Angekommen in Kanada.

Fühlt sich schon seltsam an, VON NORDEN HER nach Kanada eingereist zu sein. 😊

Andererseits: schon bei der Anfahrt nach Prince Rupert kommen auch Heimaterinnerungen auf. Die wie Legosteine doppelstöckig auf Eisenbahnwaggons aufgereihten Container säumen das Ufer an Steuerbord, darunter einige von Hamburg-Süd und Hapag-Lloyd. Und auch die großen, weithin sichtbaren Containerbrücken erinnern ein kleines bisschen an unsere Heimatstadt an der Elbe.

Und vielleicht hätte sich Prince Rupert tatsächlich zu einem ähnlich großen Handelsplatz entwickelt. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts standen die Zeichen jedenfalls gut dafür. Der Hafen von Prince Rupert ist tief, im Fahrwasser durchgängig fast 40 m! Das ist nicht nur wesentlich tiefer als die Elbe in Hamburg selbst nach der Elbvertiefung sondern auch ziemlich konkurrenzlos an der Westküste Amerikas. Zum Vergleich: Los Angeles bietet gut 16 m, Seattle nur knapp 11m. Zudem ist die Strecke von und nach China wesentlich kürzer. Das brachte Charles Hays, den Vorstandsvorsitzenden der “Grand Trunk Pacific Railway” auf die Idee, neben der bestehenden Eisenbahnlinie nach Vancouver eine transkontinentalen Strecke nach Prince Rupert zu bauen (das 1907 extra dafür gegründet wurde) und den Ort zum “Metropolis des Nordens” und dominanten nordpazifischen Warenumschlagplatz auszubauen. Hays trieb das Projekt vehement voran. Aber: er starb beim Untergang der Titanic 1912 auf der Rückreise von einem Fundraising-Trip für diese von ihm als “Neue Seidenstraße” vorgestellte Infrastruktur. Mit dem Tod Hays fehlte der visionäre Antreiber, dazu kam der erste Weltkrieg, das Projekt wurde nicht mehr mit voller Kraft vorangetrieben und endete 1916 in einer Pleite.

Heute hat Prince Rupert 12.000 Einwohner, ist per Eisenbahn und Straße angebunden und hat einen Flughafen. Der Tiefwasserhafen ist nicht unbedeutend, bietet Containerbrücken und große Verladestellen für Getreide und Kohle, ist aber weit von der Vision des Charles Hays entfernt.

Das Einklarieren ist entgegen der Bedenken und Vorkehrungen (z.B. keine Eier etc. einführen) völlig unkompliziert. In der ArriveCan-App kann 72 Stunden vor der Einreise der Ort und ungefähre Zeitpunkt der Ankunft eingetragen werden, Pass- und Impfdaten können schon vorher hochgeladen und gespeichert werden. Haben wir gemacht. Nach dem Festmachen am Steg in Prince Rupert dann ein Anruf bei “Customs”, ein paar Fragen beantworten. Dann gibt der Officer uns eine Nummer durch, die wir aufschreiben und hinter die Cockpitscheibe legen sollen. “Falls Sie kontrolliert werden, das ist Ihre Report-Nummer. Damit weisen Sie nach, dass Sie korrekt eingereist sind.” Das war’s. O.k, dann kriegen wir wohl keinen Stempel im Pass.

Der Hafen ist rappelvoll, wir quetschen uns längsseits in eine Lücke, in die wir nach Abmontieren des Bugspriets gerade so eben hineinpassen, wenn wir mit dem Bug nah am Schwimmsteg festmachen und mit dem Heck etwas weiter weg und damit leicht schräg vor dem Päckchen hinter uns liegen. Na ja, immerhin klappt das Manöver auf Anhieb. Freizeitboote sind übrigens klar in der Minderzahl gegenüber den Fischern.

Über sechseinhalb Meter beträgt der Tidenhub, da wird der Aufgang vom Schwimmsteg schon ziemlich steil.

Der vordere (leere) Teil des Hafens darf nur zum Be- und Entladen angefahren werden

Da müssen wir aber hoch, schließlich wollen wir die Stadt nochmal nutzen.

Wir gehen ins Kino (Top Gun), kaufen eine kanadische SIM-Karte fürs Handy, außerdem die in Kanada für das Lachsangeln vorgeschrieben Angelhaken ohne Widerhaken. Machen einen tollen Spaziergang auf einer stillgelegten alten Bahnstrecke am Wasser entlang nördlich des Hafens aber mit zum Teil spektakulären neuen Brücken. Besuchen die örtliche Mikro-Brauerei.

Außerdem müssen wir Lebensmittel bunkern, die nächsten Wochen wird es dazu wohl nicht allzu viel Gelegenheit geben. Der nördliche Teil der Küstenregion von British Columbia weist noch weniger Ortschaften auf als das südliche Alaska, es warten einsame Ankerbuchten.

Und dahin segeln wir jetzt. Heute sogar mal unter Gennaker.

😎