Passage Minerva nach NZ: Tag 6, Ankunft in NZ

Es bleibt durchwachsen. Erstmal segeln wir weiter unter der dicken grauen Wolke von gestern und so geht es auch in die Nacht. Der Wind dreht allerdings, zum Wachwechsel um 22.00 Uhr beschließen wir, den Spibaum zu setzen um vor dem Wind Schmetterling segeln zu können. Das hält dann auch bis zum Morgen durch, wenn auch bei leider abnehmendem Wind. Um 07.00 nehmen wir den Motor dazu. Eine Neuheit für uns, Motorsegeln vor dem Wind, aber nur so können wir eine Ankunft in Marsden Cove bei Tageslicht sicherstellen.

Zwischendurch können wir nochmal eine Zeitlang segeln, dann wird es doch wieder motorsegeln. Immerhin, wir sind inzwischen südlich der grauen Wolkenfront.

Und dann zeichnen sich langsam Umrisse am Horizont ab. Neue Wolken? Auch, aber: Nein. Land in Sicht! NEUSEELAND.

Am Nachmittag laufen wir an den Klippen der Whangārei Heads in den Hãtea River ein. Ein Orca zeigt kurz seine markante Rückenflosse, will sich aber leider nicht fotografieren lassen. Und wir sehen erstmals Austral-Tölpel, nahe Verwandte der für Helgoland so typischen Basstölpel, denen sie auch sehr ähnlich sehen.

Ein kleines Stück geht es flussaufwärts, links Industriekaianlagen, rechts aber wunderschöne Landschaft.

Wir biegen ab in den schmalen Kanal, der zur Marsden Cove Marina führt. Der Hafenmeister weist uns einen Platz im Quarantänebereich zu. Die Abfertigung wird heute nicht mehr erfolgen, MPI und Zoll kommen dann morgen früh an Bord.

Macht überhaupt nichts. Wir sind superglücklich, hier zu sein.

Essen: unterwegs Rührei mit einigem von dem, was das MPI uns morgen sonst wegnehmen würde, z.B. Datteln und Speck. Und heute Abend Nudeln mit Pilz-Sahne-Soße. Wie ein Kessel Buntes eben, passt doch ganz gut zu dieser ziemlich abwechslungsreichen Passage.

Strecke seit gestern 202 sm (in 31 Std), gesamt 761 Seemeilen.

Passage Minerva nach NZ, Tag 5

Per Express durch das Grau.

Der Wind dreht endlich von NNE auf Ost und nimmt dabei kräftig zu. Für einige Boote um uns herum etwas zu kräftig, manche berichten von Böen um 45 kn. Über die WhatsApp-Gruppen erfahren wir von mehreren ausgefallenen Autopiloten und vom Wellengang weggerissenen Starlink-Antennen. Eines der Boote erleidet gleich beide Defekte. Wir sind in UKW-Reichweite und geben ihre Position und die Meldung, dass es ihnen gut geht an ein befreundetes Boot weiter. Die informieren dann den Shore-Contact des Bootes.

Es hat auch Vorteile, in einem großen Schwarm Zugvögel unterwegs zu sein.

Durch die großen Icons wirkt das allerdings wesentlich enger, als es tatsächlich ist. Wir haben heute wieder nur ein einziges anderes Boot sehen können.

Jedenfalls sind wir gewarnt, Reffen sehr früh und sehr tief. Mit drittem Reff im Groß und etwas eingereffter Fock geht es in die Nacht. Tatsächlich werden es für uns nur um die 30 kn in den Böen bei konstant zwischen 20 und 24 kn Wind. Etwas achterlicher als halb, das sorgt trotz der tiefen Reffs für eine sehr flotte Fahrt. Maximal rutschen wir mit 12,6 kn eine Welle herunter, meist sind wir mit 7 bis 8 kn unterwegs.

Es wird weiterhin kälter. Lange Hosen und sogar Socken kommen heraus, für die Nachtwache im Cockpit zusätzlich (trotz aufgebauter Kuchenbude) noch eine Fleecedecke.

