Passage von Minerva nach NZ, Tag 3

Kontraste.

Der Morgen beschenkt uns mit leichtem Wind, kurz segeln wir mit Code0 auf Halbwindskurs, dann raumt die leichte Brise etwas mehr und wir können auf unseren blauen Gennaker wechseln.

Langsam gleiten wir bei Sonnenschein über das tiefblaue Wasser. Wie das flappende Großsegel auf dem Bild schon andeutet: das leise Lüftchen reicht gerade so eben, um die Segel einigermaßen zu füllen. Immerhin, ein paar Stunden steht sie durch. Dann färben Schleierwolken den Himmel langsam von blau auf grau und die Brise wird zu einem Hauch, schläft schließlich völlig ein. Wir werfen den Jockel an und motoren durch die Flaute.

Es ist schon erstaunlich, was das weite Meer mit uns macht.

Bei Starkwind und hohen Wellen beansprucht das Boot, das Segeln, das Funktionieren den Großteil von uns. Das Außen hält uns auf Trab, es lässt nicht viel Platz für anderes. Bei Flaute aber scheint die Zeit still zu stehen. Egal ob wir dümpeln oder hindurchmotoren, es ist als lasse uns der Ozean hinter unsere Fassaden schauen. So, als wäre die glatte Wasseroberfläche gleichsam auch das Symbol für den Spiegel in unser Inneres.

Ein Hörbuch und zwei damit scheinbar überhaupt nicht zusammen hängender Diskurse beim Abtrocknen und beim Vorbereiten des Angelhakens machen deutlich, wie sehr diese Flaute uns auf uns selbst zurückwirft. Urplötzlich reißt die alte und fast geschlossen geglaubte Wunde unserer ungewollten Kinderlosigkeit auf, bringt Trauer, diffuse Schuldgefühle, Schmerz wieder ans Licht. Der erste Impuls ist Rückzug. Aber Flora hilft uns. In der relativen Enge des Bootes ist es schwer, sich abzukapseln. Wir reden. Liegen uns in den Armen. Finden wieder einen Weg, gemeinsam mit den schmerzhaften Gefühlen umzugehen, die aber eben auch zu unserem Leben dazugehören.

In der Nacht setzt das Wetter dann nochmal einen Kontrapunkt. Ich habe mich kaum in meiner Freiwache schlafen gelegt, als der Wind zurückkommt. Von achterlichen 4 Knoten steigt er auf gut segelbare 10 kn an. Also „all hands on deck“, wir setzen die Segel, binden sogar rein vorsichtshalber ein erstes Reff ins Groß. Eine halbe Stunde später stehe ich wieder im Cockpit. In Böen pfeifen jetzt 26 kn im Rigg und wir laufen inzwischen hoch am Wind. Safety first, wir gehen gleich ins dritte Reff. Eine gute Stunde später hat der Wind gedreht und etwas abgenommen, wir wenden und wechseln aufs zweite Reff.

Beim Wachwechsel herrscht dann wieder Flaute, also Segel weg und Motor an für den Rest der Nacht.

Seit heute Früh segeln wir wieder, hoch am Wind bei Vollzeug.

Etmal: 112 sm, gesamt bisher 280 sm. Noch zu segeln bis Whangarei voraussichtlich 510 sm.

Essen: Kürbisrisotto mit Datteln im Speckmantel.

Delfin-Eskorte zum Traumstrand

Es ist ein fast unwirklich stillen Morgen. Kein Plätschern am Bootsrumpf. Kaum ein Windhauch kräuselt das Wasser. Flaute am Ankerplatz. Nur die dünnen Striche der Palmen-Motus am Rande des Atolls verhindern in der Ferne, dass die See und der Himmel am Horizont ansatzlos mit einander verschmelzen.

Das Wasser ist so kristallklar, dass wir in zwölf Meter Tiefe jede Muschel und jeden kleinen Fisch erkennen. Zeit für ein Bad. Wir lassen uns ins Türkis gleiten, Hineinzuspringen käme uns schon als Störung vor, schwimmen zur vor uns ankernden Lille Venn hinüber.

Mit Ralph besprechen wir, kurz nach Mittag im Pass tauchen zu gehen. Fein, dann können wir vorher noch mit dem Dinghy hinüber zu den Motus im wildromantischen Flachwasserbereich westlich des Passes fahren. Die Korallenriffe und die ausgreifenden Sandbänke dort machen den Besuch praktisch nur an stillen Tagen wie heute möglich.

