Santa Ana Winds zum Jahrestag der Revolution

Der 20. November ist in Mexiko Feiertag: “Aniversario de la Revolución Mexicana”. Erinnerung an den 20.11.1910, an dem der Bürgerkrieg mit dem Aufstand gegen den Diktator Porfirio Díaz begann und sich auch nach dessen erzwungenem Exil mit politischen Wirren bis in die 1930er Jahre fortsetzte.

Das der Tag nationale Bedeutung hat ist leicht zu erkennen: erstmals seit wir in Ensenada sind weht am überdimensionalen Mast auf dem Malecon (der Uferpromenade) die mexikanische Nationalflagge. Überdimensional? Der Flaggenmast ist riesig, tatsächlich 100 Meter hoch, die Nationale soll 50 m x 28 m messen.

Da wirkt dann selbst das große Kreuzfahrtschiff am Kai nicht mehr ganz so gigantisch, Häuser und Yachten dagegen sehen wie Spielzeuge aus.

Hm. Lässt vielleicht Rückschlüsse auf den mexikanischen Nationalstolz zu. Jedenfalls wird ordentlich gefeiert. Schon am Morgen dröhnen Polizeisirenen, die Hauptstraße wird komplett gesperrt für die Festtagsumzüge.

Folklore- und Trachtengruppen, natürlich Musikkapellen, aber auch Seenotrettungskreuzer auf dem Trailer, Sportgruppen, alt und jung, alles ist dabei.

Teilnehmer und Besucher kommen dabei gut ins Schwitzen. Hatten wir in den letzten Tagen eigentlich immer so um die 20 Grad Celsius, ist es heute doch deutlich wärmer. die Luft ist dabei sehr trocken, denn wieder einmal sind die Santa Ana Winds verantwortlich, die von der Mojave Wüste her über das Land und aufs Meer hinaus wehen. Um diese Jahreszeit ein doch ziemlich regelmäßiges Wetterphänomen.

Bei uns an Bord sieht’s dann so aus:

Temperatur oberhalb, Luftfeuchtigkeit unterhalb der ausgewiesenen Komfortzone. Aber nichts zum Meckern, bei blauem Himmel und Sonnenschein ist das doch feinstes Novemberwetter. Die Shades am Bimini werden aufgehängt und wir schaffen sogar ein bisschen Bootsarbeit. Ein Schutzbezug für den Spinnakerbaum wird genäht (Wiebke) und der Warmwasserboiler wieder funktionsfähig gemacht (Ralf).

😉

Alles gut in Newport Beach

Die (extrem) widersprüchlichen Vorhersagen gehen etwas an die Nerven, aber die Santa Ana Winds sind zum Glück diesmal gnädig. Der kräftige Wind kommt in zwei Wellen, einmal am Sonntag Vormittag und dann noch einmal in der Nacht auf Montag. Aber er ist eben nur stark, nicht stürmisch. In der Spitze messen wir nur 33 Knoten, das obere Limit von Windstärke 7. Kein Problem an unserem Ankerplatz. Inzwischen ist auch das Bimini wieder aufgebaut, der Sonnenschutz macht es im Cockpit deutlich angenehmer.

Um Flora herum, quer durch den Ankerplatz und auch mitten durch die Bojenfelder, findet eine große Jollen-Regatta statt.

Spannend anzuschauen, ein ums andere Mal scheinen die Jollensegel Floras Bordwand putzen zu wollen, aber die Jugendlichen sind offenbar keine Anfänger. Die CFJ-Zweipersonen-Jollen wuseln einige Male dicht um uns herum, aber sie berühren uns trotz des Regattafiebers ihrer Besatzungen nicht.

Wir backen Brot und Kuchen (Apfel-Zimt-Kranz und Butterkuchen), treffen uns mit Rachel und Volker von unserem Nachbar-Ankerlieger, dem Trimaran “Tomorrow”. Volker hat das Boot für wissenschaftliche Walbeobachtungen extra auf Elektroantrieb umgerüstet.

Wir machen uns noch mal auf in den Ort, bummeln am breiten Strand herum, geraten in eine Oldtimer-Show, schauen von der Seebrücke aus den Surfern zu.

Und wir finden einen tollen Second-Hand-Bootsausrüster. Minney’s hat eine Riesenauswahl an Gebrauchtsegeln, Pumpen, Riggbeschlägen, Seekarten und Büchern, Dinghys, Motorteilen und und und.

Ein “Candy store for boaters”.

