Eine der von Segelbooten nur selten angelaufenen Inseln der Marquesas ist Ua Huka. Der seltene Besuch liegt an der Lage östlich der Hauptinsel Nuku Hiva, was nach dem Einklarieren dort ein “Zurücksegeln” gegen den Wind erfordern würde. Wenn man dagegen wie wir von Süden kommt, ist Ua Huka ganz gut erreichbar, insbesondere wenn der Start von der Nordküste von Hiva Oa erfolgt.
Mit Halbwindkurs segeln wir die rund 60 sm. Dafür sind wir gleich bei Sonnenaufgang losgefahren, die Tage sind kurz hier. Etwa 11 1/2 Stunden liegen derzeit zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Aber der Wind ist gut und so sind wir schon am frühen Nachmittag in der Baie der Vaipaee an Ua Huka’s Südküste. Sie wird auch “Unsichtbare Bucht” genannt, weil sie sich als schmaler Schlauch zwischen hohen Felsen durschlängelt und ihre Einfahrt daher schwer auszumachen ist. Von Süden kommend ist sie zwar besser erkennbar, aber wir taufen sie kurzerhand in “Unsichere Bucht” um. Es gibt kaum Schwoiraum für das Herumschwingen des Bootes vor Anker und die Wellen werden von den Felsen so reflektiert, dass ein chaotischer Schwell bis weit in die Bucht hinein läuft.
Also Plan B. Wir laufen aus der Baie de Vaipaee wieder aus und gehen um das südwestliche Kap von Ua Huka herum und a den Vogelinseln Teuaua und Hemeni vorbei in die Baie Haavei. Fein: auf dem letzten Stück fangen wir noch zwei Bonitos, nachdem uns auf der Passage ein kapitalerer Fisch doch noch vom Haken gegangen ist. So jedenfalls kommt Jannik dazu, zum ersten Mal einen Fisch einzuholen und zu filetieren.
Die Baie Haavei bietet einen guten Ankergrund und einen schönen Sandstrand.
Leider ist aber der Schutz durch die vorgelagerten Vogelinseln nicht ganz so gut wie er scheint, auch hier läuft der Schwell ziemlich ungehindert in die Bucht hinein. An ein Anlanden am mit Palmen bestandenen Strand ist für uns nicht zu denken. Etwa anderthalb Meter hoch brechen sich hier die Wellen.
Und natürlich wird es eine eher rollige und damit etwas unruhige Nacht.
Schön ist der Ankerplatz trotzdem. Vor allem die in der Abendsonne rot leuchtenden Felsen bieten eine imposante Kulisse.
Vom Norden in den Norden. Von der Nordspitze Tahuatas segeln wir an der Ostküste von Hiva Oa hinauf und erkunden die Nordküste dieser Insel.
Nochmal zur Orientierung, wo in Französisch Polynesien wir eigentlich jetzt sind: nach der Ankunft waren wir etwa 6 Wochen in den Gambier, danach sind wir in einer fünftägigen Passage hoch in die Marquesas gesegelt. Dort haben wir zunächst Fatu Hiva und dann Tahuata besucht, wobei wir zwischendurch in Atuona auf Hiva Oa unser Patenkind Jannik an Bord genommen haben.
Erster Stop an Hiva Oa’s Nordküste ist die Baie Hanamenu im Nordwesten dieser nach Nuku Hiva zweitgrößten Insel des Archipels.
Wegen des vorherrschenden Südostpassatwindes und dem auf dem gesamten Inselrücken entlang führenden hohen Gebirgszuges ist die Nordküste vergleichsweise trocken. Die steilen Felsformationen sind eher rötlich-braun bis schwarz, lediglich in den tief eingeschnittenen Tälern ziehen sich breitere grüne Gürtel entlang der aus dem Gebirge herabfließenden Bachläufe.
So auch hier in der Hanamenu Bucht.
Ein wenig erinnert das an eine Oase. Dies noch um so mehr, als uns nach dem wegen des Schwells kniffligen Anlandens als erstes der Süßwasserteich gezeigt wird. José und seine Frau Tepuah sind zwei von nur drei festen Bewohnern in Hanamenu. Sie führen uns herum und erklären, das frische klare Wasser des Teichs sei bestes Trinkwasser. Außerdem sollten wir unbedingt darin schwimmen.
