Whangārei Harbour

Die Stadt Whangārei liegt etwa 20 km von der eigentlichen Ostküste Neuseelands entfernt im Landesinneren. Und doch liegt sie direkt am Wasser, denn der Hātea River verbreitert sich gleich hinter der Stadt fast seeartig. Jedenfalls bei Hochwasser, obwohl selbst dann die Mangroven schon einen Teil des Überflutungsgebietes bedecken. Bis es dann an den Felsformationen der Whangārei Heads wieder eine schmale Flussmündung wird, ergibt sich eine weitläufige Wasserfläche mit vielen Buchten, eben der Naturhafen Whangārei Harbour.

Bei Ebbe allerdings zeigt sich ein ganz anderes Bild. Etwa zwei Meter beträgt der Tidenhub, aber das reicht aus, um die Landschaft völlig zu verändern. Sandbänke und Inselchen tauchen bei Ebbe auch im äußeren Teil des Whangārei Harbour auf, der innere Teil fällt sogar auf etwa Dreiviertel seine Fläche trocken. Ein schmales, gut betonntes Fahrwasser führt unter einer auf Anforderung öffnenden Klappbrücke hindurch bis zum Ort, aber selbst das ist für Kielboote wie unsere Flora nur um Hochwasser herum sicher zu befahren.

Da ankern wir doch lieber erst einmal im äußeren Whangārei Harbour, gleich hinter den Whangārei Heads.

Ein wunderschöner Ankerplatz, wobei die lokalen Boote an Bojen in Wassertiefen liegen, die für Flora bei Ebbe schon grenzwertig flach sind. Der Blick in die andere Richtung zeigt die Wattbereiche am Ufer noch deutlicher und lässt auch ein paar der bei Ebbe auftauchenden Sände erkennen.

Vom Ankerplatz setzen wir mit dem Dinghy zu einem öffentlichen Landesteg am Ufer über. Mehrere Wanderwege führen am Wasser entlang und auch hinauf zu den verschiedenen „Heads“. Wir entscheiden uns mit Rücksicht auf unsere untertrainierten Beine für den Weg auf den nur 210 m hohen Mt. Aubrey. „Moderately challenging“. Wir schnaufen trotzdem ganz ordentlich, denn der abwechslungsreiche Pfad führt teils auf Schotter, teils als gemähte Schneise durch Wiesen, größtenteils aber treppauf – treppab am steilen Mt. Aubrey entlang und durch den Wald auf seinen Felsengrat hinauf. 91 Stockwerke erkennt die Bewegungsapp im Handy daraus.

Spannend dabei ist für uns auch die bunte Mischung der Flora und Fauna zwischen heimatbekannt und exotisch. Wir sehen Amseln, Schwalben und Spatzen und wir hören zu unserer Überraschung tatsächlich einen Kiwi ausdauernd rufen (sehr charakteristisch irgendwo zwischen Schrei und Pfiff), zu sehen bekommen wir den eigentlich überwiegend nachtaktiven flugunfähigen Nationalvogel Neuseelands leider nicht.

Auch die Pflanzenwelt überrascht mit dem Nebeneinander von aus unserer Heimat bekanntem Hahnenfuß, Schafgarbe und Jungfer im Grünen neben exotischen Gewächsen, von denen allerdings viele (wie das weißblühende und für Pferde tödliche Crofton Weed) keineswegs heimisch in Neuseeland und eben manchmal auch gefährlich sind. Aber auch der wegen seiner Farbe und Blütezeit so benannte „Neuseeländische Weihnachtsbaum“ Pōhutukawa ist dabei.

Vielleicht ist es auch diese Melange aus heimatlich Vertrautem und Neuem die dazu beiträgt, dass wir uns hier in Neuseeland auf Anhieb richtig wohl fühlen.

Wenn das so ist, will das Wetter jedenfalls auch nicht zurückstehen. Während ich das schreibe, prasselt der Regen auf die Flora, die Kuchenbude ist aufgebaut, es ist kalt geworden. Heimatliches Hamburger November-Schmuddelwetter im Süd-Frühling in Whangārei.

😉

Abgründe und Rettungsflieger

In der letzter Woche ist so viel passiert, dass wir eine ganze Zeit gebraucht haben, um überhaupt darüber berichten zu können. Begonnen hat es wunderbar entspannt.

Mit unseren Freunden Theresa und Joe genießen wir zunächst die Zeit im Atoll Aratika. Wir schnorcheln im Ostpass, wo neben den Haien …

… dieses Mal insbesondere der wirklich als senkrechte Wand in die dunkle Tiefe abfallende Dropoff am äußeren Ende des Passes beeindruckt. Ein irres Gefühl, darüber hinaus bzw. hinein zu schnorcheln. Gerade noch 10 m Wassertiefe und gleich daneben: scheinbar ein unendlicher Abgrund. Der Blick sucht Halt, tastest sich an der steilen Wand hinunter und verliert sich im immer dunkler werdenden Blau.

Im Pass selbst begeistern uns vor allem die Adlerrochen. Zunächst ein einzelnes Exemplar …

… dann mehrmals gleich jeweils vier Geflecke Adlerrochen im Formationsflug:

Diese wunderschönen und eleganten Tiere gehören (anders als die Mantas) zu den Stechrochen und tatsächlich haben sie Giftstachel am Schwanzansatz. Allerdings dienen diese lediglich als Verteidigungswaffe, Menschen gegenüber sind die Adlerrochen eher scheu.

Auch an Land sind wir gemeinsam unterwegs, wandern wir durch eine Palmenallee hinüber zum Außenriff.