Etmal: 150 sm, gesamt 559 sm. Noch 210 Seemeilen zu segeln bis Whangarei/NZ.

Essen: Wiebke hatte gestern in weiser Voraussicht auf die zu erwartende Schaukelei gleich einen großen Topf Curry gekocht. Also nochmal Thaicurry mit Kürbis, lila Süßkartoffeln, Paprika und Marlin (noch eingekocht aus dem Fang von Joe in den Tuamotus, leider das letzte Glas).

Passage Minerva nach NZ, Tag 4

Das Wetter ändert sich. Es wird kälter und vor der Flora taucht ein dunkles Wolkenband auf, das zur Vorsicht mahnt.

Auf Windy.com schauen wir uns das aktuelle Satellitenbild und die dazugehörige Vorhersage für Regen und Gewitter an.

Hm. Wir bauen die Kuchenbude auf und machen das Cockpit regendicht. Das Wolkensystem ist beeindruckend groß, aber wenn wir uns beeilen, sollten wir vor den Gewitterzellen durch das Regenband durch sein. Also trödeln wir nicht, als der Wind nachlässt, sondern werfen wieder den Motor an.

So geht es abwechselnd Motoren und segelnd in und durch die Nacht.

Tatsächlich erwischt uns (jedenfalls bisher) kein Gewitter. Südlich des Regenbandes sollte eigentlich nach einer Schwachwindphase starker Südostwind einsetzen. Allerdings spüren wir davon bis jetzt nichts. Vielmehr dreht der Wind anders als vorhergesagt im Lauf der Nacht auf NNE und kommt damit genau von hinten, in Verbindung mit der höher werdenden Dünung aus SE ergibt das eine unangenehme chaotische See, Flora wird hin und her geworfen.

Etmal in den letzten 24 Stunden: 129 sm, gesamt 409 sm. Noch zu segeln bis Whangarei 370 sm, wir hatten also schon Bergfest.

Essen: Thai-Curry mit Kürbis (der musste schließlich zu Halloween mal angeschnitten werden und findet sich deshalb in den letzten Tagen öfter auf unserem Speiseteller).

🎃

Passage von Minerva nach NZ, Tag 2

Geduldsprobe.

48 Stunden halten wir durch, segeln langsam unserem Ziel Neuseeland entgegen. Eigentlich nicht einmal das, denn wir setzen einen südlicheren Kurs, fahren also einen kleinen Umweg. Das bringt uns etwas vorlicheren Wind jetzt (bei dem Leichtwind ein Vorteil) und wir spekulieren auf einen besseren (nämlich raumeren) Winkel für den später auf der Passage vorhergesagten stärkeren Wind.

Durch die Dünung des Pazifiks neigt das Großsegel dazu, in der Welle deutlich einzurucken, der Baum knallt dabei in die zuvor lose gekommene Großschot. Einen Bullenstander zum Fixieren des Baums können wir auf diesem Kurs nicht setzen, also lassen wir uns eine andere Variante einfallen, auch wenn die sicher nur für längere Leichtwindstrecken ohne ständiges Trimmen des Großsegels geeignet ist. Aus dem Ersatzgummi für unsere Harpune basteln wir einen Rückdämpfer für die Großschot.

Für uns funktioniert das ganz gut. Allerdings nur, bis der Wind raumt und wir vor den Wind gehen müssen.

Langsam ist eigentlich noch geschönt. Es ist Schleichfahrt auf Schmetterlingskurs. Aus 5 bis 6 kn achterlichem wahren Wind machen wir 3 kn Fahrt. Eigentlich schon ganz beeindruckend: 3 kn Fahrt bei 3 kn scheinbarem Wind. In Böen bis 8 kn werden sogar über 4 kn Fahrt durchs Wasser daraus. Nur reduziert der Gegenstrom die Fahrt über Grund dann trotzdem auf kaum über 3 kn. Aber immerhin: 2 Stunden solcher Schleichfahrt unter Segeln bedeuten streckenmäßig, eine Stunde weniger motoren zu müssen. Und wir haben es ja nicht eilig.

