Bootsarbeit mit der Golden Gate Bridge im Blick

Die Golden Gate Bridge ist wahrscheinlich neben der Freiheitsstatue das bekannteste Wahrzeichen der USA. Haben wir doch schon reichlich fotografiert? Stimmt, aber sie fasziniert uns immer wieder. Außerdem sind es Abschiedsbilder, den morgen werden wir – wenn das Wetter mitspielt – aus der San Francisco Bay nach ziemlich genau einem Monat (echt, schon ein ganzer Monat !?!) wieder heraus segeln und uns weiter Richtung Süden aufmachen.

Aber heute ankern wir noch einmal ganz nah an der berühmten Brücke, dieses Mal in der Horseshoe Cove am Nordufer.

Ein bisschen Bootsarbeit steht an. Unsere Ankerwinsch hat uns vor einiger Zeit mit losen Teilen (eine Sperrklinke und eine Feder) auf dem Vorschiff überrascht. Auf Langfahrt ist die Ankerwinsch immens wichtig, zum Glück war aber nur eine Schraube abgebrochen, welche die Sperrklinke für manuelles Aufholen der Ankerkette (bei Ausfall des Elektromotors) hält. Die Winsch funktionierte also weiterhin, wir konnten erstmal aufatmen. Aber nachdem die Ersatzteile eingetroffen sind, veranstalten wir ein bisschen Chaos auf dem Vorschiff:

Die Ankerwinsch wird zerlegt und der abgebrochene Rest der Schraube mit etwas Überredungskunst aus dem Gewinde geholt. Bei der Gelegenheit tauschen wir auch gleich die Kettennuss der Ankerwinsch:

Die alte hat noch funktioniert, aber die vielen Ankermanöver unserer Langfahrt haben deutliche Spuren hinterlassen, die Mitnehmer für die Kette sind schon ziemlich angesägt. So sieht’s dann doch wieder besser aus.

😁

Und Abendstimmung:

San Francisco VIII: von Santa Cruz zu den (an)gemalten Damen

Nach dem Rückweg aus der schönen Sackgasse folgen wir weiter dem Highway 1, passieren Monterey diesmal und fahren um die große Monterey Bay herum bis nach Santa Cruz.

Santa Cruz entwickelte sich früh zu einem Surf Hotspot auf dem amerikanischen Festland, seit 1895 wird hier dem Wellenreiten gefrönt. Diverse internationale Surfwettbewerbe finden an Santa Cruz’ West Cliff Drive statt. Der Ort schmückt sich mit dem inoffiziellen Titel “Surf City USA”, wobei das auf Hawai’i sicher anders gesehen wird.

Eine weitere Attraktion ist der Beach Boardwalk. Direkt zwischen Stadt und Strand gelegen ist er der älteste kalifornische Vergnügungspark und bietet auch heute noch überwiegend historische Jahrmarktgeschäfte wie das Kettenkarussell, die Holzachterbahn “Big Dipper” von 1924 oder die Gondelfahrt über der Strandpromenade mit Blick auf die Ankerlieger.

Die Stadt selbst gefällt mit vielen viktorianischen Holzhäusern wie auch unser Bed & Breakfast eines ist:

Auf der Weiterfahrt sehen wir entlang der Straße noch einigen Obst- und vor allem Gemüseanbau. Nicht mehr so extrem flächengreifend wie entlang des Salinas River sondern eher in der Hand von familiengeführten Farmen. So kurz vor San Francisco können wir nicht widerstehen und decken uns in einem der Hofläden mit Frischwaren für die Flora ein. Erdbeeren, Feigen, Tomaten, Möhren, Nektarinen, Avocados, Zwiebeln, Zucchini und einiges mehr. Erstmals kaufen wir auch einen ganzen Stängel Rosenkohl.

Am Abend fahren wir von San Francisco aus (noch haben wir ja das Auto) nach Sausalito und greifen auf das Angebot von Kristen und Raffi zurück, bei ihnen Waschmaschine und Trockner zu nutzen.

Am nächsten Morgen geben wir den Mietwagen ab, machen ein bisschen Bootsarbeit und dann geht’s mit der U-Bahn in den Stadtteil Haight Ashbury. Hier war das Epizentrum der Hippy-Flower-Power-Bewegung. Hier prägten Janis Joplin, The Grateful Dead und Jefferson Airplane in den 1960ern die Musikszene.

Und hier finden sich auch die “Painted Ladies”. Ein wenig sind auch sie ein Ergebnis der 60er, auch wenn sie viel älter sind. Viktorianische Bauten (streng genommen also aus der Zeit von Queen Victoria bis 1901, aber die Edwardianischen bis 1915 werden meist einfach dazu gezählt) sind häufig in San Francisco. Auch, weil nach dem verheerenden Erdbeben und Brand von 1906 vieles in diesem Stil wieder aufgebaut wurde. Aber in Haight Asbury blieben tatsächlich auch viele viktorianische Gebäude von der Katastrophe verschont.