Das verschieben wir allerdings noch ein bisschen, denn erst bewundern wir José’s Schnitzkunstwerke, die er für den Verkauf im Hauptort Atuona anfertigt.
Dann folgt eine Wanderung in das Tal hinein auf dem Weg, den José uns zeigt. Nach acht Stunden Wanderung könnte man Atuona erreichen. Unser Ausflug fällt allerdings deutlich kürzer aus, den Wiebke wird von einer Wespe in den Hinterkopf gestochen, sehr schmerzhaft. Wir drehen lieber um und kühlen den Stich in dem wirklich sehr frischen Wasser des Badeteichs.
Auch hier kommen wir nicht ohne Geschenk weg: zwei riesige Pampelmusen vergrößern unseren Fruchtvorrat an Bord. Wir nehmen die Anregung unserer Freunde von der Terikah auf und so strahlen Pampelmuse und Jannik im Smiley-Wettbewerb.
Unser nächster Ankerplatz liegt eigentlich nur 8 sm weiter etwa in der Mitte der Nordküste der Insel. Es wird aber ein Kreuzkurs, der es mit Böen bis zu 28 kn durchaus in sich hat. Aber die gesamte Crew steckt das gut weg.
Die Baie Hanaiapa ist schon von weitem gut zu erkennen. Das markante Dreieck der hohen Steilwand ebenso wie die Basaltnadel weisen den Weg hinein. Wobei der Vogelfelsen im Eingang zur Bucht je nach Licht und Blickwinkel mal wie ein Tiki, mal wie eine Büste oder ein Scherenschnitt wirkt.
Eine weitere Besonderheit von Hanaiapa liegt darin, dass der kleine Ort an das spärliche Straßennetz der Insel angeschlossen ist und man hier sogar ein Auto mieten kann.
Wir haben Glück. Das Auto der Vermieterin “an der Kreuzung” ist zwar schon auf einige Tage ausgebucht, aber sie verweist uns an eine andere Adresse im Ort, wo wir für den Nachmittag noch einen Kleinwagen bekommen können, für die nächsten Tage (mit dem auf der Insel stattfindenden Marathonlauf) ist auch der bereits reserviert. Na dann los.
Wir laden die leeren Dieselkannister ein und dann geht es über den hohen und landschaftlich wunderschönen Inselrücken hinüber auf die Südseite nach Atuona.
Am Hafen tanken wir die Kanister voll, fahren weiter in den Ort und kaufen im Supermarkt ein. Finden eine Bank und holen uns nochmal Bargeld. Und dann kurven wir hoch zum Friedhof oberhalb der Stadt.
Der bietet nicht nur einen herrlichen Ausblick, sondern auch zwei bekannte und oft besuchte Grabstellen. Paul Gaugin und Jacques Brel haben hier ihre letzte Ruhestätte, beiden ist auch jeweils ein kleines Museum im Ort gewidmet.
Auf dem Rückweg halten wir am Festplatz. Er ist gesäumt mit Tikis und anderen Steinmetzarbeiten. Aber ohne eine Führung bleibt uns die Bedeutung der Figuren meist verschlossen. Wobei: manche Tikis sind so berühmt, dass wir schon einiges über sie gelesen haben. So weist bei der Weiterfahrt am Straßenrand ein Schild auf das wohl bekannteste historische Tiki der Insel hin.
TIKI SOURIANT. Wir parken das Auto am Straßenrand und folgen dem Pfad in den Wald hinein. Und da ist es, das lächelnde Tiki:
Wenige Tiki zeigen einen Gesichtsausdruck, und wenn doch ist es eher selten ein freundliches Lächeln. Aber dieses ist doch eindeutig, oder?
Tja, vielleicht auch nicht. Jannik sieht in der schief stehenden Steinstatue nach eigenem Bekunden eher “ein bekifftes Minion”. O.k., der kindliche Minion Bob sieht dem Tiki wirklich ziemlich ähnlich, auch wenn er nichts berauschendes geraucht hat.
Und der Gesichtsausdruck soll wohl tatsächlich gar kein Lächeln zeigen, sondern das “Erzählen” der dargestellten weisen alten Frau (möglicherweise die Königin von Utoka).
So kann der Eindruck täuschen. Spannend ist es trotzdem. Und unabhängig von der historisch kulturellen Bedeutung hat sich heute jedenfalls das Lächeln durchgesetzt.
