Auf Wolke Neun

Whistler, benannt nach dem charakteristischen Pfeifen der Murmeltiere, ist eines der bekanntesten großen Skigebiete Nordamerikas. Die “Schnee-Disziplinen” der Olympischen Winterspiele 2010 von Vancouver fanden hier statt. Wir nutzen die Gelegenheit, hier zum wahrscheinlich für längere Zeit letzten Mal Ski zu fahren und diese an Skiorten für uns so reichhaltige Wintersaison abzuschließen.

Es wird ein überaus würdiges Finale. Die Schneeverhältnisse sind klasse, die wohl besten, in denen wir bisher unterwegs waren. Oder vielleicht sollte man sagen: himmlisch. Die Pisten sind jedenfalls schon mal entsprechend bezeichnet. Blaue Abfahrten entsprechen übrigens in etwa den europäischen Roten, die einfacheren sind hier in Nordamerika Grün. Schwarz bleibt Schwarz 😉.

Das Skigebiet erstreckt sich über mehrere Berge. Die beiden gegenüberliegenden Spitzen von Blackcomb und Whistler sind dabei auf 4,4 Kilometer Luftlinie durch die spektakuläre „Peak 2 Peak Gondola“ mit nur 36 m Höhenunterschied verbunden. Dabei gibt es auf jeder Seite nur zwei Seilbahnstützen, dazwischen erstreckt sich ein freie Spannweite von über 3 Kilometern. In dieser Disziplin wird sie weltweit nur von der Seilbahn Zugspitze knapp übertroffen, die aber schräg den Berg hinauf führt.

Auf der Fahrt mit der Peak 2 Peak schwebt die Gondel zwischendurch über 400 m hoch über dem durch das Tal fließenden Fitzsimmons Creek, es ist ein wirklich beeindruckender Ritt.

Wir genießen jede Minute unseres Skisaisonabschlusses, das schließt auch ein zünftiges Aprés Ski in Whistler ein 😚

Auf dem Weg zurück zur Fähre nach Vancouver Island fahren wir am nächsten Tag die wunderschöne Strecke am Squamish Harbour Fjord entlang und statten unseren tschechischen Segelfreunden Tereza und Jakub noch einen Besuch ab, deren KateMarie derzeit in Horseshoe Bay an Land steht.

Und das soll es dann jetzt vorerst mal mit Landreisen gewesen sein, noch ein paar Arbeiten an Flora und dann wollen wir British Columbia per Boot weiter erkunden.

⛵️

Auf ins Okanagan Valley

Die Tage mit unserem Patenkind Jasper vergehen schnell, schon am Samstag bringen wir ihn zurück nach Saltspring Island zu seinen Gasteltern.

Es ist auffällig, das die Natur hier im Süden von Vancouver Island und den vorgelagerten Gulf Islands doch schon weiter ist als bei uns 260 km weiter oben in Campbell River. Auf Saltspring Island hat der Frühling Einzug gehalten:

Früh am Sonntag morgen fahren wir weiter, mit der Fähre geht es hinüber nach Vancouver aufs Festland. Ist es auf der Überfahrt noch schön, zeigt sich doch in Vancouver sprichwörtliches Aprilwetter. Ein ordentlicher Schneeschauer, wieder Sonne, dann Hagel und schließlich Regen. Aber eine gute Nachricht gibt es auch, der am Vortag noch wegen Schneechaos geschlossene Coquihalla-Pass (1244 m ü. NN) auf dem Highway 5 ist wieder befahrbar und sogar der mit etw 1700 m deutlich höhere anschließende Weg auf der 3 nach Kelowna ist offen. Dann kommen wir ja doch noch in Okanagan Valley!

Und nicht nur die Bewölkung ändert sich dort, sondern gleich das ganze Klima. Der Küstenbereich von British Columbia ist durch humides Klima geprägt, viele Niederschläge formen dort den Regenwald. Das in Nord-Süd-Richtung verlaufende Okanagantal aber ist durch die Gebirgszüge abgeschottet und weist von Nord nach Süd zunehmend arides (also trockenes) Klima auf. Im Süden des 175 km langen Tales ist es fast wüstenartig. Der Hauptort Kelowna liegt etwa in der Mitte des Tales am Ufer des lang gestreckten Okanagan Sees.