Ursprünglich waren die reich verzierten Gebäude in leuchtenden Farben bemalt. Eine Zeitung kritisierte 1885: “… red, yellow, chocolate, orange, everything that is loud is in fashion … if the upper stories are not of red or blue … they are painted up into uncouth panels of yellow and brown …”. Aber bis zu den 1960er Jahren hatte sich das offenbar geändert. Grau war der vorherrschende Anstrich. Manch ein Hausbesitzer ging auch dazu über, die Verzierungen zu entfernen oder jedenfalls nicht mehr zu reparieren. Das monochrome Grau passt nicht zu unserem Bild von der Hippy-Bewegung, oder? Und tatsächlich, schon 1963 begann der Künstler Butch Kardum, sein viktorianisches Haus in intensivem Blau und Grün neu zu bemalen. Er erntete zunächst heftige Kritik, dann aber begann man ihn nach und nach in der Nachbarschaft zu kopieren. Und so wurde es wieder bunt in Haight Ashbury, in San Francisco und in vielen anderen Gebieten mit viktorianischer Bebauung.

1978 fand erstmals der Begriff “Painted Ladies” für mehrfarbig bemalte viktorianische Häuser in San Francisco Verwendung. Seitdem hat sich der Ausdruck, jedenfalls in der amerikanischen Architektur, für diese Häuser auch außerhalb von San Francisco durchgesetzt.

Die vielleicht bekanntesten sind die “Seven Sisters” in der Steiner Street am Alamo Square, die auch “Postcard Row” genannt werden und in diversen Filmen, Fernseh- und Netflix-Serien vorkommen:

Klar, mit der Skyline von San Francisco im Hintergrund wirken sie um so mehr. Aber hey, es gibt so unglaublich viele “Painted Ladies” hier in Haight Ashbury:

Nur eine kleine Auswahl. Und nur aus Haight Ashbury. San Francisco ist wirklich eine wunderschöne Stadt.

❤️

San Francisco IV: Treasure Island, Alameda und Angel Island

Der Ankerplatz bei Treasure Island hat es in sich. Die Zufahrt ist etwas knifflig, da eine flache Barre die nach Osten scheinbar so offene Bucht fast unzugänglich macht. Nur bei Hochwasser und nur ziemlich dicht an der Mole ganz im Nordosten der Bucht sollen wir uns mit unseren 2 m Tiefgang hinein tasten. Machen wir, und es klappt auch. Dafür liegen wir dann auch schön geschützt zwischen Yerba Buena und Treasure Island. Letztere ist eigentlich gar keine eigene Insel, sondern ein künstlich aufgeschütteter Inselteil, ein Damm verbindet sie mit Yerba Buena.

Der Legende nach geschaffen für die Weltausstellung 1939, auf der hier auch die gerade eröffnete Golden Gate Bridge gefeiert werden sollte. Nur – es war eigentlich keine echte Weltausstellung (die fand zeitgleich in New York statt), eher eine pazifisch-regional abgespeckte Variante unter dem offiziellen Namen “Golden Gate International Exposition“. Trotz allem, die (fast-)Insel Treasure Island wurde eigens dafür geschaffen. Ebenso wurden drei monumentale Gebäude, die als Nachnutzung einem Flughafen als Haupthalle bzw. als Hangar dienen sollten. Das hat nicht so recht geklappt, nur kurz nutzte Pan Am Treasure Island und das auch nur für die Flugboote, die in der Clipper Cove – unserem Ankerplatz – starteten und landeten. Danach nutzte die US Navy die Insel lange Jahre.

Das alles erfahren wir im “Gebäude #1”, dem halbrunden Kollossalbau, der heute auch ein kleines Museum beinhaltet.

Heute ist Treasure Island eher ein Schatz für Grundstücksspekulanten. Die Soldaten sind schon vor Jahrzehnten abgezogen, Sozialwohnungen hielten Einzug. Nachdem inzwischen allerdings die festgestellten Kontaminationen weitgehend beseitigt wurden, wird die zentrumsnahe Lage von Treasure Island wirklich zum Schätzchen: inzwischen ist ein Bauboom für exquisite Wohnungen ausgebrochen. Und die Benennung der neuen Straßen trägt sowohl den Träumen als auch der maritimen Lage Rechnung.

Und ein wahrer Schatz, wo wir ihn am wenigsten erwarten: irgendwo hinter dem Container-Wohnpark findet sich in einem Wohngebiet ein Restaurant, aber was für eines. Mit phantasievollen, frisch zubereiteten, modern internationalen Gerichten und wunderbarer Atmosphäre.

