Abschlepp-Aktion vor der Ankunft: Tag 24 der Passage von Mexiko nach Französisch Polynesien

Landfall mit Hindernissen

Die letzte Nacht vor der Ankunft beginnt mit einem Schock. Allerdings für Jeanette und Jeroen sicher mehr als für uns. Mit Beginn der Dämmerung erhalten wir einen Anruf von unserem Buddyboat. Die etwas hinter uns liegende Fidelis hat einen Getriebeschaden, der Motor ist nicht einsetzbar.

Es sind noch gut 40 sm bis zur Ansteuerung der Riffdurchfahrt, derzeit ist – wenn auch nur leichter – Segelwind. Also vereinbaren wir, dass wir zunächst ein Reff einbinden, damit sie weiter zu uns aufschließen können. Falls möglich, wollen wir die Boote bis kurz dem Pass segeln. Dann soll Flora die Fidelis in Schlepp nehmen. Allerdings ist weiter abnehmender Wind vorhergesagt. Für den Abend unseres Ankunftstages allerdings kündigen sich kräftige Gewitter an, allzu spät sollten wir nicht dort sein.

Bis 4.00 Uhr segeln wir, dann ist völlige Flaute. Noch gut 20 sm bis zum Pass. Fidelis ist jetzt aber nur noch 2 Meilen von uns entfernt. Über Funk vereinbaren wir den Versuch, doch bereits in der Dunkelheit eine Schleppverbindung herzustellen. Eigentlich möchte ich die Zugkraft mit einem Hahnepot auf unsere beiden Heckklampen verteilen, aber von dieser Vorstellung muss ich wieder Abstand nehmen. An Steuerbord würde unmittelbar am Propeller des Außenborders entlanglaufen, zu gefährlich. Und selbst wenn wir den Außenborder hochklappen oder gar (unterwegs im Dunkeln aufwändig) abnehmen, würde die Hahnepot auf Höhe der Unterkante unseres Dinghies verlaufen. Nicht gut. Die See ist ruhig, da sollte die massive durchgebolzte Backbord-Heckklampe unserer Hallberg-Rassy 43 auch mit den Zugkräften der 54 ft Amel klarkommen (hoffen wir).

Wiebke manövriert uns dicht an die Fidelis heran und ich werfe eine dünne Leine hinüber, an deren Ende ich unsere 50 m lange Heckankertrosse geknotet habe. Letztere befestigt Jeroen am Bug der Fidelis und dann beginnt die Schleppfahrt.

Angenehmer ist es natürlich, als es zwei Stunden später langsam hell wird und sich vor uns auch die Gambier-Inseln abzuzeichnen beginnen.

Es ist unmöglich, die Schleppleine permanent unter Last zu halten. Auch wenn die Wellen niedrig sind, zwei Dünungen laufen hier aus verschiedenen Richtungen um die Nordspitze des Gambier-Riffs herum. Laut Windy sind die derzeit zwar nur 1,6 und 1,2 m hoch. Manchmal heben sie sich fast auf, manchmal addieren sich die Höhen. Aber jedenfalls sorgen sie eben doch dafür, dass die Schlepptrosse unregelmäßig Lose bekommt oder sich strafft. Wir müssen aufpassen, dass Fidelis leicht nach Steuerbord versetzt hinter uns bleibt, damit die Trosse beim Hochschnellen nicht unter unsere Rettungsinsel knallt.

Insbesondere beim Einlenken in den Pass und den folgenden scharfen „Linkskurven“ bei der Durchfahrt der inneren Riffe zum Ankerplatz vor Rikitea auf Mangareva ist das wichtig.

Das Fahrwasser ist gut betonnt. Aber Achtung: die Betonnung folgt hier in Französisch Polynesien wieder dem zu Hause in Europa verbreiteten System A (einlaufend rot an Backbord) und nicht wie zuletzt System B (Red Right Return).

Es ist anstrengend, keine Frage. Das Abschleppen reibt an den so kurz vor dem Ende der Passage ohnehin überstrapazierten Nerven, aber es ist eben auch Teil der gelebten Seemannschaft und des Abenteuers, das mit einer solchen Ozeanpassage einher geht. Und: alles klappt gut, wir kommen sicher am Ankerplatz vor Rikitea an.

Das dann unsere Ankerwinsch mitten im Manöver in Streik geht und die Sicherung durchbrennen lässt hätte jetzt eigentlich nicht sein müssen, aber wir finden einen Workaround und bringen das Manöver zu Ende, ersetzen dann die Sicherung und werden uns vielleicht morgen um den Fußschalter kümmern, den wir als eigentliche Ursache verdächtigen.

Strecke bis zur Ankunft: 86 sm, damit gesamt auf dieser Passage: 3.048 sm, unsere zweitlängste Passage bisher auf der gesamten Reise.

