Ankern auf dem Rondeelteich

Wir liegen hier in Fort Lauderdale vor Anker im Lake Sylvia. Unfassbar, es ist als würde man in Hamburg kurz von der Elbe in die Alster schleusen (o.k., hier war’s nur eine Klappbrücke) ein kleines bisschen weiter motoren und dann im Rondeelteich ankern. Hört sich übertrieben an?

Und was machen wir, wenn wir nicht gerade die Szenerie genießen? Bisher jeden Tag einen langen Spaziergang durch die Stadt und ihre Gewerbegebiete westlich des Port Everglades. Wir bringen unsere unsere in Charleston ausgebaute alte Lichtmaschine zu einer Werkstatt. Und was für eine: Lauderdale Battery and Alternator. Freundlicher Empfang, dann schickt man uns gleich in die Werkstatt zum Spezialisten. Lichtmaschinen in allen (zumeist aber: späteren) Lebensphasen säumen den Weg. Die Maschinen sehen antiquiert aus, aber die Jungs wissen, was sie tun. Nur: Neil gibt unumwunden zu, es sei die erste Lichtmaschine mit externem (Lithium-Batterien-)Regler, die zu ihm gebracht wird. Der erste Test auf dem scheinbar musealen Prüfstand ergibt: Lichtmaschine tot.

Aber so schnell gibt Neil nicht auf. Dann muss er sie halt auseinandernehmen. Wir sollen morgen wiederkommen.

Wenn wir schon mal in der Gegend sind, laufen wir noch ein paar Blocks weiter und statten “Bluewater Books and Charts” einen Besuch ab. Annemarie von der Escape hatte darüber berichtet, und wir brauchen für unsere weitere Reise noch nautische Informationen und Literatur. Wir werden nicht enttäuscht, die Auswahl ist riesig, wirklich alle Teile der (nautischen) Welt werden abgedeckt. Im Prinzip ein Laden wie früher Hanse-Nautic in Hamburg, nur viel größer.

Es ist herrlich, in den Törnführern erst einmal stöbern zu können, sie in der Hand zu halten. Das macht am Ende zwar die Auswahl leichter, unsere Rucksäcke aber umso schwerer. Ganz schöne Wälzer.

Elektronische Seekarten gibts auch, der Pazifik rückt näher. Die für unseren alten (2011) Furuno-Plotter erforderlich maximal 2 GB fassenden Speicherkarten (größere liest er nicht) sind vorrätig, die Karten werden schnell aufgespielt. Zum Glück habe ich im Handy die erforderliche Seriennummer des Plotters abgespeichert (Danke, Uwe, für den Tip und Deine Hilfe damals bei der letzten Aktion). Wieder ein wenig Vorbereitung abgehakt.

Tja, und an dem riesengroßen WestMarine Schiffsausstatter, der auch in dieser Gegend liegt, kommen wir natürlich auch nicht vorbei. Bepackt wie die Lastesel gehts zurück zum Boot, zumal wir kurz vorm Dinghydock noch einen Supermarkt finden. 😁

Heute Vormittag kommt dann der Anruf: die Lichtmaschine ist fertig, zur Abholung bereit. Diesmal kommt uns der Weg dorthin schon kürzer vor. 😉

Die Bürsten sind getauscht, aber das eigentliche Problem lag in einem Kabelbruch innerhalb der Lichtmaschine an der Verbindung zum externen Regulator. Auf dem Prüfstand zeigt die Lichtmaschine diesmal genau das, was sie soll. Neil ist stolz, wir sind superfroh, wieder ein funktionsfähiges Backup zu haben.

Und warum haben wir eigentlich kein Taxi oder Uber genommen? Ein bisschen Bewegung tut uns ganz gut und außerdem mögen wir es, uns einen Ort quasi zu „erlaufen“, gerade auch mit seinen weniger herausgeputzten Ecken.

Außerdem gibts hinterher zur Belohnung Austern in der „Southport Raw Bar“, einer der wenigen Orte, wo wir unser Dinghy lassen können. Festmachen kostet 10 $, aber erstens gibt es kaum eine Alternative und zweitens werden die 10 $ beim Besuch der Bar voll auf die Rechnung angerechnet. Na dann …

Pura Vida.

West Palm Beach und dann zum Lake Sylvia in Fort Lauderdale

Palm Beach begrüßt uns mit Hochhäusern, Industriehafen und Superyachten, aber der Ankerplatz im Lake Worth zeigt auch die schöne Seite der Stadt. Vom (allerdings eine lange Dhinghyfahrt entfernten) städtischen und damit kostenlosen Dinghydock führt eine palmengesäumte Promenade am Ufer entlang.