Heute Früh beim Wachwechsel machen wir dann aber doch den Motor an. Der Gegenstrom ist wieder auf einen Knoten angestiegen, der Wind fast ganz eingeschlafen. 0,8 Knoten Fahrt über Grund sind einfach zu deprimierend.

Wir sind aber in guter Gesellschaft. Obwohl wir in der Blase unseres Horizonts kein einziges anderes Segel erspähen können, wissen wir doch den Schwarm der segelnden Zugvögel um un herum. Wie die Gänse in V-Formation streben auf MarineTraffic gut sichtbar die pinken Dreiecke der Langfahrer aus Fiji und Tonga nach Neuseeland ins Winterquartier. Oder ins Südhalbkugel-Sommerquartier, je nach Definition.

Und wir sind mittendrin.

Etmal: Minus-rekordverdächtige 73 Seemeilen in den letzten 24 Stunden über Grund, ziemlich genau 3 kn im Schnitt.

Essen: Frisch gemachte Linsensuppe mit selbstgemachten Fenchel-Mettbällchen (die Crew der Naida hatte uns vor der Abfahrt aus Minerva gefrorenes Hackfleisch aus ihrem Überbestand geschenkt).

☺️

Passage von Minerva nach Neuseeland, Tag 1


Wir segeln, zwar langsam, aber wir segeln und das bei herrlichem Wetter.


Der Wind ist schwach, meist zwischen 7 und 10 Knoten. Immerhin reicht das unter Groß und Code0, um nicht Motoren zu müssen, zumal die See auch angenehm ruhig ist. Allerdings haben wir eine Gegenströmung von jetzt noch 0,7 kn, zwischendurch war es mehr als ein Knoten. Das macht sich natürlich im Verhältnis zu der langsamen Fahrt besonders bemerkbar. Also zupfen wir ein bisschen mehr als sonst auf Passage üblich an den Schoten, so legen wir in den ersten 24 Stunden dann doch immerhin 95 Seemeilen zurück.

Der Strömung können wir übrigens kaum ausweichen, die Darstellung der Strömungsverhältnisse (auf Windy.com) gleicht eher einer surrealistischen Malerei und die kleinen Kringel verändern sich ständig:

Anders als ursprünglich geplant werden wir aber wohl nicht nach Opua (Bay of Islands) gehen, sondern direkt nach Marsden Cove / Whangarei. Der Grund ist, dass wir bisher trotz dreimaliger Übermittlung von Unterwasservideos und ergänzenden Unterwasserfotos kein Pre-Approval von der Biosecurity haben. So, wie die neuen Regeln zumindest am Anfang dieser Ankunftssaison angewendet wurden, wäre das etwa ein 1/3 Risiko dafür, im Ankunftshafen sofort aus dem Wasser gekrant werden zu müssen. In Opua würde das bedeuten, dass wir auch noch einen Rigger bezahlen müssten um das Vorstag abzubauen, weil sie dort ansonsten nur bis 40 Fuß rausnehmen können. Oder rückwärts, aber dann wäre unser Windgenerator im Weg. Um diese zusätzliche Komplikation zu vermeiden haben wir uns lieber für Marsden Cove/Whangarei als Ankunftsort in Neuseeland entschieden.

Die Planung für die Passage ist auch so schon komplex genug. Es sind nur rund 850 Seemeilen von Minerva bis nach Whangarei, aber die Wettersysteme verändern sich in diesem Bereich sehr schnell. Der Wendekreis des Steinbocks (also der südlichste Breitengrad, auf dem die Sonne mittags im Zenit stehen kann) verläuft in etwa in Höhe des Minerva Riffs. Mit der Passage verlassen wir also jetzt definitiv die relativ klimastabilen Tropen. Die Temperaturschwankungen (auch zwischen Tag und Nacht) nehmen spürbar zu und die weit südlich durchziehenden Sturmgebiete beeinflussen mit ihren Ausläufern die Windverhältnisse um so kräftiger, je weiter wir nach Süden kommen.

