Wir sind in Afrika. Geographisch war das schon auf Madeira und auf den Kanaren der Fall, aber beide Inselgruppen gehören zur Europäischen Union und fühlen sich auch europäisch an.
Ganz anders die Kapverden. Die Atmosphäre im Örtchen Palmeira auf der Insel Sal unterscheidet hat sich so deutlich von den bisher besuchten Orten, das der Wechsel in den afrikanischen Kulturkreis quasi ins Auge springt.
Dreh- und Angelpunkt (ja, Wortspiel) Palmeiras ist der Hafen. Hier landen die Fischer mit ihren zumeist kleinen bunten Booten täglich ihren Fang an, der dann vor Ort in Eimern und Plastikwannen sortiert, verkauft oder aufgeteilt oder zu einem Teil sogar gleich weiterverarbeitet wird (nämlich gesalzen und auf großen Tischen getrocknet).
Und hier am Hafen wird auch gespielt und gebadet, hier findet sich ein einfaches aber superleckeres Fischrestaurant, hier gibt’s improvisierte Bars, in denen geklönt und diskutiert wird und die die auf den Kapverden unverzichtbare Musik zur entspannten Atmosphäre beisteuern.
Die Frachtschiffmole des Hafens bietet außerdem den hier vor Anker liegenden Yachten Schutz gegen die mit großer Wucht anbrandenden Wellen des Atlantiks. Kaum zu glauben, wie ruhig wir hier liegen während wir vom Boot oder vom Strand aus beobachten können, wie in unmittelbarer Nähe Brecher mit weit abwehender Gischt ans Ufer schlagen und den lokalen Surfern herausfordernde Bedingungen bieten.
Im Ort selbst wird ebenfalls deutlich, dass wir die europäische Komfortzone verlassen haben. Es gibt zum Beispiel kein Wasserleitungsnetz. Einzelne neuere Häuser haben Druckwasseranlagen, bei einigen anderen sehen wir Wassertanks auf dem Dach. In beiden Fällen müssen die Wasserspeicher durch Tanklaster aufgefüllt werden. Die Mehrzahl der überwiegen einfachen Häuser mit Flachdächern versorgen sich mit Frischwasser, indem sie per Schubkarre in großen Kanistern Wasser aus dem örtlichen „Fontenário“ holen. Für ein paar Cent pro Liter kann an dieser Zapfstelle Frischwasser (aus der Meerwasserentsalzungsanlage) gekauft werden, dass ebenfalls per Tanklaster dorthin angeliefert wurde.
Der Komfort, ja Luxus, den unser Boot uns bietet wird uns vor einem solchen Hintergrund um so deutlicher.
Die Liebe der Menschen hier zu bunten Farben zeigt sich oft in der Kleidung, aber vor allem auch in vielen Wandmalereien und überhaupt den wann immer möglich leuchtend angestrichenen Häusern.
Und ja, auch die Einkäufe werden gelegentlich auf dem Kopf nach Hause getragen.
Wie versprochen, hier noch der optische Nachtrag zur Passage von La Gomera auf den Kanaren nach Palmeira auf Sal in den Kapverden. Wir hatten abgesehen von einer kurzen Zeit im Windschatten der kanarischen Inseln fast durchgängig 6 Windstärken, selten weniger, in den Böen aber oft auch mehr. Aber, und dass hat uns etwas überrascht, trotz des immer aus Nordost kommenden Windes gab es auf dieser Passage nicht die eine lange Dünung, die zwar hoch ist aber doch nur langsam unter dem Schiff hindurchläuft. Statt dessen hatten wir achterliche Wellen von Anfangs drei Meter Höhe, zum Ende hin abnehmend auf zwei Meter, die aber etwa alle sieben Sekunden relativ steil heranrauschten. Dazu niedrigere Wellen von den Seiten, häufiger von Backbord, seltener auch von Steuerbord. Sie sorgten für ziemliches Gerolle und ab und an bei Überlagerung der Wellen klatschendes Aufeinandertreffen und Spritzer ins eigentlich gut geschützte Cockpit. Von anderen Seglern haben wir gehört, dass dieses Wellenbild auf der Passage von den Kanaren zu den Kapverden nicht unüblich ist. Das nährt die Hoffnung, auf der Atlantikquerung doch längere Dünung und weniger Kreuzseen zu haben 🤞.
Rollt ganz gut 😊
Ebenfalls ein bisschen unerwartet war das „Verhalten“ der Fliegenden Fische. Schon im Mittelmeer hatten wir welche gesehen und auch auf dem Weg zu den Kanaren stoben immer mal wieder einige von ihnen vor unserem Bug auf und segelten davon.
Auch auf den ersten drei Tagen dieses Törns blieb das so, aber am vierten Tag klatschte uns in Kammikaze-Manier der erste fliegende Fisch gegen die Windschutzscheibe und blieb an Deck liegen. Nach der folgenden Nacht fanden wir 8 (acht!) Fliegende Fische an Deck, vertrocknet und stinkend, zudem hatten sie um sich herum reichlich Schleim und Schuppen hinterlassen. In der letzten Nacht waren es sogar 9 und zusätzlich ein kleiner Tintenfisch.