Auf der anderen Seite sind weihnachtliche Sandskulpturen zu sehen, ein riesiger Sandtannenbaum nimmt gleich einen ganzen Platz ein und der Weihnachtsmann passt doch auch gut zum Manatee, oder? Rudolph braucht ja auch mal Pause und vielleicht eine Abkühlung. Andere Länder, andere Sitten.

Unser Weg führt uns dann weiter zum Norton Museum of Art. Die sehr sehenswerte Sammlung überwiegend zeitgenössischer Kunst wird mit wechselnden Sonderausstellungen ergänzt, uns hat neben der Empfehlung der LuSea-Crew die aktuelle “Frida Kahlo, Diego Riviera & Mexican Modernism” hier her gelockt. Sie gefällt uns sehr gut, aber auch das übrige Museum weiß zu begeistern.

In West Palm Beach treffen wir Freunde wieder – und müssen uns auch von ihnen verabschieden. So typisch für Cruiser, aber doch immer wieder auch traurig. Mareike mit ihrer Moana, Karen und Steve mit der Second Chance und auch Helene und Klaus mit der LuSea, sie alle wollen von hier aus zu den Bahamas. Wir dagegen wollen erst mal weiter die US-Ostküste hinunter und dann nach Mexiko. Da passt die Kunstausstellung um so besser 😉.

Ab Morgen soll erst einmal Südwind einsetzen. Also klingelt heute früh mal wieder der Wecker und pünktlich zum Sonnenaufgang lichten wir den Anker.

Wie vorhergesagt, können wir zunächst noch mit raumem Nordost-Wind von 8 bis 10 kn segeln, ab Mittag wird der Wind dann einschlafen. So kommt es auch, aber bis dahin ist es herrliches Gennaker-Segeln.

Und wir haben mehrfaches Glück, der Golfstrom bremst uns nicht, sondern lässt uns eine für uns gute Neerströmung nutzen; schenkt uns zudem aber auch wieder Angelerfolg. Dieses Mal ziehen wir einen schönen Schwarzflossen-Thunfisch an Bord.

Auch Fort Lauderdale begrüßt uns mit Hochhäusern und Industriehafen, aber einmal rechts um die Ecke, durch die erste Klappbrücke, der 17th Street Bascule Bridge, hindurch, schon sind wir in einer anderen Welt.

Eine Vielzahl von Wasserwegen durchzieht Fort Lauderdale. Sie zweigen links und rechts vom ICW ab, die Kanäle versorgen eine Unzahl von Grundstücken mit Wasserzugang. Unfassbare 40.000 Sportboote soll es hier geben. Andererseits:

Trotz – oder vielleicht wegen – der vielen privaten Stege sind öffentliche Ankerplätze im Stadtgebiet eher rar. Ein paar finden sich in Verbreiterungen des ICW, sie sind aber zumeist recht flach und durch den Intracoastal auch schwellig.

Wir entscheiden uns, einen Versuch im Lake Sylvia zu wagen. Der liegt ruhig, etwas abseits vom ICW, und er weist eine gute Ankertiefe auf. Kleine Haken: die Einfahrt ist ein bisschen tricky und der Platz ist oft voll. Wir tasten uns ganz nahe am Ostufer durch die Einfahrt, wechseln kurz vorm See auf die Westseite und werden belohnt: was für ein toller Platz in der Stadt:

Pura Vida.

Fort Pierce und Fisch zum 2. Advent

Der Weg an der Ostküste der USA herunter ist für uns mit ein bisschen mehr Motorstunden verbunden, als uns eigentlich lieb ist. Aber zwischendurch ist es auch immer wieder herrliches Segeln. Der Törn von Cape Canaveral nach Fort Pierce ist dafür exemplarisch, zu Beginn und am Ende jeweils ein paar Stunden motoren, dazwischen aber wunderbares Vor-dem-Wind-Segeln. Wir riggen beide Spinnakerbäume, setzen an Backbord den Code0 mit Floras Logo und an Steuerbord die Fock. Wie ausgebreitete Flügel vor dem Bug ziehen uns die beiden Segel südwärts. Was für ein herrlicher Anblick, was für ein tolles Gefühl.