Tatsächlich wären es Luftlinie vom Ankerplatz nur etwa anderthalb Meilen dorthin, durch die erforderlichen Umwege ist es allerdings fast die doppelte Strecke. Aber die lohnt sich, zumal uns die Slalomfahrt um die Bommies durch eine unerwartete tierische Begleitung versüßt wird.

Wir haben bisher in Französisch Polynesien erstaunlich wenige Delfine gesehen, hier aber begrüßt uns einer, kommt so nahe zu unserem Dinghy heran, dass wir im flachen Wasser seinen Schatten auf dem Sandgrund erkennen können.

Und das Beste: er bleibt bei uns, schwimmt mit etwas Abstand vor unserem Dinghy her, lässt sich zurück fallen, überholt wieder und schwimmt voraus, als wolle er uns durch das Labyrinth der Korallenbommies lotsen.

Erst kurz vor den Sandbänken der Motus verlässt er uns. Als es selbst mit schon angeklapptem Außenbordmotor zu flach wird, ankern wir Florecita und waten hinüber.

Ein tropischer Inseltraum empfängt uns und wir haben dieses abgelegene Idyll ganz für uns allein.

Tag 8 der Passage von Mexiko nach Französisch Polynesien

Das Gewitterband liegt hinter uns, die Flaute vor uns, wir sind schon mittendrin, haben die die Innertropische Konvergenzzone ITCZ erreicht. Dankeschön für Euer Daumendrücken, es hat scheinbar geholfen. Wir kommen ohne Blitzlichtstakkato richtig gut durch. Das Gewitterband hat sich abgeschwächt, wir kriegen nur ein paar kräftige Regenschauer ab. Ansonsten können wir den Weg perfekt durch die Lücke in den Wolkentürmen steuern. Und bekommen sogar noch einen Skipjack an den Haken, der erste Angelerfolg seit Mexiko.

Die Nacht hindurch haben wir dann auch noch etwas Wind, gerade ausreichend zum Segeln. Seit heute Morgen um 6:30 läuft der Motor. Flaute.

Zeit, mal wieder etwas klar Schiff zu machen. Vom Schräglagen/Kirmes-Schaukel-Modus in den “nur sanft gewiegt”-Modus zu wechseln, die vom dauernden Abstützen gestressten Muskeln zu entspannen. Frisches Granola zu machen, Kuchen zu backen.

Nach der Vorhersage werden wir wohl rund einen Tag motoren, bevor wir dann hoffentlich wieder Segelwind finden. Für etwa 5 Tage durchgängiger gemäßigter Motorfahrt ist unser Dieselvorrat ausgelegt, das sollte also kein Problem sein.

Etmal 113 sm, gesamt auf dieser Passage 1.046 sm (damit die ersten 1.000 geknackt), rechnerisch noch 2.254 sm bis Gambier.

Die Sprayhood weggeklappt, die Mittelscheibe aufgestellt, das Groß nur als Stützsegel, so motoren wir heute durch die tropische Flaute.

Bildernachtrag Passage Hawai’i

So kurz nach der Passage sind wir immer noch mittendrin, die ganzen Eindrücke dieser intensiven 26 Tage zu verarbeiten. Die Bilder durchzugehen, eine Auswahl besonderer Momente oder Eindrücke oder damit verbunden auch Stimmungen zu treffen, das ist gar nicht so leicht. Ich versuche, mich ein bisschen an den Beiträgen entlang zu hangeln und ein paar Blöcke bilde, ohne dass ich alles im Einzelnen zuordne.

Los ging es mit eher wenig Wind.

Angelerfolg, hier ein schöner Großaugenthunfisch, so schwer, dass wir tatsächlich einmal unser Gaff benutzt haben.

„Kreative“ Besegelung schon mal am Anfang, wir haben das in den Kalmen dann noch einmal aufgegriffen.

Überhaupt, so viele wunderbare Sonnenuntergänge vor Floras Bug und Sonnenaufgänge hinter ihrem Heck, dass ich hier mal nur eine kleine Auswahl einstelle:

Kochen und Essen strukturiert auf einer langen Passage den Tag und ist immer wieder ein Highlight.

Fliegende Fische. In „ihrem“ Element:

Und was man morgens so jeweils an Deck findet.

Herrliches Segeln

… und auch knackiges Segeln.

Ein kleines bisschen Bootsarbeit natürlich auch …

Flaute. Wenn sie kurz genug ist, auch mal schön.

Und sinnvoll zu nutzen. Wahnsinn, wie schnell hier im Pazifik Bewuchs entsteht. So sieht (nach zwei Wochen) eine zwei Zentimeter lange Entenmuschel aus:

Eigentlich ja ganz hübsch. Nur nicht, wenn sie in Massen am Boot klebt. Also Tauch- und Säuberungseinsatz in der Flaute. Vorher:

Nachher:

Noch mal Wolkenstimmung

Vögel sorgen auch immer mal wieder für Abwechslung.