Nach den Mantas in Hapatoni wenden wir Floras Bug wieder nach Norden. Auch wenn es nicht eben typisch für die Marqueasas ist wollen wir Jannik doch auch den weißen Palmenstrand in der Baie Hanamoenoa zeigen. Zuerst aber noch ein Stop in Vaitahu. Bei moderaten Bedingungen sieht es dort am Dinghydock übrigens so aus:
Aber Ort und Landschaft sind den erneuten Stop allemal wert.
Dort ankern auch Doris und Wolf. Wir bekommen frischen Mangokuchen auf der “Nomad”, treffen die beiden Österreicher auch an Land bei “Chez Jimmy” und ein weiteres Mal in der nächsten Ankerbucht. Dann aber heißt es mal wieder Abschied nehmen, fürs erste trennen sich unsere Wege schon wieder.
So schön es auch ist, gute Segelfreunde immer mal in anderen Ecken der Welt wiederzutreffen, so schmerzlich ist das dauernde Abschiednehmen. Und auf Tahuata trifft uns das gleich mehrfach. Mit Mareike (Moana) und Andrea und Ingo (Easy One) haben wir schon so viel erlebt, unter anderem beim Lockdown in Antigua im März 2020.
Nach ganz unterschiedlichen Wegen und doch immer wieder Treffen zwischendurch gibt’s jetzt hier noch einen schönen Sundowner am Strand und dann brechen wir erstmal in unterschiedliche Richtungen auf. Bestimmt sehen wir uns aber noch in Französisch Polynesien wieder. Also jetzt nicht melancholisch werden.
Zum Treffen am Strand fahren wir dieses Mal übrigens mit den Paddelboads. Zuvor am Nachmittag hatten wir das Dinghy vor dem Strand geankert und waren an Land geschwommen. Der Schwell (siehe Eingangsbild) macht das Anlanden mit dem Dinghy hier nämlich riskant.
Ist man erst mal da, sieht es meist völlig harmlos aus:
Auch aus der Luft scheint die Bucht gut geschützt und ruhig, erst recht mit der gemütlichen Hängematte:
Und doch, das kleine Video macht vielleicht deutlich, wie schnell sich das Gefühl ändert:
Von dem Schwell ist auch das Wasser in der Baie Hanamoenoa etwas trüb. Jannik lässt sich aber nicht abhalten und ist eine große Hilfe beim Putzen des Rumpfes, auch ganz unten am Kiel.
Und wenn unser Gast das Schnorcheln schon so intensiv trainiert, suchen wir uns doch auch noch mal eine Bucht mit klarerem Wasser. Mit dem Dinghy (Beiboot-Fahren wird also auch geübt) brausen wir um den Pointe Matahoke in die Felsenbucht an der Nordwestspitze der Insel.
Hier kann der Schwell keinen Sand aufwirbeln, es gibt super Schnorchel-Bedingungen.
Tja, und dann heißt es Abschied nehmen von Tahuata. Diese Insel hat uns so viel geboten und uns richtig gut gefallen.
Nachdem uns ja der extrem rollige und ziemlich volle Ankerplatz von Atuona auf Hiva Oa einiges abverlangt hat (bis hin zur nächtlichen Ankerwache) soll unser nächster Stop dann in der Hoffnung auf etwas moderatere Bedingungen an der Nordküste von Hiva Oa sein.
Sehr schön ist, dass unser Besuch nicht dauernd bespaßt werden muss, sondern eigenständige Aktivitäten entwickelt, zum Beispiel auch allein Schnorcheln geht.
Noch besser: er kommt zum Boot zurück und sagt, dass da ein großer Rochen unterwegs ist. Also Flossen an, Maske auf und rein. Tatsächlich zieht dicht am Boot ein Riffmanta seine Kreise. Die Art von Teufelsrochen kann eine Spannweite von fast 5 Metern erreichen, typischerweise sind erwachsene Tiere aber etwa 3 bis 3 1/2 m groß. So schätzen wir auch diesen hier ein. Majestätisch zieht er in etwa 10 Metern Tiefe über das Riff. Eine Tiefe, in der ich ihm schnorchelnd leider immer nur recht kurz Gesellschaft leisten kann. Da muss ich noch an meinen Freediving-Fähigkeiten arbeiten. Trotzdem ist es ein wunderbares Erlebnis.