Aktuell sieht der Wind zwischen unserer Position (weißer Punkt in dem grünblauen Schwachwindbereich) und Neuseeland so aus:

Auffällig ist dabei der schmale blaue „Flautenfluss“ links in der Mitte des Bildes. Nördlich davon herrscht Nordwestwind, südlich davon Südostwind. Schaut man auf die Böen, wird vor dem Nordkap Neuseelands ein Bereich mit bis zu 45 Knoten (Windstärke 9) ausgewiesen. Er zieht nach Osten ab, quert also unsere Route.

Die Abfahrt haben wir deshalb so geplant, dass dieser Bereich vor uns durch sein sollte und das nächste Starkwindgebiet erst nach unserer Ankunft unsere Route quert. Der Kurs dafür ist nicht die gerade Strecke. Wir halten zunächst südlicher und schwenken dann erst auf Whangarei ein.

Kleiner Haken: auch der angesprochene Flautenfluss an der Grenze zweier gegenläufiger Wettersysteme verlagert sich östlich und da müssen wir durch. Es kann also sein, dass wir im Verlauf der Passage noch etwas motoren müssen. Dabei gilt es dann auch die Gewitter zu umfahren, die dieses Phänomen mit sich bringt.

Wenn die Vorhersage stimmt, können wir zwischen zwei stärkeren Zellen hindurch schlüpfen.

Und als weiterer bedeutsamer Parameter sind noch die Wellen zu berücksichtigen. auch hierfür bieten sowohl Windy als auch PredictWind Vorhersagemodelle für Richtung und Höhe an. Danach sind in der Spitze etwa 2,6 m Welle zu erwarten. Das ist für sich genommen ok, allerdings kann das Wellenbild wegen der gegenläufigen Systeme durchaus chaotisch werden. Unangenehm, aber bei dieser Höhe nicht gefährlich.

Soweit unsere Überlegungen. Dass wir damit nicht ganz falsch liegen, scheinen die professionellen Wetterrouter einiger anderer Boote zu bestätigen. Nach zuvor eher ablehnender Haltung haben sie gestern doch kurzfristig zum Aufbruch von Minerva geraten. Wir sind also mit einem kleinen Konvoi losgefahren.

Auf See verteilt sich das aber schnell. Inzwischen sehen wir nur noch zwei Boote in 12 Seemeilen Entfernung auf dem AIS, ihre Segel können wir am Horizont aber schon nicht mehr erkennen.

Na gut. So viel zu unserem Plan. Vermutlich am vierten November würden wir dann in Marsden Cove ankommen.

Bisher übrigens kein Angelglück.

Essen: Bratkartoffeln mit Frikadellen und Möhren-Krautsalat.

Tschüss Minerva.

Die Gemeinschaft der Langfahrtsegler ist flüchtig, wird immer wieder neu zusammengewürfelt. Aber zugleich ist sie wunderbar intensiv, auch und gerade an so abgelegenen Orten wie dem Minerva Riff. Ein Boot hat zu kleine Süßwasservorräte? Ein anderes mit Wassermacher hilft aus. Tauchflaschen werden gefüllt. Man hilft sich mit Ersatzteilen. Auf der türkischen Hallberg-Rassy 49 Deriska ist der Wassermacher ausgefallen. Zufällig haben wir den benötigten Kondensator mit 2 Mikrofarad an Bord, jetzt läuft er wieder. Selbst Lebensmittelvorräte werden aneinander abgegeben, vieles muss jetzt vor der Einfuhr nach Neuseeland weg.

Aber wo treffen wir uns, wenn es doch in Minerva keine Bar und keinen Palmenstrand gibt? Nicki und Mike von der Zen Again organisieren ein Dinghy Raft-Up an ihrem Boot. Auch so geht Socialising unter Seglern:

Es ist super entspannt. Und doch, ein Thema zieht sich wie ein roter Faden durch alle Gespräche: das Wetterfenster für die Weiterfahrt nach Neuseeland. Die rund 850 Seemeilen lange Strecke führt durch ein Gebiet mit schnell ziehenden intensiven Wettersystemen und spannenden Wellenbedingungen, es gibt also reichlich Diskussionsstoff. Uneinig sind selbst die „Wetterpäpste“ bzw. Router, die viele der Crews zu Rate ziehen.