Ganz liebe Überraschung zum Bergfest

Wind und Wellen, Boot und überhaupt 😁

So viel Blau. Und wir strahlen sogar ohne Farbe 😁

Um das Kap Hatteras in die Chesapeake Bay

Das Cape Lookout und insbesondere das Kap Hatteras genießen trotz ihrer optischen Schönheit unter Seglern einen eher zweifelhaften Ruf. Das liegt an den vorgelagerten Flachs, der schlechten Sichtbarkeit der niedrigen Outer Banks, vor allem aber an den Strömungen. Als wäre der Golfstrom nicht schon genug, arbeiten sich Ausläufer einer zweiten atlantischen Hauptströmung, des aus dem Nordpolarmeer kommende relativ kalten Labradorstroms eng an der Küste bis hier hinunter und drängen ab hier den Golfstrom nach Osten ab. Das ergibt eine intensiv arbeitende Wetterküche, die für unseren geplanten etwa 230 sm langen Übernachttörn in die Chesapeake Bay eben ein wohlgewähltes Wetterfenster erfordert.

Allzu zimperlich können wir da nicht sein, und so nehmen wir gemeinsam mit mindestens sechs anderen Booten die Chance eines Flautentages mit anschließend einsetzendem Südwestwind gerne wahr, auch wenn damit eine längere Strecke unter Motor verbunden ist.

Noch vor Sonnenaufgang gehen wir Anker auf, mogeln uns im ersten Büchsenlicht aus dem Barden Inlet und fahren erst einmal fast 10 sm in die “falsche” Richtung nach Südsüdosten um das weit aus greifende Flach vor Cape Lookout herum. Erst dann können wir nach Nordost Richtung Kap Hatteras schwenken.

Auf dem ersten Stück brausen trotz (bzw. wegen) der frühen Stunde die Sportfischerboote des Wettbewerbs in Beaufort rechts und links um uns herum, rauschen mit bis zu dreißig Knoten knapp an uns vorbei in Richtung Golfstrom und wühlen das Wasser dabei ziemlich auf.

Immerhin, noch können wir (wenn auch gelegentlich von den Motorbootwellen durchgeschüttelt) segeln, aber mit steigender Sonne setzt leider Flaute ein, wie vorhergesagt wird es ein Tag mit auch bei Flora rotierendem Motorstundenzähler. Wir trösten uns damit, dass wir sieben Segelboote zusammen am Tag weniger Diesel verbrauchen als eins dieser Boote in ein oder zwei Stunden.

Wir nutzen den von der Lichtmaschine im Überfluss bereitgestellten Strom, um vor der brackigen Chesapeake Bay unsere Frischwassertanks per Wassermacher noch einmal komplett voll zu machen.

Immerhin, zum Abend setzt der Wind langsam wieder ein und unter Groß und Code0 gleiten wir in die Nacht hinein.

Nachts haben wir zum Glück trotz Küstennähe nur relativ wenig Schiffsverkehr. Wechsel auf die Fock, zurück auf den Code0, Motorsegeln, weitere Segelwechsel und dann doch wieder längere Zeit motoren, so zeigt sich der zweite Tag.

Außerdem haben wir endlich wieder einmal Angelerfolg, eine schöne Spanische Makrele können wir an Bord ziehen. Trotzdem, das lange motoren hinein in die große Chesapeake Bay zieht sich, insbesondere nachdem wir das imposante Bauwerk des Chesapeake Bay Bridge Tunnels passiert haben, das sich mehr als 28 Kilometer lang über die Mündung der Bucht erstreckt. In beide Richtungen unserer Durchfahrt über einen der zwei Tunnelabschnitte läuft die Brücke aus unserem Blickfeld hinaus.

Und danach geht es eben noch stundenlang unter Motor weiter bis hinüber auf die westliche Seite der hier sehr breiten Bucht. Erst gegen 17.00 können wir den Anker im East River der Mobjack Bay fallen lassen. Es fühlt sich an, als wären wir in einem stillen, von hohen Bäumen und schönen Häusern umstandenen See vor Anker gegangen. Die Escape ist schon da, Easy-One und Tropicool finden sich kurz nach uns ein und ankern nicht allzu weit entfernt.

Keine 100 m hinter unserem Schiff hat ein Fischadler sein Nest auf einem Pfahl im Wasser gebaut, sein Schrei klingt durch die Abendstille über das glatte Wasser.

Schön, wieder hier zu sein.