Zurück in die “Stein-Zeit”. Traditionell wird zu Festen oder besonderen Anlässen das Essen auf den Marquesas (und anderen Teilen Polynesiens) in einem Erdofen mit heißen Steinen unter Luftabschluss ganz langsam gegart. Ohne Topf, vielmehr werden die Zutaten in aus Palmblättern geflochtene Körben auf die im Feuer erhitzten heißen Steine gelegt und mit Bananenblättern abgedeckt. Darüber kommt noch die zuvor aus dem zylindrischen Loch ausgehobene Erde. Und dann heißt es Warten. Rund 24 Stunden gart das Essen im hier “Umu” genannten Erdofen.
Wir haben das große Glück, an einem solchen Festmal teilnehmen zu können. Pierre von der Segelyacht “Viva“ hat es angestoßen, mindestens 20 Segler müssen zusammenkommen, dann würden Gilbert und seine Familie es in Hapatoni für uns auf traditionelle Weise durchführen. Als Festmahl, mit Wildschwein, Ziege und Tintenfisch, dazu die ebenfalls lokal typischen Beilagen wie verschieden zubereite Brotfrucht, Kokosnuss, Maniok und weiteres, zudem Poisson Cru.
Unter den Seglern spricht sich das schnell herum, am Ende melden sich 38 Erwachsene und fünf Kinder von insgesamt 16 Booten an. Da wird es natürlich ein bisschen kuschelig in der Ankerbucht.
Besonders schön ist, dass wir schon bei der Vorbereitung dabei sein können. Hier zeigt uns Gilberts Schwager Ani schon mal das Erdloch, in dem wenig später zunächst die Steine erhitzt werden:
Danach heißt es Materialien anfertigen und Zutaten jagen. Schwein und Ziege sind schon erlegt, hier wird gerade die Ziege gestückelt:
Die Körbe dafür werden aus Palmblättern geflochten, von der Familie und freiwilligen Segler-Auzubis:
Parallel dazu begleiten Jannik und ich gemeinsam mit zwei weiteren Seglern vier Männer aus der Familie bei ihrer Jagd nach Tintenfischen.
An diesem Abend kommen dann auch unsere Freunde von der Easy-One nach ihrer Pazifikpassage von Panama und dem Einklarieren in Hiva Oa bei uns in Hapatoni an. Großes Hallo und natürlich Willkommensabend auf ihrem Schiff.
Am nächsten Tag geht’s dann um 11.00 Uhr hinüber zum Öffnen des Erdofens:
Zuerst wird die Erde weg geschaufelt, …
… dann die darunter liegende Plane und das ebenfalls zur Abdeckung eingelegte Sackleinen entfernt. Darunter kommen dann schon die Bananenblätter zum Vorschein:
Und schließlich wird der Metallkorb herausgehoben, in den der einfacheren Handhabung wegen die Garkörbe mit den Zutaten gestellt wurden:
Aus den Körben wird das Buffet befüllt und – nach einem Dankgebet und Gesang – startet das Festmahl.
Das langsame Garen im Erdofen lässt das Fleisch besonders zart und geschmacksintensiv garen. Vor allem das Ziegenfleisch (mit Kokos-Sauce) finde ich wunderbar.
Gilbert hat auch für musikalische Untermalung gesorgt, es wird ein geselliger Nachmittag.
Ganz besonders freuen wir uns außerdem, dass wir bei dem Fest neben Andrea und Ingo
auch unsere österreichischen Segelfreunde Doris und Wolf von der “Nomad” wiedertreffen.
Die Maschine von Air Tahiti schwebt auf der Landebahn von Hiva Oa ein und bringt unser Patenkind Jannik mit. Er hat gerade sein Abitur gemacht und wird jetzt einen Monat lang mit uns Französisch Polynesien erkunden.
“Chillen”. Sagt er. Aber ganz so ist es dann doch nicht. In dem 19jährigen steckt dann doch ordentlich Entdeckergeist und so vieles ist neu.
Zuletzt an Bord war Jannik vor sechs Jahren in Griechenland. Wahnsinn, schon so lange her, fast ein Drittel seines bisherigen Lebens.
Was deutlich besser klappt als befürchtet: die totale Nachteule Jannik (steht zu Hause gerne erst nachmittags auf) steht morgens als erster auf, geht schwimmen oder setzt sich einfach an Deck und beobachtet die vielen Delfine am Ankerplatz. Wiebke gesellt sich dazu, ich komme irgendwann mit dem Kaffee nach.