Abends verabschieden wir uns von Theresa und Joe, am nächsten Tag brechen wir früh auf. Es scheint die einzige Möglichkeit zu sein, einigermaßen vernünftig durch den (West-)Pass und nach Fakarava zu kommen. Die Strömung in den Pässen von Aratika scheint derzeit zu machen, was sie will. Seit zwei Tagen haben wir kein einlaufendes Wasser erlebt, jederzeit strömt es hinaus. Die Tide nach Vollmond (Springtide) und der Wind haben da wohl den eigentlichen Rhythmus ziemlich durcheinander gebracht.

Wir laufen erst einmal eine Boje am Westass an und ich erkunde mit dem Beiboot die Situation im Pass. Auslaufendes Wasser, recht kräftig. Aber keine stehende Welle, nur kleinere Strudel und stärkeres Kabbelwasser erst draußen außerhalb der engen Riffdurchfahrt. Ok, das können wir probieren. Tatsächlich werden wir beim Hinausfahren kaum durchgeschaukelt und auch nicht vom Kurs abgebracht. Allerdings schießen wir mit bis zu zwölf Knoten Fahrt wie ein Korken aus der Flasche. Puh, aufregend, aber gut.

Ein paar Seemeilen weiter bekommen wir einen WhatsApp-Anruf von Theresa. Sie ist ziemlich aufgelöst, Joe hat aus unbekanntem Grund akute Gesundheitsprobleme.

Wir drehen um und fahren zurück Richtung Pass. Unterwegs bringen wir die WhatsApp-Nummer der Rettungsleitstelle in Tahiti in Erfahrung, Telefonempfang hat Theresa am Ankerplatz nicht.

Die Strömung im Pass hat sich leider kaum verändert. Gegen gut 5 Knoten Gegenstrom kämpft sich die Flora quälend langsam zurück in die Lagune von Aratika. Immer noch sieben Meilen bis zur Freefall. Unterwegs kommt mit Brassfahrt ein Dinghy von hinten auf. Die beiden Franzosen darin rufen uns zu, das eine Krankenschwester an Land sei. Wir erklären, dass der Notfall nicht bei uns an Bord sondern auf dem Katamaran im Osten der Lagune vorliegt und klären, wie wir die Hilfe an Bord bekommen können.

Kurz nachdem wir bei der Freefall ankommen, braust dann ein lokales Boot mit der Krankenschwester heran. Gemeinsam schaffen wir es, Joe auf das Local-Boat zu bekommen. Theresa fährt mit und sie brausen davon.

Etwas später erfahren wir, dass der Rettungsflieger unterwegs ist um Joe nach Tahiti ins Krankenhaus zu bringen. Wir suchen auf der Freefall ein paar Sachen für Joe zusammen und ich bringe sie zum Flughafen, wo wir gemeinsam auf den Rettungsflieger warten. Als er gelandet ist, untersucht die Ärztin Joe in der leeren Wartehalle des Flughafens (hier landet normalerweise nur einmal pro Woche ein Linienflugzeug). Sie entscheidet, dass er flugfähig ist und zur weiteren Untersuchung nach Tahiti ausgeflogen werden soll. Theresa kann allerdings nicht mitfliegen.

Die nächsten Tage sind eine emotionale Achterbahnfahrt. Wir sind froh, dass wir umgekehrt sind und Theresa unterstützen können.

Es ist jedenfalls gut zu wissen, dass das Rettungssystem auch auf kleineren bewohnten Inseln der Tuamotus funktioniert, fast alle haben einen kleinen Flughafen. Und – Lessons Learned – wir nehmen uns vor, die Notfall-WhatsApp -Nummer der jeweiligen regionalen Rettungsleitstelle künftig gleich in unsere Handys zu speichern. Eine aktive lokale SIM-Karte macht (Empfang vorausgesetzt) auch manches leichter. So haben wir gelernt, dass hier in Französisch Polynesien die Rettungsleitstelle per Handy über die Telefonnummer 16 (wie der UKW-Anrufkanal) erreichbar sein soll.

Zwei Tage nach unserem ersten Versuch laufen wir dann wieder durch den Pass aus, wieder mit reichlich Strömung, aber unproblematisch. Wir wären noch länger geblieben, aber unsere Gäste Karen und Steve kommen in Fakarava an, insofern wird es höchste Zeit. Aber immerhin sind die Untersuchungen von Joe jetzt durch und es geht ihm besser, er fliegt zwei Tage später zurück zur Freefall. Wir bleiben in Kontakt und immerhin auch räumlich in der Nähe. Für Freefall und Flora steht ja demnächst der etwas längere Schlag zurück Richtung Papeete an, das werden wir wohl als Buddy-Boote angehen.

Nachdem wir ja im letzten halben Jahr keinen einzigen Fisch mehr gefangen haben (und in den Atollen wegen der Ciguatera-Gefahr nicht angeln oder speeren), ist uns auf der Überfahrt von Aratika nach Fakarava endlich wieder einmal das Angelglück hold. Und wie! Passend zur Crewerweiterung von zwei auf vier ziehen wir nach längerem Kampf einen wirklich großen Mahi Mahi an Bord:

Mit Karen und Steve erkunden wir einmal mehr Fakarava, schaffen auch erstmals eine Fahrradtour über die Insel.

Und, obwohl wir schon so oft hier waren, erleben auch wir dabei neben Bekanntem auch wieder einiges Neues und so von uns noch nicht gesehenes.

Von Raroia nach Makemo

Wir segeln weiter nach Westen zu unserem nächsten Atoll. 78 Atolle gibt es im Tuamotu-Archipel, wenigstens ein paar davon wollen wir erkunden. Auf der Karte sieht es aus, als wäre dieser Bereich des Pazifiks voller Inseln, als lägen die Atolle dicht an dicht. Aber das täuscht gewaltig. Die Tuamotus sind die Inselgruppe mit der weltweit größten Ausdehnung, das Archipel erstreckt sich über 15 Längengrade und 10 Breitengrade, mithin auf mehr als 2.000 Kilometer. Die Entfernungen zwischen den für Yachten anlaufbaren Atollen sind daher größer als (von uns) erwartet.