Superlecker. Wir lassen den Abend an Bord ausklingen, mit Blick auf die illuminierte Brücke, die von Yerba Buena nach Oakland hinüber führt.

Dahin fahren wir dann auch am nächsten Morgen. Die Containerterminals von Oakland bleiben an Backbord, einmal mehr werden wir an das heimatliche Hamburg erinnert.

Aber der Blick zurück zeigt dann doch eine ganz andere Skyline 😉.

Und während auf der Weiterfahrt zum Inner Harbour auch Oakland mit höherer Bebauung daher kommt, …

… zeigt uns das gegenüber liegende Alameda erst einmal bunte Hausboote und später eine schöne niedrig bebaute Innenstadt mit vielen viktorianischen Gebäuden.

Davon gibt’s leider ebenso wie von Raffi’s Besuch keine Bilder. Raffi’s Wind River ist ein Schwesterschiff der Flora, ebenfalls eine Hallberg-Rassy 43. Wir tauschen uns intensiv über die Boote aus und fahren gemeinsam zum “Candy Shop” – dem großen und gut ausgestatteten Schiffsausrüster “Svendsen” im Industriegebiet von Alameda. Einige Einkäufe erledigen wir dort. Da wir aber die speziellen Pumpen nicht bekommen, die wir gerne als Ersatzteile an Bord hätten, werden wir sie an Raffi’s Adresse liefern lassen. Wir werden ihn also sicher auch noch in Sausalito wieder treffen. Und hoffentlich auch auf dem Weg hinunter nach Mexiko, denn er möchte die Wind River ebenfalls in diesem Winter dorthin segeln.

Und am darauf folgenden Tag gibt’s gleich die nächsten HR-Community-Begegnung. Holly und Curt haben eine HR 42E, sie wohnen in Alameda und besuchen uns auf der Flora. Auch diesmal wird es ein schöner Nachmittag mit viel “Boat-Talk” und einem weiteren Ausflug durch Alamedas Innenstadt und in die Randgebiete, diesmal zu einer Brauerei auf dem ehemals von der Navy genutzten Gelände und zum jetzt musealen Flugzeugträger USS Hornet.

Aus dem Kanal zwischen Alameda und Oakland hinaus geht’s wieder an den Containerriesen vorbei, danach können wir schön segeln.

Kreuz und quer durch die San Francisco Bay führt uns der Kurs wieder unter der Bay Bridge hindurch, diesmal nach Angel Island. Auch hier waren früher US-Streitkräfte stationiert, haben sich aber längst von der Insel zurück gezogen. Die zweite Funktion von Angel Island war es, erst Quarantänestation und dann zentrale Anlaufstelle für die Immigration an der Westküste zu sein, quasi das Pendant zu Ellis Island in New York an der Ostküste. Auch das ist längst Geschichte, an die nur noch das in den Gebäuden untergebrachte Museum erinnert.

Heute ist Angel Island vor allem ein wunderbares Wanderrevier. Ein Netz von Wegen und Pfaden zieht sich über die vergleichsweise steil aufragende Insel, die dadurch wunderbare Ausblicke über die San Francisco Bay und hinüber zur Stadt und zur Golden Gate Bridge bietet.

Skyline von San Francisco mit der Gefängnisinsel Alcatraz davor
Blick hinüber nach Sausalito mit der Richardson Bay
Blick zur Golden Gate Bridge
Blick nach Tiburon und Belvedere
Wilde California Fuchsie
Schwarzwedelhirsch

Die meisten Besucher erreichen Angel Island mit der Fähre, einige auch per Kayak. Für Bootsbesucher wie uns gibt es zwei Möglichkeiten: wir können an den Steg der kleinen Hafenanlage gehen oder zwischen zweien der davor ausliegenden Mooringtonnen festmachen. Am Steg darf man nur tagsüber liegen, an den Bojen auch über Nacht. Fast alles ist jetzt in der Nachsaison frei. Nur leider ist das Bojenfeld in einem so flachen Bereich eingerichtet, dass nur ein einziges Tonnenpaar eine Solltiefe von 2,4 m bietet. Und genau das ist natürlich belegt.

Wir machen also für unsere erste Wanderung am Steg fest, fahren dann abends hinüber und ankern an der Halbinsel Tiburon in der Paradise Cove. Nur um am nächsten Morgen wieder zu kommen und uns das jetzt freie Bojenpaar im Tiefen zu schnappen.

😊

San Francisco III: Von Schiffen im Land und einer Vielzahl von Regenbögen und Brücken

Ein Magen-Darm-Infekt hat mich einige Zeit aus dem Verkehr gezogen, aber jetzt bin ich wieder ok. Zum Glück haben wir ja reichlich Zeit, das wunderschöne San Francisco zu erkunden, da können wir uns auch solche ungeplanten Ruhezeiten nehmen.