Die Zeitverschiebung zu Europa hilft da sicherlich, aber jedenfalls ist es sehr praktisch. Hier geht die Sonne um 5:30 auf und um 17:30 wieder unter.
Und so ist Jannik beim morgendlichen Hike zum Aussichtspunkt über unserer Bucht voll dabei. Den Kokospalmen unten am Wasser müsste doch eine Nuss abzutrotzen sein? Es ist die typische Lernkurve, oder jedenfalls entspricht sie unserer eigenen. Mit Steinen werfen?
Bringt nichts. Lange Stangen sind nicht greifbar. Also klettern!
Hinterlässt zwar ein paar Spuren am ungeübten Körper, aber dass wird für den Erfolg gern in Kauf genommen. Nach der pfadfinderischen Meisterleistung mit steilem Waldklettern abseits des Weges treffen wir zurück auf der Straße eine Local. Sie öffnet uns mit ihrer Machete freundlicherweise die Nuss.
Überhaupt, die Einheimischen. Die Gastfreundschaft hier ist einfach überwältigend. Auf dem weiteren Weg im Dorf Hapatoni kommen wir an einem riesigen Mangobaum vorbei. Wir fragen, ob wir Mangos kaufen können. Gil und Stella bitten uns auf ihre Terrasse und verneinen. Sie verkaufen kein Obst. Sie verschenken es nur, schließlich würde die Natur sie ja auch beschenken. Wow.
Gil mit seinem beeindruckenden polynesischen Gesichts-Tattoo streift mit uns durch den Garten und erntet. Stella schickt ihn hinterher trotzdem noch einmal los, um noch mehr Spezialitäten zum probieren zu bringen, etwa Zuckerrohr und Cœur Coco, die Baiser-artige Masse aus einer frisch gekeimten Kokosnuss.
Gill holt uns Papaya vom Baum.
Wir unterhalten uns lange. Über alles mögliche, etwa den Ukraine-Krieg. Der scheint hier in der Idylle weit weg zu sein, aber für Gil und Stella gilt das nicht. Ihr Sohn ist als Soldat in Frankreich bzw. dort, wo er als Fallschirmspringer eingesetzt wird. So war er in Mali und jetzt, wo Präsident Macron den Einsatz französischer Soldaten in der Ukraine ins Gespräch gebracht hat, ist dieser Krieg für sie ganz nahe gerückt. Jannik (mit seinem Französisch-Leistungskurs) ist aktiv in dem Gespräch dabei.
Und einmal mehr gehen wir mit vielen geschenkten Früchten im Gepäck. Eine komplette Bananenstaude müssen Jannik und ich gemeinsam tragen, sie kommt ans Achterstag und wir versorgen noch die umliegenden Boote damit. Inzwischen haben zufällig zwei weitere Hallberg-Rassy neben uns geankert, die schwedische 43 “Elin” und die amerikanische 53 “Sula”.
Als nächstes ist Schnorcheln angesagt, das bietet sich bei diesem wunderbaren Ankerplatz einfach an.
Und was die Kokosnüsse angeht, ist jetzt Janniks Ehrgeiz geweckt. Für die kleine Expedition rüsten wir uns besser aus. Per Paddelboard geht’s an Land, die SUP lassen sich über die Steine leichter vor dem Schwell in Sicherheit bringen. Im Rucksack: Machete, Seil, Gaff, Tupperdosen sowie Messer und Löffel für das Kokosfleisch und eine Weithalsflasche für das Kokoswasser. Auf geht’s.
Mit dem Paddel das Seil in Position zu bringen und dann mit der Leine die Nuss herunterzureißen erweist sich als effektive Erntemethode. Und dann geht’s ans Öffnen mit der Machete, Auffangen von Kokoswasser und herausoperieren des Kokosfleischs.
Für das Abendessen wird der frische Überfluss gleich verarbeitet: Poisson Cru vom Mahi Mahi, dazu gebratener Fisch mit Kokosnussstückchen, Auberginen und Möhren, dazu Brotfrucht-Fritter, Mango-Chutney und Papayasalat.
Janniks Jäger-und-Sammler-Ader ist offenbar aktiv: nachdem das Fischen vom Boot aus nicht erfolgreich war, möchte er zum Sonnenuntergang mit dem Dinghy ein Stück weiter rausfahren und dort angeln.