Aber es hilft ja nix. Wiebke und ich haben für die Flora ein passendes Wetterfenster ausgemacht, nachdem sich die verschiedenen Modelle auf PredictWind endlich deutlich aneinander angenähert haben. Mittwoch morgen geht es los.

Ein letztes Mal wird noch mit der Tauchflasche das CopperCoat des Unterwasserschiffs geputzt. Ralf von der Barbarella füllt sie mir wieder auf und gemeinsam machen wir auch noch einen Tauchgang am Blue Hole des Außenriffs von Minerva. Leider streikt meine Kamera, die Bilder hat Ralf (Barbarella) gemacht, dafür bin ich dann auch mal auf den Tauchfotos. Faszierend an diesem Tauchgang sind vor allem die Fächerkorallen an der Steilwand und die unglaubliche Vielzahl von gesunden, bunten Korallen auf dem Riff, außerdem natürlich das Blue Hole. Klasse.

Die Wetterlage scheint sich ein bisschen zu festigen. Sehr ruhiges Wetter zum Abschied und wenig Wind für den Beginn der Passage, dann aber zunehmend.

Der letzte Abend im Minerva Riff beschert uns einen herrlichen Sonnenuntergang, und am Morgen des Aufbruchs zeigt sich Minerva noch einmal von seiner besten Seite als Ruhepol im Pazifik.

Minerva. Innehalten im Auge des Ozeans. Was für ein Geschenk!

Dankbarkeit. Ehrfurcht. Glückseligkeit. Schwer in Worte zu fassen, was die ruhigen Tage hier im Minerva Riff uns so fühlen lassen.

Wir sind wie aus der Zeit gefallen, oder mehr noch: wie aus dem Raum, aus unserer an besonderen Orten ja schon nicht eben armen Welt. Hinein in diese Blase eines ganz eigenen Mikrokosmos.

Als stets präsentes Hintergrundgeräusch rauscht leise die Brandung auf dem Riff, sonst ist es einfach still. Der Wind hat deutlich abgeflaut. Keine Vögel, kein Zivilisationslärm, Allenfalls fährt ab und zu ein Dinghy vorbei oder eine befreundete Crew kommt auf einen Schnack herüber.

Denn ja, wir sind natürlich nicht alleine hier. Es ist Hauptsaison für den Schwarm der seglerischen Zugvögel nach Neuseeland. Das schmälert aber keineswegs das Gefühl, an einem einmaligen Ort sein zu dürfen. Eher im Gegenteil, diesen besonderen Ort gemeinsam mit Freunden erleben zu dürfen fühlt sich eher noch intensiver an, ein bisschen „wirklicher“.

Alle scheinen die „Pause“ bei wirklich idealen Bedingen hier auf Minerva zu genießen, ein Wetterfenster für die Weiterfahrt nach Neuseeland zeichnet sich nicht vor Mittwoch ab.

Mit Ralf und David von der Barbarella fahren Wiebke und ich zum Schnorcheln an den Pass. Spektaläre Drop-Offs machen deutlich, wie steil das Minerva-Riff aus der Tiefe des Pazifiks emporsteigt. Einmal mehr ändert sich die Fischwelt ein wenig, so sehen wir erstmals die weiß-gelb-schwarzen Diamant-Falterfische.

Am Nachmittag fahre ich dann mit Ralf, David, Phil und Jean-Luc hinüber ans Riff. Das Riffdach ist rund um Minerva ziemlich breit und bei Ebbe überwiegend gut begehbar. Es bietet gute Chancen, Lobster zu fangen, dieses Mal ist allerdings nur Jean-Luc erfolgreich, Phil fängt ein eiertragendes Weibchen, das er gleich wieder frei lässt (einer der Gründe, warum wir nicht mit Harpunen auf Lobsterfang gehen).

Abends dann Potluck auf der französischen Inajeen bei Soize und Ben gemeinsam mit den Crews der Naida, der Clair de Gouêt und der Skylark.

Heute gibt’s dann für Wiebke und mich Sonntags-Schnorcheln vom Feinsten. Nahe bei unserem Ankerplatz liegen im Flachwasser die Überreste des kleinen Stahlfrachters Commonderry der hier im Jahr 1969 und damit 83 Jahre nach seinem Stapellauf verunglückte. Wer sich für die wirklich ereignisreiche Geschichte der Commonderry interessiert, findet hier nähere Angaben.

Bug und Heck des auseinander gebrochenen Rumpfes liegen ein ganzes Stück voneinander entfernt. Bei unserem ersten Besuch finden wir nur den Bug, einige Metallteile davon ragen auch bei Hochwasser an die Oberfläche.

Spannend, dass nach so vielen Jahren doch noch Details der Schiffstechnik auf dem Vorschiff erkennbar sind, obwohl sich eben auch farbenfrohe Korallen angesiedelt haben.

Das kleine Wrackteil des Schiffsbugs beherbergt eher wenige Fische. Ganz anders ist das bei den anderen Überbleibseln der Commonderry, die wir am Nachmittag bei etwas niedrigerem Wasserstand näher am Riffdach ausfindig machen.

Vor allem Schwärme von Gelbstreifen-Meerbarben und auch viele große Harlekin-Süßlippen mit ihren auffälligen schwarz-weißen Punktmustern halten sich mit unzähligen anderen Meeresbewohnern im und am Wrack auf. Und sie sind wenig scheu, das macht diesen Schnorchelgang im sonnendurchfluteten, glasklaren und damit farbenfrohen Flachwasser regelrecht magisch für uns.

Das passt sich wunderbar ein in unsere Minerva-Stimmung.

Angekommen im Minerva-Riff. Irgendwo im Nirgendwo.

Es ist fast unwirklich. Wie eine maritime Fata Morgana in der Wasserwüste tauchen sie auf. Masten, die still stehen, obwohl doch um sie herum der Pazifische Ozean braust. Und ja, er braust noch, obwohl der Wind zuletzt etwas nachgelassen hat. Trotzdem, die zu den Masten gehörenden Segelboote liegen ruhig da, als ihre Rümpfe beim Näherkommen langsam sichtbar werden. Das ist es. Minerva, wir haben Dich erreicht.

Was für ein Ritt. Nach nur knapp über 48 Stunden liegen die 328 Seemeilen von der Ha’apai-Gruppe aus hinter uns, wir laufen durch den Pass ins Minerva-Riff ein.

Der Anker fällt irgendwo im Nirgendwo, ein paar hundert Meilen südlich von den Inselwelten in Tonga und Fiji, tausend Seemeilen nördlich von Neuseeland, mitten im tiefblauen Südpazifik. Aber er fällt eben nur 13 m tief, gräbt sich sofort in den Sandgrund der Lagune. Das lässt sich vom Bug der Flora wunderbar verfolgen, denn das Wasser ist kristallklar. Kein Bächlein trägt hier bei Regen Sedimente ein, weit und breit ist kein Land in Sicht.

Ein Atoll ohne Insel. Nur ein fast kreisrundes, perfektes Ringriff mit einem einzelnen Pass umfasst die Lagune.

Es wirkt als hätte die Natur hier einen Rastplatz für die Segler eingerichtet, die jetzt im Oktober aus dem Zyklongürtel der Südhalbkugel-Tropen heraus nach Süden gen Neuseeland ziehen und im April oder Mai wieder nach Norden Richtung Fiji oder Tonga segeln. Wir sind jedenfalls sehr froh über die Möglichkeit, nochmal inne zu halten und auszuschlafen. Dazu kommt, dass das Wetterfenster für die weitere Passage jetzt „nur“ eine Woche und nicht mehr 10 Tage umfassen muss. Die Vorhersagen werden deutlich präziser, je kürzer der Zeitraum ist. Bei den hier schnell wechselnden Wettersystemen ist das um so wichtiger.

Und es ist natürlich auch einfach faszinierend, mitten auf dem Ozean zu ankern.

