Das Wetter ändert sich. Es wird kälter und vor der Flora taucht ein dunkles Wolkenband auf, das zur Vorsicht mahnt.
Auf Windy.com schauen wir uns das aktuelle Satellitenbild und die dazugehörige Vorhersage für Regen und Gewitter an.
Hm. Wir bauen die Kuchenbude auf und machen das Cockpit regendicht. Das Wolkensystem ist beeindruckend groß, aber wenn wir uns beeilen, sollten wir vor den Gewitterzellen durch das Regenband durch sein. Also trödeln wir nicht, als der Wind nachlässt, sondern werfen wieder den Motor an.
So geht es abwechselnd Motoren und segelnd in und durch die Nacht.
Tatsächlich erwischt uns (jedenfalls bisher) kein Gewitter. Südlich des Regenbandes sollte eigentlich nach einer Schwachwindphase starker Südostwind einsetzen. Allerdings spüren wir davon bis jetzt nichts. Vielmehr dreht der Wind anders als vorhergesagt im Lauf der Nacht auf NNE und kommt damit genau von hinten, in Verbindung mit der höher werdenden Dünung aus SE ergibt das eine unangenehme chaotische See, Flora wird hin und her geworfen.
Etmal in den letzten 24 Stunden: 129 sm, gesamt 409 sm. Noch zu segeln bis Whangarei 370 sm, wir hatten also schon Bergfest.
Essen: Thai-Curry mit Kürbis (der musste schließlich zu Halloween mal angeschnitten werden und findet sich deshalb in den letzten Tagen öfter auf unserem Speiseteller).
Der erste Törn mit unserer neuen Crew führt uns von Tahiti hinüber nach Moorea. Es ist ein guter Start, schon in der Hafenausfahrt von Papeete spielt eine große Gruppe Delfine. Noch besser wird es an unserem neuen Ankerplatz in der Baie Nuarei im Osten von Moorea. Wir beobachten gleich mehrere Schulen von Spinner-Delfinen. Manchmal kommen sie ganz nahe an die ankernde Flora und sie scheinen ein kleines Willkommens-Spektakel zu veranstalten. Springen, drehen sich in der Luft, zeigen uns sogar Rückenschwimmen und Mutter-Kind-Schwimmen.
Das bleibt nicht die einzige beeindruckende tierische Begegnung in der Baie Nuarei. Das klare Wasser beschert uns an dem schützenden Außenriff einige der bisher besten Schnorchelgänge in den Gesellschaftsinseln, Elisa wird also von Anfang an verwöhnt. Wir suchen Nemo und tatsächlich tummeln sich diverse Clownfische in den Seeanemonen. Knallbunte Hartwicks Lippfische kommen ganz nah an uns heran. Und sogar gleich drei Seeschildkröten geben sich die Ehre. Völlig unaufgeregt scheinen sie sich im etwas tieferen Wasser auszuruhen. Nur die kleinste kommt zwischendurch zum Atmen an die Oberfläche, die beiden größeren chillen am Grund.
Aber Elisa will ja nicht nur “Urlauben”, sondern auch alles über das echte Leben auf einem Segelboot lernen. Also beziehen wir sie in die Törnplanung mit ein. Warum verlassen wir diese schöne Bucht schon so schnell wieder, verholen die Flora in die Cooks Bay auf der Nordseite von Moorea?
Die Windvorhersage ist nicht der Grund, das sieht für die nächsten Tage eigentlich sehr entspannt aus. Ganz anders allerdings die Wellen.
Wir gehen mit Elisa die verschiedenen Vorhersagen auf Windy.com durch. Weit im Süden schiebt sich ein kräftiges Tiefdrucksystem heran.
Südwestlich von unserem Standort führt das zu Sturm und Wellen bis zu 10 m Höhe. Der Wind wird uns zwar nicht erreichen. Die Wellen eines solchen weit entfernten Systems wandern aber weit über den Ozean und schwächen sich dabei nur langsam ab. Mit zwei bis drei Tagen Verspätung werden deshalb immerhin noch etwa vier Meter hohe Wellen bei uns erwartet. Aus südsüdwestlicher Richtung, wobei noch ein anderer alter Schwell aus Nordost dagegen laufen soll. Das Ganze bei Winden aus Südost, eine blöde Mischung.
Die Cooks Bay im Norden von Moorea bietet bei diesen Bedingungen sehr guten Schutz.