Wir fangen zwar nichts, aber dann ist es eben Chillen unter der gerade so eben sichtbaren dünnen Mondsichel.
Ab und zu erwischen wir einen gebrauchten Tag. Das ist so einer.
Der Morgen beginnt damit, dass die achtere Toilette nicht richtig abpumpen will. Kommt nicht plötzlich, aber jetzt ist definitiv Zeit, mehr zu tun als mit Kalklöser zu spülen. Die erste Aufgabe des Tages ist also eine der beliebtesten an Bord überhaupt. Die Schläuche vom WC abbauen, das „Joker-Valve“ genannte Rückschlagventil säubern oder tauschen und in diesem Fall noch etwas mehr.
Der Schlauch zum Abpumpen hat sich bis auf einen Bruchteil seines Durchmessers mit Kalkstein zugesetzt. Der muss raus, mechanisches Schlagen auf den Schlauch ist die bewährte Methode dafür.
Nachdem alles wieder eingebaut ist und funktioniert, setzen wir das Großsegel im zweiten Reff und stecken Floras Nase aus der Bucht. Nicht lang danach rollen wir das Segel wieder ein. Wind um die 20 kn war angesagt, aber am Südkap von Tahuata werden wir regelrecht verprügelt. Kapeffekt wie aus dem Buche. Böen bis 40 kn, dazu 3 bis 4 Meter Welle. Nicht genau von vorn, aber eben doch in einem spitzen Winkel.
Als wir endlich ums Kap rum sind, kommen Wind und Wellen immer noch schräg von vorn, nur auf dem anderen Bug. Flora macht das prima, aber ein Vergnügen ist es trotzdem nicht. Erst etwa 5 Meilen später können wir endlich segeln und die Bedingungen werden etwas moderater.
Nur stellen wir fest, dass wir uns mehrere Befestigungen unserer Kuchenbude (Cockpitzelt) abgerissen haben, ein blöder Bedienfehler. Und unter Deck hat sich eine Schüssel so unglücklich unter den Wasserhahn geschoben, dass der Wasserfluss ausgelöst wurde. Zwar ins Becken der Spüle, aber wir haben etwa 200 Liter kostbares Frischwssser durch den Abfluss gejagt. Wie dämlich.
Ein schöner Mahi Mahi an der Angel scheint die Unglückssträhne versöhnlich zu beenden.
Aber als wir kurz darauf endlich in Atuona auf Hiva Oa ankommen, ist der Ankerplatz vor der Mole komplett untauglich. Die dort liegenden Boote machen Bocksprünge und Schaukelübungen, dass es uns schon vom Zuschauen schlecht wird.
Hinter der Mole ist es nur etwas ruhiger, aber natürlich rappelvoll. Wir zwängen uns in eine Lücke, stecken weniger Kette als gewohnt und eigentlich gewünscht und kommen so tatsächlich keinem unserer Nachbarn ins Gehege (nahe aber schon). Das bedeutet Ankerwache für die Nacht, einer von uns ist stets im Cockpit und wach.
Warum das alles?
Jetzt kommt das Gute! Wir bekommen Besuch. Unser Patenkind Jannik hat den langen Flug (Frankfurt/Paris/Los Angeles/Papeete/Hiva Oa) auf sich genommen und wir holen ihn hier ab.
Auf den ziemlich gebrauchten Tag folgt also ein nagelneuer, sehr schöner.
Wir ankern vor Vaitahu, mit ein paar hundert Einwohnern der Hauptort der Île Tahuata. Faszinierend: jeden Morgen liefern uns in dieser Bucht Ostpazifische (Spinner-)Delfine eine kostenlose Akrobatik-Show am Ankerplatz. Im Cockpit sitzen wir auf den Logenplätzen dieses Freilufttheaters. Dicht bei den Booten finden sich mehrere Gruppen der Delfine ein und dann scheint ein Wettbewerb zu starten. Wer springt am höchsten? Wer am spektakulärsten? Salti, Schrauben, Rückenflugeinlagen.
Und nach der Wasser-Show geht’s an Land.
Interessant und für das heutige Neben- und Miteinander von katholischem Glauben und traditioneller Marquesanischer Religion: der Vorplatz der modernen Kirche in Vaitahu wird gesäumt von zahlreichen Tiki. In der polynesischen Kultur repräsentieren diese Figuren den ersten Mann, sind halb Mensch, halb Gott. Sie stehen zugleich für Macht, Weisheit und Wohlstand, haben aber je nach Ausgestaltung auch individuelle Fähigkeiten und Funktionen. Mit ihren übergroßen Augen sind zugleich Fenster in die Zeit nach dem irdischen Leben.
