Shoal Bay

Die drei kurz aufeinander folgenden Rapids bringen wir ganz gut hinter uns. Entsprechend der Angaben im Revierführer sind wir eine Stunde vor Stillwasser an den Yuculta Rapids. Es strömt uns ordentlich entgegen, aber als wir uns ab Harbott Point eng am Ufer von Stuart Island halten, können wir vom dortigen Neerstrom profitieren, der uns bis Kellsey Point schiebt. Hier wechseln wir hinüber auf die andere Seite und versuchen dabei die uns fast 40 Grad hin und her drehenden Whirlpools einfach zu ignorieren. Dicht am anderen Ufer gibt’s wieder eine Zeit lang nordsetzenden Neerstrom, dann müssen wir wegen der Felsen ins Fahrwasser wechseln und uns noch eine Dreiviertel Meile mit zwei bis drei Knoten Gegenstrom in die Big Bay kämpfen. Auch in der kurzen Gillard Passage haben wir noch Gegenstrom, aber danach ist Stillwasser und das gilt auch noch, als wir 2 Meilen weiter die Dent Rapids passieren. Alles in allem ganz gut getimt, 10 Minuten später wäre vielleicht noch besser gewesen, aber: wer weiß? Wir sind jedenfalls problemlos durchgekommen.

Kurz nach den Dent Rapids springt genau zwischen der Flora und dem ein Stück vor ihr fahrenden Segelboot mehrfach ein Buckelwal. Immer wieder ein tolles Erlebnis, wenn sich diese riesigen Meeressäuger aus dem Wasser wuchten und zurück in das Meer klatschen.

6 Seemeilen weiter biegen wir dann schon ab zu unserem Ziel, dem Public Dock in der Shoal Bay.

Hier liegen wir sehr geschützt (die nächsten Tage soll es nämlich ordentlich aus Nordwest blasen) und haben zugleich ein wunderbaren Ausblick in den gegenüber liegenden Phillips Arm und die dahinter aufragenden hohen Berge.

Bei dem vorhergesagten Nordwest von 25 bis 35 kn macht es keinen Sinn, weiter in Richtung Johnstone Strait zu fahren. Statt dessen genießen wir die ruhige Shoal Bay, fahren wieder Paddelboard und wandern den Trail in Richtung der stillgelegten Goldmine oben in den Bergen hinter der Bucht. Den Pfad müssen wir mehrfach suchen, entdecken dabei aber zum Beispiel auch eine Wild-Kamera und Reste einer eisenummantelten hölzernen Wasserleitung aus den Zeiten der Goldmine.

Cynthia und Mark betreiben ein kleines Airbnb mit drei liebevoll eingerichteten Hütten an der Shoal Bay und ihre Gastfreundschaft schließt die Boater vom Public Dock mit ein. So treffen sich die Gäste des Airbnb und die im Laufe der windigen Tage zahlreicher werdenden Besatzungen der Boote zum Sundowner auf der Terrasse, am Samstag werfen die beiden dort sogar ihren holzbefeuerten Pizza-Ofen an und stellen den selbstgemachten Teig, wir bringen nur den jeweils gewünschten Belag mit. Es wird ein wunderschöner Abend, wie überhaupt die Stimmung hier einfach wunderbar entspannt ist.

Wir dürfen sogar im Gemüsegarten von Cynthia und Mark Salat und Rhabarber ernten 😁.

Auch die Bootsarbeit kommt nicht zu kurz. Wo wir mal wieder am Steg liegen, nehmen wir uns den blauen Streifen auf der Steuerbordseite vor (Backbord hatten wir ja in Campbell River schon bearbeitet). Mit der Poliermaschine und per Hand wird das ausgekreidete Blau wieder auf Hochglanz gebracht – war auch mal wieder Zeit.

Außerdem wird gebacken. Lecker. Und was zu schauen gibts auch: mehrfach fahren riesige Logging-Flöße an der Shoal Bay vorbei in Richtung der Rapids. Jeweils gleich zwei Schlepper mühen sich mit ihnen ab, einer zieht, einer ist hinten wohl eher für das sichere Manövrieren in den engen Stromschnellen zusätzlich dabei. Das Floß selber (ohne Schlepper und Schleppleine) ist alleine schon gut 250 m lang. Wir sind froh, dem nicht in den Rapids begegnet zu sein.

Ein beeindruckender Anblick ist es aber trotzdem.