Von Raroia bis nach Makemo sind es etwa 80 sm. Für eine solche Distanz würden wir normalerweise sehr früh auslaufen und dann (hoffentlich) kurz vor dem Dunkelwerden ankommen. In vielen Revieren funktioniert das, hier in den Tuamotus aber eher nicht. Die Crux liegt in den Pässen, den Ein- und Ausfahrten zu den Atollen. Ein- und Ausfahrt sollen wegen der starken Tidenströme idealerweise um Stillwasser herum erfolgen. Das gilt jetzt kurz nach Vollmond wegen der damit einher gehenden Springtide um so mehr. Außerdem verbieten sich für uns Fahrten im Atoll während der Dunkelheit, wir möchten mit einigermaßen hoch stehender Sonne eine Chance haben, die Bommies zu erkennen. Allerdings sind die Tage hier in der Nähe des Äquators kurz. Jetzt im Spätherbst der Südhalbkugel liegen zwischen Sonnenaufgang (6.00) und Sonnenuntergang (17.11) nur gut 11 Stunden.

In Raroia schauen wir daher morgens erstmal Fußball-Europameisterschaft auf dem iPad (über Starlink und VPN, durch die 12 Stunden Zeitverschiebung laufen die Spiele bei uns morgens live) und frühstücken ausgiebig. Frische Waffeln im Cockpit; ein kleines Morgen-Fest.

Am Kon-Tiki Ankerplatz brechen wir gegen 11.00 Uhr auf, tasten uns um die Bommies herum durch die Lagune und fahren gegen 13.00 Uhr mit 1,5 kn Gegenstrom durch den Pass hinaus.

Draußen auf dem offenen Pazifik setzen wir bei zunächst sehr leichtem Wind Groß und unseren blauen Genacker, nehmen irgendwann das Groß weg und wechseln zum Sonnenuntergang auf den deutlich kleineren Code0.

Es ist super angenehmes Segeln. Trotzdem rollen wir um Mitternacht den Code0 ein und statt dessen die noch viel kleinere Fock aus, wir sind einfach zu schnell.

Später reffen wir auch noch die Fock und schleichen mit einem Handtuch-kleinen Rest Segel langsam über die zum Glück immer noch sehr ruhige See.

Um 6 Uhr morgens stehen wir 8 Meilen vor dem Pass ins Makemo-Atoll. Gegen 10 Uhr soll Stillwasser sein. Wir sind nicht allein, einige andere Yachten warten auf die Durchfahrt. Die erste probiert es um 7 Uhr. Sie kommt durch, aber wir sehen sie in der Einfahrt mehrmals seitlich “fahren”, das ist uns und den meisten anderen zu heikel. Um 8 hat es sich etwas beruhigt, zwei weitere Yachten fahren durch und berichten über Funk von anspruchsvollen, aber machbaren Strömungen. Wir warten noch, schauen über Starlink und VPN Fußball-Europameisterschaft und gehen erst gegen 9 Uhr durch, bei gut zwei Knoten Gegenstrom und keinem wesentlichen Versatz durch Querströmungen oder Whirlpools. Der Ankerplatz an der Mole vor dem Ort liegt gleich um die Ecke neben dem Pass, das ist bequem. Zumal der Ort recht gute Einkaufsmöglichkeiten bietet (wir ergattern sogar Tomaten, Gurken, Zucchini und Pak Choi).

Am Freitagabend gehen wir zur Fundraising-Veranstaltung auf dem Schulhof, selbstgemalte Plakate dafür hängen überall im Dorf. Die Grundschüler führen hier polynesische Tänze auf, die stolzen Eltern halten das auf ihren Handys fest. Der Eintritt ist frei, die Einnahmen aus den verkauften Getränken und Leckereien kommen der Schule zu Gute.

Es ist eine schöne Atmosphäre und ganz nebenbei ein Seglertreff, fast alle Segler vom Ankerplatz sind gekommen.

Sonntag in der Kirche – wieder mit polynesischen Gesängen, wenn auch für uns nicht ganz so stimmungsvoll wie zuletzt auf Tahuata in den Marquesas – treffen wir von den Seglern nur Judy und Todd von der “Galileo”. Und auch von den beiden verabschieden wir uns kurz danach, denn wir möchten im Makemo-Atoll noch andere Ankerplätze kennenlernen. Da aber ab nächsten Donnerstag sehr kräftige Ostwinde angesagt sind, die wir in einem besser geschützten Atoll abwettern wollen, bleibt uns dafür nicht mehr allzu viel Zeit.

Wir legen auf einem IPad auf dem Navionics-Satellitenbild eine Route um die vielen Korallenköpfe herum fest und kontrollieren sie mehrfach. Im Makemo-Atoll gibt es neben den großen, besser sichtbaren Bommies eine Vielzahl sehr kleiner und unauffälliger Korallenköpfe, die wir nur bei starkem Hereinzoomen erkennen. Die (TZ-)Karte auf dem Furuno-Plotter ist völlig nutzlos. Auf den 17 Meilen durch das Labyrinth zum nächsten Ankerplatz laufen daher auf dem anderen iPad die Satellitenbild-Navigation über SeaIQ und auf dem iPhone wird die Position im Bing-Satellitenbild kontrolliert. Hört sich nach technischem Overkill an, gibt uns aber zusätzliche Sicherheit. Zumal, wenn Wiebke im Ausguck am Bug wegen eines Squalls zwischendurch einfach gar nichts mehr erkennen kann:

Alles geht gut, aber es sind dann doch ein paar durchaus nervenaufreibende Stunden.

Am Ankerplatz angekommen kommt dann auch wieder die Sonne durch.

Wir Schnorcheln noch ein bisschen und genießen dann einen herrlich stillen Abend.