Zumal der Törn auch noch Angelerfolg bietet, zwei Bonitos in guter Größe hole ich herein, dann verhängt Wiebke Angelverbot. 😳

In Fort Pierce kommen wir so rechtzeitig an, dass wir vorm Sonnenuntergang sogar noch unsere schwergängig gewordene Steuerbord-Mastwinsch auseinandernehmen, säubern, fetten und wieder anbauen können.

Im Hintergrund sieht man eine der typischen festen Brücken über den Intracoastal Waterway ICW, der parallel zu unserer Strecke entlangführt. Genau 65 Fuß Durchfahrtshöhe hat auch diese Brücke, bei unserer Masthöhe also nicht machbar mit der Flora.

Auf der anderen Seite unseres Ankerplatzes liegt ein Naturschutzgebiet mit Mangroven und Salzmarschen.

Wobei, wie so oft ist auch hier der eigentliche Küstenstreifen zum Strand nicht mehr Teil des Naturschutzgebietes, sondern mit Betonburgen bebaut, die etwas an die unglücklichen Hotelklötze auf der Nehrung des Mar Menor an der spanischen Mittelmeerküste erinnern.

Wir bleiben einen Tag hier am Ankerplatz, pruddeln am Boot herum (z.B. verstärken wir die Halterung unseres Außenborders am Heckkorb). Außerdem wird die komplette an Bord vorhandene Adventsdeko geriggt, bestehend aus einem handtellergroßen Herrnhuter Stern und einer Weihnachtsbaumkugel im Globus-Design.

Heute morgen dann noch kurz tanken und dann durch das Fort Pierce Inlet wieder hinaus in den Atlantik. Das Timing ist diesmal schlecht, bis zu vier Knoten Gegenstrom stehen uns im Inlet entgegen. Lässt sich aber nicht ändern, wenn wir unser Ziel West Palm Beach bei Tageslicht erreichen wollen. Also müssen wir da durch, ist ja auch nur ein kurzes Stück von ungefähr einer Meile. Aber die Strömungskabbelungen im Fahrwasser sind schon beeindruckend.

Wir hoffen mal, dass das nicht ein Vorgeschmack auf den Golfstrom ist, der uns bei Palm Beach leider mit voller Stärke bis direkt unter Land entgegenstehen wird. Seit Kap Hatteras hatten wir davon profitieren können, dass er auf dem Zwischenstück weiter draußen floss und sich in Landnähe sogar für uns vorteilhafte, Süd setzende Neerströme bildeten. Das ist ab jetzt wohl leider erst einmal vorbei.

Ein Gutes hat das aber auch, wir profitieren vom sprichwörtlichen Fischreichtum im Golfstrom. Einen Bonito lassen wir noch wieder frei, dann beißt diese schöne und leckere King Mackerel.

Und dann – verhängt Wiebke gleich wieder Angelverbot. Ist wohl besser so 😁.

Als ein Squall vor uns auftaucht, schalte ich das Radar ein, um die Regenzelle auf dem Plotter besser lokalisieren zu können. Nur leider sagt die Anzeige „Kein Radar gefunden“. Grr. Die nächste Baustelle tut sich auf. Aber auch das ist Bootsleben. Die To-do-Liste wird nie leer.

Pura Vida.

Cape Canaveral

Unser nächster Stop an Floridas Ostküste ist nach rund 115 sm Cape Canaveral. Der Weltraumbahnhof? Genau der. Zumindest der gleiche Ort. Und immerhin wird der Hafen ebenfalls vom Weltraumbahnhof genutzt, wir wir schon bei der Einfahrt sehen können. Denn auch das private “SpaceX” nutzt Cape Canaveral und mehrere Schiffe der Firma liegen im Kanal.

Wir gehen ausnahmsweise in eine Marina, der Port Canaveral Yacht Club hat einen Stegplatz mit den hier ungewöhnlichen Pollern für uns, so wie wir es aus der Ostsee kennen (allerdings gibt es hier bis zu eineinhalb Meter Tidenhub). Super, vor allem weil der Platz für US-Verhältnisse mit etwa 65 € pro Nacht erfreulich “günstig” ist, andere Marinas hier rufen bis zu 3,50 US$ pro Fuß Schiffslänge auf, da kämen wir dann auf rund 170 US$. Theoretisch gibt es zwar auch einen Ankerplatz hinter den drei Hubbrücken und der Schleuse, aber der bietet maximal 2,10 m Wassertiefe und liegt direkt am Intracoastal Waterway. Bei den Wellen der durchfahrenden Sportboote kann es dann schon mal knapp werden.

