unserem Kurs in der Entfernung eine braune Masse auf. Beim Näherkommen wird deutlich, es ist ein etwa Fußballfeld-großes Floß aus Baumstämmen. Gezogen von einem vergleichsweise kleinen Schlepper mit nur etwa eineinhalb Knoten Geschwindigkeit.

Ein kleines Stück später, da sind wir schon in das Jervis Inlet eingebogen, das auch der Schlepper im Namen führt, ein zweiter Schlepper mit einem ähnlichen Logging-Floß.

Der Fjord schneidet etwa 50 Seemeilen in das Landesinnere hinein. Eigentlich ist Saltery Bay kurz hinter dem Eingang des Fjords unser Tagesziel. Wir legen auch kurz am Public Dock an, aber kaum sind die Leinen fest, werfen wir sie auch schon wieder los. Trotz Vorsaison ist das Dock dicht belegt, aber entweder mit kleinen Angelbooten oder mit verlassen wirkenden Seglern. Dann doch lieber noch etwas weiter, es ist ja noch früher Nachmittag. Diese Entscheidung erweist sich als Glücksgriff, denn so landen wir für die Nacht im Hotham Sound, einem der vielen Nebenarme des großen Fjordes. Zunächst statten wir noch dem beeindruckenden Freil Lake Fall einen Besuch ab …

… und ankern dann nur ein kleines Stückchen weiter hinter der kleinen Inselgruppe der Harmony Islands.

Harmony Islands. Passend benannt. 😍

Sommertage im April in BC

Schon klar, Tropennächte sind damit nicht verbunden. Aber die letzten Tage haben uns in Prideaux Haven im Desolation Sound tatsächlich mit sommerlichem Wetter verwöhnt. Sind wir wirklich nicht mehr gewohnt. T-Shirt und kurze Hose auf Flora!

Wir nutzen das wunderbare Wetter für Dinghyausflüge und für ausgedehnte Hikes. Der Tidenhub und die mit scharfkantigen Austern bewachsenen Felsen machen es nötig, das Beiboot während unserer Abwesenheit vom Ufer weg zu halten. Unser „Anchor Buddy“ bewährt sich einmal mehr: das starke Gummiband in der Ankerleine zieht Florecita zuverlässig ins tiefe Wasser, obwohl wir landseitig wir an einer der Ketten (stern tie pin) festgemacht haben.

Es gibt mehrere gekennzeichnete Trampelpfade durch den Wald und sie führen buchstäblich über Stock und Stein. Besonders der Hike zum Unwin Lake hat es in sich, über mehrere Bergrücken hinweg geht es fast nur steil bergauf und bergab, dazwischen abgesehen von der sumpfigen Niederung am See kaum einmal ein paar Meter in der Ebene zum Luftschnappen. Insgesamt sind es eigentlich nur 7 km aber trotzdem sind wir rechtschaffen fertig und ordentlich durchgeschwitzt, als wir wieder am Dinghy ankommen. Was für eine herrliche Wanderung.

Etwas einfacher ist der Hike am nächsten Tag, er führt über die Halbinsel, die unseren Ankerplatz von der südlicher gelegenen Melanie Cove trennt.

Wie schon am Vortag gibt es auch hier ein paar ganz besondere Naturerlebnisse. Wieder sehen wir eine Schlange, wie am Vortag ist es eine Puget Sound Garter Snake, eine farbenprächtig grün-gelbe Unterform der Strumpfbandnatter.

Sie ist eine der wenigen lebendgebärenden Schlangenarten und gehört zwar zu den Giftschlangen, aber ein Biss der eher scheuen, nur gut daumendicken Reptilien ist für den Menschen normalerweise ungefährlich, löst allenfalls Jucken, Hautreizung und Schwellungen aus.

Wir hören gelegentlich die Rufe wilder Truthähne und vor allem häufig flötende Vogel-Stimmen, aber es dauert eine ganze Zeit, bis wir einen der Urheber zu sehen bekommen. Es ist eine Wanderdrossel (American Robin). Ein ganzes Stück fliegt sie von Ast zu Ast vor uns her, bis sie uns endlich auch einen Blick auf ihre rötliches Brustgefieder erhaschen lässt.

Auch rötlich: die Rinde des Amerikanischen Erdbeerbaums (sic!), hier Madrone genannt. Er ist einer der wenigen Laubbäume in diesen von Nadelbäumen geprägten Regenwäldern. Mit seinen ledrigen Blättern zählt er zu den immergrünen Gewächsen, aber die farbenfrohe Rinde scheint diese Einordnung verhöhnen zu wollen:

Vor allem aber: was für ein Wald, was für eine traumhafte Landschaft!

Die Natur ist von Beruf Künstler!

Totempfähle? Steinmetz-Arbeiten an einem Indiana Jones Tempel? Rätselhafte Fels-Skulpturen vergessener Kulturen?

Quatsch! Unsere Phantasie schlägt Purzelbäume, aber es sind natürlich nur um 90 Grad gedrehte Spiegelungen der Felsen an der Wasserlinie hier am Ankerplatz in Prideaux Haven. Trotzdem, von mystischen Schlangen bis zu Vogelmenschen oder Katzenköpfen bis hin zu Comic-Figuren lässt sich für uns alles darin erkennen. Nach den Wolken-Tierchen auf der Atlantiküberquerung und den Eisskulpturen in Alaskas Glacier Bay sind jetzt also mal die Felsen dran für kurzweilige Spielchen mit der Vorstellungskraft.

Und weil es hier so schön ist, bleiben wir noch ein bisschen und spielen weiter.

Auf Wolke Neun

Whistler, benannt nach dem charakteristischen Pfeifen der Murmeltiere, ist eines der bekanntesten großen Skigebiete Nordamerikas. Die “Schnee-Disziplinen” der Olympischen Winterspiele 2010 von Vancouver fanden hier statt. Wir nutzen die Gelegenheit, hier zum wahrscheinlich für längere Zeit letzten Mal Ski zu fahren und diese an Skiorten für uns so reichhaltige Wintersaison abzuschließen.

Es wird ein überaus würdiges Finale. Die Schneeverhältnisse sind klasse, die wohl besten, in denen wir bisher unterwegs waren. Oder vielleicht sollte man sagen: himmlisch. Die Pisten sind jedenfalls schon mal entsprechend bezeichnet. Blaue Abfahrten entsprechen übrigens in etwa den europäischen Roten, die einfacheren sind hier in Nordamerika Grün. Schwarz bleibt Schwarz 😉.

Das Skigebiet erstreckt sich über mehrere Berge. Die beiden gegenüberliegenden Spitzen von Blackcomb und Whistler sind dabei auf 4,4 Kilometer Luftlinie durch die spektakuläre „Peak 2 Peak Gondola“ mit nur 36 m Höhenunterschied verbunden. Dabei gibt es auf jeder Seite nur zwei Seilbahnstützen, dazwischen erstreckt sich ein freie Spannweite von über 3 Kilometern. In dieser Disziplin wird sie weltweit nur von der Seilbahn Zugspitze knapp übertroffen, die aber schräg den Berg hinauf führt.

Auf der Fahrt mit der Peak 2 Peak schwebt die Gondel zwischendurch über 400 m hoch über dem durch das Tal fließenden Fitzsimmons Creek, es ist ein wirklich beeindruckender Ritt.

Wir genießen jede Minute unseres Skisaisonabschlusses, das schließt auch ein zünftiges Aprés Ski in Whistler ein 😚

Auf dem Weg zurück zur Fähre nach Vancouver Island fahren wir am nächsten Tag die wunderschöne Strecke am Squamish Harbour Fjord entlang und statten unseren tschechischen Segelfreunden Tereza und Jakub noch einen Besuch ab, deren KateMarie derzeit in Horseshoe Bay an Land steht.

Und das soll es dann jetzt vorerst mal mit Landreisen gewesen sein, noch ein paar Arbeiten an Flora und dann wollen wir British Columbia per Boot weiter erkunden.

⛵️

Auf ins Okanagan Valley

Die Tage mit unserem Patenkind Jasper vergehen schnell, schon am Samstag bringen wir ihn zurück nach Saltspring Island zu seinen Gasteltern.

