Der Stimmungsmix vor dem Start zur Ozeanpassage

Es scheint sich nicht zu ändern. Vor einer längeren Passage stellt sich bei uns Unruhe ein. Eigentlich sind die Einkäufe längst erledigt, die Vorrats-Schapps sind prall gefüllt. Diesel- und Wassertank randvoll. Aber man könnte doch noch …

Das Boot nochmal durchgecheckt.

Die verschiedenen Wetterberichte werden ein ums andere Mal hin und her abgewogen. Für die Abfahrt sieht es gut aus, aber was kommt da in ein paar Tagen? Oder umgekehrt: erst durch das Schwachwindfeld hinter dem Kap hindurch motoren und dann aber den guten Wind haben? Das Beste aus beiden Welten scheint es jedenfalls in nächster Zeit nicht zu geben.

Es ist ja nun nicht unsere erste Ozeanpassage. Aber die Entfernung ist deutlich länger als auf der Atlantiküberquerung von den Kapverden in die Karibik (2.200 sm) oder auf der Passage von den USA zurück nach Antigua (1.700 sm, unserem bisher härtesten Törn). Auch die 1.000 Seemeilen von Panama nach Galapagos wird sie locker knacken, sogar die 2.600 Meilen von Hawai’i nach Alaska, unseren bislang zweitlängsten Törn. Die 4.300 Seemeilen von Galapagos nach Hawai‘i sollten allerdings mit etwa 1.000 sm Abstand unser Rekord bleiben.

Aber ganz schlicht: wir sind nervös. Zugleich voller Vorfreude und Erwartung, aber auch mit Schüben von Unsicherheit und Bedenken. Das Herz puckert.

Was kommt auf uns zu? Ozeansegeln. Tage und Nächte in der scheinbar unendlichen Weite. Mal so, mal so, mal noch ganz anders.

Traumhafte Sternenhimmel, demnächst auch wieder mit dem Kreuz des Südens. Aber auch: sicher drei bis vier Wochen auf der Dauerschaukel und im Drei-Stunden-Takt. Kein gemeinsames Einschlafen, kein gemeinsames Aufwachen. Die ersten Tage mit diesem Wache/Freiwache-Rhythmus sind immer ziemlich anstrengend, danach wird es besser. Und sonst? Es geht wieder über den Äquator, also durch die Kalmenzone mit ihren Flauten und Gewitterzellen. Und die Route quert den derzeit drei Knoten schnell fließenden und dabei zum Teil über 800 km breiten Süd-Äquatorialstrom. Flora wird also auf über 400 Meilen mit drei Knoten nach Westen versetzt. Aber es heißt auch wieder segeln durch den Nordostpassat und den Südostpassat in der anderen Hemisphäre, so uns denn trotz El Niño Passatwinde beschert sein sollten. Taktisch wird es jedenfalls unsere bisher anspruchsvollste Passage und die Anspannung dazu macht sich eben auch schon breit.

Aber es geht ja auch nicht irgendwo hin. Die SÜDSEE lockt und wir freuen uns darauf, ihrem Ruf zu folgen. Allein der Klang des Wortes sorgt doch für Entspannung der Gesichtsmuskeln und zaubert ein Lächeln aufs Gesicht.

Morgen geht’s los.

😊

Fotonachtrag zur Atlantiküberquerung

Erst mal ganz lieben Dank für Eure Anteilnahme, die Aufmunterungen und die Glückwünsche. Es freut uns riesig, dass Ihr uns auf unserer Reise so begleitet.

Ich hatte ja in den Iridium-Posts mehrfach geschrieben, dass wir ganz schön durchgeschaukelt werden und die See nicht einfach nur eine lange Ozeandünung sondern ziemlich kabbelig ist. Hier erst mal ein paar Bilder die versuchen, das in seiner Wildheit und Schönheit zumindest ansatzweise einzufangen:

Es ist schon erstaunlich, wie einerseits unfassbar anstrengend es ist, wenn DAUERND ALLES in Bewegung ist, nichts einfach dort liegen bleibt, wo man es „mal kurz“ ablegen musste, man sich selbst auf dem stillen Örtchen festkeilen muss, man beim Schlafen selbsttätig gewendet wird als sei man ein Grillhähnchen und selbst simpelste Aufgaben wie Kaffeekochen eigentlich eine dritte Hand erfordern würden. Und wie andererseits sich der menschliche Körper (und Magen) dann meistens doch irgendwann daran gewöhnt, man entspannen und sogar lesen kann.

Segel-Schaukel im Passat
Und ja, blaue Flecken von unvermittelt zufallenden Kühlschrankdeckeln gehören auch dazu.

Tierfotos hätte ich Euch gern mehr geboten, aber wir haben (sicher auch den hohen Wellen geschuldet) nicht allzuviel tierische Begegnngen gehabt. Nur die allgegenwärtigen Fliegenden Fische (von denen es einer trotz selbstverständlich geschlossener Fenster sogar in den Salon geschafft hat) und ab und zu ein Vogel (zumeist Weißbauchtölpel, wobei Tölpel sich nur auf das Verhalten an Land bezieht und den eleganten und mit bis zu 1,5 m Flügelspannweite auch großen Segelfliegern auf See und in der Luft nicht gerecht wird).

Na ja, und dann noch mal zu den Squalls. Wir hatten vorher viel darüber gelesen und konnten uns doch nicht recht etwas darunter vorstellen. Es sind kleine Regenzellen (manchmal auch Gewitterzellen, hatten wir aber zum Glück nicht), räumlich meist ziemlich begrenzt, vielleicht ein Kilometer im Durchmesser. Sie bringen oft (aber auch nicht immer) deutliche Veränderungen in der Windstärke und der Windrichtung, was bei der Vormwindbesegelung unangenehm sein kann, weil die Segel ja dann ziemlich in ihrer Position fixiert sind (zu dem Leinenwirrwarr schreibe ich demnächst noch mal was). Man kann die Squalls aber ganz gut auf dem Radarbild erkennen:

Hier auf dem Seekartenoverlay: das Radar zeigt einen Squall links vor uns und einen rechts hinter uns, außerdem ein bisschen Nieselregen knapp links hinter uns.

Meist kommen die Squalls am Abend oder Nachts, aber ein komplettes Band von Squalls hat uns auch einen Tag lang ganz gut beschäftigt 😉.

Ein Squall zieht auf.

Tja, und das Segeln …