Zu den Heiligen

Ein letzter Besuch auf dem großen samstäglichen Markt in Portsmouth, wir frischen unsere Bestände an lokalem Obst, Gemüse und Kräutern auf. Außerdem kaufen wir hausgemachtes Kokosnussöl, unsere Küche wird langsam karibischer. Neben den übrigen Marktständen kommen am Samstag offenbar viele lokale Verkäufer und handeln entweder direkt aus dem Kofferraum oder von kleinen Klapptischen oder auf der Straße ausgebreiteten Decken aus ihre Ware.

Beim Gang zum Markt und zurück werden wir einmal mehr eindringlich an die Auswirkungen des Hurrikans Maria vor gut zwei Jahren erinnert.

Auffällig sind außerdem die vielen öffentlichen Wasserhähne auf dem Gehweg. Viele Einheimische holen hier in Kanistern ihr Frischwasser, aber auch einige der kleinen Hütten (würden als Vorbild für den Microhome-Trend taugen) haben Anschluss ans Wassernetz, wie wir aus den aus dem Bürgersteig auftauchenden Wasseruhren zu erkennen glauben.

Dominica hat uns richtig gut gefallen.

Trotzdem, jetzt geht’s los zu den Heiligen. Übrigens, Dominica trägt seinen Namen nicht deshalb, weil Kolumbus langsam die Namen von Heiligen ausgegangen sind, wie der Revierführer Chris Doyle mit Blick auf die vielen nach Heiligen benannten anderen Inseln des Antillenbogens spaßig anmerkt. Vielmehr ist Kolumbus auf seiner zweiten Entdeckungsreise zwischen Dominica (das er benannt, aber nicht betreten hat) und Gouadeloupe auf den Inselbogen getroffen und hat erst danach die nördlicher gelegenen Inseln „entdeckt“, benannt und für die kastilische Krone in Besitz genommen, die Îles des Saintes (von ihm „Los Santos“ genannt) an Allerheiligen 1493. Die erste Entdeckungsreise hatte lediglich die Bahamas, Kuba und Hispaniola berührt.

Wie auch immer – die Îles des Saintes (Inseln der Heiligen) gehören zu Guadeloupe und damit wieder zu Frankreich. Und da wollen wir jetzt hin:

Indian River und Cabrits, Dominica

Naturerlebnistag/Tierfototag 😊

Dominica hat nicht nur ein ziemlich naturbelassenes Inselinneres, sondern zeigt sich auch von See aus hoch und grün, eben ursprünglicher als die meisten anderen Inseln hier. Vielleicht ist das mit ein Grund, warum auch verschiedene Szenen der „Fluch der Karibik“-Filme hier gedreht wurden. Nun ist das Besichtigen von Drehorten um der Drehorte willen eigentlich gar nicht so unser Ding, außerdem kann man denen für „Fluch der Karibik hier kaum entgehen. So hatten wir mit Petit Tabac in den Tobago Cays schon den Ort besucht, an dem Captain Jack Sparrow von seiner meuternden Piratenmannschaft ausgesetzt wurde, hatten in der Wallilabou Bay eine Runde gedreht und waren in Titou Gorge geschwommen, beides ebenfalls Drehorte der Serie. Jetzt also der Indian River.

Der Grund für unsere Ruderbootstour auf dem Indian River ist aber ein anderer: der Fluss, der nicht mit motorisierten Booten befahren werden darf, ist nicht nur eine der Naturschönheiten Dominicas, sondern bietet wegen des vorgeschriebenen Guides auch die Gelegenheit, sich Flora und Fauna aus kundiger Quelle in Ruhe erklären zu lassen. Unser Guide Martin („Providence“) ist nach eigenem Bekunden Botaniker und lässt auch keine unserer Fragen unbeantwortet.

Zuerst geht’s gleichwohl in den Nebenarm, in dem die Zauberin Calypso ihre Hütte hat. Zwar wurde die Originalrequisite im Hurrikan Maria zerstört (wie auch ein großer Teil des Blätterdachs über dem Flüsschen), aber die Hütte wurde wieder nachgebaut und das Blätterdach über dem Fluss, tja, da ist die Natur mit Hochdruck dran.

Guide Martin (Providence) vor Calypsos Hütte

Überhaupt ist die Natur der eigentliche Hauptdarsteller hier am Indian River. Zunächst einmal beeindrucken die z.T. uralten, knorrigen Baumwurzeln, die gespiegelt im je nach Lichteinfall klar oder blau milchig erscheinenden Brackwasser des Flusses Phantasiegemälde zu malen scheinen.