Es ist auffällig, das die Natur hier im Süden von Vancouver Island und den vorgelagerten Gulf Islands doch schon weiter ist als bei uns 260 km weiter oben in Campbell River. Auf Saltspring Island hat der Frühling Einzug gehalten:

Früh am Sonntag morgen fahren wir weiter, mit der Fähre geht es hinüber nach Vancouver aufs Festland. Ist es auf der Überfahrt noch schön, zeigt sich doch in Vancouver sprichwörtliches Aprilwetter. Ein ordentlicher Schneeschauer, wieder Sonne, dann Hagel und schließlich Regen. Aber eine gute Nachricht gibt es auch, der am Vortag noch wegen Schneechaos geschlossene Coquihalla-Pass (1244 m ü. NN) auf dem Highway 5 ist wieder befahrbar und sogar der mit etw 1700 m deutlich höhere anschließende Weg auf der 3 nach Kelowna ist offen. Dann kommen wir ja doch noch in Okanagan Valley!

Und nicht nur die Bewölkung ändert sich dort, sondern gleich das ganze Klima. Der Küstenbereich von British Columbia ist durch humides Klima geprägt, viele Niederschläge formen dort den Regenwald. Das in Nord-Süd-Richtung verlaufende Okanagantal aber ist durch die Gebirgszüge abgeschottet und weist von Nord nach Süd zunehmend arides (also trockenes) Klima auf. Im Süden des 175 km langen Tales ist es fast wüstenartig. Der Hauptort Kelowna liegt etwa in der Mitte des Tales am Ufer des lang gestreckten Okanagan Sees.

Wir übernachten in Kelowna, finden ein nettes und günstiges Motel mitten in der Stadt.

Sehr bunt, innen wie außen.

Und wir essen abends sehr lecker in einer Weinbar um die Ecke, schließlich sind wir in einem Weinanbaugebiet! Wirklich wahr, im Okanagan werden in zunehmend großem Stil Reben angebaut, sie verdrängen inzwischen teilweise die bereits vorher hier angebauten Obstsorten (neben Äpfeln, Birnen und Pflaumen auch Kirschen, Aprikosen und Pfirsiche).

Für die Obstblüte ist es hier aber noch zu früh. So genießen wir auf der Fahrt einfach die liebliche Landschaft. Wir wissen wohl, das wird heute nicht so bleiben. Denn nach dem mild warmen Okanagan geht es für uns hinauf in die Berge, nach Nordwesten in Richtung Whistler.

Einmal mehr verändert sich die Landschaft, wird karg, schroff und eisig.

Aber morgen soll uns auch wieder die Sonne scheinen, dann können wir hoffentlich auch im Ausrichtungsort der Olympischen Winterspiele von 2010 ordentlich Ski fahren.

Tofino: Wirklich „cool“ (nicht nur) für Surfer

Ein kleiner und ein bisschen verborgener Schmuckstein auf Vancouver Island ist das Örtchen Tofino. Auf der langgestreckten Insel gibt es nur eine durchgehende Straßenverbindung von Süd nach Nord, etwa 500 km lang. Sie verläuft auf der Canada 1 von Victoria bis Nanaimo (dort biegt die Canada 1 auf die Fähre ab und führt auf dem Festland bei Vancouver weiter). Von Nanaimo bis Port Hardy im Norden von Vancouver Island läuft dann der Highway BC 19. Fast die gesamte Strecke führt dicht an der etwas flacheren und von weniger Fjorden durchzogenen Ostküste entlang. Auf der gesamten Insellänge gibt es nur eine einzige gut ausgebaute Stichstraße, die ganz hinüber an die andere Seite führt, nämlich zum ungefähr in der Mitte der wild zerklüfteten Westküste gelegen Tofino.

Auf Google Maps sieht das so aus (Karte nicht eingenordet):

Auf dem Weg dorthin, immerhin etwa 3,5 Stunden Fahrt, machen wir im MacMillan Park halt. Der ist auch bekannt als “Cathedral Grove” (übersetzt etwa Kathedralen-Hain). Auch wenn auf der bisherigen Strecke dies hier das wohl häufigste Schild war:

Im MacMillan Park stehen tatsächlich noch diverse über 800 Jahre alte Douglasien (Douglas Fir), umgeben von “nur” 350 Jahre alten Exemplaren. Manches Mal nutzen jüngere Bäume die abgebrochenen Stumpen ihrer Ahnen gar als Steighilfe und Nahrungslieferant. Wanderpfade, an den feuchteren Stellen überwiegend in Form von (auch die Wurzeln schonenden) Bohlenwegen führen durch den dicht bemoosten Wald. Und die zumeist gerade gewachsenen imposanten Bäume, deren Äste bei den „erwachsenen“ Exemplaren erst in großer Höhe beginnen, erinnern tatsächlich an die Säulen einer Kathedrale (oder ist es umgekehrt?). Tatsächlich können Douglasien die Höhe der berühmten Redwoods Küstenmammutbäume erreichen, sind aber schlanker.