😊

Unter der Golden Gate Bridge hindurch nach San Francisco …

… das ist schon ein Träumchen.

Um das zu verwirklichen, ist der nächste Schritt von Crescent City aus ein etwa zwei Tage (und zwei Nächte) dauernder Törn um Kap Mendocino herum zur Drakes Bay. Wir nehmen in Kauf, dass wir eventuell einen größeren Teil davon unter Motor zurücklegen müssen. Aber wir haben Glück mit dem für seine Starkwinde bekannten Kap Mendocino, doppeltes Glück sogar: zunächst einmal begleiten uns bei spiegelglattem Wasser Pazifische Weißstreifendelfine (mit Kussmund-Zeichnung) um das Kap …

… und dann setzt kurze Zeit später segelbarer Wind ein. Eine Zeitlang fahren wir den Gennaker, die “Joy” unserer Segelfreunde Arianne und Michiel lüftet sogar das Besanstagsegel ihrer Contest 38 und fährt damit gleich vier Segel gleichzeitig:

Der Wind wird uns für den Rest des Törns nicht mehr verlassen, sondern entgegen der ursprünglichen Vorhersage weiter zunehmen, die bunte Pracht weicht also schon bald gerefften weißen Tüchern.

In die Ankerbucht der Drakes Bay laufen wir nach dem rund 40 Stunden dauernden Törn fast zeitgleich ein. Ein paar Stunden später gesellt sich die “Fidelis” von Jeanette und Jeroen dazu. Witzig, alle drei Yachten haben zusammen in Campbell River überwintert.

Der Stop in Drakes Bay gibt uns Gelegenheit auszuschlafen und den nur knapp 30 sm langen verbleibenden Schlag nach San Francisco mit mitlaufender Tide zu gestalten. Jeder kalkuliert ein bisschen anders: als wir Anker auf gehen, ist die Joy schon 6 sm voraus. Die Fidelis wiederum lässt uns einen ähnlichen Vorsprung.

Wir können segeln, aber zunächst löst sich die tief hängende Wolkendecke nur sehr zögerlich auf.

Am Point Bonita Lighthouse vorbei, der erste Blick auf die Golden Gate Bridge. Die Spitzen der Pfeiler sind noch in den tiefhängenden Wolken (oder ist es Hochnebel) verborgen.

Aber dann reißt der Himmel immer mehr auf, Gänsehaut, wir passieren die Golden Gate Bridge:

Nach der ersten vorsichtigen Durchfahrt unter Motor drehen wir gleich wieder um, nehmen die Segel hoch. Bei dem Wetter, das können wir doch jetzt auch unter Segeln genießen. Wir kreuzen wieder zurück. Wiebke hat pünktlich für San Francisco ihren Sommer-Pullover fertig gestrickt (mit Blumenmuster, wenn wir schon keine Blumen im Haar tragen).

Passt doch!

Und jetzt kommt auch die Fidelis an, wie wir zunächst unter Motor. Sie machen Fotos von der ihnen entgegen segelnden Flora …

…, drehen dann um, nehmen die Tücher hoch und lassen sich von uns vor der Golden Gate Bridge fotografieren:

Nach der Fotosession geht’s gemeinsam zum Ankerplatz im Aquatic Parc, ganz nahe am historischen Zentrum von San Francisco gelegen und mit Blick auf die Gefängnisinsel Alcatraz. Eigentlich eine Badebucht mit Sandstrand und mehreren Schwimmclubs, aber nach Online-Reservierung unter http://www.recreation.gov können wir hier für fünf Nächte direkt in der Stadt ankern.

Danke, San Francisco, für den netten Empfang.

Um Cape Scott zur Westküste von Vancouver Island

Die Westküste von Vancouver hat den Ruf, besonders schön und wild zu sein. Die von uns bereits besegelten anderen Küstenstreifen von BC haben ja bereits mit diesen Reizen nicht gerade gegeizt. Wenn es also stimmt, dass insbesondere der Norden von Vancouver Islands Westküste dem noch ein i-Tüpfelchen aufsetzen kann, dann müssen wir da wohl hin.

Allerdings gilt hier – mehr noch als ohnehin sonst in BC – der Vorbehalt: wenn das Wetter es zulässt! Den der Weg führt um die Nordwestspitze von Vancouver Island, das berüchtigte Cape Scott.

Zunächst einmal gilt es, überhaupt in dessen Nähe zu kommen. Ruhiges Wetter ist angesagt, das ist gut. Wir tasten uns heran, indem wir vom Maze Inlet aus über das breite Rivers Inlet und Kelp Head herum erst einmal nach Millbrook Cove im Smith Sound segeln. Und trotz der Vorhersage können wir tatsächlich segeln – wenn auch zwischenzeitlich sehr gemächlich. Aber in dem sich nur langsam auflösenden Nebel ist das nicht das Schlechteste.

Beim nächsten Schlag gilt es dann, die Queen Charlotte Strait zu queren und unseren Absprungort auf Hope Island zu erreichen. Dort – in Bull Harbour – können wir das Timing für die Passage der Nahwitti Bar anpassen. Wieder können wir einen größeren Teil der Strecke segeln, weil erneut etwas mehr Wind ist als vorhergesagt.

Steintroll in der Einfahrt zum Naturhafen Bull Harbour
Strand mit reichlich Treibholz und von der Brandung rund geschliffenen Steinen. Das klackernde Geräusch der rollenden zumeist mindestens Hühnerei-großen Kiesel in den zurück weichenden Wellen bleibt uns im Ohr, es ist bis zum Ankerplatz zu hören.
Strand und Wellen von oben

Seekarten und Törnführer sparen nicht mit Warnhinweisen für diese flache Barre, über die das Wasser mit bis zu 5 kn strömt. Da man den nach Westen setzenden Ebbstrom in Richtung Cape Scott benötigt, allerdings praktisch immer von Westen her die Pazifikdünung anrollt, sollte die Nahwitti Bar bei Slack Tide / Stillschweigen überquert werden.

