Schon klar, Tropennächte sind damit nicht verbunden. Aber die letzten Tage haben uns in Prideaux Haven im Desolation Sound tatsächlich mit sommerlichem Wetter verwöhnt. Sind wir wirklich nicht mehr gewohnt. T-Shirt und kurze Hose auf Flora!
Wir nutzen das wunderbare Wetter für Dinghyausflüge und für ausgedehnte Hikes. Der Tidenhub und die mit scharfkantigen Austern bewachsenen Felsen machen es nötig, das Beiboot während unserer Abwesenheit vom Ufer weg zu halten. Unser „Anchor Buddy“ bewährt sich einmal mehr: das starke Gummiband in der Ankerleine zieht Florecita zuverlässig ins tiefe Wasser, obwohl wir landseitig wir an einer der Ketten (stern tie pin) festgemacht haben.
Es gibt mehrere gekennzeichnete Trampelpfade durch den Wald und sie führen buchstäblich über Stock und Stein. Besonders der Hike zum Unwin Lake hat es in sich, über mehrere Bergrücken hinweg geht es fast nur steil bergauf und bergab, dazwischen abgesehen von der sumpfigen Niederung am See kaum einmal ein paar Meter in der Ebene zum Luftschnappen. Insgesamt sind es eigentlich nur 7 km aber trotzdem sind wir rechtschaffen fertig und ordentlich durchgeschwitzt, als wir wieder am Dinghy ankommen. Was für eine herrliche Wanderung.
Etwas einfacher ist der Hike am nächsten Tag, er führt über die Halbinsel, die unseren Ankerplatz von der südlicher gelegenen Melanie Cove trennt.
Wie schon am Vortag gibt es auch hier ein paar ganz besondere Naturerlebnisse. Wieder sehen wir eine Schlange, wie am Vortag ist es eine Puget Sound Garter Snake, eine farbenprächtig grün-gelbe Unterform der Strumpfbandnatter.
Sie ist eine der wenigen lebendgebärenden Schlangenarten und gehört zwar zu den Giftschlangen, aber ein Biss der eher scheuen, nur gut daumendicken Reptilien ist für den Menschen normalerweise ungefährlich, löst allenfalls Jucken, Hautreizung und Schwellungen aus.
Wir hören gelegentlich die Rufe wilder Truthähne und vor allem häufig flötende Vogel-Stimmen, aber es dauert eine ganze Zeit, bis wir einen der Urheber zu sehen bekommen. Es ist eine Wanderdrossel (American Robin). Ein ganzes Stück fliegt sie von Ast zu Ast vor uns her, bis sie uns endlich auch einen Blick auf ihre rötliches Brustgefieder erhaschen lässt.
Auch rötlich: die Rinde des Amerikanischen Erdbeerbaums (sic!), hier Madrone genannt. Er ist einer der wenigen Laubbäume in diesen von Nadelbäumen geprägten Regenwäldern. Mit seinen ledrigen Blättern zählt er zu den immergrünen Gewächsen, aber die farbenfrohe Rinde scheint diese Einordnung verhöhnen zu wollen:
Vor allem aber: was für ein Wald, was für eine traumhafte Landschaft!
Morgen geht unser Flug in die USA, die zwei Wochen hier in Costa Rica sind schon wieder um. Was für Naturerlebnisse! Und dabei haben wir nur einen kleinen Auschnitt dieses ohnehin (flächenmäßig!) nicht sehr großen Landes bereist.
Extrem positiv überrascht hat uns das Wetter, hatten wir doch befürchtet, jetzt in der Haupt-Regenzeit mehr oder weniger weggeschwemmt zu werden. Aber wir hatten Glück, außerdem konnten wir im Hochland unsere Aktivitäten überwiegend in die deutlich trockeneren Vormittage legen. So auch heute wieder:
Frühstück um 7.00 auf der Terrasse unseres Zimmers in der mit 80 $ die Nacht für hiesige Verhältnisse recht günstigen Lodge. Und dann gleich los zum Poás Vulkan, ganz lange wird der blaue Himmel wohl nicht halten.
Der Poás ist einer der sechs aktiven Vulkane Costa Ricas und rund 2.700 m hoch. Er hat zwei Kraterseen mit einem Durchmesser von jeweils etwa 400 m, die heiße „Laguna Caliente“ und den kalten „Botos“. Der Zugang zu letzterem ist seit dem Ausbruch des Vulkans 2017 gesperrt, spannender und optisch attraktiver ist aber ohnehin die Laguna Caliente. Der See in der Caldera ist nämlich nicht nur heiß, sondern auch extrem sauer (PH-Wert 1!). Und er zeigt sich in einem intensiven Türkisblau, wenn denn der Gipfel nicht in Wolken gehüllt ist, sondern die Sonne scheint.
Die Anfahrt über die Serpentinen der steilen Berghänge überrascht schon mal. Zum einen wechselt die Vegetation, wir fahren zunächst durch Kaffeeplantagen (unter anderem liegt die Starbucks-Plantage am Weg).
