Das Versorgungsschiff kommt … und alles ist anders! Diesel tanken und Brotfrucht backen.

Wieder einmal heißt es Abschied nehmen. Jeannette und Jeroen wollen das Wetterfenster nutzen, um von den Gambier nach Tahiti zu segeln. Die Route führt südlich an den Tuamotus entlang. Da sie ja ihren Motor nicht benutzen können, wäre eine Flaute ziemlich gefährlich, durchgehend ausreichend Segelwind ist aber für die nächste Woche angesagt. Verständlich, dass sie sich das nicht entgehen lassen wollen. Aber eben auch schade, weil wir dadurch nur zwei gemeinsame Wochen in den wunderschönen Gambier hatten.

Wir nehmen sie noch einmal in Schlepp und ziehen sie von Taravai aus zum Westpass, dann nehmen sie die Segel hoch und werfen die Schleppleine los.

Tschüss Ihr beiden Lieben, gute und sichere Reise.

Wir bleiben noch in Gambier, Für uns geht’s zurück nach Rikitea. Da hat inzwischen die Nukuhau am Pier festgemacht. Sie ist das ältere der beiden Versorgungsschiffe, die die Insel etwa alle drei Wochen anlaufen. Das andere Versorgungsschiff, die modernere Taporo VIII, sehen wir draußen auf der Reede vor Rikitea ankern. Klar, an der kurzen Pier kann immer nur eins der Schiffe festmachen. Die beiden gehören verschiedenen Gesellschaften und sind auf gegenläufigen Routen durch die Inselwelt Französisch Polynesiens unterwegs, ohne dass sich die beiden Gesellschaften terminlich absprechen. Der „Fahrplan“ ist sowieso eher eine Schätzung. Im Bürgermeisteramt hatte man uns letzte Woche noch gesagt, ein Schiff käme am Mittwoch, das nächste am Samstag. Nun kamen beide kurz hintereinander am Sonntagabend an. Es ist aber selten, dass sich ihre Ankunft überschneidet. In diesem Fall hat die Taporo VIII Pech gehabt und muss zwei Tage warten. So lange dauert es nämlich, bis die Nukuhau mittels ihrer traditionellen Ladebäume ihre überwiegend aus Stückgut bestehende Fracht entladen und die neu aufgenommene Ladung gestaut hat.

Es ist eine kleine Zeitreise in die Vor-Container-Schifffahrt, die wir da beobachten können. Insbesondere das Entladen der vielen Fässer ist faszinierend:

Für uns ist auch Fracht dabei. Es gibt nämlich bisher keine Tankstelle in den Gambier. Der Container am Bauhof auf Mangareva soll dem Vernehmen nach wohl einmal diese Funktion haben, ist aber bisher nicht in Betrieb genommen.

In sofern bietet das Versorgungschiff für uns die einzige Möglichkeit, den Dieselvorrat der Flora wieder aufzufüllen. Das Prozedere dazu ist allerdings ungewöhnlich.

Zunächst einmal: abgegeben wird der Diesel nur in ganzen Fässern zu je 200 Liter. Der Preis ist in Ordnung, 31.000 CFP-Franc (auch XPF abgekürzt), umgerechnet etwa 260 Euro, also 1,30 Euro pro Liter. Die für ausländische Yachten in Tahiti gegebene noch günstigere Möglichkeit des steuerfreien Tankens gibts hier allerdings nicht.

Man bezahlt in einer kleinen vorübergehend auf der Pier errichteten Hütte. Dafür durfte ich allerdings bereits 90 Minuten anstehen, denn in der Hütte wird praktisch sämtliche ein- und ausgehende Fracht verwaltet. Die Quittung gibt man Louis, dem Tankwart. Der reicht sie weiter auf das Schiff, woraufhin vom Schiff aus 200 Liter Diesel in eines der vier Fässer auf der Pier umgefüllt werden.

Ist man an der Reihe, wird dann aus dem Fass in die – hoffentlich mitgebrachten – Kanister mittels Schwerkraft-Handpumpe umgefüllt. Das dauert.

Zwischen den Skippern der Boote ist reichlich Absprache gefordert. Wer braucht wieviel Diesel? Also wer ordert wie viele Fässer, kann abgeben oder nimmt dazu? Und in welcher Reihenfolge soll getankt werden, damit die Dieselkanister möglichst oft von verschiedenen Booten genutzt werden können?

