Die Sache mit den Kreisen. Von Park City in Utah nach Portland in Oregon

Mal wieder Strecke: wir verlassen Park City und fahren zunächst durch die schneebedeckten Berge. Über die Rocky Mountains, durch Salt Lake City hindurch, am Großen Salzsee und Industrieanlagen vorbei und weiter durch die scheinbar endlose Landschaft, erst einmal ins südliche Idaho.


In Utah werden die Nummern der Landstraßen auf den Schildern in Bienenkörben abgebildet, dem offiziellen Symbol im Mormonenstaat. Auch wenn das heute gern im Sinne von Zusammenarbeit und Gemeinsinn interpretiert wird ist die ursprüngliche Symbolik dahinter wohl eine andere. Schon früh als christliches Symbol für die durch Christi Tod vermittelte Unsterblichkeit verwendet, steht es auch für das Land, in dem Milch und HONIG fließt und das der Mormonen-Führer Brigham Young genau hier am großen Salzsee entsprechend seiner Vision zu finden glaubte, weshalb er sich mit vielen Anhängern hier niederließ.
Das führt zu interessanten Schildern am Straßenrand wie diesem:

Und auf der weiteren Fahrt gibt’s noch ein anderes spannendes Schild. Wir müssen die Autobahn (Interstate 84) wegen einer Vollsperrung verlassen und fahren auf der kleineren Landstraße 42 weiter, fernab größerer Ortschaften. Nach einiger Zeit kommt am Straßenrand der Hinweis “No service next 102 miles”, wir haben aber glücklicherweise einen noch ziemlich vollen Tank.

Zwischendurch reißt der Himmel auf, dann wieder haben wir eine dichte Wolkendecke. Die Fahrt führt durch ein eher flaches Tal, beidseitig von Bergzügen begrenzt. Die Vegetation ist karg, trotzdem sehen wir große Rinderherden, Heustapel und auch Milchviehbetriebe auf den vereinzelten Gehöften. Möglich gemacht wird das in dieser trockenen Gegend ganz offensichtlich durch Bewässerung, denn überall auf den Feldern oder Weiden finden sich riesige Sprinkleranlagen, montiert auf Rädern. Beim näheren Hinsehen zeigt sich, dass es zumeist Pivot-Beregnungssysteme sind, also quasi Karussell-Bewässerungsanlagen, die um eine Zentralpumpe rotieren können.

Die Drohne vermittelt schon einen ersten Eindruck, was daraus entsteht:

Aber erst im Google Earth Bild wird deutlich, welche Dimensionen diese Bewässerung hat und welche grafischen Muster dabei in der Landschaft erzeugt werden:

Erst jetzt wird uns so richtig klar, was wir wir bei der Fahrt durch die Great Plains etwa in Oklahoma und Texas schon so oft gesehen haben.

Die zum Teil riesigen Pivot-Bewässerungen machen die Landwirtschaft in weiten Bereichen insbesondere des mittleren Westens der USA erst möglich. Der “Dustbowl“, benannt nach verheerenden Dürren und Staubstürmen über den urbar gemachten immensen ehemaligen Prärieflächen in den frühen 1930er Jahren, zeigte das deutlich auf. Unzählige Farmer mussten damals ihre Ländereien aufgeben, viele zogen auf der Suche nach Arbeit weiter nach Westen in Richtung Kalifornien, oft auf der gerade 1926 fertiggestellten Route 66. Nobelpreisträger John Steinbeck hat die “Okies” (Dustbowl-Flüchtlinge aus Oklahoma und umgebenden Staaten) auf ihrem Trek begleitet und dies in “Früchte des Zorns” (Originaltitel: The Grapes of Wrath”) literarisch verarbeitet.

1948 entwickelte der Farmer Frank L. Zybach einen neuen Typ Sprinklersystem, den er sich ein paar Jahre später auch patentieren ließ. Durch die neue Pivot-Beregnung wurde gegenüber dem vorher üblichen Verspritzen der Anteil des nutzlos verdunstenden Wassers deutlich reduziert. Außerdem musste es im Gegensatz zu anderen Bewässerungsanlagen für Aussaat, Bearbeitung und Ernte nicht demontiert werden, so dass sich diese Methode rasch durchsetzte. Allerdings ist die dauerhafte Beregnung der notorisch trockenen Flächen in so großem Maßstab nicht unproblematisch. Zehntausende Brunnen zapfen hierfür zumeist den Ogallala Aquifer an, einen der weltweit größten Grundwasserleiter. Er erstreckt sich über acht US-Bundesstaaten unterhalb der Great Plains, aber er entstand vermutlich während der letzten Eiszeit und bildet nur einen geringen Teil des entnommenen Grundwassers nach. Ganz überwiegend ist der Grundwasserspiegel deshalb im betroffenen Gebiet bereits erheblich gesunken. Wird weiter so intensiv aus diesem Grundwasserleiter bewässert, ist dauerhaft eine Wiederholung der Dustbowl-Problematik nicht ausgeschlossen. (Sehr spannend zu lesen in diesem Zusammenhang: Bericht in “Scientific American”).