Direkt am Ankerplatz im Aquatic Park liegt das Maritime Museum. Das beinhaltet zum einen den Hyde Street Pier. Mehrere historische Schiffe am Steg im Osten der Bucht, neben Segelschiffen auch Raritäten wie einem Dampf- und einem Schaufelrad-Schlepper sowie einer Schaufelrad-Fähre. Das heben wir uns aber für unseren nächsten Besuch an diesem Ankerplatz auf. Zum anderen ist da das Aquatic Park Bathhouse Building, auch bekannt als “Palace for the Public”. 1939 erbaut, war es konzipiert als öffentliches Badehaus mit Umkleiden und Schließfächern für Hunderte von Schwimmern sowie öffentlichen Duschen, die durch Lichtschranken aktiviert wurden, aber auch einem Restaurant und sogar einem Notfall-Krankenhausbereich.

Tatsächlich waren es die auch heute noch zahlreichen Schwimmer selbst, die mit jahrzehntelanger Hartnäckigkeit, Anträgen und Petitionen dafür sorgten, dass die ihren Sandstrand zunehmend bedrängende industrielle Nutzung von diesem innerstädtischen Badeplatz fern gehalten und der Aquatic Park geschaffen wurde.

Das Gebäude war 1939 eine der Speerspitzen der Moderne in der Stadt San Francisco. Das zeigt sich im runde Schiffsaufbauten interpretierenden Äußeren …

… aber ebenso im Inneren mit den farbenfrohen Wandmalereien der Eingangshalle, die phantastische nautische Welten zwischen Realismus und Abstraktion changieren lässt.

Hier ist heute eine kleine, aber durchaus interessante Ausstellung des maritimen Museums untergebracht.

Ein Schwerpunkt sind die transpazifischen Einhand-Segelreisen des Japaners Kenichi Horie. 1962 erreichte der damals 23jährige mit seiner nur 5,83 m langen “Mermaid” nach einem 94tägigen Nonstop-Törn von Osaka aus San Francisco. Ebenso beeindruckend: 2022, also 60 Jahre später (!) legte der inzwischen 83jährige Japaner die gleiche Strecke in umgekehrter Richtung wiederum allein segelnd in seiner 6,05 m kurzen “Suntury Mermaid III” in 69 Tagen zurück.

Ein zweiter Schwerpunkt ist einer historischen städtebaulichen und auch maritimen Kuriosität San Franciscos gewidmet. Sie beginnt – wie so vieles in San Francisco – wieder einmal mit dem kalifornischen Goldrausch 1849. Noch zwei Jahre zuvor hatte das Städtchen nur etwa 500 Einwohner gehabt. Nachdem sich die Kunde von einem 1848 gemachten Goldfund in Kalifornien verbreitete, fluteten allein 1849 etwa 40.000 Menschen in den Ort, um den Sacramento River hinauf in die Sierra Nevada Goldfields zu gelangen. Die Stadt boomte, bereits ein paar Jahre später Anfang der 1850er Jahre hatte sie knapp 40.000 feste Einwohner. Dabei ist zu beachten, dass das Gebiet der heutigen US-Bundesstaaten Kalifornien, Nevada, Arizona, Utah sowie Teilen von New Mexico, Colorado und Wyoming erst mit dem Friedensvertrag vom 2. Februar 1848 von Mexiko an die USA übergegangen war. In dem Mexikanisch-Amerikanischen Krieg von 1846-1848 hatte Mexiko dadurch fast die Hälfte seines bisherigen Staatsgebietes verloren. Die Benennung des Krieges ist allerdings ziemlich irreführend, da er maßgeblich von der amerikanischen Seite gewollt war und vorangetrieben wurde.

Wie auch immer, der Goldrausch und die dadurch angezogenen Menschenmassen führten unter anderem dazu, dass Kalifornien bereits 1850 als 31. Staat in die USA aufgenommen wurde.

In San Francisco führte der Goldrausch zu einem maritimen Kuriusom: buchstäblich hunderte von Schiffen, die mit Lieferungen von Waren oder mit Goldsuchern als Passagieren die Stadt angelaufen hatten, kamen hier nicht wieder weg. Grund war, das schlicht jegliche Besatzung fehlte. Die hatte nämlich sofort abgemustert oder war desertiert, um ebenfalls ihr Glück auf den Goldfeldern zu suchen.

Aus der Not machten andere eine Tugend. In gelb und rot sind auf diesem Stadtplan rund 50 Schiffe markiert, die bei der Bebauung von (heute) Downtown San Francisco ausgegraben wurden oder deren Standorte bekannt waren:

Wie kam es dazu? Die nutzlos gewordenen Schiffe wurden in der damaligen feuchten Niederung schlicht mit dem eigenen Ankergeschirr an Land gezogen, die Masten für die Abstützung verwendet und der Rumpf anderweitig genutzt, z.B. als Hotel, Lagerhalle oder als Ladengeschäfte.