Dann aber weiter auf der Straße, über den Pass nach Port Alberni. Hier mündet der Somass River in den 40 Kilometer langen Pazifik-Fjord des Alberni Inlet. Darüber liegt dichter Nebel, aber als wir den nächsten Pass Richtung Tofino erklimmen setzt sich wieder die Sonne durch. Blauer Himmel bis zum Zielort, herrlich. Und wer hätte das gedacht: Tofino bietet ein GANZJÄHRIGES SURFREVIER, wenn auch nur für die etwas abgehärteteren Wellenreiter. Derzeit liegt die Wassertemperatur knapp unter 8 Grad Celsius, aber im Hochsommer werden es manchmal fast 13 (dreizehn) Grad! Kurz vor dem Ort gibt es am Pazifik eine Reihe von Sandstränden. Da ist durchaus einiges los. Strandspaziergänger vor allem, aber auch wirklich Surfer.

Auch wenn die Wellen heute eher anfängerfreundlich sind, die Temperaturen sind es eher nicht.

Der 2.000-Seelen Ort Tofino kann zur Hauptsaison auf das fünffache anwachsen, ist aber surfertypisch relaxt und nicht einmal allzu touristisch, bietet zudem neben den auch jetzt geöffneten Surfschulen (bin ich froh, dass ich das in Hawaii am Waikiki Beach gemacht habe) nette Gimmiks wie etwa die phantasievoll gestalteten Zebrastreifen.

Und Tofino wartet mit indigener Kunst, wundervolle Ausblicken zu schneebedeckten Bergen und trotzdem sogar mit Palmen in den Gärten auf.

Für uns ist das Highlight in Tofino allerdings eine weitere Wanderung durch den Regenwald, diesmal auf dem Tonquin Trail gleich am Ortsausgang. Der Hike führt zu mehreren nur über den Trail oder vom Wasser her erreichbaren Stränden.

Obwohl zumeist durch Sekundärwald führend, gibt es doch auch einige Baumriesen mit „Bärenhöhlen“ unter ihren Wurzeln …

… und eben auch sonst wunderbare Naturerlebnisse.

Meer und Ski auf Vancouver Island

Von unserem Liegeplatz aus können wir schneebedeckte Berge um uns herum sehen. Da ist die Verlockung natürlich groß. Um so mehr, als es tatsächlich hier auf Vancouver Island ein Skigebiet gibt. Der knapp 1.600 m hohe Mount Washington ist nur eine knappe Stunde Fahrtzeit entfernt und wartet mit 5 Liften und etwa 50 Abfahrten aller Schwierigkeitsgrade auf. Das Wetter passt, na denn mal los.

Vorher aber auf dem Weg noch einen kleinen Umweg über Comox gemacht. Nahe am Fuß des Mount Washington gelegen, zeigt sich hier die Nähe von (Pazifik-) Hafen und Bergen um so deutlicher. Aber das ist gar nicht der Grund unseres Umwegs.

Vielmehr hat uns Lynn vom Räumungsverkauf des dortigen (sehr guten) Woll-Geschäftes berichtet. Das wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen und tatsächlich können wir auch hier nicht widerstehen. Unser Vorrat wird abermals aufgestockt, die nächsten Monate werden wir sicher genug zu stricken haben. Auf unserem Salontisch gestapelt, sehen die Garn-Vorräte jetzt so aus:

Scheint ein bisschen, als wollten wir einen eigenen Woll-Laden aufmachen, aber die Knäuel sind (fast) alle schon Projekten zugeordnet, ein paar gerade aktive sind ja auch dabei …

Dann aber erst mal weiter ins Skigebiet. Wir kurven die Serpentinen hinauf, leihen uns die Ausrüstung und los gehts. Die Bedenken, dass es aktuell wegen „Spring Break“ etwas voll sein könnte, bewahrheiten sich zum Glück absolut nicht.