Wir übernachten in Kelowna, finden ein nettes und günstiges Motel mitten in der Stadt.

Sehr bunt, innen wie außen.

Und wir essen abends sehr lecker in einer Weinbar um die Ecke, schließlich sind wir in einem Weinanbaugebiet! Wirklich wahr, im Okanagan werden in zunehmend großem Stil Reben angebaut, sie verdrängen inzwischen teilweise die bereits vorher hier angebauten Obstsorten (neben Äpfeln, Birnen und Pflaumen auch Kirschen, Aprikosen und Pfirsiche).

Für die Obstblüte ist es hier aber noch zu früh. So genießen wir auf der Fahrt einfach die liebliche Landschaft. Wir wissen wohl, das wird heute nicht so bleiben. Denn nach dem mild warmen Okanagan geht es für uns hinauf in die Berge, nach Nordwesten in Richtung Whistler.

Einmal mehr verändert sich die Landschaft, wird karg, schroff und eisig.

Aber morgen soll uns auch wieder die Sonne scheinen, dann können wir hoffentlich auch im Ausrichtungsort der Olympischen Winterspiele von 2010 ordentlich Ski fahren.

Vancouver II

Vancouver hat aufgrund seiner geographischen Lage ein ganz besonderes Mikroklima. So ist es hier im Winter deutlich milder (bis zu 4 Grad) als im Inland Kanadas auf gleichem Breitengrad und Tage mit bitterkaltem Dauerfrost sind sehr selten.

Keine Rose ohne Dornen: das Mikroklima sorgt auch für reichlich „liquid sunshine“ – an durchschnittlich 166 Tagen im Jahr regnet es hier.

Da müssen wir uns als Hamburger in Vancouver doch wohlfühlen, oder? 😊 Im Ernst, die Stadt gefällt uns richtig gut. Heute patschen wir bei Schmuddelwetter durch die Pfützen in Yaletown hinunter zum False Creek. Es finden sich viele Backsteinhäuser, die früher zumeist industrielles Gewerbe beheimatet haben oder als Lagergebäude dienten, denn dieser Stadtteil wurde von der „Canadian Pacific Railway“ gebaut. Erst nach der Expo 86 wurde der damals heruntergekommene und kontaminierte Stadtteil neu entwickelt, mit einem Mix aus strengen Erhaltungsauflagen und großzügiger Genehmigung von Hochhäusern in den Randgebiet drumherum. Heute ist Yaletown eines der am dichtesten besiedelten Viertel, zugleich aber mit sehr lebendiger lokaler Wirtschaft, einigen der besten Restaurants Vancouvers, Boutiquen, Bars, lokalen Dienstleistungensbetrieben und zu Lofts und Büros umgewandelten Etagen der alten Backsteinhäuser.

Hier in der Mainland Street ist der Bürgersteig auf einer Straßenseite „hoch“ gelegt, er verläuft auf den alten Laderampen. Ein spannender Stadtteil, selbst jetzt im Regen. Mit belebter Außengastronomie bei Sonnenschein sicher um so mehr.

Yaletown zieht sich bis an den Meeresarm False Creek, der den alten Stadtkern Vancouvers nach Süden begrenzt. Im False Creek liegen mehrere Marinas und Yachtclubs, er dient aber auch als recht gut geschützter ganzjähriger Ankerplatz. Offiziell darf man hier nur maximal zwei Wochen am Stück am Grundeisen liegen, aber der Zustand einiger der Ankerlieger legt nahe, dass dies nicht durchgängig kontrolliert wird. Es ist jedenfalls ein toller (im Sommer wohl auch ein voller) Ankerplatz mitten in der Stadt.