Ankunft war um 13.00 Gambierzeit (wir sind jetzt 10 Stunden hinter der deutschen Zeit). Einschließlich der durch die beiden Zeitzonen gewonnenen zwei Stunden waren wir also 24 Tage und 4 Stunden (=580 Stunden) unterwegs. Das macht 5,25 kn Durchschnittsgeschwindig-keit. Wohl der niedrigste Wert unserer bisherigen Hochseepassagen, und doch sind wir damit sehr zufrieden. Denn zum einen haben wir es damit geschafft, praktisch die kompletten Tropen von Nord nach Süd mit nur 43,4 Motorstunden zu durchfahren, wovon ja auch noch gut 8 Stunden auf das Schleppen entfallen. Vor allem aber haben wir es mit dem teilweise bewusst langsamen Segeln geschafft, alle Gewittergebiete auf dem Weg zu umschiffen.

Ankommenschluck mit der Crew der Fidelis

Wir sind ein bisschen erschöpft, glücklich und wir freuen uns darauf, mal wieder eine ganz Nacht durchzuschlafen.

🥱😴💤

Na ja, mal schauen ob das inzwischen für den frühen Morgen vorhergesagte Gewitter das zulässt, aber deutlich lieber hier als unterwegs.

10 Gedanken zu „Abschlepp-Aktion vor der Ankunft: Tag 24 der Passage von Mexiko nach Französisch Polynesien

  1. Guten Morgen Wiebke und Ralf,

    wir haben eure Reise nach Gambier jeden Tag mit großer Freude und Aufmerksamkeit verfolgt. Was für eine schöne Reise und wie gut, dass ihr sie gemeinsam gemacht habt. Das sind Themen, die uns auch beschäftigen und wir versuchen herauszufinden, wie und was. Ihre Geschichte inspiriert uns, vor allem der Realitätssinn und die Beschreibungen, wie das alles ohne Show wirklich funktioniert.

    Viel Spaß auf Gambier, vielen Dank für das Teilen Ihrer Erfahrungen und wir werden Ihnen weiterhin folgen.

    Herzliche Grüße, Marico & Bob van Dulken s/v Pitholaboco

    (Diese Nachricht wurde von Google Translate vom Niederländischen ins Deutsche übersetzt)

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  2. Ich folge Euch schon längere Zeit 😉 Ihr schreibt toll und lasst einen mitfiebern. Glückwunsch zu dieser Mega Passage, der erfolgreichen Ankunft und dem spannenden Endspurt. Eine tolle Zeit in Französisch Polynesien! Ich freu mich auf Eure weiteren Erlebnisse.

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  3. Was für eine Aufregung zum Ende der doch ansonsten scheinbar Bilderbuch-mäßigen Passage! Danke, für die tollen und ausführlichen Blogartikel. Es ist immer wunderbar die Berichte und Fotos zu sehen. Sie sind ein Teil davon, unser Ziel, das Er-Leben auf dem Wasser, nicht aus den Augen zu verlieren.

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  4. Super! Herzliche Gratulation für die tolle Leistung.

    Würde mich noch interessieren, wieso das Getriebe bei der Fidelis plötzlich streikte. Die hat doch sicher auch zwischendurch in den Calmen den Motor verwendet. Was mich auch noch interessieren würde: du schreibst, dass beim Abschleppen die Trosse zwischendurch lose wird. Habt ihr etwas dagegen unternommen (wenn ja: was?) oder war die Elastizität der Trosse so gut, dass der Impuls auf die Klampen erträglich waren?

    Wünschen euch eine Tolle Zeit in Gambier.

    Liebe Grüsse aus Neuseeland, Köbi (SY Lupina)

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  5. Liebe Wiebke,

    Lieber Ralf,

    was für eine großartige Leistung, diese Hochsee-Etappe von Mexiko nach Französisch-Polynesien!!
    und dann noch dieses Schlepp-Abenteuer am Ende ! Es ist langsam unglaublich, was Ihr Euch zutraut und dann auch noch umsetzt !

    Gönnt Euch vielleicht jetzt ein paar Tage Entspannung ! Das hättet Ihr wahrlich verdient!

    Grüsse aus der Heimat!

    Rüdiger

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  6. Wir sind der Meinung:

    Ihr seid Spitze 🤩 🍾🥂🥂🥂🥂🥂🥂🥂🥂🥂🥂🥂🥂🥂🥂🥂🥂🥂

    Tolle Leistung- alle Herausforderungen mit Bravour gemeistert 👏🤗🤗😘

    Glückwunsch und ruht Euch aus 💝

    Fernknuddel

    Andrea&Ingo

    SV Easy One

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  7. Congrads on another successful crossing! What a voyage. And helping fellow cruisers too! Well done. I wonder if Gambier has towing service? If not, you friends could be in series trouble without the engine

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  8. Lieber Ralf, liebe Wiebke,

    dann beglückwünschen wir euch herzlich zu der gelungenen Pazifiküberquerung.

    Wir haben jeden Tag mit Spannung verfolgt, zum Teil die sehr ausführlichen segelfachlichen Ausführungen aber nicht ganz verstanden, jedoch zum anderen immer mitgefiebert.

    Erholt Euch 🏖️🏖️☀️Frank und Suse

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