Und manche Farm scheint schon historische Anknüpfungen zu machen:

Unser Roadtrip führt uns weiter, zunächst durch Idaho am Snake River entlang und bis zur Hauptstadt des Bundesstaates, Boise (gesprochen Bäu-sie!). Über 200.000 Einwohner hat die Kapitale und selbstverständlich auch ein Kapitol:

Dahinter leuchten schon wieder schneebedeckte Berge. Am nächsten Tag soll sich das Wetter verschlechtern und so fahren wir nach einem kurzen Zwischenstopp und leckerem Essen weiter, übernachten erst hinter der Landesgrenze, schon in Oregon, im Örtchen Ontario. Die Bergkette der Kaskade Mountains vor Portland queren wir entlang des mächtigen Columbia River, der seinen Lauf tief in diese Erhebung eingegraben hat. So ist die Straße zwar gewunden, aber während wir an den Hängen ein paar Hundert Meter über uns Schnee sehen, fällt unten am Flussufer nur Regen.

In Portland bleiben wir für zwei Nächte, ziehen zu Fuß unsere Kreise durch die schöne Stadt mit ihren vielen viktorianischen Gebäuden, streifen durch unsere bisher größte Buchhandlung (Powell’s City of Books) und erkunden die quirligen Viertel Northwest und Pearl (auch ein Wollgeschäft darf nicht fehlen).

Hinterland und Hintergründe in Puerto Rico

Wir haben das Auto für eine Woche gemietet, Kosten 250,- US$ (210,- €), teilbar durch uns vier. Für eine dreiviertel Tankfüllung haben wir gestern übrigens unter 25 US$ gezahlt. 😁

Also nutzen wir den Wagen gleich mal noch für eine Fahrt nach Ponce (gut 40 km westlich gelegen) und zu einer Kaffeeplantage im gebirgigen Hinterland.

Die Strecke nach Ponce überrascht ein bisschen, denn anders als bei unserem Trip nach San Juan kurven wir nicht durch steile Berge, sondern fahren in der hier flachen Küstenregion durch intensiv landwirtschaftlich genutzte Flächen. Zumeist sehen wir große Bananenplantagen, aber auch Gemüsefelder. Repräsentativ ist das aber nicht, denn tatsächlich macht der Zuckerrohranbau noch immer denn größten Anteil an der Landwirtschaft in Puerto Rico. Fast 1,3 Mio Tonnen werden jährlich produziert, Bananen einschließlich der Kochbananen bringen es “nur” auf etwa 1/10 davon, rund 145.000 Tonnen. An Kaffee werden übrigens etwa 15.000 Tonnen produziert, das reicht nicht um weltweit in die TopTen zu kommen. Allein das Hauptanbauland Brasilien, in dem rund 30 Prozent des weltweiten Kaffees geerntet werden, produziert jährlich über eine Million Tonnen Kaffee. Wie überhaupt die Landwirtschaft in Puerto Rico nicht mehr so dominant ist wie in früheren Zeiten. So machte allein der Zuckerrohranbau 1930 noch 50 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeit und 30 Prozent der gesamten ökonomischen Aktivitäten des Landes aus, die Landwirtschaft beschäftigte über 40 % aller Arbeitnehmer. Die Amerikaner hatten diese Entwicklung nach ihrem Sieg im Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898 massiv vorangetrieben. Ab den 40er bzw. 50er Jahren aber erfolgte ein Industrialisierungsprogramm, das mit Steuererleichterungen für Industrieinvestitionen gestützt wurde. Allerdings konnte dies eine massive Abwanderung vor allem junger Puertoricaner in die USA nicht verhindern. Das liefert nicht nur den Hintergrund für Leonard Bernsteins in dieser Zeit entstandene „West Side Story“, in dem Shakespeares „Romeo und Julia“ ins moderne New York verlegt und die verfeindeten Familien durch die rivalisierenden Gangs der amerikanischen „Jets“ und der puertoricanischen „Sharks“ ersetzt werden. Es zeigt sich auch heute noch in der Bevölkerungsstruktur, denn unfassbare zwei Drittel aller Puertoricaner leben heute in den USA, der größte Anteil tatsächlich in den Bundesstaaten New York und New Jersey.