Wie herrlich, zwischendurch sind wunderbare Ausblicke auf den Pazifik möglich. Hier zum Beispiel in Richtung Nanaimo:

Oder hier, nach einem tollen Skitag schon auf der Rückfahrt, Richtung Campbell River mit der Gebirgskette am Festland von British Columbia im Hintergrund:

Und zack, 45 Minuten später schon wieder zu Hause auf der Flora im Hafen von Campbell River.

(Blick Richtung Seymour Narrows, Flora ganz unten rechts)

Back Home. Zurück auf der Flora.

Und, wie fühlt es sich an, nach gut 20.000 km (!!!, was für ein wunderbarer Roadtrip zweimal quer durch die USA) im Auto wieder auf Flora zu sein?

Gut 😊. Sehr gut 😃 😀.

Über vier Monate haben wir unser Boot allein gelassen. Und das auch noch in Kanada, im Winter, im Wasser. Der relativ warme und salzige Pazifik sorgt aber dafür, dass die Häfen, sofern sie nicht gerade von Frischwasser aus einem Fluss durchflossen werden, praktisch eisfrei bleiben. Na ja, und „allein“ stimmt eigentlich nicht. Zum einen, weil der Sportboothafen hier in Campbell River auch im Winter gut belegt ist. So gut sogar, dass wir keine Box bekommen konnten, sondern längsseits auf der Südseite des F-Steges liegen. Trotz der hohen Molen führt das dazu, dass Flora bei den im Winter häufigen kräftigen Südostwinden kräftig auf den Steg gedrückt wird. Also haben wir sie extra gut abgefendert und – der zweite Grund warum Flora nicht wirklich allein war – Lynn und Wulf gebeten, ein Auge auf unser Boot zu haben. Was heißt gebeten, eigentlich haben die beiden es uns sogar angeboten. (Wie wir die beiden kennengelernt haben und welche Gastfreundschaft sie uns schon im Herbst haben zukommen lassen: hier und hier und hier.)

Der Bewuchs am Unterwasserschiff (Coppercoat) hält sich in sehr engen Grenzen, obwohl Flora ja nicht bewegt wurde. Lediglich ein paar Fussel, keine Seepocken.

Und auch sonst macht Flora von außen einen guten Eindruck. Die dauerhaft aufgebaute Kuchenbude hat an den Spi-Winschen zwei kleine Scheuerstellen, sonst ist augenscheinlich alles in Ordnung. Und drinnen?

Die Winterlieger hier im Hafen (also auch wir) zahlen neben den Hafengebühren einen Pauschalbetrag für Elektrizität und haben dafür in den Booten kleine Elektroheizungen auf Frostwächterstufe laufen. Oder, wenn sie an Bord sind, auch auf höherer Stufe. Wulf hat in unserer Abwesenheit zigmal gecheckt, ob alles in Ordnung ist, sogar eine weitere Heizung ins Boot gestellt und dafür ein dickeres Zuleitungskabel gelegt. Außerdem immer mal wieder den Motor gestartet und einige Zeit laufen lassen. Und so finden wir Flora bei unserer Ankunft in einem richtig guten Zustand vor. Kein Schimmel, kein muffiger Geruch.

Was für eine Riesen-Erleichterung! Danke, Lynn und Wulf.

Unser Zuhause riecht und fühlt sich an, als wären wir gar nicht lange weg gewesen. Und das, obwohl wir auf einen elektrischen Luftentfeuchter verzichtet hatten. Nur mehrere „DampRid“ hatten wir in die Schränke gehängt. Das sind Luftentfeuchter, die über katzenstreu-ähnliche Körner die Feuchtigkeit aufnehmen und in Plastikbeuteln sammeln. Sie waren bei unserer Rückkehr überwiegend etwa zur Hälfte gefüllt. Funktion erfüllt.

Und was machen wir jetzt hier?

Erstmal ankommen, Vorräte aufstocken, neben Lynn und Wulf Freunde auch von der „Pitou“ und der „Fidelis“ treffen. Die mitgebrachten Ersatzteile einbauen.

Also zum Beispiel die am Schaft tropfende Seewasserpumpe des Dieselgenerators ausbauen und dann gemeinsam mit Wulf in dessen umfangreich ausgestatteter Werkstatt komplett auseinander nehmen, ein Lager und zwei Dichtungen tauschen und alles wieder zusammenbauen (den Impeller natürlich auch noch wechseln).