(www.noforeignland.com)
Nicht nur das. Sie ist darüber hinaus auch ein guter Ausgangsort für Wanderungen und Hikes auf Moorea …
… und die Cooks Bay ist einfach auch ein wunderschöner, für die Südsee ikonischer Ankerplatz:
Wir machen uns auf nach Tahanea. Schon wieder? 78 Atolle gibt es in den Tuamotus, aber nur weniger als 20 von ihnen haben gut befahrbare Pässe und werden häufiger von Segelbooten angelaufen. Mehrere stehen noch auf unserer Wunschliste, aber bisher haben wir tatsächlich erst 8 Atolle der Tuamotus besucht. Einige allerdings mehrfach. Fakarava, Toau und eben Tahanea. Das es uns jetzt schon wieder dorthin zieht hat mehrere Gründe. Zum einen gefällt uns dieses unbewohnte Atoll einfach ausnehmend gut. Das Wasser ist auch in der Lagune meistens herrlich klar, in den gleich drei Pässen lässt es sich wunderbar schnorcheln. Es finden sich markante Riffformationen (wie etwa die “7”) und die mit Palmen bestandenen Motus bieten guten Schutz gegen die vorherrschenden Winde, außerdem sind die Bedingungen zum Wingfoilen einfach Klasse. Tahanea ist also ganz sicher eines unserer Lieblingsatolle.
Das wir jetzt schon wieder nach Tahanea segeln (und dabei auf der Strecke auch noch Aratika und Kauehi links liegen lassen) hat aber vor allem einen Grund: wir wollen unsere Freunde von der Lille Venn unbedingt noch wieder treffen, bevor sie sich deutlich früher als wir auf den weiteren Weg nach Westen machen.
Einen Tag verschieben wir die Fahrt noch, zu viele Gewitter sind angesagt. Dann aber sieht die Vorhersage für den 84 Seemeilen langen Törn recht gut aus. Mit dem prognostizierten Ostnordost sollten wir ab der Nordspitze von Fakarava eigentlich direkten Weg nach Tahanea segeln können. EIGENTLICH.
Tatsächlich aber weigert sich der Wind, auf die ihm zugedachte Richtung zu drehen und bleibt auf Ostsüdost. Da unser Ziel in Richtung Südost liegt können wir eben nicht den geraden Weg segeln, sondern müssen gegen eine frische Brise und die entsprechenden Wellen aufkreuzen. Außerdem werden es so 112 Seemeilen, das morgendliche Stillwasser im Pass von Tahanea, nachdem wir unsere Abfahrtszeit ausgerichtet haben, können wir nicht erreichen.
Eine Nachtfahrt ist es ohnehin, wir versuchen also, dann eben zum Mittagshochwasser am Pass zu sein.
Immerhin: wir sehen zwar Wetterleuchten am Horizont, aber ein Gewitter erwischt uns nicht. Auch von Squalls werden wir weitgehend verschont. Nur einmal erwischt uns solch eine turbulente Wolke. Ziemlich genau zu Sonnenuntergang.
Sie scheint uns auch noch hämisch anzugrinsen. Dieser Lichteffekt ist um so erstaunlicher, als nicht das helle Licht durch die Wolke hindurch scheint. Ganz im Gegenteil, die Sonne geht gleichzeitig gerade auf der anderen Seite der Flora unter:
Wie auch immer, einen Augenblick später springt die Windstärke um 10 kn nach oben und Flora holt trotz vorsorglichem zweitem Reff ordentlich über.
Keineswegs der optimale Beginn für die Nacht und hoch am Wind durch Wellen bolzen ist halt auch nicht eben der Lieblingskurs für die Freiwache, aber abgesehen von dem erforderlichen Zickzack-Kurs kommen wir dann doch einigermaßen gut durch.
Unser Zickzack-Kurs von Fakarava nach Tahanea auf MarineTraffic
Tatsächlich schaffen wir es auch noch, nur wenig nach Stillwasser am Pass von Tahanea anzukommen und ohne Probleme in die Lagune einzulaufen. Barbara und Ralph heißen uns herzlich willkommen, bevor Wiebke und ich mit einem ausgedehnten Mittagsschlaf die etwas unruhigen Freiwachen der Nacht wieder ausgleichen.
Es fühlt sich richtig gut an, wieder in Tahanea zu sein!