Für uns und unser Buddyboat SolarCoaster heißt das: früh um 5:30 Anker auf. Dankenswerterweise ist diesmal wirklich kein Wind. So kommen wir gut über die Barre und können im spiegelglatten Wasser trotz morgendlichem Dunst neben vielen Wasservögeln (darunter Nashornalke) und Seeottern auch zahlreiche Buckelwale beobachten.

Nashornalke / Rhinoceros Auklets
BuckelwalFluke
Buckelwale um SolarCoaster herum

Wenn der Fisch zu schwer ist … Haswell Bay, Kelp und Hot Spring Island.

Von Echo Harbour geht es in dem Namen nach heimatliche Gefilde. Wir fahren durch die Hoya Passage. In Hoya (an der Weser) ist Wiebke aufgewachsen, und 1998 hatte dort unser erstes Segelboot “Wat Nu” seinen Liegeplatz. Segeln auf der Mittelweser hieß gefühlt alle 30 Sekunden eine Wende.

In der Hoya Passage gibt es eine Bucht mit einem Schwimmsteg, an dem man allerdings nicht über Nacht festmachen darf. Seine Besonderheit: hier, mitten im unbewohnten Nirgendwo, liegen auf dem Steg zwei Wasserschläuche. Ohne Hahn, das aus dem hinter dem Steg einmündenden Bach abgezweigte Frischwasser läuft unentwegt und steht kostenlos zur Verfügung.

Wir bestaunen es nur, unser Wassermacher sollte ohnehin alle paar Tage laufen, an Frischwasser mangelt es uns nicht. Aber der Service ist trotzdem klasse.

Für die Nacht ankern wir ein Stückchen weiter in der Haswell Bay, wobei wir uns um die kleine Insel herum in die hinterste, gut geschützte Ecke schlängeln. Das ist insoweit spannend, als die schmale Zufahrt und auch der Ankerplatz bei Flut beruhigend groß wirken, lediglich einige Kelpbüschel verraten die Untiefen. Reichte das Hochwasser direkt bis an den Wald heran, sieht es bei Ebbe um Flora herum so aus:

Kelp nennt man Großalgen, die sich mit ihrem Haftorgan insbesondere auf felsigem Grund festkrallen, mit einem oft Ast-dicken biegsamen Stengel nach oben ragen und an der Oberfläche Blattstrukturen wie bei einer Baumkrone ausbilden. Es gibt diverse Arten mit völlig verschiedenen Blättern, von dünnen Fäden bis hin zu großflächigem “Zeitungspapier”. Nicht immer zeigt Kelp im Wasser felsige Flachstellen an, oft bilden sich gerade an Strömung- oder Tidenkanten auch größere Felder von losgerissenem, treibenden Kelp. Vorsicht ist aber trotzdem angebracht, gelegentlich verstecken sich in diesen Feldern auch Holzstücke bis hin zu ganzen Baumstämmen. Unsere Faustregel: treibt das Kelp längs in Wind- oder Strömungsrichtung, ist es festgewachsen (Achtung: Untiefe). Treibt es quer zur Wind- oder Strömungsrichtung, ist es vom Untergrund abgerissenes Kelp. Und auch beim Ankern macht man immer mal wieder Bekanntschaft mit diesen Pflanzen:

Mit dem Brotmesser säbeln wir den Anker frei. 😊

Aber auch andere haben schwer zu heben. Der tägliche Weißkopfseeadler zeigt uns heute einmal, dass er nicht nur majestätisch fliegen, sondern auch erstaunlich weit schwimmen kann – wenn auch deutlich weniger elegant. Wir sehen, wie er sich die Krallen voraus sich ins Wasser stürzt und offenbar Beute greift. Aber der Wasserstart funktioniert diesmal nicht. Er startet nicht wieder, sondern macht mit den Flügeln Schwimmbewegungen und zieht das tatsächlich bis ans über 100 m entfernte Ufer durch.

An Land geklettert, schlägt er das Wasser aus seinem Gefieder und widmet sich dann dem Fisch in seiner Kralle.

Und dann klappt’s auch mit dem Abheben.

Vermutlich bräuchte der Adler jetzt eigentlich eine Wellness-Kur, aber jedenfalls gönnen wir uns eine. Nur ein paar Meilen sind es von Haswell Bay hinüber nach Hotspring Island. Wie vorgeschrieben melden wir uns über Funk beim dortigen Haida-Watchman an und bekommen die Erlaubnis, an Land zu kommen. Wir ankern zwischen Hotspring Island und House Island. Die per Funk angebotene Boje liegt doch arg nah an Land und sieht auch nicht allzu Vertrauen erweckend aus. Mit Florecita setzen wir über und gehen dann auf einem mit weißen Muscheln markierten Pfad durch den Wald mit seinem wunderschönen alten Baumbestand.

Ziel sind die von heißen Quellen gespeisten Badebecken an der Südseite der Insel. Der Watchman erwartet uns, zeigt uns Dusch- sowie Umkleidehäuschen und erklärt die Regeln. Andere Gäste sind keine da, wir haben die Becken ganz für uns allein. 😃

Herrlich!

Um Cape Caution herum

Um zu den zentralen und nördlichen Küstenbereichen von British Columbia zu gelangen, muss Cape Caution passiert werden. Der Name (übersetzt Kap Vorsicht ⚠️) verrät schon, dass dieser Törn nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Die Inside-Passage, die sich ja eben durch den Schutz vorgelagerter Inseln auszeichnet, hat hier eine offene Flanke. Auf gut 30 sm Länge rollt die Dünung des Pazifiks ungebremst herein. Außerdem gibt es eine Vielzahl von Felsen, mal als Inseln, mal als knapp unter der Wasseroberfläche lauernde Untiefen. Dazu kommen die starken, durch die Felsen verwirbelten Gezeitenströme. Und gemeiner Weise ist genau diese Ecke auch noch eine ausgemachte Wetter-Küche und Wetter-Scheide.