Und dann: Erdbeer-Anbau! An den Straßen sind kleine Verkaufsstände aufgebaut, sogar spezielle Restaurants mit den Fresas del Vólcano (Vulkanerdbeeren) gibt es. Typischerweise werden sie im Becher mit süßer Kondensmilch und Schokosoße verkauft, schmeckt gar nicht schlecht und „etwas“ zusätzliche Süße können die Fresas del Vólcano durchaus vertragen.
Weiter auf dem Weg zum Gipfel kommen dann schwarzbunte Milchkühe auf saftig grünen Bergwiesen in den Blick.
Die Wolken bleiben noch auf Abstand, deshalb können wir einen großen Teil der Hochebene überblicken, auf der Costa Ricas Hauptstadt San José sich breitmacht. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn der Ort wächst in alle Richtungen. Links am Bildrand liegt die alte Stadt Cartago, rechts Alajuela. Alle drei Städte waren einmal Hauptstadt des Landes, erst Cartago allein, dann sogar die drei gemeinsam. Turnusmäßig wurde dann alle paar Monate gewechselt, was ein unpraktisches Umziehen der Regierung mit sich brachte. San José wurde zur alleinigen Hauptstadt. Inzwischen sind die Städte zwar formal eigenständig, aber fast miteinander verwachsen.
Das Ticket für den Nationalpark um den Vulkan haben wir vorschriftsmäßig gestern online gelöst und so können wir durch die Kontrollstation durchfahren und müssen nur noch zusätzlich die Parkplatzgebühr bezahlen. Dafür sind wir dann aber auch nur noch ein paar hundert Meter Fußweg von der Aussichtsplattform über der Laguna Caliente entfernt.
Ach nein, ganz so einfach ist es dann doch nicht. Wir bekommen auf dem Weg noch farbige Schutzhelme verpasst, die zwingend auf dem ganzen Gelände zu tragen sind. Unsere sind knallrot und heben sich damit gut vom Grün der „Sombrilla de Pobre“ ab.
Die einem überdimensionalen Rhabarber ähnelnde Pflanze mit ihren Riesenblättern ist zu einem Symbol des Nationalparks geworden. Sie wächst überall am Wegesrand und ein Hinweisschild klärt uns hinsichtlich der Namensgebung auf, dass sie von den armen Leuten der Gegend früher als improvisierter Regenschirm benutzt wurde.
Dann sind wir oben am Rand der Caldera angekommen und blicken 300 m hinunter in den riesigen Krater. An verschiedenen Stellen steigen immer wieder Dampfwolken auf und ein Schwefelgeruch hängt in der Luft. Aber der Blick auf das türkise Säurebad ist ungeheuer faszinierend.
Es ist eine irritierende Erinnerung daran, was für immense Kräfte unter der dünnen Erdoberfläche schlummern und hätten wir nicht die schrecklichen aktuellen Bilder von La Palma im Kopf wäre auch der durch die Eruptionen des Poás aufgesprengte riesige Krater eine sehr eindrückliche Mahnung.
Wir nutzen das immer noch sonnige Wetter und fahren halb um den Poás herum zu den Wasserfällen von La Paz an der Ostflanke. Sie sind nur über einen privaten Park zugänglich, der leider mit 50 $ pro Nase happig teuer ist. Aber Michael von der Samai hatte ihn uns empfohlen und auch wir würden sagen: es lohnt sich.
Enthalten ist auch eine Art Zoo mit vielen ausschließlich heimischen Tierarten, von denen wir viele (manche zum Glück) nicht in freier Wildbahn erlebt haben. Diverse Schilder weisen darauf hin, dass die Tiere nicht für diesen Zweck gefangen wurden, sondern es sich vielmehr um vom Staat konfiszierte illegale Haustiere handelt, die dann vom Ministerium an diesen Tierpark übergeben wurden, weil sie nicht mehr ausgebildet werden können.
Und so mache ich doch noch ein paar Portraits, z. B.
selten gewordener roter AraOzelotJaguarPuma, die größte Raubkatze Costa RicasGrüne Rebenschlange
Es gibt auch ein Schmetterlingshaus, ein Froschhaus und einen Kolibri- und einen Orchideengarten und so dauert es doch eine Weile, bis wir uns zu den Wasserfällen durchgebummelt haben.
Und auch die sind absolut sehenswert. Es ist eine Kaskade von vier größeren und ein paar kleineren Wasserfällen, an denen ein mit Aussichtsplattformen ausgestatteter Wanderweg entlangführt. Man arbeitet sich dabei langsam, zwischendurch auch über steile Treppen, von Wasserfall zu Wasserfall nach unten. Von dort fährt ein Shuttlebus zurück zum Parkplatz.
Und dann wird’s auch Zeit für den Rückweg. Bei der Fahrt zur Abgabestation unseres Mietwagens können wir noch die Hortensienhecken genießen, die hier manchmal so malerisch die Straßen säumen.
Aber die dunklen Wolken ziehen schon auf, wie so oft am Nachmittag. In einem Wolkenbruch geben wir das Auto ab, fahren mit einem Uber zur Lodge zurück und packen unsere Sachen. Morgen früh geht’s wieder zeitig raus, diesmal allerdings zum Flughafen und morgen Abend sind wir hoffentlich wieder in den USA und können uns dann um Flora kümmern.
