Auf der Route 66 von Tulsa nach Santa Fe

Wir verlassen Memphis so, als müsste auch dies zu dem Ohrwurm von Marc Cohn passen: in the middle of the pouring rain.

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Der Wolkenbruch setzt ein, als wir über den Mississippi fahren. Von Arkansas sehen wir erst mal nichts, Schritttempo ist angezeigt. Als sich der Regen etwas legt, sind rechts und links des Highway die Felder in den Lowlands größtenteils überflutet. Und zwar nicht nur die, auf denen Reis angebaut wird. Auch die Autobahn steht in den Senken teilweise unter Wasser und wir sehen gleich mehrere Unfälle. Und selbst als wir bei unserer Fahrt quer durch Arkansas schon die Lowlands verlassen haben zeigen sich viele Flussauen weiterhin überschwemmt.

Es wird ein langer Tag. Wir fahren komplett durch Arkansas hindurch bis nach Tulsa in Oklahoma. Dort statten wir erst dem Woll-Laden Knit Stars einen ausgiebigen Besuch ab, mit Wolle sind wir jetzt wirklich reichlich versorgt. Dann geht es weiter zu unserer Unterkunft in der Innenstadt. Wie schon in Memphis finden sich in Tulsa eine Vielzahl von Belle-Epoque-Bauten. Hier sind es statt der Baumwolle die um 1900 herum neu erschlossenen Erdöl- und Erdgasressourcen, die für einen schnellen Aufbau städtischer Strukturen und den Reichtum zeigender Hochhäuser sorgten.

Sogar die 1926 gebaute Brücke über den Arkansas River wird entsprechend aufwändig gebaut und entpuppt sich nebenbei als ein Herzstück der legendären Route 66 von Chicago nach Los Angeles.

Heute ist sie praktisch funktionslos, zwischen modernen mehrspurigen Brücken eingequetscht. Aber im Zuge der Nostalgie um die Route 66 und deren Wirkung auf den Tourismus soll auch die Brücke wieder benutzbar gemacht werden.

Für uns jedenfalls führt die weitere Strecke nach Westen teils auf, teils neben der historischen “Mother Road” der amerikanischen Ost-West-Verbindungen weiter nach Westen. Durchgängig befahrbar ist die klassische Landstraße der Route 66 schon längst nicht mehr. Zu weiten Teilen haben viel geradere Autobahnen die alte Streckenführung unter sich begraben. Insbesondere in der Interstate 40 sind große Abschnitte der alten Legende aufgegangen.

Immer mal wieder sind aber kleinere Abschnitte der “echten” Route 66 befahrbar und an denen finden sich dann zum Teil auch noch die originalen Tankstellen, Diner oder Motels. Und natürlich auch die verschiedenen Route 66 Museen. Gleich in Oklahoma besuchen wir eins und tauchen tief in die Geschichte der “Main Street of America” ein.

Endlose Straßen in Oklahoma, aber doch ziemlich grün und hügelig, eher lieblich. Als wir nach Texas hineinkommen ändert sich das. Es wird flacher, riesige Viehherden säumen die Straße, Weiden rechts und links der Straße. Zumindest zu dieser Jahreszeit wirken die braungelben Grasflächen aber eher wie Magerkost für die Rinder. Und doch: bewirtschaftet sind die Flächen fast durchgängig. Neben der Viehzucht fällt ins Auge, dass eine unglaubliche Vielzahl an Windrädern aufgestellt wurde. Von Horizont zu Horizont drehen sich die großen Dreiflügler, allein vom Erdöl soll die Energieproduktion offenbar selbst in Texas nicht mehr abhängig sein.

In Texas legen wir natürlich einen Stop an der Cadillac Ranch ein, sie liegt fast direkt neben der Interstate 40, nur ein paar Meilen westlich von Amarillo. Die hierfür vom Grundbesitzer und Mäzen Stanley Marsh III gesponserte Künstlergruppe „Ant Farm“ aus San Francisco hat hier direkt an der Route 66 im Jahr 1974 zehn Cadillacs in einer Reihe in den Boden eines Maisfeldes „gepflanzt“, indem die vordere Hälfte schräg in den Boden eingegraben wurde. (Zylinder-)Kopf-in-den-Sand für die Autos, könnte man meinen, wobei das bei Erstellung des Kunstwerks so sicher noch nicht gedacht war. Die Autos der Baujahre 1948 bis 1963 sind inzwischen über und über mit Graffiti besprüht, wozu die Besucher ausdrücklich aufgefordert werden. Das Aussehen verändert sich also ständig.

In den Sonnenuntergang hinein fahren wir an diesem Abend noch weiter bis nach Tucumcari. Hier gibts wieder mal ein Stück der historischen Route 66. Auch wenn es nur ein paar Meilen sind, einige der vielen Motels im Ort präsentieren sich noch wie in alten Zeiten. Unseres ist keines der ganz alten, passt sich im Stil aber dann doch an. Nostalgie der 60er Jahre.

Die Tankstelle gegenüber und auch das Restaurant für unser Abendessen gehen da noch ein Stückchen weiter in der Zeit zurück.

In Tukumkari liegt dann auch Texas schon wieder hinter uns, wir sind in New Mexiko.

Auf der Weiterfahrt bei Tageslicht macht sich das heute dann auch bemerkbar. Einmal mehr verändert sich die Landschaft, wird karger, die Weiden weichen einer Steppe. Erst durch flache Landschaft führend, gewinnt die Straße fast unmerklich an Höhe.

Langgezogene Hügel werden überwunden und jede Kuppe liegt etwas höher. Es wird kälter und irgendwann taucht am Straßenrand der erste Schnee auf, Berge lassen sich in der Ferne erspähen.

Kein Wunder, Santa Fe liegt immerhin auf etwa 2.200 m über dem Meeresspiegel.

Und da sind wir jetzt angekommen. 😁