Wulf schenkt mir sogar noch eine Sprengringzange (oops, der Sprengring hat es gar nicht aufs Bild geschafft). Wir sind bisher leichtfertigerweise ohne unterwegs gewesen, aber diese Reparatur ging deutlich besser mit.

😎

Und dann auf dem Bauch über dem Motorblock liegend die Seewasserpumpe wieder in den Generator einbauen. Zwei Muttern lassen sich leicht sichern, eine sitzt an einer schwer zugänglichen Stelle, die vierte muss man „blind“ einsetzen und hat etwa einen halben Zentimeter Platz für die Bewegung des Schraubenschlüssels. War natürlich beim Ausbau auch schon so, aber da ging‘s trotzdem leichter. Gibts eigentlich ein Technik-Gesetz, dass das bei Arbeiten im Motorraum so sein muss?

Aber: Erfolgsmeldung. Der Dieselgenerator funktioniert und die Seewasserpumpe tropft nicht mehr.

Die nächste Operation dann am Wassermacher, die Durchflussanzeige muss ersetzt werden. Auch dass ein kleines Spezialteil, dass wir uns nach Deutschland hatten schicken lassen. Hier klappt der Einbau unproblematisch, allerdings wird der Test erst erfolgen, wenn wir wieder unterwegs sind. Hafenwasser mögen die Membranen nicht gern.

Wir räumen unsere Sachen wieder ein, stauen ein bisschen um und schaffen dabei auch Platz für die aus Deutschland mitgebrachte Nähmaschine, kaufen Sunbrella-Stoff für den schon lange geplanten Schutzbezug des Kohlefaser-Spinnakerbaums und für die Flicken auf der Kuchenbude. Und, wo wir schon dabei sind, gleich auch noch Blusenstoff für Wiebke. Mal sehen, ob wir um die Nutzung der Nähmaschine würfeln müssen …

Na ja, der oder die jeweils andere kann ja stricken. Die Wollvorräte aus den diversen auf dem Roadtrip besuchten Yarn Shops dürften noch eine ganze Zeit vorhalten. Und der im Nachbarort soll gerade Ausverkauf haben …

🤣

Vancouver II

Vancouver hat aufgrund seiner geographischen Lage ein ganz besonderes Mikroklima. So ist es hier im Winter deutlich milder (bis zu 4 Grad) als im Inland Kanadas auf gleichem Breitengrad und Tage mit bitterkaltem Dauerfrost sind sehr selten.

Keine Rose ohne Dornen: das Mikroklima sorgt auch für reichlich „liquid sunshine“ – an durchschnittlich 166 Tagen im Jahr regnet es hier.

Da müssen wir uns als Hamburger in Vancouver doch wohlfühlen, oder? 😊 Im Ernst, die Stadt gefällt uns richtig gut. Heute patschen wir bei Schmuddelwetter durch die Pfützen in Yaletown hinunter zum False Creek. Es finden sich viele Backsteinhäuser, die früher zumeist industrielles Gewerbe beheimatet haben oder als Lagergebäude dienten, denn dieser Stadtteil wurde von der „Canadian Pacific Railway“ gebaut. Erst nach der Expo 86 wurde der damals heruntergekommene und kontaminierte Stadtteil neu entwickelt, mit einem Mix aus strengen Erhaltungsauflagen und großzügiger Genehmigung von Hochhäusern in den Randgebiet drumherum. Heute ist Yaletown eines der am dichtesten besiedelten Viertel, zugleich aber mit sehr lebendiger lokaler Wirtschaft, einigen der besten Restaurants Vancouvers, Boutiquen, Bars, lokalen Dienstleistungensbetrieben und zu Lofts und Büros umgewandelten Etagen der alten Backsteinhäuser.

Hier in der Mainland Street ist der Bürgersteig auf einer Straßenseite „hoch“ gelegt, er verläuft auf den alten Laderampen. Ein spannender Stadtteil, selbst jetzt im Regen. Mit belebter Außengastronomie bei Sonnenschein sicher um so mehr.

