Im Garten Eden auf Tikehau

Ich hatte ja schon mal berichtet, dass wir dem inflationär gebrauchten Begriff “Paradies” eher kritisch begegnen, auch wenn es hier in der Südsee wirklich viele wunderschön anzuschauende Orte gibt. Schummeln wir also jetzt, wenn wir vom Garten Eden schreiben?

Nein, denn den Garten Eden gibt es auf Tikehau tatsächlich. Nur ist es (für uns) nicht das Paradies, sondern eben ein von Menschen gemachter Garten. Stellt sich die Frage, was eine taiwanesische (sic!) christliche Glaubensgemeinschaft dazu bewegt, einem Motu auf einem abgelegenen Atoll in Französisch Polynesien einen Obst- und Gemüsegarten abzutrotzen. Paradiesisch einfach ist das ganz sicher nicht, denn außer Palmen gedeiht normalerweise kaum etwas auf dem kargen Boden der flachen Korallenatolle.

Gemeinsam mit Barbara und Ralph von der Lille Venn landen wir mit unseren Dinghies am Garten Eden an. Ein Schild am Ufer zeigt den berühmten Namen des biblischen Paradiesgartens, ein weiteres weist darauf hin, dass wir hier Gemüse einkaufen können, eine echte Rarität in den Tuamotus. Die Perlenzucht dagegen scheint die Glaubensgemeinschaft nicht mehr sehr aktiv zu betreiben, die Häuser auf dem Steg werden inzwischen wohl als Wohnungen genutzt. Im Inselshop werden aber immer noch Perlen angeboten.

Am Strand begrüßt uns Jakob. Er hat anders als die meisten hier keine taiwanesischen Wurzeln, sondern stammt aus Tahiti. Jakob führt uns über die drei Hektar große Plantage auf der Insel, vorbei an Plakaten und Wandbildern.

Viel spannender für uns: Jakob erklärt uns, dass die Humusschicht des Gartens hier dadurch gewonnen wird, dass insbesondere geschredderte Kokosreste kompostiert werden. Als Dünger wird zudem der Kot der gehaltenen Hühner und Schweine untergemischt. Ohne den Import von fruchtbarer Muttererde ist das zweifellos ein mühsamer, arbeitsintensiver und langwieriger Prozess. Aber er lohnt sich:

Kräuter und Gemüse gedeihen, Wiebke sucht sich unter anderem einen riesigen Pak Choi aus.

Neben für Französisch Polynesien klassischem, auf den Tuamotus aber eben trotzdem selten wachsendem Obst wie Bananen und Papaya gibt es hier sogar Maulbeeren und Acerola-Kirschen.

Vanille wird ebenfalls in größerer Menge angebaut. Zur Bewässerung wird Regenwasser gesammelt. Und damit nicht genug der Arbeit: die Gemeinschaft betätigt sich auch als Imker, Bienenstöcke sind über das Gelände verteilt. Und selbst Salz wird selbst gewonnen, Jakob zeigt uns die verschiedenen Becken, in denen aus dem Meerwasser nach und nach konzentriertere Lake und am Ende eben kristallines Salz gewonnen wird.

Zur Selbstversorgung und eben auch für den Verkauf im Insel-Shop. Auch Perlen, Tücher und geschnitzter Schmuck werden dort angeboten. Wir begnügen uns neben Kräutern und Pak Choi aber mit Bananen, Honig und Eiern. Eine gute Ausbeute, für ein kleines Inselchen in den Tuamotus geradezu paradiesisch! Zurück zu den Booten …

… die Sporteinheit wartet 😉

Foto Credit: Rajesh, S/V My Motu. Dankeschön!

Dunkle Wolken über dem Paradies?

Wir verbringen schöne Tage beim Tauna-Motu am Außenriff. Gemeinsam mit den Crews der Adiona und der Ohana gibt’s noch ein Beach-Potluck mit Lagerfeuer und Boccia spielen auf der Insel.

Dann ziehen die beiden anderen Boote weiter, wir bleiben noch einen Tag und genießen es, diese kleine Trauminsel ganz für uns allein zu haben.

Und dann wechseln auch wir mal wieder den Ankerplatz. Dieses Mal verholen wir hinter die Île Aukena, denn es sind südliche Winde und auch schlechteres Wetter vorhergesagt.

Auf Noforeignlandland sieht unsere Route durch das Gambier-Archipel nach einem Monat hier inzwischen so aus:

Als wir am Ankerplatz vor Aukena ankommen, ziehen von Süden über Akamaru bereits dunkle Wolken auf, während unsere Bucht noch durch die letzten Sonnenstrahlen in hellem Türkis leuchtet.

Also schnell das Dinghy zu Wasser lassen und ein bisschen Landgang.

Wir landen am alten Wachturm auf der Westspitze Aukenas an.

Hier könnte man sich jetzt auch in Schottland wähnen. Aber auf dem Pfad, der von hier aus durch den Wald führt, ändert sich dieser Eindruck gleich wieder. Ein wildes Gemisch aus Kokospalmen, Pandanus (Schraubenbaum) und Talipariti (Lindenblättriger Eibisch) im feuchteren Bereich, Kiefern auf den trockeneren steinigen Höhen. Mittendrin die Ruine des ersten Priesterkollegs Französisch Polynesiens aus dem zweiten Drittel des 19. Jahrhundert.

Und nebenan, im Wald fast überwuchert, der große Brennofen, in dem aus Korallengestein Kalk für den durch Zwangsarbeit der Bevölkerung gestemmten Bau der vielen überdimensionierten Missionskirchen gebrannt wurde.

Es tröpfelt schon, als wir wieder am Dinghy ankommen. Einen kurzen Schnorchelgang lassen wir uns dennoch nicht entgehen. Na klar, bei strahlendem Sonnenschein wäre das noch schöner, aber auch so sind wir von der intakten Korallenlandschaft und dem Fischreichtum begeistert.

Dann aber jetzt wirklich zurück zur Flora.

Sind das jetzt dunkle Wolken überm Paradies? Dramatisch genug mutet es jedenfalls an, oder?

Nein. Überhaupt sollten wir wohl dem von Cruisern so inflationär benutzten Begriff “Paradies“ mit einiger Skepsis begegnen. Auch die wunderschönen Gambier sind nicht das Paradies. Die durch die von den Priestern durchgesetzte Zwangsarbeit und durch eingeschleppte Seuchen fast ausgerotteten Insulaner sind da sicher eine Mahnung. Und aktueller: im Gespäch mit einem der Gendarmen war zu erfahren, dass auch auf den so idyllisch wirkenden Gambier weder häusliche Gewalt noch Drogen- oder Gewaltdelikte unbekannt sind.

Das Paradies ist jedenfalls für uns ganz sicher kein irdischer Ort, den es zu finden gilt, wenn man über die Weltmeere segelt oder durch die Kontinente streift. Wenn überhaupt, dann ist das Paradies in diesem Leben wohl eher ein Gefühl, ein Bewusstsein, eine Geisteshaltung, die Schönheit in dem zu erkennen, was um uns herum ist.

Mit oder ohne Wolken.