Ein näherer Blick auf die amerikanische Ostküste von North Carolina aufwärts bis New York State offenbart etwas (zumindest für uns) Unerwartetes. Der Atlantik hat hier gemeinsam mit der oft küstenparallelen Strömung auf etwa 1.000 km Länge eine Landschaft geschaffen, bei der häufig Sanddünen lange Strände säumen. Dahinter befinden sich aber Lagunen und Buchten, die auf uns wie eine Mischung aus den Hafflandschaften der Ostsee und den Tidenrevieren hinter den friesischen Inseln wirken.
Ganz besonders betrifft das die “Outer Banks”, genau genommen eine Kette von rund 20 schmalen, langgestreckten und teilweise mit Brücken verbundenen Inseln, die sich in einem Bogen von etwa 300 Kilometern vor dem Festland von North Carolina und Virginia entlangziehen. Die Linie der zum Teil nur wenige Hundert Meter breiten Inseln entfernt sich dabei am Kap Hatteras etwa 50 Km vom Festland.
Südlichster Punkt der “Outer Banks” ist Cape Lookout, an dem wir jetzt im Barden Inlet, geschützt von der South Core Banks und der Shackelford Banks ankern.
Die flachen Sandinseln und die sich an den Kaps noch weit ins Meer erstreckenden Flachs, verbunden mit der starken und schwer einschätzbaren Strömung des Golfstroms, die bei nördlichen Wind zudem eine grobe See produziert, haben für viele Schiffbrüche an diesem Küstenabschnitt gesorgt. Schon früh wurden deshalb Leuchttürme errichtet. Das erste Leuchtfeuer am Cape Lookout ging 1812 in Betrieb, aber es war zu niedrig und die Reichweite zu gering. Einige Kapitäne bezeichneten die Feuer von Hatteras, Lookout und Cape Florida als geradezu gefährlich, weil sich Schiffe auf der Suche nach dem Licht des Leuchtturms zu nahe an die Flachs begaben. Schon 1859 ging deshalb ein neuer, mit 163 Fuß (knapp 50 m) deutlich höherer Leuchtturm in Betrieb, der dann auch ausreichend Tragweite hatte. Die charakteristische, unverwechselbare Bemalung mit weißen und schwarzen Rauten (day marks) erhielt er 1870.
Natürlich statten wir dem Leuchtturm einen Besuch ab, mit dem Dinghy können wir an der Innenseite des Fähranlegers festmachen. Über Holzbohlenstege geht es dann durch die Dünenlandschaft zum Leuchtturm und weiter hinüber zum breiten Strand an der Atlantikseite. Teile des Strandes sind für Autos befahrbar, weiter im Norden gibt es eine Fährverbindung extra für diesen Zweck. Viel Verkehr ist aber nicht, wir machen einen herrlichen Strandspaziergang.
Zurück zum Leuchtturm, wo uns intensiver Kiefernduft empfängt, Sommerluft wie auf Anholt oder Hiddensee 😃.
Fun fact: die Rauten sind keineswegs nur zufällig dekorativ zur Unterscheidung von anderen Leuchttürmen. Sie sind so aufgemalt, dass die weißen Rauten übereinander exakt in Ost-West-Richtung sichtbar sind, die schwarzen Rauten exakt in Nord-Süd-Richtung. 😎
Die Landschaft scheint irgendwie vertraut, aber sie ist es natürlich nicht allein, die die verschiedenen Regionen auf unserer Reise unterscheidet. Es sind die Menschen und – auf unbewohnten Inseln wie hier – eben auch die Pflanzen und Tiere. Lösen die Kiefern mit ihrem Duft eher heimatliche oder zumindest urlaubsbekannte Gefühle aus, erinnert uns die zum Teil ungewohnte Tierwelt daran, dass wir eben doch Besucher in fremden Ländern sind.
Beim Strandspaziergang sehen wir bekannte Arten wie Möven, Austernfischer, Seeschwalben und Standäufer. Aber eben auch das:
Ein weißer Ibis (Schneesichler) erschüttert unsere vorschnelle “ ach, das ist ja wie in … “ – Einordnung. Auch die Reiher kommen irgendwie anders daher. Erst ein Rötelreiher (Egretta Rufescens),
dann ein Schmuckreiher (Egretta THULA!) mit gelben Füßen und ebensolchem “Brillenband”:
Der erinnert uns einmal mehr an Janna und Ilja von der Thula, die jetzt gerade auf dem nicht ganz einfachen Törn von den Bahamas zu den Azoren unterwegs sind und mit denen wir immer mal über Iridium Kontakt haben.
Vielleicht sogar noch mehr als durch die Vögel bekommen wir durch ein anderes Tier deutlich vermittelt, dass wir uns in für uns neuem Terrain befinden:
Am Baum direkt neben dem Bohlenweg schlängelt sich eine amerikanische Kletternatter entlang. Sie ist ungiftig und als Würgeschlange eher auf Nagetiere und Vögel spezialisiert, aber – hey – , das muss ja doch erstmal nachschlagen ☺️.