Rapids

Nordwestlich des Desolation Sound schließt sich eine gleichzeitig verlockende wie auch einschüchternde Landschaft an. Geprägt von dicht bewaldeten Bergen, die von einer Vielzahl von Wasserwegen durchzogen sind. Es locken unzählige baumbestandene Felsinseln, Buchten und wunderschöne Ankerplätze. Als natürliche Palastwachen für diesen Seglertraum fungieren allerdings die zumindest Respekt einflößenden, gute Planung erfordernden, manchmal auch abschreckenden “Rapids”. Von Süden kommend muss je nach Route mindestens eine dieser Stromschnellen passiert werden.

Wie kommt es zu diesen Rapids?

Schaut man sich Vancouver Island auf der Seekarte an, ist die Ursache schön zu erkennen. Der Pazifik umfasst die riesige Insel sowohl von Norden wie auch von Süden mit zwei großen Buchten. Mit einem Tidenhub von 4 bis 6 Metern strömen Wassermassen in diese wie Trichter wirkenden Buchten hinein und werden dann in das Labyrinth der Wasserwege zwischen Vancouver Island und dem hier nah heranreichenden Festland von British Columbia gepresst und etwa sechs Stunden später wieder heraus gesogen. Von beiden Seiten her, wohlgemerkt, was die Stömungssituation noch einmal spannender macht.

Und wenn die Wassermassen dabei durch flache Engstellen müssen, vielleicht auch noch mitzusätzlichen Unterwasserfelsen gespickt, wird es im wahrsten Sinne des Wortes äußerst turbulent.

Im Grunde gibt es neben den vielen als Sackgassen abzweigenden Fjorden drei grundsätzlich Wege, die die nördliche und die südliche Bucht verbinden:

Die “Hauptdurchgangsstraße” zwischen der Johnstone Strait im Norden und der Strait of Georgia im Süden ist die Discovery Passage, die wir auch im letzten Herbst für die Fahrt nach Süden genutzt haben (rot gekennzeichnet). Sie erfordert nur einmal die Passage von Rapids, allerdings führt sie durch die berüchtigten Seymour Narrows mit ihren bis zu 16 Knoten Strömung.

Alternativ kann die östliche Route (blau gekennzeichnet) gewählt werden. Sie wird manchmal als “Back Route” bezeichnet, ist aber auch eine sehr direkte Verbindung. Diese Strecke beinhaltet drei dicht hinter einander liegende Narrows, nämlich die Yuculta Rapids, die Gillard Passage und die Dent Rapids.

Und dann wäre da noch die “Middle Route“. Sie führt zunächst durch die Surge Narrows. Wenn man danach links abbiegt (grün), geht es weiter durch die Okisollo Narrows mit ihren Upper Rapids und Lower Rapids hinüber zur Johnstone Strait.

Wir haben uns für die Middle Route in der anderen Variante (weiter lila) entschieden. Wir starten durch die Surge Narrow in der Nähe unseres Ankerplatzes bei Rebecca Spit. Für einen visuellen Eindruck: wie Seekanuten die Surge Narrows meistern, wie die Whirlpools, Overfalls, stehende Wellen und Eddies aussehen, das kann man hier sehr spanned verfolgen. Es ist erstmal nur ein kurzer Törn, nach der Passage der Surge Narrows übernachten wir in der Waiatt Bay (Octopus Islands).

Dungeness Crab. Der Panzer ist etwa zwanzig Zentimeter Breit, die Scheren ragen auf jeder Seite ausgestreckt nochmal gut 15 Zentimeter heraus.

So können wir für den nächsten Morgen die Passage durch “Hole in the Wall” perfekt timen und den Westeingang von Hole in the Wall bei Stillwasser passieren. Trotzdem zeigen sich immer noch reichlich Eddies und Whirlpools neben dem engen aber jetzt zum Glück ruhigen mittleren Fahrwasser. Bis zu 12 kn stark kann die Strömung hier sein, dann möchte ich das definitiv nicht auf dem Boot erleben.

In der Florence Cove etwa in der Mitte der 4 sm langen Hole-in-the-Wall-Passage gehen wir schon wieder vor Anker. Diesmal allerdings nur für ein paar Stunden, um ein günstiges Zeitfenster für die nächsten Rapids abzuwarten. Am Nachmittag soll’s weitergehen.

Hole in the Wall, Blick nach Westen. In der schmalen Durchfahrt kann man selbst auf diese Entfernung bei genauem Hinsehen die derzeit dort herrschenden 11 kn Strömung erahnen.