Yaletown zieht sich bis an den Meeresarm False Creek, der den alten Stadtkern Vancouvers nach Süden begrenzt. Im False Creek liegen mehrere Marinas und Yachtclubs, er dient aber auch als recht gut geschützter ganzjähriger Ankerplatz. Offiziell darf man hier nur maximal zwei Wochen am Stück am Grundeisen liegen, aber der Zustand einiger der Ankerlieger legt nahe, dass dies nicht durchgängig kontrolliert wird. Es ist jedenfalls ein toller (im Sommer wohl auch ein voller) Ankerplatz mitten in der Stadt.

Kanadagänse, größere Verwandte der Nonnengänse

Unten am Ufer finden sich zwei Skulpturen des Künstlers und Landschaftsarchitekten Ron Vaughan. Da ist zunächst „Waiting for Low Tide“, ein durchbrochener Kreis aus Grannitfelsen im Tidenbereich. Die zweite Skulptur „Marking High Tide“ fasziniert uns besonders.

„THE MOON CIRCLES THE EARTH …

… AND THE OCEAN RESPONDS WITH THE RYTHM OF THE TIDES“ ist in den Ring geschrieben. Die ihn tragenden Säulen stehen bei Ebbe an Land, scheinen bei Flut aber einen Tempel im Ozean zu bilden. Was für eine wunderschöne Hommage an die Tide.

Wir springen in eine der knuffigen kleinen Fähren, sie bringt uns unter den beiden hohen Brücken hindurch und hinüber auf die andere Creekseite.

Dort, auf der Halbinsel Granville Island, wurde eine weitere ehemalige Industriebrache revitalisiert, in diesem Fall ohne Wohnbebauung. Eine große Markthalle, eine Brauerei, diverse Kunsthandwerksbetriebe vom Geigenbauer bis zur Glashütte, die Emily Carr University of Art and Design und einiges mehr gruppiert sich um die noch bestehende Zementfabrik. Wir bummeln herum, essen eine Kleinigkeit in der Markthalle und nehmen dann wieder die Fähre bis zur Endstation am Ausgang des False Creek.

Das Vanvouver Maritime Museum bietet einen kleinen Museumshafen, beherbergt aber vor allem in seinem Inneren die „St. Roch“, um die herum das Museum errichtet wurde. Der ehemalige Schoner war das erste Schiff, dass die Nordwestpassage in beiden Richtungen durchfuhr, von Vancouver nach Halifax und zurück (wobei sie auf der 28 Monate dauernden Hinreise von West nach Ost zwei Winter im Eis eingefroren verbrachte, die Rückreise des inzwischen zur Ketch umgebauten Schiffes dauerte dann im Sommer 1944 nur 86 Tage und machte die St. Roch zum ersten Schiff, dass die Nordwestpassage in einer einzigen Saison bewältigte).

Da wird es dann fast schon zur Randnote, dass die St. Roch 1950 nochmals nach Halifax fuhr, diesmal durch den Panamakanal, was sie zum ersten Schiff machte, das den Kontinent Nordamerika umrundete.

Nachdem wir vor Jahren das norwegische Polarexpeditionsschiff „Fram“ im eigens für sie gebauten Museum in Oslo angeschaut haben, können wir uns die St. Roch natürlich nicht entgehen lassen.

Die St. Roch kann betreten werden, man erhält einen tollen Einblick in die (engen) Quartiere und das Leben an Bord. Auch das kleine Zelt, in dem auf der zweiten Tour durch die Nordwestpassage eine komplette siebenköpfige Inuit-Familie an Deck lebte (17 Schlittenhunde hatten sie auch dabei) ist auf der Ladeluke unter dem Großmast aufgebaut. Die Hinfahrt hatte gezeigt, dass ein einheimischer Führer, Übersetzer und Jäger sehr nützlich sein könnte.

😉

Szenenwechsel. Und jetzt Vancouver

Flora ist eingewintert. Auf dem Bild noch “Work in Progress“, alleine die (erschreckend) vielen Borddurchlässe erfordern da ein planvolles Vorgehen. Zudem dürfen natürlich nicht einfach alle Seeventile geschlossen werden, so laufen zum Beispiel die großen Cockpitlenzer durch den Motorraum und können dort mit Seeventilen verschlossen werden – das wäre für den Winteraufenthalt im Wasser allerdings ebenso wenig praktisch wie das Verschließen der von Hallberg-Rassy zum Glück vorbildlich beschrifteten Decksabläufe (Deck Scupper) wie hier unter dem Waschbecken im achteren Bad.