Übrigens sind die Minerva-Riffe vielleicht kurz davor, Inseln zu werden. Langsam streben sie aus dem Meer empor, in den letzten 100 Jahren hat sich ihre Struktur um gut einen Meter angehoben. Wenn nicht ein ansteigender Meeresspiegel dagegen arbeitet, werden sich irgendwann die ersten Motus auf dem Riff bilden. Noch aber überspült das Wasser zumindest bei Flut praktisch das ganz Riff, bei Niedrigwasser dagegen kann inzwischen (mit feuchten Füßen) auf dem breiten Riffdach spaziert werden.

Abgesehen von der bei Seegang an das Riff tosenden Brandung sind die Minerva-Riffe aber noch immer schwer auszumachen. Immerhin sind sie in den Seekarten korrekt verzeichnet und in Zeiten der GPS-Navigation somit vergleichsweise einfach anzulaufen oder zu umschiffen. Aber das war eben nicht immer so, die Reste mehrerer Wracks finden sich auf den Riffen. Selbst regelmäßige Lotungen helfen nicht, ohne Vorwarnung steigen die Wände des Riffs steil aus der blauen Tiefe, in denen das klassische Lot noch keinen Grund findet. Und so geht auch der Name auf einen Schiffbruch zurück: 1829 strandete der Walfänger Minerva auf dem südlichen Minerva-Riff, die Besatzung konnte sich in einem völlig überladenen Walboot auf eine Insel der Lau-Gruppe im entfernten Fiji retten.

Ein kleines Video von Flora im Minerva-Riff:

Den Schaden an unserem Frischwassersystem können wir zum Glück auch beheben. Eine Dichtung am Boiler war verrutscht. Bei ruhigerem Wasser ein Easy-Fix.

Passage von Ha‘apai nach Minerva, Tag 1: Schönes und Unschönes

Wir sind nicht die einzigen, die das Wetter für den Sprung nach Minerva nutzen wollen. Die Katamarane Pisces und Inajeen und die Monos Naida und Claire de Gouêt sind kurz vor uns aufgebrochen, ihre AIS-Signale weisen uns quasi den Weg. Dazu kommt noch die Scout, die am Vortag schon mal 20 Meilen hinaus an eine vorgelagerte Insel verholt hat und ebenfalls etwas früher aufgebrochen ist, sie können wir zuerst nur auf dem „Over the Horizon“-AIS auf PredictWind sehen. Aber dort bewegt sich eben dieser Pulk von (mit uns) 6 Schiffen auf ähnlichem Kurs Richtung Minerva. Die anderen Segel sehen wir allerdings nur am Anfang, denn ein kleines bisschen unterscheiden sich die Kurse doch. Wir halten zunächst mehr nach West. Zum einen, um uns weniger zwischen den Flachs und Inselchen hindurchschlängeln zu müssen, zum anderen aber auch, um einen Bogen um die beiden aktiven Unterwasservulkane zu machen, die auf dem direkteren Weg liegen. So kommt es, dass wir schon ab Mittag kein anderes Boot mehr zu Gesicht bekommen.

Es ist schönes und recht flottes Segeln. Wir wechseln mehrmals zwischen Schmetterling (ausgebaumte Fock auf der einen Seite, mit Bullenstander gesichertes Groß auf der anderen Seite) und Raumschotskurs mit beiden Segeln auf Steuerbord hin und her. Das funktioniert wunderbar einfach, weil der Spibaum fest gesetzt bleibt. Wir holen nur entweder die durch die Baumnock geführte Spischot an Backbord oder eben die normale Fockschot an Steuerbord dicht.

Für die rabenschwarze Neumond-Nacht kommt ein Reff ins Groß. Trotzdem legen wir in den ersten 24 Stunden 166 Seemeilen zurück, das ist mehr als ordentlich für diesen Kurs.

Leider gibt es allerdings auch Ausfälle.

Als wir den Wasserhahn in der Küche benutzen wollen, sprotzt der Wasserstrahl. Die Fehlersuche ergibt ein Leck am Warmwasserboiler im Motorraum. Blöd, der ist nämlich nur erreichbar, wenn ich mich lang über den Motor und Generator lege, bei dem herrschenden Seegang keine verlockende Option. Frischwasser gibt es also zumindest bis Minerva erstmal nur aus Flaschen, davon sind aber genügend an Bord.