Wind- und wettermäßig bekommen wir heute einiges geboten. Schwachwindsegeln, kurze Motorpassagen, kräftige Böen, aber auch zeitweise herrliches Segeln, alles ist dabei. Außer – dreimal auf Holz geklopft – Gewitter. Wir scheinen es ganz gut abgepasst zu haben.
An die Screenshots von http://www.windy.com habt Ihr Euch ja inzwischen gewöhnt. Hier der von gestern Nachmittag in der Einstellung Gewitter:
Und so sieht’s im Satellitenbild aus:
Und von Bord aus:
Das Schöne daran: die Vorhersage der Meteorologen tritt ein, das Band löst sich bei unserer Annäherung ganz langsam vor uns auf, die Reste ziehen ab. Sehr schön. Was bleibt, sind natürlich einige Schauer, Winddreher und auch ein bisschen Kabbelsee, vor allem in der Nacht. Und heute können wir entgegen der Erwartung eines ausgeprägten Schwachwindgebietes wiederum (jedenfalls bisher) auch immer wieder längere Abschnitte segeln, bei babyblauem Himmel vor uns und tiefblauem Ozean (und einer dunkelgrauen Wolke hinter uns).
Das Sahnehäubchen: Angelglück. Wiederum schlagen beide Ruten gleichzeitig an, wir sind offenbar durch einen Fischschwarm gesegelt. Ein Fisch geht uns vom Haken, aber direkt darauf schlägt die gleiche Rute wieder an während ich jetzt mit der anderen Angel beschäftigt bin. Interessanterweise scheint es ein gemischter Schwarm zu sein. Zunächst holen wir einen Rainbow-Runner an Bord …
… der zweite Fang ist ein Großaugen-Thunfisch:
Und am nassen Deck kann man erkennen, dass während des Filetierens ein Schauer einsetzt. das lässt sich aber bei diesen Temperaturen gut verkraften.
😊
Etmal 105 sm, gesamt auf dieser Passage bisher 2.855 sm, noch 194 sm bis zur Ansteuerung der Gambier.
Essen: Thai-Curry mit Süßkartoffeln, Möhren und unserem eingekochten Hähnchenfleisch. Damit haben wir von allen unseren ersten Einkochversuchen aus La Paz jetzt mindestens einmal probiert und es jeweils für gut befunden. Es kann also weiter eingekocht werden.
Unter gerefften Segeln geht es in die Nacht. Wind ist genug – noch -. Manchmal auch mehr als genug, die dunklen Wolken bringen teils kräftige Böen und Schauer mit sich. Das soll sich im Laufe des Freitags dann allerdings rapide ändern. Dieser Schwachwindkeil der Innertropischen Konvergenzzone (international: ITCZ) liegt vor uns.
Und direkt davor, am nördlichen Rand der ITCZ, befindet sich ein Gewitterband in ständiger Veränderung. Da müssen wir nächste Nacht den besten Weg hindurch finden.
So zeigt sich das auf dem Satellitenfoto bzw. der Gewittervorschau mit unserer geplanten Route.
Alles in allem sieht es gar nicht so schlecht aus, wenn unsere Routen-Knobelei denn so hinkommen sollte. Wir rufen Windy und PredictWind immer aufs Neue auf und wägen die verschiedenen Vorhersagemodelle gegeneinander ab. Drückt uns bitte vor allem für die Gewittervermeidung die Daumen.
Dahinter wartet dann allerdings gleich eine weitere Naturgewalt, der Südäquatorialstrom. Ein mächtiger, schnell von Ost nach West fließender Fluss mitten im Ozean, zusätzlich mit vielen kleinen Eddies links und rechts des Hauptstroms.
Wie mächtig?
Ganz spannend ist der vergleichende Blick auf den Golfstrom, oben rechts an der US-Ostküste. Der berüchtigte Golfstrom nimmt sich dagegen als ziemlich schmales Band aus. Vorteil im Pazifik: Wind und Hauptstrom gehen normalerweise in die gleiche Richtung. Der blaue Punkt unter der Strömungsangabe 0.8 ist übrigens unsere aktuelle Position.
Wir wollen den Südäquatorialstrom in Südwestrichtung queren, er wird uns dabei also beschleunigen und auch ein ganzes Stück in Richtung Westen versetzen. Zu weit sollte es aber möglichst nicht sein, weil sonst der Windwinkel für die weitere Fahrt nach Gambier immer spitzer wird (der Wind also ungünstig von vorn käme).