Außerdem haben wir diesen Plan für Lynn und Wulf offen im Schiff liegen lassen, denn die beiden schauen in unserer Abwesenheit nach Flora, dafür sind wir sehr dankbar.

Dann noch das Frischwassersystem frostsicher machen und es ist geschafft. Wir beladen das Auto, bringen Lynn und Wulf den Bootsschlüssel vorbei und los geht’s: “Landurlaub”. Obwohl, der beginnt eigentlich gleich wieder mit einer Schiffsreise. Denn schon in Nanaimo steuern wir unseren Kia auf eine Fähre und so schippern wir unserem ersten Ziel entgegen: Vancouver.

Die Fähre legt ein bisschen außerhalb der Stadt in der Horseshoe Bay an, so müssen wir uns zwar noch etwas durch den Feierabendverkehr mühen, kommen dafür über die beeindruckende und tolle Ausblicke bietende Lions Gate Bridge nach Vancouver hinein.

Am nächsten Tag statten wir dieser Brücke und dem Stanley Park an ihrem südlichen (stadtseitigen) Ende nochmal einen ausgedehnten Besuch ab. Die Brücke ist eines der Wahrzeichen Vancouvers. Wie die (längere, aber mit etwa gleicher Durchfahrtshöhe aufwartende) Golden Gate Bridge von San Francisco wurde sie Ende der 1930er Jahre als Hängebrücke mit zwei Hauptstützpfeilern über einer Meerenge errichtet. Hier in Vancouver allerdings privat, nämlich von der Brauerei-Familie Guiness, die erheblichen Landbesitz nördlich der Enge erworben hatte und diesen an die Stadt anbinden wollte. Wiebke merkt an, dass sich daraus auch die Farbe der Brücke erklärt:

Irisch Grün 😉

Was in Vancouver sofort auffällt ist die große Anzahl von Bäumen. Der Stanley Park als geschlossener Stadtwald trägt dazu bei, aber auch die Straßen selbst zwischen den Hochhäusern Downtown sind gesäumt von jetzt gerade herbstlich bunten Laubbäumen.

Und nicht nur das. Ein Besuch auf der Aussichtsplattform im Bürogebäude „Vanouver Lookout“ macht deutlich, dass sich die Laubfärbung markant durch das ganze Stadtgebiet zieht. Sogar auf den Wolkenkratzern finden sich zum Teil große Bäume.

Aber Vancouver hat noch viel mehr zu bieten. Nicht ohne Grund belegt die mit nur gut 700.000 Einwohnern (2.500.000 in der Metropolregion) gar nicht mal so riesige Stadt regelmäßig einen der vorderen Plätze bei den weltweit nach Lebensqualität beliebtesten Großstädten. Das Meer liegt vor der Haustür, ebenso die Berge. Die nahen Skigebiete der Northshore Mountains sind sind von Downtown nur etwa eine halbe Stunde Fahrtzeit entfernt, das berühmte Whistler ist in zwei Stunden erreichbar.

Und natürlich gibt’s nicht nur Hochhäuser. Unser Airbnb liegt auf der Grenze zum historischen Gastown mit seiner zumeist aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts stammenden Bebauung (Vancouver wurde erst 1867 gegründet, brannte 1886 ab, entwickelte sich danach aber rasant).

Gastown ist heute eine Szenestadtteil mit vielen Kneipen, sonstiger Gastronomie und auch einer Vielzahl kleiner Geschäfte.

Außerdem mit dem „Canada Place“, dem an Segel erinnernden Gebäude unten am Hafen. Auch dies eins der Wahrzeichen, es ist der vom Architekten Eberhard Heinrich Zeidler als kanadischer Pavillon entworfene Bau aus der Weltausstellung EXPO 86 in Vancouver.

Und natürlich mit der berühmten dampfbetriebenen Uhr, einem weiteren Wahrzeichen der Stadt.

Zum Brunch treffen wir uns am zweiten Tag mit Debora und Rob, die wir aus Panama kennen, bei einem wunderbaren kantonesischen Dim Sum Restaurant weiter im Süden der ausgesprochen multikulturellen Stadt. Herrlich.

Und zurück in unserem Airbnb ist das hier der Ausblick vom Balkon: das Meer und die Schneekappen auf den Bergen blitzen durch. Tagsüber jedenfalls.

😎