Aus der (eigentlich gar nicht so) grauen Vorzeit in die regenbogenbunte Gegenwart: unser nächster Ausflug führt uns in den Stadtteil “The Castro”. Mehr Regenbogen geht eigentlich kaum.

The Castro nimmt für sich in Anspruch, eines der ersten “Gay Villages” bzw.. eine der erste “LGBT Neighborhoods” der USA zu sein. Parallel ist auch die Kunst-Scene sehr aktiv. Dieses Wochenende haben sich “Art Walk SF” und “Castro Art Mart” zusammengetan, diverse Bands spielen, es gibt Performances, Ausstellungen, Straßenverkaufsstände für Kunst und vieles mehr.

Und natürlich darf auch die Freude an der Provokation in der Stadt des „Summer of Love“ nicht fehlen. Kein „love-in“ wie von Scott Mckenzie für San Francisco besungen, aber ein ein bisschen öffentliche Nacktheit muss es dann scheinbar doch sein, vielleicht ist es auch eine Statement der besonderen Freiheit in San Francisco und besonders in The Castro.

Was einmal mehr auffällt ist die ungeheure Vielzahl an guterhaltenen Altbauten auch in diesem und den umliegenden Vierteln. Etwas, das wir bisher auf allen unseren Spaziergängen durch die Stadt gesehen haben und das für uns einen ganz besonderen Charme San Franciscos ausmacht.

Zurück am Boot im Aquatic Park: Ein weiterer phantastischer Sonnenuntergang mit der Golden Gate Bridge im Hintergrund, allerdings der vorerst letzte mit der Fidelis von Jeanette und Jeroen im Vordergrund: die beiden zieht es schneller als uns weiter nach Süden Richtung Mexiko.

Wir dagegen lassen Alcatraz links liegen, den Coit Tower rechts, und fahren unter der Bay Bridge (eigentlich: San Francisco -Oakland Bay Bridge) hindurch.

Die Bay Bridge spannt sich mit vier Stützen bis hinüber nach Yerba Buena Island, wobei die Autos auf dem oberen Brückendeck stadteinwärts und auf der darunter liegenden zweiten Ebene stadtauswärts fahren. Auf Yerba Buena gehts dann durch einen Tunnel und dann schließt sich der östliche Teil der Bay Bridge mit einem weiteren, allerdings deutlich moderneren stahlseiltragenden Pylon an.

Wir aber bleiben am westlichen Ufer, biegen gleich hinter der Brücke in den South Beach Harbour ein. Die maximalen Liegezeit im Aquatic Park von 5 Tagen am Stück ist abgelaufen, aber wir wollen noch etwas in der Stadt bleiben.

Die Seelöwen auf den Stegen geben zwar Tag und Nacht lautstarke Bell- und Rülps-Konzerte, aber ansonsten gefällt uns der Hafen ganz gut. Wir erledigen in der Laundry die Wäsche, füllen Wasser auf (in der Bay möchten wir den Wassermacher nicht lange laufen lassen). Und mit der direkt vor der Marina abfahrenden U-Bahn machen wir einen Ausflug in den Stadtteil Sunset zum botanischen Garten. Statt weiteren Bildern von schönen alten Häusern (die es auch in Sunset reichlich gibt), hab ich aus dem botanischen Garten mal wieder Fotos von Kolibris mitgebracht. Von vorne so unscheinbar, zeigt sich in der Seitenansicht der metallische Glanz des grünen Gefieders.

Und heute? Ging’s dann entlang der westlichen Bay Bridge (unter der man in der Ferne wieder die Golden Gate Bridge sehen kann) und um Yerba Buena herum zum Ankerplatz bei Treasure Island.

Mal sehen, welche Schätze sich dort finden lassen.

San Francisco II: Cable Car, Chinatown, Mission

Die Golden Gate Bridge erscheint nicht immer rot oder gar golden. Der Himmel nicht immer blau. Und auch San Francisco hat im wahrsten Sinne viele Farben und Nuancen zu bieten.

Wir nehmen ein Cable Car und fahren vom Marina District über die steilen Hügel von Russian Hill und Nob Hill. Dort macht unsere Linie einen Haken und führt dann weiter zur Market Street, einer der Haupteinkaufsstraßen in Downtown San Francisco.

Die Cable Cars sind so nostalgisch, wie wir sie aus diversen Filmen kennen. Innen komplett mit Holz ausgekleidet, hölzerne Sitzbänke, und nicht zuletzt offene Trittbretter, auf denen stehend außen an der Cable Car mitgefahren werden kann.