Wir finden einen Aluminium-Fortress FX55 Anker, der uns als Ersatz- und ggfs. als zusätzlicher Sturmanker dienen soll. Weil diese Anker demontierbar sind, lassen sie sich besonders gut stauen und relativ zu ihrem Gewicht bieten sie eine sehr hohe Haltekraft. Damit hatte ich schon länger geliebäugelt, jetzt passt auch der Preis.

Fein.

Extremwetter-Warnung: Santa Ana Winds?

Kaum am Festland angekommen, ploppt auf dem Handy eine Extremwetter-Warnung auf. Starkwind bis 40 mph für Samstag Abend in Newport Beach.

Als die Harbor Patrol vorbeikommt, um uns eine Färbetablette ins WC zu werfen, sprechen wir sie darauf an. Ja, “Santa Ana Winds” sind angekündigt. Wenn wir deshalb länger als die eigentlich zulässigen fünf Tage bleiben müssen, sei das kein Problem.

Auch auf den Channel Islands waren wir schon vor dieser Wetterlage gewarnt worden: “Wenn die Berge am Festland glasklar erkennbar werden, solltet ihr schnell auf die Südseite der Inseln oder besser gleich ans Festland wechseln.“

Immerhin: noch liegen die Berge ziemlich im Dunst. Und tatsächlich, die Vorhersage auf Windy verschiebt die Ankunft der starken Winde ein paar Mal, nach jetzigem Stand beim Vorhersagemodell ECMWF sollen sie erst am Sonntag Vormittag unseren Ankerplatz in Newport Beach erreichen.

Aber was sind eigentlich die Santa Ana Winds?

Ganz ähnlich wie der Mistral im Löwengolf oder die Bora an der Adria sind die Santa Ana Winds starke bis stürmische Fallwinde. Wie bei ihren Kollegen ist dafür eine Großwetterlage erforderlich, bei der einem Hochdruckgebiet im Gebirge ein Tiefdruckgebiet über dem Meer gegenüber steht. Für die Santa Anna Winds bedarf es hohen Luftdrucks im Great Basin nördlich der Mojave Wüste, zusätzlich dazu eines (relativ) niederigeren Luftdrucks (10 Millibar Differenz reichen) in der Bucht vor Los Angeles. Gerade im Herbst blasen dann die Fallwinde aus dem Great Basin über die Majavewüste. Sie werden dabei heiß und trocken, daher auch die mit ihnen oft verbundene gute Fernsicht. Die relative Luftfeuchtigkeit fällt manchmal unter 10 % (sic!). Das bedeutet auch eine extreme Waldbrandgefahr. Auf dem Weg zur Küste beschleunigen die Winde durch einige der großen Gebirgstäler (etwa das namensgebenden Santa Ana Valley). Im Dezember 2011 erreichten die Santa Ana Winde nicht nur Orkanstärke, sondern brachten Böen bis zu 269 km/h.

So schlimm ist es jetzt bei weitem nicht angekündigt, aber bis zu 54 Knoten (Windstärke 10) könnten durch die Täler blasen. Für unseren geschützten Ankerplatz sagen die verschiedenen Vorhersagemodelle total unterschiedliche Windstärken voraus. Das lässt zwar viel Platz für Hoffnung, ist aber eigentlich kein gutes Zeichen. Gegenüber den 36 kn des europäischen Modells ECMWF prognostiziert das amerikanische GFS nur 22 kn, ICON sogar nur 18 kn. Allerdings fällt umgekehrt die Vorhersage bei den beiden amerikanischen Regionalmodellen um so heftiger aus. Im Modell HRRR sind es 46 kn, das wird aber vom Modell NAM mit 49 kn sogar noch übertroffen. Immerhin sind sich alle Modelle einig, dass der Wind nur eine kurze Phase von wenigen Stunden so stark sein soll. Zudem auch nur am Vormittag, obwohl länger anhaltende Santa Ana Winde zumeist nachts am stärksten sind.

Unser Ankerplatz ist rundum von Land umgeben und somit vergleichsweise gut vor sich durch den Wind aufbauenden Wellen geschützt. Außerdem scheint der sandige Ankergrund gut zu halten.

Wir bauen das Bimini ab, sichern die Rollreffleine der Fock zusätzlich zur Klemme noch auf der Achterklampe und binden noch einen Zeising um die Fock. Alles was wegfliegen könnte und unnötige Windangriffsfläche bietet (wie etwa der Rettungskragen) kommt ins Schiff. Der Anker wird nochmal gecheckt, der Ankeralarm gesetzt. Den Windgenerator schalten wir an, das sollte uns wecken, wenn der Wind (entgegen der Vorhersagen) vorzeitig mitten in der Nacht stark auffrischen sollte.

Und jetzt warten wir ab, was da morgen früh auf uns und die Flora zukommt. Drückt uns die Daumen.