Nicht nur für uns war Nantucket eine Art Überraschungstüte, ganz allgemein scheint Nantucket etwas versteckter, dem Blick etwas mehr verborgen zu sein als etwa Cape Cod oder Martha´s Vineyard. Überhaupt: selbst wenn man die Namen schon mal gehört hat, so richtig verorten lässt es sich nur schwer. Hier also eine kleine Übersicht über unsere Fahrtroute in den USA bis hierher nach Nantucket, genau die letzten drei Monate lang:

In Maine hatten wir bereits eine nördlichere Breite erreicht als etwa Toronto in Kanada, aber inzwischen sind wir bereits im Süden von Massachusetts angelangt, fast schon wieder auf der Höhe von New York.
Die Entfernungen in den USA sind bekanntermaßen groß. Trotzdem ist kaum zu fassen, dass wir in diesen drei Monaten 2.420 sm zurückgelegt haben, also mehr als bei unserer Atlantiküberquerung von den Kapverden nach Bequia. Insgesamt sind es übrigens seit unserem Start in Griechenland 11.300 sm.
An unserem ersten Morgen im Hafen von Nantucket werden wir von den Nebelhörnern der einfahrenden Fähren geweckt. Als wir dann aber nach dem Frühstück zu unserer Radtour aufbrechen, scheint sich der Morgennebel schon deutlich zu lichten. Im Ort gibts diverse Fahrradvermietungen, Greg und Michael können auch wieder die von ihnen bevorzugten e-bikes bekommen.

Ein bisschen eintönig präsentiert sich die fast schnurgerade aber doch hügelige Strecke entlang der Straße nach Siasconset am Ostende der Insel, aber die etwas längere nördliche Schleife mit schöneren Aussichten haben wir uns für die Rückfahrt vorgenommen. ´Sconset, wie der Ort zumeist genannt wird, soll schöne Cottages haben und lockt zudem mit einer Wanderstrecke oben auf dem Kliff, die zum Teil direkt durch die Gärten der superteueren Häuser führen soll. Das wollen wir uns nicht entgehen lassen. Tatsächlich radeln wir am Eingang zu der Kliffwanderung erstmal vorbei. Nur ein kleiner Weg aus weißen Muschelschalen verschwindet zwischen den Häusern, wir hatten ihn für einen Privatweg gehalten, schließlich sind hier viele der Garagenauffahrten mit diesem edlen Belag versehen. Aber dann zweimal ums Eck, und da ist der Wanderpfad.


Die Fahrräder müssen wir hier abstellen, selbst zum Schieben ist es manchmal zu schmal. Dafür geht es mal durch einen Hohlweg, mal zwischen Wildrosen-Hecken hindurch, oft aber auch wirklich durch die Gärten der hier wieder durchweg mit Holzschindeln verkleideten Häuser, die hoch über dem langen Sandstrand der Ostküste auf der Klippe stehen.








Der Nebel ist nicht mehr ganz so dicht wie am Morgen, aber noch immer da. Das gibt unserem Spaziergang eine ganz besondere Stimmung, zumal wir war unten am Strand die Brandung hören und manchmal auch sehen können, der Blick aber beim Hinausschauen auf das Meer keinen Halt mehr findet. Kein Horizont ist zu sehen, die See und der Himmel lösen sich ineinander auf. Es ist eine der schönsten Kliff-Wanderungen, die wir bisher gemacht haben.

Steile lange (und meist private) Treppen führen hinunter zum Wasser, oft auch mit zusätzlichen Hütten auf halber Höhe oder unten am Strand. Die auffällig verschachtelte Architektur der größeren Häuser greift auch bei Neubauten den durch im Laufe der Zeit durch nach und nach hinzugekommene Anbauten typischen Stil der älteren Inselhäuser auf.
Zurück bei den Fahrrädern können wir die Häuser auf der Weiterfahrt noch einmal von ihrer Vorderseite bestaunen, denn an den Vorgärten vorbei rollen wir zu unserem nächsten Ziel, dem alten Sankaty Head Lighthouse von 1850. Wegen der Klippenerosion von knapp einem Meter pro Jahr musste es 2007 gut 100 m weiter nach Nordwesten „umziehen“, hier sollte es erst einmal sicher sein.

Passend zum immer wieder mal wieder dichteren Nebel machen wir unseren nächsten Halt am kleinen aber sehr schön gemachten „Shipwreck & Lifesaving Museum“.






Die unfassbar hohe Zahl von Schiffbrüchen rund um Nantucket ist nur zum Teil den vielen und weit vor der Insel liegenden Flachs geschuldet, die Nähe zu den Schiffahrtsrouten nach New York und Boston tut ein übriges und insbesondere die heftigen Winterstürme aus Nordost haben in Zeiten der Frachtsegler hohen Tribut mit sich gebracht. Vor allem aber wird all das noch durch den in diesen Gewässern so häufig und oft plötzlich auftauchenden Nebel verkompliziert. Das kalte Wasser des Labradorstroms aus dem Norden und das warme Wasser des Golfstroms aus dem Süden treffen hier aufeinander, wobei der Labradorstrom den Golfstrom nach Osten in Richtung Europa ablenkt. Dabei entsteht häufig Nebel. Das war denn auch die Hauptursache für das in Europa bekannteste Schiffsunglück vor Nantucket, den Untergang der Andrea Doria. Der italienische Luxusliner war auf dem Weg nach New York, als er im Juli 1956 mit dem von dort kommenden Passagierschiff Stockholm zusammenstieß. Ihr (vorhandenes) Radar wurde auf der Andrea Doria nicht benutzt und das Ausweichmanöver nach Backbord statt nach Steuerbord vorgenommen, somit genau vor den Bug der korrekt nach Steuerbord ausweichenden Stockholm, wo man zudem allerdings die Anzeige des eigenen Radars hinsichtlich Größe und Geschwindigkeit des anderen Schiffes auch nicht richtig interpretiert hatte. Zum Glück waren mehrere andere Schiffe in der Nähe und eilten zu Hilfe, denn die Rettungsboote der Andrea Doria konnten wegen der Schlagseite des Schiffes zur einen Hälfte gar nicht und zur anderen Hälfte nicht wie geplant sondern nur viel umständlicher eingesetzt werden. Immerhin waren sie eigentlich in rechnerisch ausreichender Anzahl vorhanden (anders als bekanntermaßen bei der Titanic 1912, deren typgleiches Schwesterschiff Olympic 1934 das hier in der Gegend in dichtem Nebel das Feuerschiff Nantucket gerammt und versenkt hatte).
Wir sind jedenfalls froh, dass mit Radaroverlay über die Seekarte und mit AIS die Situation heute auch bei unsichtigem Wetter meist deutlich leichter zu verstehen ist, dennoch ist der Besuch des Museums für uns ein weiterer Ansporn, uns mit der Radar der Flora noch besser vertraut zu machen.
Aber zunächst mal wollen wir noch gar nicht weiter, sondern noch ein wenig auf Nantucket bleiben. Nebel oder nicht, die Insel gefällt uns richtig gut.

Also, wenn COVID die Südsee weiterhin so fest im Griff hat, wie bisher, dann überlegen wir uns eine Runde nach Norden, genau so wie die Flora. Eure Berichte von eurem Törn nach Main und nun wieder zurück machen jedenfalls sehr Lust darauf! Vielen Dank dafür!
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