Pazifik wieder erreicht. Lewis und Clark. Und: die Columbia River Bar

Wir sind wieder am Pazifik. Der Roadtrip durch die USA ist noch nicht ganz zu Ende. Aber immerhin: den Ozean, auf dem Flora derzeit schwimmt, den haben wir wieder erreicht.

Von Portland fahren wir zunächst in das Örtchen Seaside und erreichen dort den Ozean. Und das ziemlich nahe einer historischen Stelle, wie uns die Statue von Lewis und Clark oberhalb des breiten Sandstrandes von Seaside deutlich macht.

“End of the Trail“ (Ende des Weges) lautet die Inschrift am Sockel des Denkmals, daneben die Namen Lewis und Clark. Mehr braucht es wohl nicht, denn die beiden und ihre Geschichte kennt in den USA jedes Schulkind. Und doch, eigentlich wird nicht das Ende ihres Weges markiert, sondern der Punkt, an dem sie umkehrten. Wohl aber ist es der Schlusspunkt des “Lewis and Clark National Historic Trail”, mit 5.950 km einem der längsten Wanderwege und Routen im umfangreichen vom National Park Service betreuten Trail-System der USA.

Der Hintergrund ist eine abenteuerliche Expedition. Die Vereinigten Staaten hatten 1803 von Frankreich dessen koloniales Gebiet westlich des Mississippi und von New Orleans hinauf bis etwa zur heutigen kanadischen Grenze bei Montana gekauft (und damit Napoleons Kriegskasse für seine Europäischen Expansionspläne aufgefüllt). Mit dieser Innenpolitisch hoch umstrittenen Entscheidung wurde das Staatsgebiet der USA etwa verdoppelt. Allerdings war einigermaßen unklar, was man da eigentlich genau erworben hatte. Und so veranlasste Präsident Jefferson eine Expedition, auf der neben möglichst umfangreicher Kartierung insbesondere schiffbarer Flüsse versucht werden sollte, soweit wie möglich nach Westen in dieses unbekannte Gebiet oder gar bis zum Pazifik vorzudringen und zudem Informationen über die geographischen Gegebenheiten, aber auch über die indigenen Bewohner und über Pflanzen und Tiere zu sammeln.

Die von Lewis und Clark geleitete Expedition bestand im Kern aus 33 Personen (überwiegend Soldaten) und startete im Mai 1804. Zunächst den Missouri hinauf arbeiteten sie sich dann durch die Great Plains. Dort konnten sie einen französischen Pelzhändler und – wohl ziemlich entscheidend – dessen Frau (eine indigene Shoshone) für die Expedition gewinnen. Nach der ersten Überwinterung ging es über die Rocky Mountains auf Pferden, die sie von Shoshone-Indigenen durch Tauschhandel erwarben. Danach folgten sie dem Clearwater River zum Snake River und weiter zum Columbia River. Im November 1805 erreichten sie den Pazifik, überwinterten in der Nähe des heutigen Seaside und schafften tatsächlich auch den Rückweg. Ende September 1806 erreichten sie St. Louis.

Was für eine Reise, was für eine erfolgreiche Expedition. Damit war klar: der Weg nach Westen ist möglich. Und die weitere Entwicklung der USA nahm ihren Lauf.

Dort, wo Lewis und Clark den Pazifik erreichten, an der Mündung des Columbia River, liegt auf der Oregon-Seite des Flusses die Stadt Astoria, unser nächstes Ziel. Wir schauen uns das interessante Columbia River Maritime Museum an.

Der Fluss ist eher ein Strom, riesig breit und weit hinauf schiffbar. Mit Flora könnten wir auf unserer geplanten Fahrt die Westküste hinunter hier Station machen. Allerdings liegen fast alle potentiellen Zwischenstops an dieser Küste in Flussmündungen, so wie eben dieser. Und praktisch alle Mündungen hier an der Nordwestküste weisen eine flache Barre auf, die gemeinsam mit der ungebremst anrollenden Pazifikwelle und dem oft auftretenden Nebel die Einfahrt häufig gefährlich macht.

Vielleicht doch lieber ein langer Schlag weiter draußen vor der Küste? Müssen wir ja erst irgendwann im Juli oder August entscheiden, also: mal sehen.

Die Sache mit den Kreisen. Von Park City in Utah nach Portland in Oregon

Mal wieder Strecke: wir verlassen Park City und fahren zunächst durch die schneebedeckten Berge. Über die Rocky Mountains, durch Salt Lake City hindurch, am Großen Salzsee und Industrieanlagen vorbei und weiter durch die scheinbar endlose Landschaft, erst einmal ins südliche Idaho.


In Utah werden die Nummern der Landstraßen auf den Schildern in Bienenkörben abgebildet, dem offiziellen Symbol im Mormonenstaat. Auch wenn das heute gern im Sinne von Zusammenarbeit und Gemeinsinn interpretiert wird ist die ursprüngliche Symbolik dahinter wohl eine andere. Schon früh als christliches Symbol für die durch Christi Tod vermittelte Unsterblichkeit verwendet, steht es auch für das Land, in dem Milch und HONIG fließt und das der Mormonen-Führer Brigham Young genau hier am großen Salzsee entsprechend seiner Vision zu finden glaubte, weshalb er sich mit vielen Anhängern hier niederließ.
Das führt zu interessanten Schildern am Straßenrand wie diesem:

Und auf der weiteren Fahrt gibt’s noch ein anderes spannendes Schild. Wir müssen die Autobahn (Interstate 84) wegen einer Vollsperrung verlassen und fahren auf der kleineren Landstraße 42 weiter, fernab größerer Ortschaften. Nach einiger Zeit kommt am Straßenrand der Hinweis “No service next 102 miles”, wir haben aber glücklicherweise einen noch ziemlich vollen Tank.