Für uns ist es einfach. Unser 400-Liter-Tank ist fast halb leer, wir benötigen 180 l Diesel. Also ein Fass kaufen und jemanden finden, der uns 20 Liter abnimmt sowie möglichst ein paar Kanister leiht (wir haben nur zwei eigene 20l Dieselkanister). Klappt. Die erste Rutsche machen wir mit 3 Kanistern, dann mit 5, dann zum Abschluss 2. An Bord dann durch den Racor-Trichterfilter (mit Wasserabscheider und Sieb) in den Einfüllstutzen und das Additiv gegen Dieselpest nicht vergessen. Da ich mich dazwischen natürlich jedesmal neu hinten anstellen muss, ist es eine Tagesaufgabe. Um 9:30 hatte ich mich in die Schlange zum Bezahlen eingereiht, irgendwann kurz nach 16.00 ist es geschafft und wir sind um eine interessante Betankungserfahrung reicher.

Eigentlich hätten wir einen ganz anderen Termin gehabt, nämlich mit Tetu und diesmal auch seiner Frau Murielle. Als wir zuletzt bei ihm waren hatte er uns angeboten, dass die beiden uns eine andere Zubereitung der Brotfrucht zeigen. Bisher hatten wir sie geschält und zerteilt wie Kartoffeln in Wasser gekocht. Wir überlegen schon, dass Wiebke allein hingeht, aber dann treffe ich Tetu in der Warteschlange auf der Pier. Wenn das Versorgungsschiff kommt, treffen sich hier eben alle. Tetu muss einige Sachen zur Verschiffung aufgeben, unsere Brotfrucht-Verabredung verschieben wir einfach auf den nächsten Tag.

Als wir mit einem selbst gebackenen Kuchen bei Murielle und Tetu aufkreuzen, rufen uns die beiden hoch auf den Hang in ihrem riesigen Garten. Der Blick von dort ist atemberaubend schön:

Und die Brotfrüchte?

Die beiden haben ein Feuer gemacht und die Brotfrüchte komplett mit Schale in die heiße Glut gelegt. Ein paar Mal gedreht und gewendet, bleiben die Uru (wie Tetu die Brotfrucht nennt) etwa 30 bis 40 Minuten in der Feuerstelle. Dann rupft Tetu ein paar große Blätter vom nächsten Baum und mit ihnen als Topflappen holt er die Früchte aus der Glut.

Dann löst er mit einem Messer die gegarte Uru aus ihrer verkohlten Schale.

Den goldgelben Ball wickelt er zum Warmbleiben in Alufolie und gibt ihn uns mit. Lecker. Spannend ist, dass die Brotfrucht bei dieser Garmethode eine andere Konsistenz entwickelt. Faseriger, fast ein bisschen wie zartes Hähnchenfleisch mit (sehr rauchigem) Kartoffelgeschmack.

Und auch mit anderen Früchten werden wir wieder reich beschenkt.

Was wir für die beiden tun können? Tetu fragt, ob wir ihm zeigen können, wie man einen Guglhupf-Kuchen macht. Seine Großmutter aus dem Elsass habe den immer gebacken, es ist eine Kindheitserinnerung. Er besorgt die Zutaten, wir haben immerhin eine Topfkuchenform an Bord.

Na dann bis nächste Woche in Eurer Küche, Murielle und Tetu!

Abschlepp-Aktion vor der Ankunft: Tag 24 der Passage von Mexiko nach Französisch Polynesien

Landfall mit Hindernissen

Die letzte Nacht vor der Ankunft beginnt mit einem Schock. Allerdings für Jeanette und Jeroen sicher mehr als für uns. Mit Beginn der Dämmerung erhalten wir einen Anruf von unserem Buddyboat. Die etwas hinter uns liegende Fidelis hat einen Getriebeschaden, der Motor ist nicht einsetzbar.

Es sind noch gut 40 sm bis zur Ansteuerung der Riffdurchfahrt, derzeit ist – wenn auch nur leichter – Segelwind. Also vereinbaren wir, dass wir zunächst ein Reff einbinden, damit sie weiter zu uns aufschließen können. Falls möglich, wollen wir die Boote bis kurz dem Pass segeln. Dann soll Flora die Fidelis in Schlepp nehmen. Allerdings ist weiter abnehmender Wind vorhergesagt. Für den Abend unseres Ankunftstages allerdings kündigen sich kräftige Gewitter an, allzu spät sollten wir nicht dort sein.