Zwischen den (gefühlten) Baum-Methusalems wachsen immer wieder wilder Hibiskus mit seinen gelben, am nächsten Tag dann schon orangenen Blüten.

Dann macht uns Martin auf die Krebse aufmerksam, die sich mal im Uferschlamm gut getarnt

mal aber auch knallrot und somit gut erkennbar ziemlich zahlreich am Indian River tummeln.

Auch auf die verschiedenen Vögel werden wir hingewiesen. Obwohl wir früh am Morgen schon um 7.00 Uhr aufgebrochen und als erstes Boot auf dem Fluss unterwegs sind, scheinen uns allerdings recht wenige Vögel (und auch wenige Insekten) unterwegs zu sein. Trotzdem, wir bekommen verschiedene Kolibris, inseltypische Tauben und sogar einen schönen Bananaquit zu sehen, aber da war ich mit der Kamera nicht schnell genug. Länger Modell gestanden haben mir zum Glück mehrere Grünreiher

und der seltenere Mangrovenreiher:

und ein Amerikanisches Teichhuhn bei der Morgentoilette.

Im Garten der Bar am Umkehrpunkt zeigt uns Martin diverse der hiesigen Obst- und Gemüsepflanzen, darunter neben verschiedenen Bananenarten und den allgegenwärtigen Mango- und Papayabäumen z.B. auch Kurkuma, Mandelbäume und Passionsfrucht und er geht auch auf die in Dominica typischen Zubereitungen ein.

Im Garten entdecke ich auch noch ein schönes Exemplar der Dominica-Baumeidechse Zanndoli, das gerade seinen Kehllappen zeigt:

Fast zweieinhalb Stunden dauert die eigentlich nicht sehr weite Tour, aber die Zeit vergeht schnell. Martin bringt uns zurück zur Flora, der Taxiservice ist im Preis von 50 EC$ je Person inbegriffen. So machen wir am Nachmittag – wiederum gemeinsam mit Andrea und Ingo noch eine Wanderung im Cabrits National Park auf der Nordseite unserer Ankerbucht beim alten englischen Fort Shirley. Und auch hier sehen wir eine nur auf Dominica heimische Echse, die mit bis zu 40 cm Gesamtlänge um einiges größere Dominica Ameiva:

Obwohl recht kräftig ist sie leider auch ziemlich scheu, meist verzieht sie sich schnell ins Unterholz. Genau so verhalten sich auch die diversen kleinen und für den Menschen harmlosen Antillen-Schlanknattern, die wir ab und zu doch mal zu sehen bekommen:

Da loben wir uns doch die Einsiedlerkrebse, die sich hier im bergigen Wald in großer Zahl finden, von fingernagelklein und quirlig bis faustgroß und fürs Foto stillsitzend:

Nebenbei: einen tollen Überblick auf den Ankerplatz hat man von den höheren teilweise wildromantisch überwucherten ehemaligen Stellungen auf den Cabrits auch:

Und noch ein Tip: sowohl für die Cabrits als auch für den Indian River ist die dominikanische Nationalparkabgabe zu zahlen, das war an den Wasserfällen und beim Hike ins Valley of Desolation auch schon der Fall. Man kann Tagestickets kaufen, aber spätestens ab dem dritten Tag lohnt das ebenfalls erhältliche Wochenticket für 12 (US)$ bzw. 32,04 EC$.

Portsmouth, Prince Rupert Bay und Tsunami-Warnung

Wir haben es uns in Dominica gemütlich gemacht, seit Sonntag liegen wir in der Prince Rupert Bay beim Örtchen Portsmouth vor Anker.

Schon die Begrüßung war nett, die Boatboys hier haben sich zu einer Organisation zusammengeschlossen: PAYS (Portsmouth Association of Yacht Services). Zur Erklärung: Boatboys gibt’s fast überall in der Karibik. Mit ihren kleinen aber oft stark motorisierten Booten kommen sie den Yachten manchmal schon weit vor den Ankerplätzen entgegen. Sie bieten freie Bojen, die Führung zu „besonders guten“ Ankerplätzen oder Hilfe mit Landleinen an, aber auch die Organisation von Landausflügen mit Guide, das Entsorgen von Abfall, die Erledigung von Wäsche (man gibt sie ab und bekommt sie meist am nächsten Tag gewaschen, getrocknet und sauber gefaltet zurück), außerdem gibt’s Boote die Fisch, Früchte, Brot oder Eiswürfel und alles mögliche weitere verkaufen. Also jeder erdenkliche Service für Yachten. So weit so gut. Allerdings konkurrieren die verschiedenen Boatboys meist miteinander. Wir hatten gehört und gelesen, dass es so schon mal vorkommen kann, dass drei von ihnen gleichzeitig mehr oder weniger abgefendert an die Bordwand dengeln und die Vorzüge der eigenen Leistung lautstark preisen. Oder fünf Boote nacheinander kommen vorbei, um die gleiche Dienstleistung anzubieten, aufdringlich oder unverschämt werden können. All das haben wir bisher nicht erlebt, und auch hier ist es nicht so. Wie auch schon an anderen Orten (z.B. In den Tobago Cays) haben sich die Boatboys einen Kodex gegeben bzw. in Portsmouth sogar einen Verein gegründet, eben PAYS.