Der zweite Schaden fällt uns dann heute Früh auf. Beim Routinegang über Deck sehe ich einen etwa 20 cm langen Riss im Unterliek des Rollgroßsegels, durch die Lieksverstärkung hindurch und dann fast parallel zum Unterliek. Die über 40.000 Seemeilen der vergangenen 6 Jahre fordern wohl ihren Tribut.

Wenn wir noch vor der angekündigten Flautenphase in Minerva ankommen wollen, können wir aber auf das Großsegel nicht verzichten. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als das Unterliek (eher schlecht als recht) provisorisch mit Segelpatches zu flicken.

Fachmännisch und schön geht anders, aber das sollte hoffentlich das weitere Ausbreiten des Risses verhindern.

Und so segeln wir recht entspannt weiter.

Essen: Asiatische Nudelpfanne mit gebratener Ananas.

Tonga: ausklariert und auf nach Minerva

Fast zwei Monate sind wir schon in Tonga. Offizieller Beginn der Zyklonsaison im Südpazifik ist der erste November, es wird also langsam Zeit, uns auf den Weg Richtung Neuseeland zu machen.

Ein Wunschziel liegt auf dem Weg: Minerva. Ein fast unwirklich erscheinender Ankerplatz mitten im offenen Ozean. Keine Insel, nur ein Unterwasser-Riff im ringsherum buchstäblich tausende Meter tiefen Pazifik. Kein Land in Sicht für Hunderte von Seemeilen. Das Minerva-Riff ist ein Atoll, nur eben knapp unter dem Meeresspiegel. Irgendwo im Nirgendwo zwischen Tonga, Fiji und Neuseeland. Auf der Navionics-Seekarte und auf Google Earth sieht das so aus:

Da wollen wir hin!

Formal gehören die beiden Riffe Minerva Nord und Minerva Süd zu Tonga und weiten damit Tongas Fischereirechte weit nach Süden aus, darüber gab es früher durchaus auch schon Streit mit Fiji.

Ausklarieren müssen wir trotzdem vorher. Und so führt uns unser Weg erst einmal wieder zurück ins Örtchen Pangai und dort zunächst zum “Ministry of Infrastructure”. Ganz leicht zu finden ist es nicht, denn das große weiße Schild würde zwar eigentlich das Ministeriumslogo und seine Bezeichnung tragen, nur ist es von der tropischen Sonne komplett ausgeblichen.

Aber es ist die auf Noforeignland angegebene Position, also klopfen wir und – siehe da – werden freundlich im Ministerium begrüßt. Aus der Tonnage unseres Bootes wird die zu entrichtende Gebühr von 9,80 TOP ermittelt, etwa 3,50 €.

Mit der Quittung laufen wir dann durch den Ort zum Zollbüro, wo wir ohne weitere Gebühr ausklarieren können. Auch hier ist das Hinweisschild ausgeblichen, aber von der Seite ist die ehemalige Aufschrift immerhin noch zu erahnen.

Zurück auf der Flora machen wir unser Boot klar für die Passage. Der Außenbordmotor wandert auf den Heckkorb, das Dinghy wird in den Davits mit “Bellybands” zusätzlich gesichert. Drinnen wird alles seefest verstaut, Flora ein letztes Mal gecheckt und dann kann es los gehen. Jetzt, unmittelbar vor der Abfahrt, können wir auch die nächsten Onlineformulare nach Neuseeland schicken. Das “ANA” (Advanced Notice of Arrival) mit diversen Anlagen und dann für jeden von uns jeweils eine “Traveller Declaration”. Also auch für das übernächste Ziel geht es voran.

Wir lichten den Anker morgens am 7:30 bei leichtem Nieselregen und aufgebauter Kuchenbude, weil der achterliche Wind den Regen von hinten ins Cockpit drückt.

Inzwischen aber scheint die Sonne, mit ausgebaumtem Vorsegel rauschen wir an den äußeren Inselchen der Ha’apai-Gruppe vorbei unserem Ziel entgegen. Etwa zweieinhalb Tage sollten wir bis Minerva unterwegs sein.