Kapitän Vancouver hätte sein Schiff Discovery fast verloren, als es etwas südlich von hier im August 1792 auf einen Unterwasserfelsen lief, zudem lief innerhalb eines Tages mit der Chatham wenige Meilen entfernt auch das zweite Schiff der Expedition auf. Beide konnten mit Mühe wieder flott gemacht werden. Kein Wunder also, dass Vancouver dem Kap diesen Namen gab.

Gegen 3 bis 4 kn Tide anzufahren, macht wenig Freude. Andererseits kommt der vorherrschende Wind im Sommer hier aus Nordwest, genau der Richtung in die wir fahren müssen, um Cape Caution zu runden. Wenn wir aber die Tide mit uns haben, steht sie genau gegen den Nordwestwind. Das wäre Wind gegen (kräftigen) Strom, also ebenfalls zu vermeiden.

Und deshalb verlassen wir die wunderschönen Broughtons, als sich ein kurzes Wetterfenster von zwei Tagen Südwind ankündigt. Wir machen einen “Provision Run”, fahren dafür nach Port Hardy hinüber an die Nordspitze von Vancouver Island und laufen – um es wörtlich zunehmen – zweimal zum Supermarkt und schwer bepackt wieder zur Flora. Außerdem nutzen wir den Aufenthalt, um in der Laundry unsere Wäsche zu waschen. Und unsere Freunde Lynn und Wulf lassen es sich nicht nehmen, extra noch mal 5 Stunden Auto zu fahren um uns zu besuchen und eine kleine Tüte Elektroschalter vorbei zu bringen (die waren einen Tag nach unserer Abfahrt bei ihnen eingetrudelt).

Public Dock in Port Hardy, von dort machen wir den ersten Gang zum “Save on Foods”-Supermarkt.
Marina und Fischereihafen. Hier ist die Münzwäscherei, also starten wir von hier aus auch den zweiten Marsch zum Supermarkt. Der Rest des Ortes präsentiert sich nicht so richtig vorzeigenswert.

Verproviantiert wie für eine Ozeanüberquerung geht es dann los. Hört sich übertrieben an, stimmt aber. Denn nördlich von Port Hardy gibt es bis Prince Rupert an der Grenze zu Alaska kaum noch größere Ortschaften und damit Versorgungsmöglichkeiten. Kleinere Supermärkte schon mal (z.B. in Bella Bella), aber dorthin müssen die Lebensmittel natürlich auch (teuer) verschifft oder eingeflogen werden.

Noch am späten Nachmittag legen wir ab, um uns für den Schlag um Cape Caution eine etwas bessere Ausgangsposition zu verschaffen. Etwa 13 Meilen nördlich von Port Hardy schlüpfen wir durch die schmale Einfahrt zwischen Staples Island und Kent Island und ankern dort – mitten in der hier 12 sm breiten strömungsreichen Queen Charlotte Strait – wie auf einem klitzekleinen Waldsee.

Schon um 6 Uhr früh fädeln wir uns abermals durch das Nadelöhr der westlichen Zufahrt, lassen die Walker-Island-Gruppe im Morgenlicht hinter uns und nutzen die jetzt mitlaufende Tide für die Passage um Cape Caution. Raumer bis achterlicher Wind und eine nur mäßige Dünungswelle bescheren uns einen wunderschönen Segeltag.

Es läuft so gut, dass wir an unserem ursprünglichen Zielankerplatz in der Fury Cove (die uns im letzten Herbst so gut gefallen hatte) einfach vorbeisegeln und noch 10 sm weiter fahren. Den Green Island Ankerplatz müssen wir uns ausnahmsweise mit anderen Booten teilen, das gute Wetterfenster war wohl nicht nur uns aufgefallen.

☺️

P.S.: Unsere aktuelle Position und auch die gesamte bisherige Route könnt Ihr auf Noforeignland (weiterhin auf der Webseite oder neu auch in der APP) abrufen.

Re. Oder: Die verflixte Strömung

Der Chatham Channel kann bis zu 8 kn Strömung erreichen. Das hört sich toll an, nach dem Motto: da muss man ja nur auf den richtigen Zeitpunkt warten und dann wird man bei 5 kn Fahrt mit 13 kn seinem Ziel entgegen geschoben. Schön wärs.

Aber so einfach klappt das leider nicht. Technisch gesehen liegt das an einer physikalischen Kennzahl, der Reynolds-Zahl (Formelzeichen Re). Sie ist in der Strömungslehre von besonderer Bedeutung und ermöglicht zum Beispiel Modellversuche im Windkanal, Berechnungen zum Turbulenzverhalten von Flugzeugtragflächen oder von potentiellem Strömungsabrissen, sei es am Flügel von Windkraftanlagen oder am Steuerruder eines Bootes.

Oder eben Aussagen dazu, wann fließendes Wasser nicht mehr (laminar) dahinströmt, sondern chaotisch wird, Eddies und Wirbel, stehende Wellen und Strudel bildet. Das passiert selbst in einem glatten Rohr bei entsprechender Fließgeschwindigkeit, wird aber durch Verengungen, Felsen und Flachstellen deutlich begünstigt, der kritische Re-Zahlenwert wird dann schneller erreicht.

Und dann würde das Wasser unsere Flora eben nicht mehr durch den Chatham Channel schieben, sondern uns steuerlos herumwirbeln. Um das zu vermeiden, stellen wir den Wecker und fahren mit nur langsam schiebenden Strom durch die Enge. Bis zu drei Knoten erreicht die Strömung, das passt gut und wir kommen völlig problemlos durch. Selbst der Nebel hat ein Einsehen, habt sich ein wenig und erlaubt uns etwas Sicht, bevor er kurz nach der Passage wieder pottendick wird. Unter Radar tasten wir uns weiter bis zu unserem Tagesziel, Port Neville.

Wir machen am Schwimmsteg vor der alten Poststation fest. Die ist zwar heute ein Privathaus und nicht mehr ganzjährig bewohnt, der Steg ist aber immer noch kommunal und wird von den Behörden gut in Schuss gehalten. Wir dürfen kostenlos dort anlegen und auch das Gelände betreten. Am Strand finden wir frische Bärenspuren, es lässt sich aber keiner sehen.

Die nächste Tagesetappe führt uns die Johnstone Strait hinunter und wir können hier – bei reichlich Platz – mit den Verwirbelungen der schiebenden Tide weitere Erfahrungen sammeln. An Helmcken Island führt nördlich die “Currant Passage” südlich die “Race Passage” vorbei. Als Verkehrstrennungsgebiet ausgeführt, ist es für uns die Race Passage. Obwohl dem Fahrwasser folgend, müssen wir bei 4 Knoten Schiebeströmung teilweise bis zu 45 Grad vorhalten (also den Bug in die “falsche” Richtung steuern) und werden immer mal wieder 20 Grad nach rechts oder links gedrückt. Beeindruckend.

Tagesziel ist der Ankerplatz hinter Turn Island.

Der nämlich liegt nur 13 Seemeilen vor den Seymour Narrows. Und für genau die war das Ganze der Aufgalopp zum Üben. Bis zu 15 Knoten können die Strömungen hier erreichen, es ist DIE berühmt berüchtigte Passage in British Columbia. Selbst Wikipedia fabuliert von einer astronomischen Reynolds-Zahl für diese zentrale Enge. Die offiziellen kanadischen Sailing Directions empfehlen allen kleinen Booten (unter 20 m !!!) nachdrücklich, sie nur um Stillwasser herum zu befahren.

Stillwasser ist in den Seymour Narrows maximal 15 Minuten, oft weniger. Das reicht nicht für die Strecke, also soll die erste leicht mitlaufende Tide helfen.

Und das wollen wir morgen versuchen. Uns also bei Gegenstrom etwa drei Stunden lang heranarbeiten, um dann zum genau richtigen Zeitpunkt (morgen um 11.00 Uhr Ortszeit herum) hindurch zu fahren. Drückt uns die Daumen, dass wir richtig gerechnet haben. Wenn nicht, sollten wir es auf den 13 Meilen schon merken und können dann (Plan B) umdrehen oder (Plan C) in die Brown Marina direkt vor den Narrows einlaufen.

Wrangell Narrows: Stömungsrechnungen

Ein bisschen Bammel haben wir schon. Der Tidenhub in Petersburg beträgt etwa 5 Meter und wir wollen von hier aus nach Süden durch die etwa 21 sm langen Wrangell Narrows fahren. Die natürliche Verbindung zwischen dem Frederick Sound im Norden und der Sumner Strait im Süden ist schon recht schmal, aber an vielen Stellen dazu auch noch flach oder in einigen Buchten und generell entlang der Ufer sogar trocken fallend. Trotzdem ist sie eine der Hauptverbindungsstrecken für den Schiffsverkehr der Inside Passage in Alaska, deshalb ist an besonders flachen Stellen eine 100 m breite Rinne ausgebaggert. Allerdings sind 100 m nicht viel, wenn einem dort Schubverbände oder Kreuzfahrer begegnen. Klar, dass in solchen Engstellen außerdem besonders viel Strömung setzen kann, an unserem geplanten Abfahrtstag sind bis zu 4,9 kn prognostiziert.

Jetzt gilt es also die Abfahrt so zu timen, dass die Strömung mit setzt und nicht gegen uns steht. 6 Stunden mit setzende Tide, das sollte für 21 sm ja wohl locker reichen, oder?

Ganz so einfach ist es leider dann doch nicht. Die Wrangell Narrows liegen eben zwischen zwei größeren Meeresarmen, die sich beide breit und kräftig bis zum offenen Pazifik hinziehen. Das führt dazu, dass die Flut von beiden Seiten der Narrows her aufläuft und die Ebbe eben sowohl zum Frederick Sound als auch zur Sumner Strait hin abläuft.

Es gibt noch zwei weitere Verbindungen zwischen den beiden großen und weit in die Inselwelten Südost-Alaskas hineinragenden Meeresarmen: die superflache und deshalb kaum befahrbare Dry Strait etwas weiter östlich und den westlicher gelegeneren, etwas längeren und deutlich kniffligeren Rocky Pass. Beide machen ihren Namen Ehre. Also dann doch die Wrangell Narrows.

Wenn wir eine gute Stunde bis eineinhalb Stunden vor Hochwasser losfahren, sollte uns die auflaufende Flut also hoffentlich die zehn Seemeilen bis zur Mitte der Wrangell Narrows schieben, die Tide dann kippen und die Ebbe uns auf der anderen Hälfte hinaus in die Sumner Strait beschleunigen. Im letzten Zwölftel der Flut bzw. ersten Zwölftel der Ebbe wird die Tide zwar nicht so stark sein, aber klappen müsste es schon. 🤞

Wir fahren los und wir haben Glück. Ein aufkommender Schubverband einer mit Containern beladener Barge fährt nicht durch, sondern bremst kurz bevor er uns erreicht in der Scow Bay ab um seine Fracht zu entladen. Und erst nach unserer Passage kündigt sich das erste Kreuzfahrtschiff über Funk an. Die Tide schiebt allerdings extrem unterschiedlich, mal fast gar nicht, mal mit 3 kn. Mit der Ebbe verhält es sich „bergab“ genauso, aber wir kommen eben gut durch. Für die eigentlich wunderschöne Landschaft heben wir dabei jedoch kaum ein Auge, die über 50 Seezeichen der gut betonten Passage fordern unsere Aufmerksamkeit.