Tja, darum kreisen unsere Gedanken im Moment, wie segeln wir am besten mit und am wenigsten gegen die Elemente? Fein ist, dass wir uns dazu mit der Fidelis austauschen können, sie segeln immer noch ganz in unserer Nähe.
Und außerdem? Passen wir uns immer noch an die Tropen an. Obwohl die relative Luftfeuchtigkeit mit 60 Prozent noch im völlig normalen Bereich ist, bei Temperaturen von 32 Grad im Boot und 29 Grad im Cockpit fühlen wir uns ein bisschen wie Sauerteig: klebrig und stinkend. Na klar, bei uns hilft die Dusche … für ungefähr zweieinhalb Minuten …
😅😳🥵
Im Windzug des Cockpits lässt es sich aushalten, aber … Alaska war auch schön. 😚
Etmal 149 sm, gesamt 933 sm, rechnerisch noch bis Gambier 2.367 sm (was etwa einer Atlantiküberquerung entspricht).
Raus aus der Bahía de La Paz, um die Ecke und Floras Bug nach Süden gerichtet. Geht wirklich gut los, wir fangen den bisher größten Fisch unserer Reise, eine 1,25 m lange Gelbschwanz-Bernsteinmakrele (Yellowtail-Amberjack). Passt nicht in unsere Filetier-Schale auf dem Achterschiff,
aber wir bekommen trotzdem rund 4 kg schönes Filet. Auf dem weiteren Weg dann wieder springende Rochen und auch einige Buckelwale .
Und dann Stop!
Geplant war der Halt in der Bahía de Los Muertos sowieso, aber eigentlich nur als letzte Übernachtung, letztes Ausruhen vor dem großen Schlag. Jetzt werden wir aber wohl doch noch etwas länger bleiben müssen, das Wetter lässt uns kaum eine andere Chance. Laut den neuesten Wetterberichten wird sich in den nächsten Tagen ein ausgeprägtes Schwachwindgebiet südlich der Baja California entwickeln. Dem können wir nicht mehr rechtzeitig entwischen, zumal sich an seiner Südgrenze ein fettes Gewitterband anschließt. Wo zuletzt noch schönster Segelwind aus Nordost herrschte, sorgt jetzt ein kräftiger Trog für wilde Verhältnisse genau auf der Route zwischen unserem Standort und den ohnehin gewitterträchtigen Kalmen nördlich des Äquators. So sieht das auf Windy aus:
Regen und Gewitter
Blau=Flaute
Durch eine kleinere Flaute könnten wir hindurch motoren, aber bei der aktuellen Prognose wären unsere 440 Liter Diesel bereits aufgebraucht, bevor wir den notorisch windarmen Kalmengürtel überhaupt erreicht hätten. Also lieber erstmal hier bleiben und abwarten, Wetterberichte wälzen. Auch an unserem Zielort in Französisch Polynesien spielt das Wetter nicht so recht mit. Die Marquesas kommen noch ganz gut davon, aber die Gambier und auch die Tuamotus bekommen einiges ab. Von den Gesellschaftsinseln rauscht ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen heran, in Papeete auf Tahiti bläst es gerade mit 8 Beaufort. Die Tiefs sorgen dann auch für reichlich Unruhe auf den sonst gegen den Südost-Passat geschützten Ankerplätzen Französisch Polynesiens.
Na klar, es ist Hochsommer auf der Südhalbkugel, aber das Wetter scheint extremer als sonst. Sind das Auswirkungen von „El Niño“? Und was ist El Niño überhaupt für ein Wetterphänomen?
El Niño bezeichnet das Auftreten ungewöhnlicher Temperaturen des Oberflächenwassers (besonders warm vor der peruanischen Küste, aber eben nicht nur dort) im Zusammenhang mit veränderten Meeresströmungen im Südpazifik. Vor allem in besonders intensiven El Niño Jahren kann dadurch das Wetter weltweit beeinflusst werden. Eine sehr gute Erklärung dazu gibt es hier bei NOAA Climate Gov.