Zwischendurch reißt der Himmel auf, dann wieder haben wir eine dichte Wolkendecke. Die Fahrt führt durch ein eher flaches Tal, beidseitig von Bergzügen begrenzt. Die Vegetation ist karg, trotzdem sehen wir große Rinderherden, Heustapel und auch Milchviehbetriebe auf den vereinzelten Gehöften. Möglich gemacht wird das in dieser trockenen Gegend ganz offensichtlich durch Bewässerung, denn überall auf den Feldern oder Weiden finden sich riesige Sprinkleranlagen, montiert auf Rädern. Beim näheren Hinsehen zeigt sich, dass es zumeist Pivot-Beregnungssysteme sind, also quasi Karussell-Bewässerungsanlagen, die um eine Zentralpumpe rotieren können.

Die Drohne vermittelt schon einen ersten Eindruck, was daraus entsteht:

Aber erst im Google Earth Bild wird deutlich, welche Dimensionen diese Bewässerung hat und welche grafischen Muster dabei in der Landschaft erzeugt werden:

Erst jetzt wird uns so richtig klar, was wir wir bei der Fahrt durch die Great Plains etwa in Oklahoma und Texas schon so oft gesehen haben.

Die zum Teil riesigen Pivot-Bewässerungen machen die Landwirtschaft in weiten Bereichen insbesondere des mittleren Westens der USA erst möglich. Der “Dustbowl“, benannt nach verheerenden Dürren und Staubstürmen über den urbar gemachten immensen ehemaligen Prärieflächen in den frühen 1930er Jahren, zeigte das deutlich auf. Unzählige Farmer mussten damals ihre Ländereien aufgeben, viele zogen auf der Suche nach Arbeit weiter nach Westen in Richtung Kalifornien, oft auf der gerade 1926 fertiggestellten Route 66. Nobelpreisträger John Steinbeck hat die “Okies” (Dustbowl-Flüchtlinge aus Oklahoma und umgebenden Staaten) auf ihrem Trek begleitet und dies in “Früchte des Zorns” (Originaltitel: The Grapes of Wrath”) literarisch verarbeitet.

1948 entwickelte der Farmer Frank L. Zybach einen neuen Typ Sprinklersystem, den er sich ein paar Jahre später auch patentieren ließ. Durch die neue Pivot-Beregnung wurde gegenüber dem vorher üblichen Verspritzen der Anteil des nutzlos verdunstenden Wassers deutlich reduziert. Außerdem musste es im Gegensatz zu anderen Bewässerungsanlagen für Aussaat, Bearbeitung und Ernte nicht demontiert werden, so dass sich diese Methode rasch durchsetzte. Allerdings ist die dauerhafte Beregnung der notorisch trockenen Flächen in so großem Maßstab nicht unproblematisch. Zehntausende Brunnen zapfen hierfür zumeist den Ogallala Aquifer an, einen der weltweit größten Grundwasserleiter. Er erstreckt sich über acht US-Bundesstaaten unterhalb der Great Plains, aber er entstand vermutlich während der letzten Eiszeit und bildet nur einen geringen Teil des entnommenen Grundwassers nach. Ganz überwiegend ist der Grundwasserspiegel deshalb im betroffenen Gebiet bereits erheblich gesunken. Wird weiter so intensiv aus diesem Grundwasserleiter bewässert, ist dauerhaft eine Wiederholung der Dustbowl-Problematik nicht ausgeschlossen. (Sehr spannend zu lesen in diesem Zusammenhang: Bericht in “Scientific American”).

Und manche Farm scheint schon historische Anknüpfungen zu machen:

Unser Roadtrip führt uns weiter, zunächst durch Idaho am Snake River entlang und bis zur Hauptstadt des Bundesstaates, Boise (gesprochen Bäu-sie!). Über 200.000 Einwohner hat die Kapitale und selbstverständlich auch ein Kapitol:

Dahinter leuchten schon wieder schneebedeckte Berge. Am nächsten Tag soll sich das Wetter verschlechtern und so fahren wir nach einem kurzen Zwischenstopp und leckerem Essen weiter, übernachten erst hinter der Landesgrenze, schon in Oregon, im Örtchen Ontario. Die Bergkette der Kaskade Mountains vor Portland queren wir entlang des mächtigen Columbia River, der seinen Lauf tief in diese Erhebung eingegraben hat. So ist die Straße zwar gewunden, aber während wir an den Hängen ein paar Hundert Meter über uns Schnee sehen, fällt unten am Flussufer nur Regen.

In Portland bleiben wir für zwei Nächte, ziehen zu Fuß unsere Kreise durch die schöne Stadt mit ihren vielen viktorianischen Gebäuden, streifen durch unsere bisher größte Buchhandlung (Powell’s City of Books) und erkunden die quirligen Viertel Northwest und Pearl (auch ein Wollgeschäft darf nicht fehlen).