Kein U-boot, sondern eine der gemauerten Fahrwassertonnen. Wegen der Tide schiebt sie eine Bugwelle.

Am Ende ist es dann zum Glück halb so wild wie erwartet. 😊

Bis nach Wrangell fahren wir allerdings nicht gleich durch, dafür lag das Nachmittagshochwasser dann doch schon zu spät. Statt dessen ankern wir auf der anderen Seite der Sumner Strait im Saint John Harbour, einer durch mehrere westlich gelegene Inseln gut geschützten Bucht auf Zarembo Island.

Die ausgedehnten Mudflats am Ankerplatz sollen einen artesischen Brunnen beherbergen, aber den finden wir bei unserem Landspaziergang am nächsten Morgen leider nicht. Nachdem es die ganze Nacht hindurch kräftig geregnet hat freuen wir uns umso mehr über den sonnigen Tag und die interessanten Muster, die die Moorbäche aus den Mudflats rund um die Flora herum im Meerwasser bilden (wir ankern übrigens jetzt bei Ebbe noch auf 11 m Tiefe):

Und die Sonne bleibt uns noch den ganzen Tag auf der (ganz langsamen, trotzdem diesmal nicht von Angelerfolg gekrönten) Weiterfahrt nach Wrangell treu. Sonnenbrillenwetter.

😎

Las Perlas, die Perleninseln

Für den Absprung zu den Galapagos bieten sich die Perlas an, denn auf der Pazifikseite bildet die Küste von Panama vor Panama Stadt eine große (etwa 100 sm) fast halbkreisförmigere Bucht, in deren Mitte eben die Perleninseln liegen.

Ihren Namen bekamen sie von den spanischen Eroberern, denn die Ureinwohner der Inseln trieben Handel mit ertauchten Muschelperlen. Nicht mehr sehr lange allerdings, denn bereits 1515, nur zwei Jahre nach ihrer Entdeckung, raubten die Spanier die Inselgruppe aus und ermordeten oder verschleppten die Bevölkerung. Erst drei Jahre später kam ein Teil zurück auf die Inseln um – nunmehr versklavt- wieder nach Perlen zu tauchen.

Der heutige Reichtum der Inseln liegt eher in den unzähligen Sandstränden. Etwa 200 Inseln weist die Inselgruppe auf (je nachdem, wie viele der vorgelagerten Felsen als eigene Insel gezählt werden lesen wir von 183 bis 238). Die allermeisten sind noch immer unbewohnt, aber in den letzten Jahrzehnten hat den Archipel mehr und mehr erschlossen. Obwohl im Bauhaus noch nicht vermerkt, gibt es inzwischen sogar eine Marina (auf der Isla Pedro Gonzales), mindestens zwei weitere sind in Planung, beide in Verbindung mit Luxusressorts.

Die meisten Sandstrände verändern ihr Erscheinungsbild mehrfach täglich, verschwinden fast ganz, tauchen wieder auf. So auch auf Contadora, unserem ersten Ankerstop in den Perlas. Der Tidenhub von rund vier Metern lässt uns vor einem wunderbar breiten Strand ankern, von dem einige Stunden später fast nichts mehr zu sehen ist.

Contadora ist ist eine der besterschlossenen Inseln der Gruppe, weist einen Flugplatz und Fährverbindungen auf. Wir sehen nur gepflegte Villen und Ressorts, der Luxus ist greifbar, wohl auch durch die relative Nähe zu Panama Stadt. Interessant ist, dass hier wie auch auf einigen anderen Inseln derzeit viele Bäume kahl wirken. Am Winter kann es so nah am Äquator kaum liegen, eher schon an der sich jetzt langsam dem Ende nähernden Trockenzeit (Mitte Dezember bis Mitte April).

Unser nächster Ankerplatz zwischen der Isla Chapera und der Isla Mogo Mogo wirkt ganz anders. Zwar haben wir auch hier (bei Ebbe) breite Sandstrände, zwischen denen felsige Abschnitte für Unterteilungen sorgen, aber außer einem Gebäude der Aeronaval in der nächsten Bucht ist vom Boot aus und selbst mit der Drohne keine weitere Bebauung sichtbar.

In den Perlas haben wir uns mit der Crew der Ultimate verabredet. Susan und Holger hatten wir in den San Blas kennengelernt. Sie wollen mit ihrer Hallberg-Rassy 45 ebenfalls nach Galapagos, da bietet sich das Buddyboating natürlich an.

Passt perfekt, dass wir auf der Fahrt zu unserem nächsten (und letzten) Ankerplatz in den Perlas einen schönen Bigeye Jack (Großaugen-Stachelmakrele) fangen, die reicht heute Abend für uns vier.

Auch wenn der Himmel an unserem letzten Tag in Panama ein bisschen dunstig ist, die Ankerbucht im Osten von Pedro Gonzales macht uns den Aufbruch nicht eben leicht.

Ebbe
Flut

In den Las Perlas und überhaupt an der Pazifikküste Panamas könnten wir noch so vieles entdecken. Andererseits freuen wir uns auf die Galapagosinseln und auch auf die Passage dahin. Etwa eine Woche sollte die Fahrt dauern, zumindest für die erste Hälfte verspricht der Wetterbericht sogar segelbaren Wind. Das ist keine Selbstverständlichkeit für diese Strecke, also gilt es, dieses Wetterfenster zu nutzen.

Ab morgen werden wir dann also erst einmal nur über Iridium-Satellit erreichbar sein, drückt uns die Daumen für eine gute Passage.