Zum Jahreswechsel 2023/2024 (und bis jetzt andauernd) ist ein intensiver El Niño zu beobachten. Besonders gut lassen sich diese Temperaturanomalien hier erkennen (genannte Quelle):
Und unsere geplante Route von der Südspitze der Baja California in Mexiko nach Französisch Polynesien geht halt durch einen besonders ausgeprägten Teil dieser Anomalie mitten hindurch:
Im Extremfall führt El Niño dazu, dass die Passatwinde sich nicht nur abschwächen, sondern sogar (in manchen Regionen) umkehren können, also aus westlichen Richtungen wehen. Das ist allerdings bisher zumeist nur im westlichen Pazifik beobachtet worden. Trotzdem ist bei derartigen Temperaturveränderungen klar, dass in den roten Gebieten mehr Energie in der Luft ist, und damit eben auch das Risiko von Gewittern steigt. Ein Grund mehr, bei der Wettervorhersage für unsere Route besonders auf den CAPE-Wert (CAPE = Convective Available Potential Energy) zu achten und Gebiete mit vorhergesagten Gewittern nach Möglichkeit zu meiden.
Das wird nicht immer klappen, insbesondere in den Kalmen am Äquator. Aber hier oben in Mexiko, da können wir z.B. einfach unsere Abfahrt verschieben. Bleiben wir halt noch ein bisschen länger in der Bahía de Los Muertos.
Und es ist ja auch nicht immer alles so, wie es auf den ersten Blick scheint. Die „Bucht der toten Männer“, das hört ja ziemlich morbide an. Vielleicht sogar geschäftsschädigend, ein Hotel am Strand hat deshalb versucht, die Bucht in „Ensenada de Los Sueños“ (Bucht der Träume) umzubenennen, aber das hat sich nicht durchgesetzt. Der Ursprung des Namens hat eigentlich auch gar nichts mit Todesfällen zu tun. Vielmehr hat eine (inzwischen längst aufgegebene) Mine für den Abtransport der Erze Haltemöglichkeiten gebraucht. Deshalb wurden Moorings mit sogenannten „Totmann-Ankern“ befestigt und die gaben der Bucht ihren Namen. Eigentlich erstaunlich, dass die Namen dieser Anker im Spanischen, Deutschen und auch im Englischen jeweils ganz entsprechend ist.
Kaum am Festland angekommen, ploppt auf dem Handy eine Extremwetter-Warnung auf. Starkwind bis 40 mph für Samstag Abend in Newport Beach.
Als die Harbor Patrol vorbeikommt, um uns eine Färbetablette ins WC zu werfen, sprechen wir sie darauf an. Ja, “Santa Ana Winds” sind angekündigt. Wenn wir deshalb länger als die eigentlich zulässigen fünf Tage bleiben müssen, sei das kein Problem.
Auch auf den Channel Islands waren wir schon vor dieser Wetterlage gewarnt worden: “Wenn die Berge am Festland glasklar erkennbar werden, solltet ihr schnell auf die Südseite der Inseln oder besser gleich ans Festland wechseln.“
Immerhin: noch liegen die Berge ziemlich im Dunst. Und tatsächlich, die Vorhersage auf Windy verschiebt die Ankunft der starken Winde ein paar Mal, nach jetzigem Stand beim Vorhersagemodell ECMWF sollen sie erst am Sonntag Vormittag unseren Ankerplatz in Newport Beach erreichen.
Aber was sind eigentlich die Santa Ana Winds?
Ganz ähnlich wie der Mistral im Löwengolf oder die Bora an der Adria sind die Santa Ana Winds starke bis stürmische Fallwinde. Wie bei ihren Kollegen ist dafür eine Großwetterlage erforderlich, bei der einem Hochdruckgebiet im Gebirge ein Tiefdruckgebiet über dem Meer gegenüber steht. Für die Santa Anna Winds bedarf es hohen Luftdrucks im Great Basin nördlich der Mojave Wüste, zusätzlich dazu eines (relativ) niederigeren Luftdrucks (10 Millibar Differenz reichen) in der Bucht vor Los Angeles. Gerade im Herbst blasen dann die Fallwinde aus dem Great Basin über die Majavewüste. Sie werden dabei heiß und trocken, daher auch die mit ihnen oft verbundene gute Fernsicht. Die relative Luftfeuchtigkeit fällt manchmal unter 10 % (sic!). Das bedeutet auch eine extreme Waldbrandgefahr. Auf dem Weg zur Küste beschleunigen die Winde durch einige der großen Gebirgstäler (etwa das namensgebenden Santa Ana Valley). Im Dezember 2011 erreichten die Santa Ana Winde nicht nur Orkanstärke, sondern brachten Böen bis zu 269 km/h.