Kanadagänse, größere Verwandte der Nonnengänse

Unten am Ufer finden sich zwei Skulpturen des Künstlers und Landschaftsarchitekten Ron Vaughan. Da ist zunächst „Waiting for Low Tide“, ein durchbrochener Kreis aus Grannitfelsen im Tidenbereich. Die zweite Skulptur „Marking High Tide“ fasziniert uns besonders.

„THE MOON CIRCLES THE EARTH …

… AND THE OCEAN RESPONDS WITH THE RYTHM OF THE TIDES“ ist in den Ring geschrieben. Die ihn tragenden Säulen stehen bei Ebbe an Land, scheinen bei Flut aber einen Tempel im Ozean zu bilden. Was für eine wunderschöne Hommage an die Tide.

Wir springen in eine der knuffigen kleinen Fähren, sie bringt uns unter den beiden hohen Brücken hindurch und hinüber auf die andere Creekseite.

Dort, auf der Halbinsel Granville Island, wurde eine weitere ehemalige Industriebrache revitalisiert, in diesem Fall ohne Wohnbebauung. Eine große Markthalle, eine Brauerei, diverse Kunsthandwerksbetriebe vom Geigenbauer bis zur Glashütte, die Emily Carr University of Art and Design und einiges mehr gruppiert sich um die noch bestehende Zementfabrik. Wir bummeln herum, essen eine Kleinigkeit in der Markthalle und nehmen dann wieder die Fähre bis zur Endstation am Ausgang des False Creek.

Das Vanvouver Maritime Museum bietet einen kleinen Museumshafen, beherbergt aber vor allem in seinem Inneren die „St. Roch“, um die herum das Museum errichtet wurde. Der ehemalige Schoner war das erste Schiff, dass die Nordwestpassage in beiden Richtungen durchfuhr, von Vancouver nach Halifax und zurück (wobei sie auf der 28 Monate dauernden Hinreise von West nach Ost zwei Winter im Eis eingefroren verbrachte, die Rückreise des inzwischen zur Ketch umgebauten Schiffes dauerte dann im Sommer 1944 nur 86 Tage und machte die St. Roch zum ersten Schiff, dass die Nordwestpassage in einer einzigen Saison bewältigte).

Da wird es dann fast schon zur Randnote, dass die St. Roch 1950 nochmals nach Halifax fuhr, diesmal durch den Panamakanal, was sie zum ersten Schiff machte, das den Kontinent Nordamerika umrundete.

Nachdem wir vor Jahren das norwegische Polarexpeditionsschiff „Fram“ im eigens für sie gebauten Museum in Oslo angeschaut haben, können wir uns die St. Roch natürlich nicht entgehen lassen.

Die St. Roch kann betreten werden, man erhält einen tollen Einblick in die (engen) Quartiere und das Leben an Bord. Auch das kleine Zelt, in dem auf der zweiten Tour durch die Nordwestpassage eine komplette siebenköpfige Inuit-Familie an Deck lebte (17 Schlittenhunde hatten sie auch dabei) ist auf der Ladeluke unter dem Großmast aufgebaut. Die Hinfahrt hatte gezeigt, dass ein einheimischer Führer, Übersetzer und Jäger sehr nützlich sein könnte.

😉

Szenenwechsel. Und jetzt Vancouver

Flora ist eingewintert. Auf dem Bild noch “Work in Progress“, alleine die (erschreckend) vielen Borddurchlässe erfordern da ein planvolles Vorgehen. Zudem dürfen natürlich nicht einfach alle Seeventile geschlossen werden, so laufen zum Beispiel die großen Cockpitlenzer durch den Motorraum und können dort mit Seeventilen verschlossen werden – das wäre für den Winteraufenthalt im Wasser allerdings ebenso wenig praktisch wie das Verschließen der von Hallberg-Rassy zum Glück vorbildlich beschrifteten Decksabläufe (Deck Scupper) wie hier unter dem Waschbecken im achteren Bad.

Außerdem haben wir diesen Plan für Lynn und Wulf offen im Schiff liegen lassen, denn die beiden schauen in unserer Abwesenheit nach Flora, dafür sind wir sehr dankbar.