Jeweils zwei Operator fahren den Wagen. Warnweste und feste Handschuhe weisen sie aus, gleichzeitig ist einer von ihnen auch Schaffner. Die Bedienung der Cable Cars sieht nach schwerer Arbeit aus und im kleinen Cable Car Museum (1201 Mason Street) erfahren wir, warum das tatsächlich so ist. Die unter der Straße verlegten Kabel verlaufen für die vier Cable Car Linien in vier riesigen separaten Schleifen. Wie bei Seilbahnen werden sie über entsprechende Räder angetrieben und umgelenkt.

Die Wagons selbst werden dann durch den Operator (oder “Gripman”) an die Kabel angeklemmt und zwar im Wortsinne. Eine große Klemmzange greift um das Kabel und hält den Waggon an ihm fest. Mit gut 15 km/h geht es dann vorwärts. Vom Waggon aus kann der Griff gelockert werden, das Kabel rutscht dann etwas durch (langsame Fahrt) oder ganz gelöst (zum Anhalten, wobei dann vom Bremser auch die mechanische Radbremse angezogen werden muss).

Unterwegs im Cable Car sieht der Platz des Gripman zwischen den Sitzen so aus:

Seit 1863, also seit genau 150 Jahren gibt es die Cable Cars in San Francisco und an ihrer grundsätzlichen Mechanik hat sich nicht viel geändert.

Wir bummeln durch die Innenstadt und den Bereich SoMa (South of Market), wo auch das San Francisco MoMA (Museum of Modern Art) beheimatet ist, Mittwochs aber leider geschlossen hat. Also weiter Richtung der Hochhäuser der Finanzdistricts und dann abbiegen nach Norden.

Unser Ziel ist Chinatown, dass sich in mehreren Straßenzügen vom Financial District bis hinauf nach Little Italy um Telegraph Hill und North Beach hinzieht. Manchmal geht der Blick hinunter zum Wasser, wo mit der San Francisco-Oakland-Bay Bridge die größere Schwester der Golden Gate Bridge grüßt.

Vor allem aber ist Chinatown tatsächlich eine Stadt für sich. Als wir in einer Nebenstraße in einem kleinen Restaurant essen, sehen wir um uns herum ausschließlich Chinesen. Auch die Angestellten des Restaurants sprechen nur chinesisch, für uns wird eigens eine Übersetzerin herangeholt. „Wie haben Sie unser Restaurant gefunden?“ ist die erste übersetzte Frage. Das Essen ist dann übrigens sehr gut und ausgesprochen günstig. Wir lassen uns durch das zwischen Tradition und Moderne, zwischen Tourismus und eigenem Lebensstil changierende Viertel treiben und diese bunte Mischung auf uns wirken.

Am nächsten Tag nehmen wir vom Marina District den Bus der Linie 49. Die Nummer der Linie ist Zufall, aber ein witziger. Schließlich stehen die „San Francisco 49ers“ als NFL American-Football-Team ziemlich weit oben auf der Bekanntheitsliste in diesem Sport. Der Name hebt übrigens nicht auf das Gründungsjahr ab (das war erst 1946) sondern auf 1849 als das Jahr des kalifornischen Goldrausches, dass San Francisco einen kometenhaften Aufstieg bescherte. Und auch uns bringt die 49 zu den Ursprüngen der Stadtentwicklung. Wir fahren in den Stadtdistrikt „Mission“. Benannt ist er nach der ab 1776 erbauten katholischen Mission Dolores. Diese spanische Missionsstation wurde zwar gemeinhin Mission Dolores (nach dem benachbarten Flüsschen) genannt, war offiziell aber nach dem heiligen Franz von Assisi benannt. Und – na klar – sie war der Ursprung der sich in der Folge langsam, ab 1849 dann aber sprunghaft entwickelnden Stadt San Francisco. Das älteste noch existierende Gebäude der Stadt ist denn auch als zweite größere Gebäudestruktur der Mission bereits 1791 eingeweiht. Dieser alten Missionskirche wurde später eine neue zur Seite gestellt, die allerdings anders als das Altgebäude dem Erdbeben von 1906 zum Opfer fiel und 1918 durch eine verspielt dekorierte Basilika ersetzt wurde.

Der Stadtteil „Mission“ ist wohl das Viertel in San Francisco, in dem die lateinamerikanischen Wurzeln auch heute noch am stärksten zu spüren sind. Nicht wie in Chinatown praktisch als geschlossene Stadt, sondern vielmehr offen dynamisch auch für andere Kulturen, aber mit einem klaren Schwerpunkt im mexikanischen oder zumindest spanisch-sprachigen Bereich (diesmal essen wir wunderbar im peruanischen Restaurant „Limón“). Bars, Taquerias und Restaurants finden sich reichlich, aber auch zum Beispiel eine der wenigen wirklich guten Bäckereien.