So schlimm ist es jetzt bei weitem nicht angekündigt, aber bis zu 54 Knoten (Windstärke 10) könnten durch die Täler blasen. Für unseren geschützten Ankerplatz sagen die verschiedenen Vorhersagemodelle total unterschiedliche Windstärken voraus. Das lässt zwar viel Platz für Hoffnung, ist aber eigentlich kein gutes Zeichen. Gegenüber den 36 kn des europäischen Modells ECMWF prognostiziert das amerikanische GFS nur 22 kn, ICON sogar nur 18 kn. Allerdings fällt umgekehrt die Vorhersage bei den beiden amerikanischen Regionalmodellen um so heftiger aus. Im Modell HRRR sind es 46 kn, das wird aber vom Modell NAM mit 49 kn sogar noch übertroffen. Immerhin sind sich alle Modelle einig, dass der Wind nur eine kurze Phase von wenigen Stunden so stark sein soll. Zudem auch nur am Vormittag, obwohl länger anhaltende Santa Ana Winde zumeist nachts am stärksten sind.
Unser Ankerplatz ist rundum von Land umgeben und somit vergleichsweise gut vor sich durch den Wind aufbauenden Wellen geschützt. Außerdem scheint der sandige Ankergrund gut zu halten.
Wir bauen das Bimini ab, sichern die Rollreffleine der Fock zusätzlich zur Klemme noch auf der Achterklampe und binden noch einen Zeising um die Fock. Alles was wegfliegen könnte und unnötige Windangriffsfläche bietet (wie etwa der Rettungskragen) kommt ins Schiff. Der Anker wird nochmal gecheckt, der Ankeralarm gesetzt. Den Windgenerator schalten wir an, das sollte uns wecken, wenn der Wind (entgegen der Vorhersagen) vorzeitig mitten in der Nacht stark auffrischen sollte.
Und jetzt warten wir ab, was da morgen früh auf uns und die Flora zukommt. Drückt uns die Daumen.
Seglers Pläne sind in den Sand geschrieben. Bei Niedrigwasser!
So auch diesmal. Eigentlich wollten wir von Kanada aus direkt nach San Francisco segeln. Aber ein dafür geeignetes Wetterfenster zeigt sich derzeit nicht. Im Gegenteil: ein Hurrikan vor der Baja California macht gerade auch den äußersten Südwesten der USA um San Diego unsicher.
Das ist (auch von San Francisco aus) noch weit weg und ja auch der Grund, warum wir vor Ende der Hurrikansaison nicht nach Mexiko segeln wollen.
Aber: Auch wenn Hilary’s Wind uns nicht erreicht, die von dem Hurrikan aufgeworfenen Wellen wandern weit über den Pazifik und sorgen gemeinsam mit der an der Küste herunterlaufenden nördlichen (derzeit sowieso schon hohen) Windsee dafür, das sich uns auf dem direkten Kurs wohl ein chaotisches und äußerst unangenehmes Wellenbild bieten würde.
Also planen wir neu: erst einmal um das Cape Flattery herum und auf einem küstennahen Kurs ein Stück nach Süden. Das Problem in diesem Küstenabschnitt ist allerdings, dass die möglichen Häfen und Ankerplätze in Washington und Oregon praktisch alle in Flussmündungen hinter einer Barre liegen. Bei hoher See und/oder auflandigem Wind ist das problematisch.
Auch hierfür bietet NOAA eine Hilfestellung und fasst auf einer im Internet abrufbaren Seite zusammen, welche dieser Barren derzeit befahrbar sind und welche Einschränkungen laut Coast Guard derzeit gelten.
Wir lassen zig mal unsere Abfahrtsplanung mit verschiedenen Varianten bei Predictwind durchlaufen, dem Planungstool, dass wir abonniert haben und bei Passagen gerne verwenden. Unterwegs lässt sich “Predictwind Offshore“ auch über IridiumGo abrufen, so haben wir das bisher immer gemacht. Jetzt mit Starlink können wir aber ganz bequem und schnell auch größere Datenmengen (und damit großräumige Passageplanungen mit präzisen Vorhersagerastern) laden. Klasse, nur am Wetter selbst ändert es natürlich nichts.
Wir entscheiden uns für Newport in Oregon (Yaquina Bay) als nächstes Ziel. Durch die dortigen langen Molen ist diese Barre selten von Schließungen betroffen. Etwa 36 Stunden sollten wir bis dort brauchen. Um im Hellen anzukommen klingelt der Wecker heute um 4:30, um 5:15 fahren wir los.