Am Steg zwei Boote weiter liegt die schweizer San Giulio, Antje und Beat begrüßen uns gleich beim Anlegen. Uns sie bieten an, uns mit ihrem Mietwagen zum Visitors Center des Kennedy Space Centers mitzunehmen. Das passt wunderbar, die Karten für den nächsten Tag hatte Wiebke schon vorher im Internet bestellt.

Der erste Eindruck nach der langen Anfahrt über das riesige Gelände ist irritierend: die verschiedenen Raketen im “Rocket Garden” wirken erstaunlich klein, obwohl sie dort in Originalgröße stehen (z.B. die “Delta” ganz rechts mit dem Haifischkopf, die die GPS-Satelliten ins All gebracht hat, da sind wir als Segler besonders dankbar).

Aber so ist das, die Dimensionen können immens täuschen. Richtig deutlich wird das am “VAB” (Vehicle Asambly Building, in der die Raketen vor dem Start montiert werden), an dem wir in einiger Entfernung vorbeifahren. Wir hatten die riesige Halle mit dem Nasa-Logo und der US-Flagge schon vom Meer aus gesehen. Jetzt, aus der scheinbaren Nähe, wirkt sie wie ein Scheinriese viel kleiner.

Nur: das täuscht! Tatsächlich passt das Empire State Building vom Rauminhalt her mehr als dreimal in die Halle hinein, jeder der Streifen der US-Flagge hat die Breite einer Busspur!

Und auch hinsichtlich der Raketen wird unser Größenempfinden in der weiteren Ausstellung zurecht gerückt, als wir an und unter der Saturn V Mondrakete angekommen sind.

Und auch, als wir unter den Antriebsraketen und dem Treibstofftank des Space Shuttle hindurchgehen und drinnen die Raumfähre in voller Größe und mit geöffneten Ladeklappen ausgestellt finden.

Die Geschichte der menschlichen Raumfahrt einschließlich des Wettlaufs mit den Russen, den amerikanischen Befindlichkeiten zu deren Anfangsvorsprung und der späteren internationalen Zusammenarbeit auf der ISS wird dargestellt.

Schmunzel-Details finden sich …

… ebenso wie eher bestaunenswerte Originale wie das der engen Landekapsel, mit dem die Astronauten wieder auf der Erde (bzw. auf dem Meer) ankamen.

Oder die Original-Einrichtung des Überwachungsraumes, von dem aus der Raketenstart zum Mond kontrolliert wurde.

Als Zuschauer erleben wir hier den simulierten Countdown eines Starts, einschließlich Lärm und Vibrationen. So wie ein Stückchen weiter auch die Simulation des Starts einer Raumfähre, diesmal angeschnallt und mit dreidimensionale Rotation (und Durchschütteln), die das ebenfalls gebotene IMAX-3D-Kino nochmal topen.

Überhaupt Simulation: wir dürfen ins nachgebaute Cockpit eines Space Shuttle und an einem anderen Simulator sogar dessen Landung üben 😎

Auch die dramatischen Abstürze der Space Shuttle “Columbia” und “ Challenger” mit dem Tod aller jeweils sieben Besatzungsmitglieder werden behandelt.

Bisher noch nicht so richtig in der Ausstellung angekommen ist die “Privatisierung” der Raumfahrt, obwohl ja vom Gelände aus auch die SpaceX operiert, dessen Falcon-Raketen und das Raumschiff “Dragon” starten. Seit 2020 gibt es durch SpaceX durchgeführte bemannte Raumflüge zur ISS im Auftrag der NASA und seit September 2021 werden auch Privatpersonen von SpaceX ins All geflogen.

Mit etwas Glück können wir heute Abend einen Raketenstart hier in Cape Canaveral erleben, bei dem 53 Satelliten durch SpaceX in die Umlaufbahn der Erde gebracht werden sollen. Eigentlich schon für gestern geplant, wurde der Start kurzfristig auf heute verschoben.

Karen und Steve von der “Second Chance” aus unserer Carlisle Bay Corona Group aus dem Frühjahr 2020 liegen in der Nachbarmarina. Wir beschließen gemäß ihrem Schiffsnamen zu handeln und vielleicht doch noch den Start live und aus der Nähe zu sehen. Bleiben wir halt noch einen Tag länger hier.

Pura Vida.

Nachtrag: da ist sie 🚀. Hat geklappt. Ein Video (nicht von mir) dieses heutigen Raketenstarts gibts auf YouTube: https://youtu.be/0bd5DjagC4s

Und so ha5 es für uns ausgesehen: