Für uns geht es auf dem Blue Ridge Parkway weiter nach Südwesten. Ein ganzes Stück weiter auf diesem wunderschönen Gebirgszug der Appalachen, der nicht nur die Kulisse für die Fernsehserie “Die Waltons” bildete, sondern sich tatsächlich mit einigem Abstand von der Ostküste von Neufundland in Kanada bis hinunter nach Alabama zieht, also fast bis zum Golf von Mexiko.
Kein Wunder, dass dieser Gebirgszug für die frühen europäischen Einwanderer eine natürliche erste große Hürde war und zunächst (zwischenzeitlich) vom englischen König 1763 sogar per Proklamation als Besiedlungsgrenze festgelegt wurde. Das hielt aber nur ein Jahrzehnt, dann wurde mit der Besiedlung Kentuckys jenseits der Appalachen begonnen und die Ureinwohner wurden weiter zurück gedrängt.

Unser Weg führt noch immer über “Country Roads”, über kleine Straßen, manchmal auch abseits des zumeist auf dem Gebirgskamm verlaufenden Blue Ridge Parkways, weil einzelne Abschnitte wegen der jetzt im Winter stattfindenden Wartung und Ausbesserung gesperrt sind. So kommen wir an den vereinzelt liegenden, oft ochsenblutrot gestrichenen Scheunen vorbei, sehen einzelne der früher so typischen gedeckten Brücken, aber auch immer wieder Mini-Friedhöfe rostiger Autos und Pickups an verfallenden Gebäuden.



Abgesehen von der Bewaldung sind Landschaft und Boden eher karg, so dass die Wirtschaft sich historisch vorwiegend auf Bergbau, insbesondere den zuletzt immer weniger profitablen Abbau von Steinkohle gründete. Wir sehen noch Güterzüge mit Kohle, aber auch die Wunden, die dessen Förderung in der Landschaft hinterlässt. Die typische Abbaumethode hier in den Appalachen war (und ist) nämlich das “Mountaintop Removal Mining”, bei dem die Bergspitze weggesprengt und die darunter liegende Kohle dann im Tagebau abgebaut wird.
In jüngerer Zeit gibt es Bestrebungen, statt der schwächelnden Kohleförderung nunmehr die tiefer liegenden Erdöl- und Erdgasvorkommen anzuzapfen. Das dafür angedachte Fracking ist allerdings hier noch umstrittener als anderswo in den USA, denn die von Höhlen durchzogenen Karstböden machen diese Methode umso problematischer. Immer wieder sehen wir Protestplakate und Spruchbänder.
Die wunderschöne, überwiegend dünn besiedelte Landschaft begeistert uns. Als wir mit North Carolina den nächsten Bundesstaat erreichen, werden die Berge sogar noch höher, mit dem 2037 m hohen Mount Mitchell findet sich hier die höchste Erhebung der Appalachen.
Unser Ziel ist das Universitätsstädtchen Asheville, quasi die Metropole dieser Region. Gelegen in einer von Bergen umschlossenen Hochebene hat sie sich früh einen Namen als Luftkurort gemacht. George Washington Vanderbilt ließ deshalb hier seine 1895 bezogene riesige Sommerresidenz errichten. Den Schlössern der Loire nachempfunden war es prägend für den Châtauesque-Stil in den Vereinigten Staaten und eines der ersten Wohnhäuser, die vollständig mit Edisons Glühlampen ausgestattet waren. Die Sommerresidenz eines der älteren Brüder des Bauherren haben wir bereits in Newport, Rhode Island, gesehen. Hier verzichten wir auf eine Besichtigung und sehen uns lieber das Museum im überschaubareren Haus des anderen berühmten Bewohners der Stadt an.

Der große amerikanische Schriftsteller Thomas Wolfe lebte hier und sein autobiografischer Roman “Schau heimwärts, Engel!” zeichnet nicht nur ein Bild dieser Zeit um die vorletzte Jahrhundertwende, sondern auch des Ortes Asheville (im Roman Altamont genannt) und seiner Bewohner. Letztere erkannten sich wieder und waren darüber zunächst keineswegs begeistert.
Als Kind lebte er mit seiner Mutter in dem von ihr betriebenen “Boarding House”. Durch die vermieteten Fremdenzimmer blieb kein eigener Raum für ihn, Thomas zog sozusagen immer wieder in ein jeweils gerade frei gewordenes Fremdenzimmer im Haus um.
Auch wir beziehen für ein paar Tage ein Fremdenzimmer in einer kleinen Holzvilla (unsere ist blau statt gelb). Die Hausherrin gibt Musikunterricht, aber abends wird es ruhig und das passend viktorianisch eingerichtete Zimmer ist sehr gemütlich, zudem in einem schönen Viertel fußläufig zur Innenstadt gelegen.

Die Innenstadt schauen wir uns mit einer Audioführung (kostenlos, über das Handy) bei einem ausführlichen Spaziergang an. Die vielen besonderen Bauten aus den späten 1800er und frühen 1900er Jahren, darunter einige Art-Deco-Bauten sprechen uns an, Musik und Skulpturen sind allgegenwärtig. Über den Audioguide erfahren wir dazu einige Besonderheiten, etwa dass das hiesige „Flat Iron Building“ nicht nur von der Grundriss-Form her an ein Bügeleisen erinnert, sondern zudem die erste dampfbetriebene Wäscherei der Stadt beherbergte.







Auch die Dichte an Craftbeer-Brauereien ist erstaunlich, da müssen wir natürlich einer einen Besuch abstatten.😊
Und dann kommt einmal mehr das Wetter ins Spiel. Nicht nur auf dem Boot müssen wir den Wetterbericht genau im Auge behalten. Obwohl wir uns ja inzwischen deutlich in den Südstaaten der USA befinden, poppt eine Wetterwarnung für einen Wintersturm auf unserem Handy auf. Statt auf kleinen Straßen durch die Berge geht es daher auf der Autobahn weiter nach Nashville in Tennessee. Zum Glück erwischt uns so statt Schnee nur eine ganze Menge Regen bei unserer Fahrt durch die Smoky Mountains.