Ab 1976 galt gar eine Freistellung für in Puerto Rico erzielte Gewinne amerikanischer Unternehmen von Bundessteuern. Das führte zu einem enormen industriellen Aufschwung in Puerto Rico, zumal der Export diverser Produkte von hier in die USA zollfrei war. Ab 1993 wurden diese Vergünstigungen dann schrittweise bis 2006 wieder abgebaut, insbesondere pharmazeutische und Hightech-Unternehmen konnten aber längere Zeit weiter profitieren. Trotzdem brach der Arbeitsmarkt im produzierenden Gewerbe ein, es folgte eine weitere Auswanderungswelle ins Kernland USA. Heute ist die Arbeitslosigkeit in Puerto Rico etwa doppelt so hoch wie in den USA, auch die Verschuldung ist höher als in allen US-Bundesstaaten. Gleichwohl: puertoricanischen Arbeitern steht grundsätzlich der US-Mindestlohn von 7.25 US$ (in Trinkgeld-Berufen allerdings nur 2,13 US$!) zu, der Lebensstandard ist insgesamt höher als in den anderen Karibikländern. Und natürlich fließen auch erhebliche Mittel zurück auf die Insel, z.B. von den Exilpuertoricanern, zurückkehrenden Rentnern oder solchen, die hier einen Zweitwohnsitz eingerichtet haben. Viele Gebäude auf der Insel wirken entsprechend doch ziemlich schmuck.

Unser erstes Ziel Ponce punktet mit einem netten Stadtzentrum mit zum Teil kolonialer Architektur rund um zwei zentrale Parks, zwischen denen die Kathedrale und weiter am Rand das in den Stadtfarben schwarz-rot gestrichene “Parque de Bombas” als kleines Feuerwehrmuseum steht.

Der Besuch im Industriegebiet zwecks Einkauf bei IKEA erweist sich dagegen als Flop: im IKEA hier kann man nur bestellen, nicht mitnehmen. Die Lebensmittelabteilung und damit Knäckebrot und eingelegte Heringe fehlen gleich ganz. 😢

O.k., dann also auf zur Kaffeeplantage. Von der Crew der Valentin hatten wir schon gehört, dass covidbedingt die meisten Plantagen derzeit nicht zu besichtigen sind. Wiebke ertrüffelt im Internet aber doch noch eine geöffnete, sogar mit Restaurant. Ab in die Berge.

Die “Cordillera Central” zieht sich als Gebirgskette mit diversen Spitzen über 1.000 m (höchster Berg ist der Cerro La Punta mit 1.338 m) einmal längs von West nach Ost über die ganze Insel, über 60 % des Staates sind zumeist dünn besiedelte Berge. Und durch die kurven wir jetzt. Auf kleinen und kleinsten Straßen, die Herzen der Motorradfahrers in mir und in Ingo lachen (die Schlaglöcher werden von diesen Herzen dabei erstaunlicherweise ignoriert). Bis auf etwa 800 m schrauben wir uns hoch, der seltene Gegenverkehr bedeutet mit unserem Auto meist Vollbremsung und Herantasten an die Asphaltkante. Aber es ist wirklich eine Wonne, durch diese Landschaft, dieses satte und doch abwechslungsreiche Grün zu cruisen.

Erst gegen 16.00 Uhr erreichen wir die Kaffee-Hacienda. Ein “Open”-Schild hängt im Fenster, aber: sie ist für Besucher geschlossen, das Internet hat uns angelogen. Oder unser Glaube an die Wahrheit der Info dort war schlicht zu groß 😚. Macht aber nix, wir haben die Fahrt durch die Berge sehr genossen und viel von dem Hinterland in Puerto Rico gesehen. Und uns in einer Bäckerei, die als Notersatz für das Restaurant der Hacienda herhalten musste, dann auch ausreichend für den Heimweg gestärkt. Sogar ein Päckchen Kaffee „unserer“ Plantage konnten wir dort ergattern.