Steinmetzkunst: bei diesem hinaus zum Ankerplatz blickenden Tiki ist der Zopf wiederum aus vielen weiteren Tiki gebildet:
Von den ersten katholischen Missionaren wurden die Tikis als heidnische Götzenbilder verteufelt und auch zu großen Teilen zerstört. Heute aber erleben sie eine Renaissance, selbst hier unmittelbar an der Kirche.
Und auch die moderne Kirche von Vaitahu nimmt in Architektur und Symbolik Bezug auf die Marquesas und ihre Tradition. Das überstehende Dach bietet Schutz vor Regen und es gibt ein mit üppigen Schnitzereien versehenes Portal. Aber die Seitenwände sind oberhalb der brusthohen Balustrade offen, der Wind weht durch die Kirche hindurch.
Die überlebensgroße geschnitzte Figur der Polynesischen anmutenden Maria am Kirchturm trägt einen eben solchen Christus auf dem Schoß, dieser wiederum hält eine Brotfrucht, das traditionelle Grundnahrungsmittel der Marquesas.
So wichtig übrigens, dass es sich auch in der Schnitzerei der Kanzel wiederfindet, …
… neben dem Kreuz der Marquesas. Das wird zwar auch gerne christlich vereinnahmt. Es war vor der Christianisierung der Marquesas aber ursprünglich ein Fruchtbarkeitssymbol und ist in seinen vielen Varianten auch heute noch eines der typischen Tattoo-Motive der Marquesas. Es findet sich auch auf dem Sockel des Zopf-Tikis.
Auf dem Weg zurück zum Dinghy sehen wir, dass sich jetzt am (1. Mai) Nachmittag viel Leben auf der Pier abspielt. Sie ist zugleich Bade- und Angelplatz für Jung und Alt, vor allem aber sozialer Treffpunkt.
Einige der jüngeren Kinder fragen uns, ob wir mit ihnen eine kleine Tour mit dem Dinghy machen können.
O.K. Schwupp, sitzen sieben Kids mit uns in Florecita. Flora Fun Tours. Für uns bringt die kleine Runde um die ankernden Boote mindestens so viel Spaß wie für die singenden Kids. Beim Video unbedingt den Ton anmachen.
Anmerkung: die Videos laufen leider nicht in der Benachrichtigungs-Email zum Blogbeitrag. In dem Fall bitte direkt auf die Internetseite des Blog gehen, zum Beispiel einfach durch Klick auf die fettgedruckte Überschrift in der Email.
An den nächsten beiden Tagen ist das Anlanden mit dem Dinghy am Pier dann nicht mehr ganz so einfach. Die Pazifikdünung läuft in unsere Ankerbucht hinein, Wellen brechen über der Pier und auch an den Felsen der Bucht. Flora schaukelt nur ein bisschen, es ist bisher ganz gut erträglich. Allerdings sind diese Wellen vielleicht nur Vorboten, für die nächsten Tage sind kräftiger Wind und auch höhere Wellen angesagt. Dabei macht das jetzt eigentlich schon genug Spektakel:
Aber auch das sind eben die Marquesas.
Und noch ein Hinweis zur Webseite des Blogs: wir haben endlich unter dem Reiter „Route“ auch die in 2023 gefahrene Strecke ergänzt. Aber natürlich könnt Ihr Euch wie gewohnt über die Abschnitte der einzelnen Jahre hinaus auch die ganze bisher zurückgelegte Strecke unserer Langfahrt mit der Flora und unsere aktuelle Position auf Noforeignlandanzeigen lassen.
Um die 20 andere Boote ankern mit uns in der Baie Hanamoenoa. Keineswegs so enge Ankerverhältnisse, wie wir es zum Beispiel in den Balearen erlebt haben, aber eben für hiesige Verhältnisse doch recht gut gefüllt. Stört uns eigentlich nicht, aber zum Schnorcheln sind uns weniger herumsausende Beiboote doch lieber. Unser Freund Michael aus Washington pflegt zu sagen: “If you can’t stand the heat, stay out of the kitchen!” Kein Problem, wir verholen die Flora einfach um Pointe Touatahi herum in die südlich unmittelbar angrenzende Bucht. Auch die Anse Ivaivaiti bietet einen Sandstrand mit Palmen. Trotzdem ankert nur ein Katamaran etwas außerhalb, in der Bucht liegt neben Flora nur ein kleines Angelboot an einer Boje.