Dann noch das Frischwassersystem frostsicher machen und es ist geschafft. Wir beladen das Auto, bringen Lynn und Wulf den Bootsschlüssel vorbei und los geht’s: “Landurlaub”. Obwohl, der beginnt eigentlich gleich wieder mit einer Schiffsreise. Denn schon in Nanaimo steuern wir unseren Kia auf eine Fähre und so schippern wir unserem ersten Ziel entgegen: Vancouver.

Die Fähre legt ein bisschen außerhalb der Stadt in der Horseshoe Bay an, so müssen wir uns zwar noch etwas durch den Feierabendverkehr mühen, kommen dafür über die beeindruckende und tolle Ausblicke bietende Lions Gate Bridge nach Vancouver hinein.

Am nächsten Tag statten wir dieser Brücke und dem Stanley Park an ihrem südlichen (stadtseitigen) Ende nochmal einen ausgedehnten Besuch ab. Die Brücke ist eines der Wahrzeichen Vancouvers. Wie die (längere, aber mit etwa gleicher Durchfahrtshöhe aufwartende) Golden Gate Bridge von San Francisco wurde sie Ende der 1930er Jahre als Hängebrücke mit zwei Hauptstützpfeilern über einer Meerenge errichtet. Hier in Vancouver allerdings privat, nämlich von der Brauerei-Familie Guiness, die erheblichen Landbesitz nördlich der Enge erworben hatte und diesen an die Stadt anbinden wollte. Wiebke merkt an, dass sich daraus auch die Farbe der Brücke erklärt:

Irisch Grün 😉

Was in Vancouver sofort auffällt ist die große Anzahl von Bäumen. Der Stanley Park als geschlossener Stadtwald trägt dazu bei, aber auch die Straßen selbst zwischen den Hochhäusern Downtown sind gesäumt von jetzt gerade herbstlich bunten Laubbäumen.

Und nicht nur das. Ein Besuch auf der Aussichtsplattform im Bürogebäude „Vanouver Lookout“ macht deutlich, dass sich die Laubfärbung markant durch das ganze Stadtgebiet zieht. Sogar auf den Wolkenkratzern finden sich zum Teil große Bäume.

Aber Vancouver hat noch viel mehr zu bieten. Nicht ohne Grund belegt die mit nur gut 700.000 Einwohnern (2.500.000 in der Metropolregion) gar nicht mal so riesige Stadt regelmäßig einen der vorderen Plätze bei den weltweit nach Lebensqualität beliebtesten Großstädten. Das Meer liegt vor der Haustür, ebenso die Berge. Die nahen Skigebiete der Northshore Mountains sind sind von Downtown nur etwa eine halbe Stunde Fahrtzeit entfernt, das berühmte Whistler ist in zwei Stunden erreichbar.

Und natürlich gibt’s nicht nur Hochhäuser. Unser Airbnb liegt auf der Grenze zum historischen Gastown mit seiner zumeist aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts stammenden Bebauung (Vancouver wurde erst 1867 gegründet, brannte 1886 ab, entwickelte sich danach aber rasant).

Gastown ist heute eine Szenestadtteil mit vielen Kneipen, sonstiger Gastronomie und auch einer Vielzahl kleiner Geschäfte.

Außerdem mit dem „Canada Place“, dem an Segel erinnernden Gebäude unten am Hafen. Auch dies eins der Wahrzeichen, es ist der vom Architekten Eberhard Heinrich Zeidler als kanadischer Pavillon entworfene Bau aus der Weltausstellung EXPO 86 in Vancouver.

Und natürlich mit der berühmten dampfbetriebenen Uhr, einem weiteren Wahrzeichen der Stadt.

Zum Brunch treffen wir uns am zweiten Tag mit Debora und Rob, die wir aus Panama kennen, bei einem wunderbaren kantonesischen Dim Sum Restaurant weiter im Süden der ausgesprochen multikulturellen Stadt. Herrlich.

Und zurück in unserem Airbnb ist das hier der Ausblick vom Balkon: das Meer und die Schneekappen auf den Bergen blitzen durch. Tagsüber jedenfalls.

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