Der Boatboy, für den man sich zuerst entscheidet (in unserem Fall „Providence“, die Fantasienamen stehen meist auch groß auf ihr Boot gemalt) hat das Rennen gemacht und bietet die Services an. Die anderen kommen erst wieder ins Spiel, wenn man sich mit ihm nicht einig wird und andere anspricht.

Jetzt sollte man (insbesondere beim Namen PAYS 😉) denken, dass damit höhere Preise einher gehen, aber das scheint nicht der Fall zu sein. Die Tarife sind ähnlich fix oder flexibel wie anderswo und handeln ist ebenso möglich.

Wenn ich geschrieben habe, schon die Begrüßung war nett, hängt das ebenfalls mit PAYS zusammen: gleich Sonntagabend war das wöchentliche BBQ-Event für alle Segler der Bucht am Strand angesetzt. Für 50 EC$ (etwa 16 €) gab es Fisch und Hähnchen vom Grill, dazu Reis und Gemüse und – natürlich Rum-Punch. Alles zum Nachnehmen.

Die Prince Rupert Bay hat ihren Namen übrigens von dem Wittelsbacher Ruprecht von der Pfalz. Der dritte Sohn von Friedrich V. von der Pfalz und König von Böhmen (väterlicherseits) und von Elisabeth Stuarts mütterlicherseits, die wiederum Tochter des englischen Königs Jakob I. war. Mit 25 wurde er Duke of Cumberland und Earl of Holderness, er war Kavallerieoffizier und hatte später verschiedene Marinekommandos. 1670 wurde er der erste Gouverneur der neu gegründeten Hudson Bay Company. Spannend, wie international manche Lebensläufe damals schon waren. 1672 wurde er zum Admiral ernannt, bereits ein Jahr später leitete er als Lord High Admiral die gesamte königliche Flotte (was dann wohl auch die Namensgebung der Bucht rechtfertigt). Jedenfalls trägt eine schöne Bucht seinen Namen:

Nicht ganz so schön sind die häufigen Feuer, wie in der Bildmitte zu sehen. Müll wird häufig offen verbrannt, besonders am Sonntag waren viele Feuer zu sehen. Das stinkt dann nicht nur, je nach Windrichtung kann auch das ganze Boot mit feinen schwarzen Ascheflaken überzogen sein. Hm.

Gut wiederum gefällt uns, dass wir hier in der Prince Rupert Bay um einiges ruhiger liegen als in der doch sehr schwelligen Bucht vor Roseau. Ruhiger ist aber nicht nur die Bucht, sondern auch der Ort. Roseau ist um einiges größer, auch quirliger und – obwohl die Namensgebung das Gegenteil vermuten ließe – jedenfalls von der Ansprache her englischer als im kleineren Portsmouth, wo wir außer von den Boatboys fast ausschließlich auf französisch angesprochen werden.

Die Schäden des Hurrikans von vor zwei Jahren waren auch in Roseau präsent, scheinen aber hier doch noch sichtbarer zu sein. Viele der kleinen Holzhäuser in Strandnähe sind zerstört oder beschädigt, aber auch der (Wieder-)Aufbau der bunten Buden geht wohl voran, wir sehen auch viel Baumaterial an der Straße.

Ein Ministerium entschuldigt sich für den immer noch andauernden Aufbau eines Dinghy-Stegs …

Und während ich das schreibe, bekomme ich von Kati aus Deutschland via Messenger den Hinweis, dass gerade wegen eines starken Erdbebens zwischen Kuba und Jamaika eine Tsunami-Warnung für die Karibik herausgegeben wurde. Wir recherchieren im Internet und stellen fest, dass sie „nur“ für Kuba, Jamaica und die Caiman-Inseln gilt, in etwa 300 sm Umkreis um das Epizentrum. Wir sind fast 1.000 sm entfernt und Haiti liegt dazwischen, also erstmal Entwarnung hier, aber unsere Gedanken sind bei allen denen, die da näher dran sind.