Eine weitere Attraktion im Viertel sind die vielen Wandmalereien (Murals), allen voran das „Woman`s Building“ und die fast vollständig bemalte Gasse „Clarion Alley“. Letztere geht auf ein vor dreißig Jahren ins Leben gerufenes Kunst- und Community-Projekt zurück, das auch ein Zeichen gegen die „Neuentwicklung“ und Umstrukturierung gewachsener Stadtsteile und die damit einhergehende Gentrifizierung setzten will.

Klares Signal: San Francisco war nicht nur zu Hochzeiten der Hippiebewegung 1967 bis 1969 bunt, sondern will es weiterhin bleiben.

San Francisco: erste Eindrücke

Angekommen am Ankerplatz in Aquatic Parc, lassen wir erst einmal die Umgebung auf uns wirken. Das fast herzförmige Becken wird nach Nordwesten (in Richtung Golden Gate Bridge) durch eine geschwungene Mole gebildet. Die ist allerdings seit dem letzten größeren Erdbeben am 25.10.2022 baufällig und darf nicht mehr betreten werden.

Landseitig grenzt ein makelloser Sandstrand an die Bucht, dahinter schließt sich der öffentliche “Maritime Garden” an. Bei dem wunderbaren (für San Francisco untypisch warmen) Sommerwetter werden Park und Strand ausgiebig genutzt. Vor allem aber gibt es in der Bucht von frühmorgens bis spätabends viele Schwimmer. Gleich zwei Schwimmclubs haben hier ihre Stege und trotz der kräftigen Strömung trainieren ihre Mitglieder auch noch bei Dunkelheit. Motorboote dürfen daher nicht auf diesen Ankerplatz. Früher mussten die Segelboote auch unter Segeln einlaufen und ankern, heute darf aber der Hilfsmotor genutzt werden. Am Dinghy sind aber Motoren über 5 PS unzulässig. Unser Außenborder bleibt also am Heckkorb, wir rudern an Land.

In die andere Richtung schließen sich erst der Museums- und dann ein Fischereihafen an. Auch zur bekannten Pier 39 ist es zu Fuß nicht weit. Und dann geht’s den Berg hoch nach San Francisco hinein. Und in die Bucht hinaus geht der Blick zur berühmten Gefängnisinsel Alcatraz. Was für ein wunderbarer Ankerplatz!

Ok, also Fisherman’s Wharf und Pier 39. Das scheint als touristisches Pflichtprogramm in San Francisco zu gelten. Kneifen wir uns das? Wir sind versucht, aber dann haken wir es doch einfach mit einem Spaziergang ab. Es ist touristisch, besonders die Pier 39 ähnelt einem einzigen Jahrmarkt, aber es hat auch nette Seiten, zumal es alles andere als überfüllt ist. Wir sind scheinbar schon in der Nachsaison, spätestens ab nächstem Wochenende (Labour Day).

Einzig an der Spitze von Pier 39 drängeln sich die Menschen, um einen Blick auf die Seelöwen zu haben, die sich auf den davor befestigten Pontons sonnen und die Aufmerksamkeit zu genießen scheinen. Die am nächsten liegenden Pontons sind am dichtesten belegt.

Nette Idee auch: das Hard Rock Cafe am Eingang der Rummelmeile hat den Eingangsbereich nebst überdimensionierter Gitarre aus Stahl gebaut und in der Farbe der Golden Gate Bridge gestrichen.

Wir haben uns zwar (über die Munimobile-App) für 41 Dollar eine Wochenkarte für den öffentlichen Nahverkehr in San Francisco gekauft, die sonst 8 Dollar pro Einzelfahrt kostenden Cablecar-Wagons sind dabei eingeschlossen. Aber die Spannung darauf heben wir uns noch ein bisschen auf und erschließen uns die Umgebung erst einmal zu Fuß. Unser Weg führt uns im Zickzack in den Stadtteil North Beach, zurecht auch „Little Italy“ genannt.

Umwege hier her wären eigentlich nicht nötig (machen aber Spaß und sind ein guter Ausgleich nach der Zeit auf dem Boot). Die Stadt ist im Wesentlichen mit Straßen im Schachbrettmuster gebaut. Dies völlig unabhängig davon, dass die steilen Hügel eigentlich eine andere Wegeführung nahelegen würden. Aber dadurch entsteht eben auch der einzigartige Charakter der Stadt. Teilweise führen die Straßen mit 30 Prozent Steigung den Berg hinauf, im 90-Grad-Winkel zu terrassierten Straßen am Hang entlang. Die Verfolgungsjagden in den Krimis “Die Straßen von San Francisco” mit den springenden Autos lassen grüßen, Karl Malden und Michael Douglas auch.