Scheint ein Phänomen der Tropen zu sein, die wir jetzt nach passieren des Wendekreises des Krebses (*1) offiziell erreicht haben, obwohl die Temperaturen bei den Nachtwachen anderes suggerieren.
Nach der Nachtwache gestern: Vorbereitung des Einklarierens
Zum ersten Mal auf unserer Reise müssen wir in den Kapverden „richtig“ einklarieren. Bisher war das Anmelden der Einreise in ein von uns besuchtes Land in einem vereinfachten Verfahren möglich. Hier in den Kapverden dürfen wir erstmals bei der Einreise nur ganz bestimmte Orte anlaufen, sogenannte „Port of Entry“. Es gibt nur drei: Mindelo auf São Vincente, die Hauptstadt Praia auf Santiago und eben unsere Wahl: Palmeira auf Sal.
Jedes einlaufende Schiff muss durch Hissen der Flagge „Q“ des internationalen Flaggenalphabetes (*2) deutlich machen, dass an Bord alle gesund sind (Q wie Quarantäne!) und man bisher noch nicht einklariert, sich also bei allen zuständigen Behörden angemeldet hat.
Hier auf den Kapverden muss man sich bei nur zwei zuständigen Behörden anmelden, dem Hafenamt und der Polizei. Beide residieren praktischerweise im selben Gebäude, das mit dem Wartenden und den beiden Straßenhunden das hiesige Motto „no stress“ ganz gut wiederspiegelt.
Keine Ironie, obwohl die Mitarbeiter dort wenig Englisch sprechen und wir gar kein Portugiesisch oder Kreol, die Prozeduren laufen superfreundlich und entspannt ab. Na gut, der Kollege von der Polizei ist inzwischen am Flughafen (dort kann man auch einklarieren). Egal, wir dürfen das Schiff verlassen und uns frei bewegen (sonst eigentlich erst ab vollständiger Einklarierung), morgen wiederkommen und den Rest machen und vor allem: no stress!
Jonna von der Tangaroa hatte mich zu den Behörden geführt und mir auch gleich gezeigt, wo ich eine Internet-SIM-Karte kaufen kann. Im Laden übrigens das gleiche Phänomen: Sprachschwierigkeiten, na und? Die gewünschte Karte wird durch hin-und-her-hantieren der Besitzerin mit ihren zwei Handys freigeschaltet, klappt.
😁 🇨🇻
(*1) Wendekreis des Krebses: die Vorstellung, die Sonne stehe mittags senkrecht über dem Äquator stimmt nur ungefähr. Genau genommen tut sie das nur bei der Tagundnachtgleiche am 21. März und am 23. September. Ansonsten sorgt die Schrägstellung der Erdachse dafür, das die Sonne senkrecht über anderen Orten der Erde steht. Und zwar „wandern“ diese Punkte bis zum 21. Juni nach Norden bis zu einer Linie, die 23,5 Grad nördlich des Äquators liegt und im Atlantik von der Westsahara aus südlich der Kanaren hinüber zu den Bahamas und nach México läuft. Eben der Linie, die als Wendekreis des Krebses (lateinisch: tropicus cancri) bezeichnet wird. Auf der Südhalbkugel gibt es entsprechend den Wendekreis des Steinbocks (tropicus capricorni). Das Gebiet zwischen den Wendekreisen nennt man deshalb Tropen. Ein witziges Detail dazu ist, das die Sonne heute an den betreffenden Tagen gar nicht mehr in dem Sternbildern steht, nach denen die Wendekreise in der Antike benannt wurden. Vielmehr war das beim Wendekreis des Krebses zwischenzeitlich das Sternbild der Zwillinge und ist (seit 1990) heute Stier. Beim Wendekreis des Steinbocks ist es heute Schütze – die Bezeichnungen sind aber dennoch seit der Antike beibehalten worden.
(*2) Wir haben den kompletten Flaggensatz des internationalen Flaggenalphabetes ( https://www.esys.org/esys/flagalph.html ) an Bord, aber nur die schlicht gelbe „Q“-Flagge werden wir wohl häufiger benötigen. Wie alle anderen hier auch, zeigen wir sie über der Gastlandsflagge der Kapverden an Steuerbord. Unsere österreichischen Freunde werden uns hoffentlich diesen aus österreichischer Sicht offenbar schweren Mangel an guter Seemannschaft (so jedenfalls laut einer aufmerksamkeitstarken Diskussion in der österreichischen Yachtrevue ) irgendwie verzeihen, denn demnach würde er auf die andere Seite des Schiffes unter die Backbordsaling gehören. Die Deutschen sind da übrigens nicht wirklich besser: anders als international üblich muss nämlich (theoretisch) in Deutschland nach § 4a und Anlage 2 ZollV statt gelben „Q“ als „Zollstander“ der dritte Hilfsstander des Flaggenalphabetes (dreieckig weiß mit waagerechtem schwarzem Streifen) gezeigt werden 😳🤣.