“Red sky in the morning, sailor’s warning.” Vielleicht ist es aber auch der Rauch der vielen Waldbrände in British Columbia, der für diese Morgenröte sorgt. Tatsächlich ruft die Regierung im Laufe des Tages den Notstand für BC aus.
Wie dem auch sei, wir drehen nach einer halben Stunde um, zurück in die Neah Bay. Keine leichte Entscheidung. Laut neuer Vorhersage hätten wir etwa drei Meter Welle, wenn wir dort ankommen. Von Achtern unterwegs durchaus machbar, wenn auch vielleicht nicht super angenehm. Aber an der Barre? Bei einer Weiterfahrt zum Ausweichhafen Crescent Bay (ohne Barre!) würden die Wellen auf 4 m zunehmen.
Gehe zurück auf Los!
Und was machen wir mit dem geschwenkten Tag?
Erstmal zurück ins Bett, ausschlafen. Und dann? An Land dürfen wir nicht, wir haben in den USA noch nicht einklariert, das geht in Neah Bay auch nicht (aber in Newport). Karen und Steve hatten uns bei unserem Road-trip in Denver ein Puzzle geschenkt, in Erinnerung an unseren Puzzle-Tausch beim Lockdown in Antigua in der Carlisle Bay. Jetzt ist die Gelegenheit dafür:
Wir beobachten am Ankerplatz eine im Norden Nordamerikas heimische, von uns aber bisher nicht gesehene Meerente, die Brillenente (Surf Scoter).
Riggen schon mal beide Spinnakerbäume mit Topnant, vorderem und achteten Niederholer und durch die Nock geführter Schot für die zu erwartenden achterlichen Winde der Passage. Ready to go.
“Red sky at night, sailors’ delight”. Wir nehmen es als gutes Zeichen, zumal sich am nächsten morgen eben kein roter Himmel zeigt (red sky at morning, sailors take warning).
Gemeinsam mit der Amalia segeln wir 42 sm weiter die Chesapeake Bay nach Süden hinunter zu unserem angedachten Startpunkt für den Absprung aus der Chesapeake und den Weg ums Kap Hatteras. Es wird ein wunderbarer Segeltag. Erstmal müssen wir allerdings den Anker vom festsitzenden Schlamm befreien. Schon beim Einholen der Kette spülen wir diese mit Salzwasser, ansonsten werden zu viele Matschklumpen aufs Deck geschleudert. Flora hat eigens dafür eine Deckswaschpumpe mit Schlauchanschluss auf dem Vorschiff. Beim Anker muss dann erstmal der Bootshaken ran, um den groben Dreck vom Anker zu schieben, der Rest des klebrigen Krams wird abgespült.
Dann aber ist es herrlich. Mit aufgebauter Kuchenbude segeln wir selten, aber jetzt ist es selbst vor dem Wind und trotz der Sonne ziemlich kalt, da ist das “Cockpit-Zelt” eine echte Wohltat.
Zumal der anfangs noch entgegen laufende Tidenstrom uns ordentlich bremst und wir deshalb wirklich den ganzen Tag unterwegs sind. Und gegen 17.00 geht schon die Sonne unter, da sind wir noch nicht dran gewöhnt, erst am letzten Wochenende war hier die Umstellung auf Winterzeit.
Erst gegen 18.00 tauchen dann die Lichter von Norfolk und Hampton vor uns auf, als wir den Ankerplatz im Mill Creek erreichen ist es bereits stockfinster.
Und jetzt gilt es: wollen wir morgen wirklich los? Noch einmal werden die Köpfe zusammengesteckt, die Wetterprognosen gecheckt, Varianten erörtert. Als nützlich erweist sich das bisher von uns nicht viel genutzte “Departure Planning”-Tool unserer Wettersoftware Predict Wind:
Quelle: Screenshot PredictWind
Wir spielen ein bisschen herum und einigen uns mit Steve und Helena darauf, dass eine Abfahrt um 15.00 Uhr am meisten Sinn zu machen scheint. Es ist ein Kompromiss, die Wellen des alten Tiefs haben mehr Zeit sich zu beruhigen und vor der Donnerstag Abend einsetzenden nächsten Starkwindphase aus Süd sollten wir den Ankerplatz am Cape Lookout erreichen. Warum legen wir hier soviel Wert darauf, dass sich die Wellen beruhigen, während wir sonst mit höheren Wellen nicht so große Probleme haben? Na ja, eine gleichmäßige lange und meinetwegen auch hohe Atlantikdünung, die das Schiff von hinten kommend anschiebt ist ja eher willkommen. Hier aber passt die Welle weder zum Wind noch zur Dünung des abgezogenen alten Tiefdruckgebiets.