Von North Beach aus haben wir zum Beispiel einen tollen Blick hinüber auf die Lombard Street. Die ist in einem Abschnitt so steil ist, dass auf dem eigentlich geraden Teilstück im Stadtteil Russian Hill Serpentinen hineingebaut wurden:

Da gehen wir auf dem Rückweg zur Flora natürlich auch lang. Von den steilen Passagen aus bieten sich auch immer wieder tolle Blicke:

Den Kaffee nach dem leckeren italienischem Essen nehmen wir denn auch erst, als wir fast schon wieder am Boot sind. Es wird ein besonderer Kaffee. Die Spezialität des “Buena Vista” ist nämlich Irish Coffee, man nimmt für sich in Anspruch, diese besondere Mischung aus (Irish) Whiskey und heißem Kaffee mit einer Schicht kalter flüssiger Sahne obendrauf 1952 in den USA eingeführt zu haben.

Und “Buena Vista” stimmt auf jeden Fall: als wir heraus kommen, sehen wir zwischen zwei Cablecars hindurch unten im Wasser genau …

… unsere Flora!

Am Abend hat dann zunächst die Sonne einen farbenprächtigen Abgang …

… und dann der Mond einen ebenso beeindruckenden Auftritt. Supermoon (wegen Erdnähe auf der elliptischen Umlaufbahn besonders groß) und außerdem noch Blue Moon (der zweite Vollmond in einem Monat), da wird alles gegeben:

Unter der Golden Gate Bridge hindurch nach San Francisco …

… das ist schon ein Träumchen.

Um das zu verwirklichen, ist der nächste Schritt von Crescent City aus ein etwa zwei Tage (und zwei Nächte) dauernder Törn um Kap Mendocino herum zur Drakes Bay. Wir nehmen in Kauf, dass wir eventuell einen größeren Teil davon unter Motor zurücklegen müssen. Aber wir haben Glück mit dem für seine Starkwinde bekannten Kap Mendocino, doppeltes Glück sogar: zunächst einmal begleiten uns bei spiegelglattem Wasser Pazifische Weißstreifendelfine (mit Kussmund-Zeichnung) um das Kap …

… und dann setzt kurze Zeit später segelbarer Wind ein. Eine Zeitlang fahren wir den Gennaker, die “Joy” unserer Segelfreunde Arianne und Michiel lüftet sogar das Besanstagsegel ihrer Contest 38 und fährt damit gleich vier Segel gleichzeitig:

Der Wind wird uns für den Rest des Törns nicht mehr verlassen, sondern entgegen der ursprünglichen Vorhersage weiter zunehmen, die bunte Pracht weicht also schon bald gerefften weißen Tüchern.

In die Ankerbucht der Drakes Bay laufen wir nach dem rund 40 Stunden dauernden Törn fast zeitgleich ein. Ein paar Stunden später gesellt sich die “Fidelis” von Jeanette und Jeroen dazu. Witzig, alle drei Yachten haben zusammen in Campbell River überwintert.

Der Stop in Drakes Bay gibt uns Gelegenheit auszuschlafen und den nur knapp 30 sm langen verbleibenden Schlag nach San Francisco mit mitlaufender Tide zu gestalten. Jeder kalkuliert ein bisschen anders: als wir Anker auf gehen, ist die Joy schon 6 sm voraus. Die Fidelis wiederum lässt uns einen ähnlichen Vorsprung.

Wir können segeln, aber zunächst löst sich die tief hängende Wolkendecke nur sehr zögerlich auf.

Am Point Bonita Lighthouse vorbei, der erste Blick auf die Golden Gate Bridge. Die Spitzen der Pfeiler sind noch in den tiefhängenden Wolken (oder ist es Hochnebel) verborgen.

Aber dann reißt der Himmel immer mehr auf, Gänsehaut, wir passieren die Golden Gate Bridge:

Nach der ersten vorsichtigen Durchfahrt unter Motor drehen wir gleich wieder um, nehmen die Segel hoch. Bei dem Wetter, das können wir doch jetzt auch unter Segeln genießen. Wir kreuzen wieder zurück. Wiebke hat pünktlich für San Francisco ihren Sommer-Pullover fertig gestrickt (mit Blumenmuster, wenn wir schon keine Blumen im Haar tragen).

Passt doch!

Und jetzt kommt auch die Fidelis an, wie wir zunächst unter Motor. Sie machen Fotos von der ihnen entgegen segelnden Flora …

…, drehen dann um, nehmen die Tücher hoch und lassen sich von uns vor der Golden Gate Bridge fotografieren:

Nach der Fotosession geht’s gemeinsam zum Ankerplatz im Aquatic Parc, ganz nahe am historischen Zentrum von San Francisco gelegen und mit Blick auf die Gefängnisinsel Alcatraz. Eigentlich eine Badebucht mit Sandstrand und mehreren Schwimmclubs, aber nach Online-Reservierung unter http://www.recreation.gov können wir hier für fünf Nächte direkt in der Stadt ankern.

Danke, San Francisco, für den netten Empfang.