Tal der Zerstörung

Was für ein Name: Tal der Zerstörung / Valley of Desolation. Und ausgerechnet da wollen wir hin? Na ja, eventuell sogar noch ein bisschen weiter, zum Boiling Lake, zum kochenden See. Aber das ist extrem ambitioniert, es sind dann rund 20 km Bergwanderung. Los geht’s jedenfalls am Einstieg in die Lavaschlucht Titou Gorge. Anders als vorgestern haben wir diesmal keine Tour gebucht, sondern nehmen mit Andrea und Ingo gemeinsam den Bus, der um 9.00 von Roseau aus Richtung Laudat fährt. Es kostet nur 4 EC$ (etwa 1,30 €) pro Person, 5 EC$, wenn man sich wie wir direkt nach Titou Gorge kutschieren lässt. Um 18.00 Uhr soll der letzte Bus zurück fahren, Abfahrt dann allerdings an der Haltestelle in Laudat. Die Hinfahrt klappt wunderbar, um halb zehn beginnen wir unsere Wanderung.

Und die Tour hat es diesmal wirklich in sich. Am Einstieg werden wir noch einmal angesprochen: Ihr braucht einen Guide, das geht nicht ohne. Wir haben zwar gegenteiliges gelesen, fragen ihn aber trotzdem noch nach seinem Preis. “Special offer”: 60EC$ pro Person, also für uns vier über 90 US$. Zuviel, zumal der Weg gut erkennbar scheint. Und tatsächlich werden wir den Guide auf dem Weg zum Valley of Desolation zu keiner Zeit vermissen. Möglicherweise wäre das auf dem letzten Stück zum Boiling Lake anders, weil die Erdkruste dort extrem dünn ist, aber so weit gehen wir (wie wir jetzt wissen) heute eh nicht.

Zunächst durch den Regenwald stapfen wir den steilen, aber meist wieder mit Stufen aus Aststücken versehenen Pfad bergauf. Zwischendurch sind einige matschige und rutschige Passagen zu bewältigen, zum Teil geht auch über kleine Flüsschen oder in halb trockenen Bachbetten entlang, wobei der Weg eigentlich immer gut erkennbar bleibt. Anstrengend ist es trotzdem und nachdem wir einige Regenwaldrücken überwunden haben geht es auf einem schmalen Berggrat weiter in die Höhe, jetzt aber ohne das vor der sengenden Sonne schützende Blätterdach. Wasser und Snacks haben wir genug dabei, aber wir benötigen es auch.

Auf der höchsten Stelle bei 950 m gibt es eine Rast und wir lassen die Drohne fliegen. Es wird noch eine Zeit auf dem Grat wieder etwas bergab gehen und dann Steil hinunter ins Tal der Zerstörung. Und auch den kochenden See können wir in der Ferne schon dampfen sehen, aber das ist doch noch ein ganzes Stück entfernt.

Der Abstieg ins Valley of Desolation ist dann der kniffligste Teil unserer Tour. Auf teilweise rutschig lehmigem Grund und über glitschige Steine müssen wir recht steil hinunter, aber auch das ist machbar.

Und dann sind wir da: eine lebensfeindlich anmutende Szenerie breitet sich vor uns aus. Es riecht schwefelig, Pflanzen werden rar, hier und da steigt Dampf aus der Erde und in den Bächen blubbert und kocht es.

Im Bild lässt sich das gar nicht so gut wiedergeben, aber Ihr könnt ein kleines Video von unserer Tour ansehen: Video Valley of Desolation.

Wir sind glücklich, es hierher geschafft zu haben, aber auch schon ein bisschen platt, also machen uns hier auf den Rückweg. Am Ende werden wir über 17 km gewandert sein und dabei über 190 Stockwerke Höhenunterschied erklommen haben.

Eingeschlossen sind allerdings die 1,5 km Straße nach Laudat, die wir nach einem weiteren erfrischenden Bad in Titou Gorge (und einem kalten Bierchen) auf dem Weg zur Bushaltestelle gelaufen sind. Ein Bus kommt trotzdem nicht. Zwar hatte uns der Busfahrer auf der Hinfahrt versichert, die letzte Rückfahrt sei um 18.00, aber nach längerer Wartezeit nehmen wir dann doch ein vorbeikommendes Taxi zurück Richtung Flora. Wobei sich Taxi und Bus hier eigentlich nur im Preis (etwas) unterscheiden. Beides sind Kleinbusse, in beiden gibt es weitere Mitfahrer. Unserer (im Taxi) erklärt uns, heute sei schließlich Samstag. Und wenn der Fahrer des Busses keine Fahrgäste hinauf in die Berge habe, komme er halt nicht. Andere Länder – andere Sitten. Aber gut zu wissen 😁