Bis 4.00 Uhr segeln wir, dann ist völlige Flaute. Noch gut 20 sm bis zum Pass. Fidelis ist jetzt aber nur noch 2 Meilen von uns entfernt. Über Funk vereinbaren wir den Versuch, doch bereits in der Dunkelheit eine Schleppverbindung herzustellen. Eigentlich möchte ich die Zugkraft mit einem Hahnepot auf unsere beiden Heckklampen verteilen, aber von dieser Vorstellung muss ich wieder Abstand nehmen. An Steuerbord würde unmittelbar am Propeller des Außenborders entlanglaufen, zu gefährlich. Und selbst wenn wir den Außenborder hochklappen oder gar (unterwegs im Dunkeln aufwändig) abnehmen, würde die Hahnepot auf Höhe der Unterkante unseres Dinghies verlaufen. Nicht gut. Die See ist ruhig, da sollte die massive durchgebolzte Backbord-Heckklampe unserer Hallberg-Rassy 43 auch mit den Zugkräften der 54 ft Amel klarkommen (hoffen wir).

Wiebke manövriert uns dicht an die Fidelis heran und ich werfe eine dünne Leine hinüber, an deren Ende ich unsere 50 m lange Heckankertrosse geknotet habe. Letztere befestigt Jeroen am Bug der Fidelis und dann beginnt die Schleppfahrt.

Angenehmer ist es natürlich, als es zwei Stunden später langsam hell wird und sich vor uns auch die Gambier-Inseln abzuzeichnen beginnen.

Es ist unmöglich, die Schleppleine permanent unter Last zu halten. Auch wenn die Wellen niedrig sind, zwei Dünungen laufen hier aus verschiedenen Richtungen um die Nordspitze des Gambier-Riffs herum. Laut Windy sind die derzeit zwar nur 1,6 und 1,2 m hoch. Manchmal heben sie sich fast auf, manchmal addieren sich die Höhen. Aber jedenfalls sorgen sie eben doch dafür, dass die Schlepptrosse unregelmäßig Lose bekommt oder sich strafft. Wir müssen aufpassen, dass Fidelis leicht nach Steuerbord versetzt hinter uns bleibt, damit die Trosse beim Hochschnellen nicht unter unsere Rettungsinsel knallt.

Insbesondere beim Einlenken in den Pass und den folgenden scharfen „Linkskurven“ bei der Durchfahrt der inneren Riffe zum Ankerplatz vor Rikitea auf Mangareva ist das wichtig.

Das Fahrwasser ist gut betonnt. Aber Achtung: die Betonnung folgt hier in Französisch Polynesien wieder dem zu Hause in Europa verbreiteten System A (einlaufend rot an Backbord) und nicht wie zuletzt System B (Red Right Return).

Es ist anstrengend, keine Frage. Das Abschleppen reibt an den so kurz vor dem Ende der Passage ohnehin überstrapazierten Nerven, aber es ist eben auch Teil der gelebten Seemannschaft und des Abenteuers, das mit einer solchen Ozeanpassage einher geht. Und: alles klappt gut, wir kommen sicher am Ankerplatz vor Rikitea an.

Das dann unsere Ankerwinsch mitten im Manöver in Streik geht und die Sicherung durchbrennen lässt hätte jetzt eigentlich nicht sein müssen, aber wir finden einen Workaround und bringen das Manöver zu Ende, ersetzen dann die Sicherung und werden uns vielleicht morgen um den Fußschalter kümmern, den wir als eigentliche Ursache verdächtigen.

Strecke bis zur Ankunft: 86 sm, damit gesamt auf dieser Passage: 3.048 sm, unsere zweitlängste Passage bisher auf der gesamten Reise.

Ankunft war um 13.00 Gambierzeit (wir sind jetzt 10 Stunden hinter der deutschen Zeit). Einschließlich der durch die beiden Zeitzonen gewonnenen zwei Stunden waren wir also 24 Tage und 4 Stunden (=580 Stunden) unterwegs. Das macht 5,25 kn Durchschnittsgeschwindig-keit. Wohl der niedrigste Wert unserer bisherigen Hochseepassagen, und doch sind wir damit sehr zufrieden. Denn zum einen haben wir es damit geschafft, praktisch die kompletten Tropen von Nord nach Süd mit nur 43,4 Motorstunden zu durchfahren, wovon ja auch noch gut 8 Stunden auf das Schleppen entfallen. Vor allem aber haben wir es mit dem teilweise bewusst langsamen Segeln geschafft, alle Gewittergebiete auf dem Weg zu umschiffen.

Ankommenschluck mit der Crew der Fidelis

Wir sind ein bisschen erschöpft, glücklich und wir freuen uns darauf, mal wieder eine ganz Nacht durchzuschlafen.

🥱😴💤

Na ja, mal schauen ob das inzwischen für den frühen Morgen vorhergesagte Gewitter das zulässt, aber deutlich lieber hier als unterwegs.