Quelle: Screenshot Windy.com
Deshalb möchten wir nicht vor Mittwoch Nachmittag am Kap Hatteras sein. Allerdings müssen wir bei der sich daraus ergebenden Abfahrtszeit mit Sicherheit zwei Nächte statt sonst möglicherweise nur einer Nacht durchsegeln. Ebenfalls ein Kompromiss hinsichtlich der Strömung: sie wird am Kap dann doch schon wieder mit einem Knoten gegen uns stehen, dafür schiebt sie uns aber aus der Chesapeake heraus.
Quelle: Screenshot PredictWind
Die verschiedenen Wettermodelle des Routing-Tools sind sich ziemlich einig (ein gutes Zeichen), lediglich beim Winkel, in dem der Wind am Ende der Strecke von vorn kommen wird, liegen sie zwischen hoch am Wind und fast Halbwind auseinander.
Der Dinghymotor ist an Floras Heckkorb gewandert, Florecita selbst mit zusätzlichen „Bellybands“ in den Davits verzurrt. Unter Deck soweit alles gestaut und unser „Reisebett“ im Durchgang zum Vorschiff eingerichtet. In zwei Sunden soll es losgehen. Drückt uns die Daumen.
In enger Folge ziehen derzeit kräftige Tiefdruckgebiete über die Chesapeake Bay, nicht untypisch für diese Jahreszeit. Die Lücken zwischen ihnen nutzen wir für die Fahrt nach Süden.
Screenshot, Quelle: Windy.com
Aber wenn das Tief naht, verkriechen wir uns. In diesem Fall hinein in die verzweigten Creeks von Solomon‘s Island. Wobei, ganz tief hinein brauchen wir gar nicht, schon die verschlungene Einfahrt gewährt guten Schutz. Mit dem Dinghy erkunden wir die von herbstlich gefärbten Bäumen gesäumten Verästelungen des Mill Creek und des von ihm abzweigenden St. John Creek, über drei Kilometer weit hinein. „Gunkholing“ nennen die Amerikaner das Herumfahren in diesen manchmal flachen und mit tiefgehenden Booten schwer zu navigierenden Inlets, wobei man dann herrliche Einblicke in die zum Wasser ausgerichteten Gärten der anliegenden Häuser bekommt.
Naja, Häuser. Am Eingang des Creeks sind es eher Villen, mal mehr, mal weniger geschmackvoll, die oft eher Motoryachten, schnelle Sportangler und Spielzeuge wie Jetskis an ihren Anlegern präsentieren. Weiter innen im Creek werden die Häuser oft etwas kleiner, liegen versteckter.
Manche der festen Stege am Ufer finden wir schon überspült, denn das Tiefdruckgebiet presst offenbar reichlich Wasser in die Chesapeake Bay hinein, ein ungewöhnliches Hochwasser ist angekündigt, Hochwasser- und Sturmwarnung bis hinauf nach Washington DC.
Ein Spaziergang zum WestMarine Bootsausstatter folgt, auf dem Rückweg besuchen wir noch Mareike, die in einer Marina im Nebencreek an ihrer Moana arbeitet und verabreden uns für morgen zum Abendessen.
Im Ort kommen wir dabei durch ein „historisches Viertel“ mit zum Teil wirklich alten, zum Teil aber auch brandneuen Häusern und Häuschen im historischen Baustil.
Zurück an Bord genießen wir noch ein wenig die Ruhe vor dem angesagten Sturm. Die Wettermodelle sind sich nicht ganz einig, bis zu 10 Bft könnten es nach dem NAM-Modell in der Chesapeake werden, hier für Solomon’s sagen immerhin drei von vier Modellen um die 40 kn und darüber (8 bis 9 Bft) voraus, lediglich das sonst in den Böen oft genauere ECMWF beschränkt sich diesmal auf 34 kn.
Screenshot, Quelle wiederum Windy.com
Wir machen die Flora klar für den Starkwind, kontrollieren Anker und Ankerkralle, sichern die Fock zusätzlich und stauen windanfällige Sachen wie z.B. den Rettungskragen) unter Deck. Und wirbekommen die Sendefunktion unseres AIS nach mehreren Emails mit dem Hersteller und einem Softwareupdate endlich wieder zum Laufen.