Das klare Wasser mit den zur sandigen Mitte steil abfallenden Felsen an der Seite bietet sich zum Schnorcheln geradezu an. Freunde von uns hatten berichtet, dass in den Buchten hier häufig Mantas beobachtet werden können. Die haben sich uns hier zwar bisher noch nicht gezeigt, obwohl wir extra schon morgens zum Sonnenaufgang Ausschau gehalten haben, aber auch sonst hat die Unterwasserwelt einiges zu bieten. Schildkröten und (Schwarzspitzen-)Haie sehen wir nur aus einiger Entfernung, aber die Riff-Fische sind dafür weniger scheu.
Nebenbei, außer den exotisch bunten Fischen sorgen auch die tropischen Temperaturen dafür, dass wir uns gleich mehrere Male schnorchelnd durch die Bucht bewegen und die Ufer dieser malerischen Bucht erkunden.
Die Inseln der Marquesas zeigen sich von See kommend als steil aus dem Meer aufsteigende Felsformationen aus dunklem vulkanischen Stein, raue Steilklippen, tief eingeschnittene Täler, wild gebirgige, schwer zugängliche Inseln. Üppig grün an der Ostseite, wo die (Südost-)Passatwinde zum Aufsteigen gezwungen werden. In der kühleren Höhenluft an den Bergspitzen hängen deshalb fast immer Wolken und versorgen die Ostseiten mit üppigen Regenfällen. Die Küsten der windabgewandten Westseiten dagegen sind oft karger.
Und so präsentieren sich die Westseiten von Fatu Hiva (das wir hinter uns lassen) und Tahuata (zu der wir auf einem 40 sm Schlag segeln):
Und auch wenn es dem Klischee der Südsee entspricht: palmengesäumte weiße Sandstrände mögen für andere Inselgruppen typisch sein, für die Marquesas aber sind sie sie es gerade nicht. Hier ist (mangels Ringriff) eher eine Brandung zu erwarten, die sich an schwarzen Felsen bricht oder bestenfalls dunkle Steinstrände hinaufrollt.
Eigentlich.
Allerdings ist Tahuata eben eine Ausnahme von dieser Regel in den Marquesas. An der Südspitze noch komplett kahl, steil und fast schwarz, fällt die Westküste von Tahuata nach Norden hin immer sanfter zum Meer hin ab und bietet sogar ein paar der für die Marquesas so wenig typischen hellen Sandstrände.
Die Baie Hanamoenoa wird deshalb immer wieder mal als schönste Bucht der Marquesas bezeichnet. Schön ist sie unzweifelhaft. Aber dieser Superlativ scheint uns dann doch nicht gerechtfertigt, denn eigentlich ist es etwas anderes, was die Marquesas ausmacht. So wie zuletzt eben auf Fatu Hiva in der beeindruckenden und mit ihren speziellen Felsformationen eben auch sehr spektakulären Baie Hanavave. Einzigartig. Besonders. Und ganz klar Marquesas.
Trotzdem, im Kontrast genießen wir auch den Postkarten-Palmenstrand auf Tahuata:
Das Anlanden ist wegen der in die Bucht laufenden Dünung schwierig. Sie macht sich auf dem Boot nicht durch besonders intensives Rollen bemerkbar, Flora liegt eigentlich recht ruhig. Aber kurz vor dem Strand steilt sich die Welle stark auf und bricht auch immer mal wieder. Wir entscheiden uns, das Dinghy vor dem Strand zu Ankern und lieber an Land zu schwimmen. Dafür haben wir den Strand ganz für uns, obwohl die Ankerbucht mit bis zu 21 Booten ganz gut gefüllt ist.
Kaum zurück an Bord, beginnt wieder das tropische „Fenster auf – Fenster zu“-Spiel. Immer wieder schieben sich Wolken über den Bergrücken. Meist tröpfelt es nur kurz, aber insbesondere am späten Nachmittag erleben wir auch hier wieder ziemlich kräftige Tropenschauer. Mit allerdings schönen Begleiterscheinungen: